Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

- Herr Kollege Kubicki, Sie sind einer der wenigen, die damals schon dabei waren. Wir waren damals unterschiedlicher Auffassung, und wir sind es auch heute.

Die SPD - und ich bin sicher, das gilt auch für die Kollegen von den Grünen und des SSW - steht an der Seite der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Provinzial. Privatisierung geht mit uns nicht! Wir werden dafür sorgen, dass wir die Debatte über die Sparkassen angemessen führen.

Eines will ich zum Schluss sagen, weil ich das der Presse entnommen habe, und weil sich Herr Kollege Callsen heute Morgen auf der Kundgebung auch so eingelassen hat: Den Beschäftigten zu sagen „Wir stehen an Ihrer Seite und deswegen: Hände

(Dr. Ralf Stegner)

weg vom Sparkassengesetz!“ ist nicht die Antwort, solange noch Privatisierungsgefahren drohen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Mit denen müssen wir uns auseinandersetzen, und mit denen werden wir uns auch auseinandersetzen.

(Beifall SPD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Oppositionsführer, Herr Abgeordneter Johannes Callsen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Provinzial-Versicherung gehört zu den traditionsreichen Versicherungsunternehmen in SchleswigHolstein. Ich weiß, unzählige Gebäude in diesem Land sind dort seit Generationen versichert. Dies zeigt die hohe Kundenbindung der Provinzial und die tiefe Verankerung dieser öffentlich-rechtlichen Versicherung in ganz Schleswig-Holstein.

Die Provinzial ist seit Jahrzehnten Partner und Förderer für Feuerwehren, für Sport und für viele andere gemeinnützige Bereiche, kurzum für das gesamte Ehrenamt, und sie ist - das ist das Wichtigste - Arbeitgeber für viele Tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kiel und überall in Schleswig-Holstein mit einem engmaschigen Vertriebsnetz, mit engen Partnerschaften zu den Sparkassen.

Deswegen ist es natürlich nicht verwunderlich, dass die Verkaufsgerüchte und Diskussionen in den letzten Tagen auf eine so breite landesweite Ablehnung gestoßen sind. Ich will hier ehrlicherweise sagen: Auch die Solidaritätsbekundungen heute Morgen in eisiger Kälte waren schon sehr beeindruckend. Ich sage deswegen deutlich für die CDU-Fraktion: Auch wir stehen einem Verkauf skeptisch gegenüber. Wir möchten die Provinzial gern erhalten.

(Beifall CDU)

Aber genau deswegen erwarten wir heute von der Regierung auch Lösungsvorschläge, um ebendiesen Verkauf der Provinzial zu verhindern; denn am Ende ist es doch die Landesregierung, die - das haben wir heute auch der Zeitung entnommen - das Heft des Handelns in der Hand hat.

Nun liegt seit Montag eine Handlungsalternative aus Nordrhein-Westfalen vor. Ich habe mich bei der ersten Meldung darüber in der Tat gefragt: Wenn es denn der Landesregierung darum geht, der Provinzial und den Sparkassen zu helfen, warum hat dann nicht unser Ministerpräsident von Schles

wig-Holstein diese Idee gehabt, warum musste es Frau Kraft sein? Ich finde, das sagt schon vieles.

(Beifall CDU - Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Aber diese Option aus Nordrhein-Westfalen bietet eine Atempause, die genutzt werden sollte. Auch die neuen Meldungen von heute Morgen sollten dazu genutzt werden. Außerdem sollte sehr genau geprüft werden, was die jetzt angedachte Fusion mit der Provinzial Rheinland für unsere Provinzial und eben auch für die gesamte Sparkassenfamilie bringt; denn das Thema „Provinzial“, Herr Kollege Dr. Stegner, ist zu vielschichtig, um es rein isoliert zu betrachten.

Deswegen bin ich sicher - und die Ergebnisse sind ja auch so -, dass die Gremien des Sparkassenund Giroverbandes heute alle diese Aspekte auch sehr verantwortungsvoll abwägen und abgewogen haben. Dahinter steckt nämlich am Ende die Kernfrage, wie den belasteten Sparkassen in diesem Land geholfen werden kann. Ich sage nur: Abschreibung HSH Nordbank. Ich sage nur: zusätzliche Verpflichtungen aus Basel III und andere Dinge, die in der Zukunft auf uns zukommen werden.

