Protokoll der Sitzung vom 23.08.2013

Aufgaben wahrnehmen, darauf achten müssen, dass es keine Zweifel an ihrer rechtsstaatlichen Prägung geben kann.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Herrn Abgeordneten Breyer?

Danke, Herr Kollege! Wir sind uns also einig, dass sich außerhalb des deutschen Territoriums die NSA nur an amerikanisches Recht halten will. Können Sie bestätigen, dass das amerikanische Recht für Nicht-US-Bürger keinerlei Datenschutz und keinerlei Recht auf informationelle Selbstbestimmung vorsieht, sodass die NSA - im Einklang mit US-amerikanischem Recht! - im Ausland flächendeckend Kommunikationsbeziehungen sammeln und in Datenbanken wie PRISM millionenfach aufbereiten kann?

(Zuruf CDU: Wollen Sie das mit deutschem Recht ändern?)

- Herr Breyer, da Sie in die amerikanische Jurisdiktion sehr tief eingestiegen sind, werden Ihnen auch die Hürden bekannt sein, die die NSA zu überspringen hat, bevor sie solche Überprüfungen vornehmen kann; diese müssen jeweils politisch und rechtlich angeordnet werden.

Zum Zweiten verweise ich noch einmal auf den Fortschrittsbericht der Bundesregierung. Es gibt durchaus Reaktionen, nicht nur auf die Diskussion, sondern auch auf die politischen Willensbekundungen der Regierung. Wichtige Dienstleister in Deutschland - angefangen bei T-online bis hin zu anderen - gehen den wichtigen Schritt, standardmäßig Verschlüsselungen einzuführen. Ich halte es auch nicht für eine abwegige Überlegung, elektronischen Datenverkehr, bei dem Sender und Empfänger in Deutschland sitzen, auch nur innerhalb Deutschlands durchzuleiten. Das wird am Ende davon abhängen, ob die Netze entsprechend ausgebaut sind. Es ist zu prüfen, ob das zum jetzigen Zeitpunkt leistbar ist. Wünschenswert wäre es auf jeden Fall, wobei sich meine Hauptsorge allerdings nicht auf die USA, sondern auf ganz andere Staaten bezieht. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

(Dr. Axel Bernstein)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Ralf Stegner das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich gleich zu Beginn feststellen, dass für die SPD-Fraktion gilt: Eine anlasslose, verdeckte und massenhafte Datenüberwachung - ob durch US-amerikanische oder britische Gemeindienste oder sonst wen - verletzt fundamentale Grundrechte.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Die informationelle Selbstbestimmung gehört zu den im Grundgesetz geschützten Freiheiten. Da die USA nicht behaupten, Herr Snowden sage die Unwahrheit, sondern ihn wegen Geheimnisverrats verfolgen, muss man nach derzeitigem Wissensstand annehmen, dass es solche Handlungen, die nicht zu rechtfertigen sind, gibt. Auch deshalb muss gelten, dass wir gegen Datenmissbrauch jeglicher Art konsequent vorgehen. Ich will dies nicht nur in Bezug auf Staaten und ihre Geheimdienste verstanden wissen, sondern auch die kommerzielle Nutzung persönlicher Daten durch Unternehmen einbeziehen.

Ebenfalls eine wichtige Frage, auf die wir in diesem Zusammenhang gestoßen sind, betrifft den Umgang mit Menschen wie Edward Snowden und die Auswirkungen seiner Enthüllung auf die Pressefreiheit, wie das Beispiel „Guardian“ zeigt. Ich meine, dass wir solche Whistleblower vor Strafverfolgung schützen müssen. Dass er ausgerechnet in Moskau Asyl sucht, ist doch ein Treppenwitz!

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Wir müssen uns ernsthaft die Frage stellen, ob hier die Freiheit, die wir schützen wollen, wirklich geschützt oder nicht eher partiell abgeschafft wird und ob wir das einfach zur Kenntnis nehmen wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist davon auszugehen, dass die NSA die deutsche Kommunikation überwacht. Das ist gerade unter befreundeten Staaten ein Skandal.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Geradezu unfassbar ist es aber, dass wir immer noch keine Klarheit haben, weder über die genauen Vorgänge noch über die Funktionsweise von

PRISM. Ich stelle fest, dass Angela Merkels Kanzleramtsminister Ronald Pofalla verharmlost und verschweigt. Statt dem Verdacht, dass Datensätze deutscher Bürger zu Unrecht erhoben werden, nachzugehen, erklärt er kurzerhand die Angelegenheit für beendet. Fehlt noch das „Basta!“. Aber so haben wir nicht gewettet.

Bundeskanzlerin Merkel trägt die Verantwortung dafür, dass die Grundrechte der Menschen in Deutschland gegenüber Ausspähung geschützt werden. Wie kann es eigentlich sein, dass Monate nach Bekanntwerden dieser Spähaffäre die Bundesregierung immer noch nicht erklärt hat, was sie über PRISM weiß? Verteidigt sie unsere Grundrechte? Stoppt sie so millionenfache Ausspähung?

Der Auftritt von Herrn Friedrich in Washington war des Vertreters einer deutschen Bundesregierung schlicht unwürdig und hat unser Land der Lächerlichkeit preisgegeben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Da muss Herr Stegner hin! Dann zittern die Amerikaner!)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie die Zwischenfrage des Abgeordneten Axel Bernstein?