Umso mehr ist es notwendig, dass wir alles tun, um die Sparkassen zu stärken und ihnen die Möglichkeit zu geben und die Möglichkeit zu belassen, sich selbst zu helfen. Wir sollten alles unterlassen, was den Sparkassen in diesem Land Handlungsmöglichkeiten nimmt.

(Beifall CDU und vereinzelt SPD)

Deswegen nimmt die von der Koalition angekündigte Änderung des Sparkassengesetzes den Sparkassen die Chance, starke Partner wie die Haspa oder andere öffentlich-rechtliche Sparkassen mit ins Boot zu holen. Sie bewirkt genau das Gegenteil dessen, was jetzt erforderlich ist, und sollte von der Koalition daher schnellstmöglich abgeblasen werden. Herr Kollege Stegner, um mit Ihren Worten zu sprechen: Wer sagt: „Finger weg von der Provinzial!“, dem sage ich ebenfalls: „Hände weg vom Sparkassengesetz!“

(Beifall CDU und FDP)

Stattdessen ist jetzt die Landesregierung gefordert, schnell zu erklären, wie die angekündigte Verbesserung der Sparkassenlandschaft erreicht werden kann. Bisher haben wir dort noch keinen brauchbaren Vorschlag gehört. Wir als CDU legen Wert auf eine umfassende Analyse, auf eine Folgenabschätzung für alle Optionen. Wir erwarten von der Lan

(Dr. Ralf Stegner)

desregierung klare Antworten, spätestens nächste Woche im Wirtschafts- und Finanzausschuss.

Diese Aktuelle Stunde ist ein Signal, aber, Herr Dr. Stegner, sie ist am Ende kaum mehr als politische Schaumschlägerei. Es reicht eben nicht, immer nur Nein zu sagen, sondern es geht darum, auch konkrete Vorstellungen und Lösungsansätze zu offerieren.

(Beifall CDU und FDP)

Herr Ministerpräsident, wer starke Sparkassen will, der muss sich auch stark dafür einsetzen. Für die CDU gilt: Wir wünschen uns den Erhalt der Provinzial. Wir brauchen eine leistungsfähige Provinzial und leistungsfähige Sparkassen. Deswegen noch einmal: Hände weg vom Sparkassengesetz, und alle Handlungsoptionen für die Zukunft auf den Tisch!

(Beifall CDU und FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Andreas Tietze.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, es war kalt heute Morgen, aber es war wichtig, dass wir gemeinsam die Solidarität mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Provinzial gezeigt haben. Über 1.000 Menschen waren da. Wir konnten spüren, was es heißt, wenn man mitten in der Weihnachts- und Adventszeit eine solche Nachricht bekommt und eine solche Unruhe hat und wieder zu den Familien zurückgehen muss. Es war wichtig, dass wir heute gemeinsam da waren und auch gesagt haben: Ja, wir haben Solidarität mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und wir wollen, dass die Provinzial ein öffentlicher Versicherer bleibt.

Es geht hier um Gemeinwohl. Es geht auch darum, dass die Sparkassen, die vor einigen Jahren hier waren, als Sie das Sparkassengesetz geändert haben, im Übrigen uns daran erinnert haben, dass sie eine wichtige Garantie im öffentlich-rechtlichen Kreditgeschäft haben und dass sie auch hier eine solidarische Funktion haben, gerade was den Anteil der Spenden und so weiter angeht. Ich habe heute Morgen gesagt: Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wenn man als Sparkasse an die Politik herangeht und Solidarität einfordert, dann muss man

sie jetzt auch zeigen, wenn es darum geht, einen öffentlichen Versicherer zu erhalten.

Deshalb ist es wichtig und richtig, dass die Entscheidung, die heute gefallen ist, auch eine Bestandsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Finanzierungssektor ist; denn die öffentlichen Finanzinstitute, seien es die Sparkassen oder die Volks- und Raiffeisenbanken, die Genossenschaftsbanken, sind eben jene Stabilität in der Krise, die es unseren kleinen und mittelständischen Unternehmen möglich macht, weiterhin Kredite zu bekommen und am Markt erfolgreich tätig zu sein. Deshalb ist für uns wichtig, dass dieser Sektor eben auch als ein Stabilitätsfaktor für unsere Wirtschaft in Schleswig-Holstein erhalten bleibt.

Es darf nicht sein, dass die Provinzial fette Beute für einen Versicherer wird, der hier eindeutig im Privatgeschäft natürlich einen großen Vorteil sieht. Das Vertriebsnetz, dass die Sparkassen aufgebaut haben, wo die Provinzial eine große Rolle spielt, ist natürlich hochinteressant in einem stagnierenden Versicherungsmarkt, Lebensversicherungen und so weiter gehen zurück, die Sachversicherungen nehmen zu. Deshalb gibt es ein hohes Interesse natürlich auch eines privaten Investors, da einzusteigen und sich diese Dinge zu sichern und fette Beute zu machen. Da muss man sagen, das Vertrauen, das gerade die Provinzial und die Sparkassen in der Bevölkerung genießen, hat eben auch mit diesem Geschäftsmodell zu tun. Ich erinnere an die Feuerkasse, an die vielen öffentlichen Versicherungsverträge, die es gerade bei der Provinzial gibt.

Wir sagen: Ja, es ist gut, dass wir dieses Modell haben, denn es schafft und sichert Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein, es ist nachhaltig, und es ist ein Finanzierungssystem, das wir gerade in Zeiten von Banken- und Finanzkrisen auch schützen müssen; denn dieses Finanzierungssystem sichert eine andere Art von Wirtschaft und Finanzierung und ist nah an den Betrieben, nah an den Menschen. So heißt auch der Spruch der Provinzial: „Immer nah am Menschen“. Ich finde, das ist eine Finanzierungsart, die wir gut gebrauchen können, gerade wenn wir an Schleswig-Holstein denken.

Auch mich hat die Nachricht über Herrn Rüther sehr betroffen gemacht. Wir müssen darüber nachdenken, dass Menschen in Führungspositionen unter Druck geraten können, weil sie vielleicht doch nicht so offen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern reden können. Wir müssen auch darüber nachdenken, welche Ethik wir eigentlich im Management erwarten, was wir von unseren Führungskräften erwarten, wenn sie mit Mitarbeiterinnen

(Johannes Callsen)

und Mitarbeitern reden müssen. Deshalb ist mir an dieser Stelle Folgendes wichtig: Wenn man die Provinzial und mögliche Folgen sieht, muss man sich auch damit auseinandersetzen, was da eigentlich passiert ist. Natürlich kann man nicht verbieten, dass jemand über Verkaufsabsichten nachdenkt, aber man muss sich die Folgen einmal genau anschauen. Deshalb frage ich mich: Lohnt es sich eigentlich für die Sparkassen, Vertrauen zu verspielen, Vertrauen, das sie immerhin noch bei der Bevölkerung haben? Das gilt auch für die Provinzial. Da sage ich: Nein, es lohnt sich nicht, dieses Vertrauen zu verspielen.

Ich bin gestern einmal auf Facebook gewesen. Ich weiß nicht, ob Sie es verfolgt haben: 21.500 Unterstützer waren es, die auf dieser Facebookseite die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner aufgefordert haben, ihre Konten bei den Sparkassen für den Fall zu kündigen, dass die Provinzial verkauft wird. Dies ist eine Folge, an der wir alle sehen, was ein Shitstorm von Verbraucherinnen und Verbrauchern auslösen kann, wenn etwas passiert, was die Menschen nicht nachvollziehen können. Die Botschaft, die sie in der Weihnachtszeit gehört haben, dass 2.000 Arbeitsplätze bedroht sind, macht deutlich, dass Verbraucherinnen und Verbraucher eine deutliche Definitionsmacht haben. Die Sparkassen sollten ihr Erfolgsmodell nicht leichtfertig verspielen.