Herr Kollege Stegner, wenn ich Sie soeben richtig verstanden habe, stellen Sie eine Ausspähung deutscher Staatsbürger als gegebene Tatsache hin; korrigieren Sie mich, wenn ich das falsch verstanden habe. Wie erklären Sie sich vor dem Hintergrund Ihrer Überzeugung die Aussagen Ihres Obmanns im Parlamentarischen Kontrollgremium, der darauf hingewiesen hat, dass es darauf keine Hinweise gebe?

- Ich habe mich nicht auf die Äußerungen von Herrn Oppermann bezogen, auch nicht auf das, was er in dem internen Ausschuss erfahren hat oder nicht erfahren hat. Ein Großteil davon ist übrigens intern geblieben; viele Fragen sind nicht beantwortet worden.

Ich habe mich in meiner Antwort vielmehr darauf bezogen, dass die USA nicht behaupten, Herr Snowden sage die Unwahrheit, sondern dass sie ihn wegen Geheimnisverrats verfolgen. Daraus muss man schlussfolgern, dass das, was Herr Snowden

behauptet, der Wahrheit entspricht, es sei denn, das Gegenteil wird bewiesen. Das ist meine Vermutung.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt SPD)

Herr Kollege Bernstein, sonst wäre es für die USA ein Leichtes zu sagen: Herr Snowden sagt die Unwahrheit. - Das tun die USA aber nicht. Ich habe das sehr genau verfolgt. Die USA verfolgen ihn wegen Geheimnisverrats. Das ist der Punkt.

(Zuruf CDU)

- Entschuldigung, das war nicht die Frage von Herrn Bernstein. Herr Bernstein hat gefragt, ob ich unterstelle, dass es das gebe. Ich habe mich gar nicht auf Aussagen der Bundesregierung bezogen, sondern dargelegt, was ich für plausibel halte: Wenn die USA nicht behaupten, er sage die Unwahrheit, sondern ihn wegen Geheimnisverrats verfolgen, dann ziehe ich daraus die logische Schlussfolgerung. Sie müssen die Logik ja nicht teilen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was hat denn der Innenminister Schleswig-Holsteins dazu ge- sagt? Er ist doch für die Spionageabwehr zu- ständig!)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten König?

Ja, gern.

Herr Stegner, vielen Dank, dass Sie mir die Möglichkeit geben. Ich möchte Sie fragen, wie Sie in Anbetracht dessen, was Sie gerade geäußert haben, zur Vorratsdatenspeicherung stehen. Sind Sie der Meinung, dass wir sie in Deutschland haben sollten, oder sollten wir sie abschaffen?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Eine sehr gute Frage!)

- Wen Sie loben, der muss es noch zu etwas bringen. Herr König, Sie werden von Herrn Kubicki schon gelobt. Das spricht für Sie.

Die Vorratsdatenspeicherung ist heute nicht unser Thema, aber ich will Ihnen die Antwort nicht schuldig bleiben. Erstens ist meine Einschätzung, dass die europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, die bisher von wenigen Staaten, unter anderem von der Bundesrepublik Deutschland, nicht

umgesetzt wird, in dieser Form nicht angenommen werden sollte, weil wir der Meinung sind, dass - bezogen auf die Zwecke - eine sechsmonatige Speicherung von Daten nicht angemessen ist.

(Beifall PIRATEN)

Zweitens ist meine Position immer gewesen, dass man hinsichtlich der Frage, ob diese Maßnahme überhaupt angewandt werden soll, hohe Hürden setzen muss. Wir wollen eine richterliche Entscheidung. Wir sollten über die Europäische Union versuchen, an dieser Richtlinie etwas zu verändern.

Sie einfach nicht anzuwenden, ohne etwas zu verändern, wäre, nebenbei bemerkt, Bruch von europäischem Recht. Herr Kubicki sagt mir immer, Recht gelte, ob es einem passe oder nicht. Mein Rat ist: Bevor Konventionalstrafen verhängt werden, sollte man versuchen, deutschen Einfluss dahin gehend auszuüben, dass diese Richtlinie geändert wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das machen wir gerade!)

- Das machen Sie ganz toll. Sie haben sich schon gegen Ihren Koalitionspartner in Berlin durchgesetzt, wie man hören kann.

Wir wollen, dass das verändert wird und dass man, was dieses Thema angeht, in Europa zu einer restriktiven Handhabung kommt. Darüber können wir gern noch unter einem anderen Tagesordnungspunkt diskutieren.

Ich würde mich jetzt gern mit dem Tagesordnungspunkt im engeren Sinne befassen, weil es in diesem Zusammenhang schon noch ein paar Punkte gibt, über die zu reden sich lohnt. Über die Vorratsdatenspeicherung diskutieren wir gern bei anderer Gelegenheit. Sie kennen die Passage dazu im Koalitionsvertrag; dieser gilt für die Kolleginnen und Kollegen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Nachfrage des Abgeordneten König?

Immer gern.

Bitte sehen Sie es mir nach, dass ich das gerade nicht richtig verstanden habe: Wollen Sie die Vorratsda