Ich möchte Folgendes deutlich machen. Für meine Fraktion gilt: Erstens. Wir brauchen eine Stärkung des öffentlichen Finanzverbundes, keine Schwächung. Zweitens. Der Verkauf des Tafelsilbers würde nur kurzfristig Verbindlichkeiten und Löcher stopfen, aber langfristig nicht nachhaltig sein. Drittens. Es geht um den Erhalt von Arbeitsplätzen in Schleswig-Holstein. Viertens. Die Provinzial ist ein gesundes Unternehmen. Deshalb war für uns der Verkauf nie nachvollziehbar. Fünftens. Die Sparkassen müssen die Chancen entdecken, die sie mit diesem Versicherungsverbund haben, auch für das Thema Vertrauen, Verlässlichkeit in einer unruhigen Zeit des Finanzmanagements.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW)

Das Wort für die FDP hat deren Fraktionsvorsitzender, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich Herrn Dr. Stegner bei einem Punkt danken, und zwar, dass Sie die Situation um den Vorstandsvorsitzenden der Provinzial Nord, Herrn Rüther, heute anders beschrieben haben als in der öffentlichen Erklärung, die Sie abgegeben haben. Wir müssen uns schon die Frage stellen, ob man den Druck, der auf Führungskräften lastet, dadurch mindert, dass man sie sofort ad personam in Frage stellt, wenn deutlich wird, dass sie mit ihren psychischen Problemen nicht ohne Weiteres fertig werden.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU - Zuruf SPD)

- Ja, bisher hat es keiner gesagt. Einer muss es vielleicht einmal tun. Insofern wundert es mich, dass es Sie wundert, dass ich mich bei Herrn Dr. Stegner bedanke, dass er das heute ein bisschen gerade gerückt hat. - Noch einmal: Wenn sich jemand ein Bein bricht, dann akzeptieren wir das, wenn jemand mit seinen psychischen Problemen nicht ohne Weiteres fertig wird, sagen wir: Der Mann - oder die Frau - muss weg. Das kann in einer Gesellschaft, die immer stärker unter Stress leidet, nicht richtig sein. Ich spreche da auch pro domo.

(Beifall FDP und CDU)

Ich würde auch dafür plädieren, dass wir bei der Frage, ob sich diese Auseinandersetzung tatsächlich für einen politischen Disput eignet, vielleicht ein bisschen deeskalieren; denn niemand von uns stellt in Frage, dass es Sinn macht, die Provinzial zu erhalten, dass es Sinn macht, um jeden einzelnen Arbeitsplatz und auch um das Headquarter in Kiel zu kämpfen. Schleswig-Holstein ist sonst kein Land mehr, das mit Unternehmen von überregionaler Bedeutung gesegnet ist und wo Entscheidungen hier und nicht woanders getroffen werden.

Ich sage dies, Herr Dr. Stegner, weil ich mich noch sehr genau daran erinnern kann, dass nicht Sie es damals waren, sondern die Opposition, die dafür Sorge getragen hat, dass wir eine Nachbesserungsklausel beim Verkauf der Provinzial an die Sparkassen vereinbart haben. Zunächst einmal, Herr Dr. Stegner, haben die Sozialdemokraten die Provinzial an die Sparkassen verkauft, der Not gehorchend. Wir haben damals gesagt: viel zu preiswert. Weil darüber ein Disput entstanden ist, ist eine Nachbesserungsklausel hineinverhandelt worden, die jetzt die Möglichkeit eröffnet, dass der Landtag und die Landesregierung erklären können, wir wol

(Dr. Andreas Tietze)

len bestimmte Entwicklungen bei der Provinzial nicht.

Wir tun den Beschäftigten keinen Gefallen, Herr Dr. Tietze, wenn wir hier Sonntagsreden halten und dann möglicherweise nicht beobachten, dass bei der angedachten Fusion mit der Provinzial Rheinland unter Umständen diese Klausel in dem Fusionsvertrag nicht mehr enthalten sein könnte. Gehen Sie einmal davon aus, dass unsere nordrhein-westfälischen Freunde zunächst auch an sich denken und nicht an uns und die Gemeinsamkeiten. Die Situation der Sparkassenverbände in Nordrhein-Westfalen ist noch dramatischer als die Situation der Sparkassen bei uns in Schleswig-Holstein.