Protokoll der Sitzung vom 26.09.2013

(Serpil Midyatli [SPD]: Wer misst denn hier mit zweierlei Maß?)

dass hier ein Schutzzaun aufgebaut werden soll, als sei der gesamte Bereich der Förderung der Minderheiten außerhalb jeder öffentlichen politischen Erörterung. Das kann nicht der Fall sein.

(Beifall FDP und CDU)

Wir können uns über die Art und Weise, wie man Minderheiten unterstützt und fördert, auch hier kritisch auseinandersetzen. Das ist kein Verstoß gegen den heiligen Geist der Landesverfassung, die den Schutz und die Förderung der Minderheiten im Grundsatz für uns alle verpflichtend macht. Wie bei allen anderen politischen Themen ist dieser dann durchaus politisch zu erörtern.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat die Kollegin Angelika Beer.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meiner Fraktion geht es darum, Minderheiten in Europa eine europäische Stimme zu geben. Deswegen werde ich mich an einer anderen Debatte, die hier gerade wieder aufgebrochen ist, nicht beteiligen.

(Beifall PIRATEN)

Ich bin froh und glücklich darüber, in einem Landtag zu sitzen, von dem ich weiß, dass jede Minderheit nicht nur unterstützt, sondern auch gefördert wird, und ich möchte, dass das so bleibt. Das hat nichts mit Parteipolitik zu tun.

(Dr. Ekkehard Klug)

(Beifall PIRATEN)

Ich bin der Überzeugung, dass Europa seine Verantwortung für Minderheiten in den Mitgliedstaaten umsetzen muss. Aus diesem Grund ist die von der FUEV geleitete Initiative für uns eine sehr gute, eine entscheidende Initiative, die wir unterstützen. Es ist die erste Initiative im Rahmen des Bürgerbegehrens zu Minderheiten. Wir möchten, dass diese „Minority Safepack Initiative” stattfinden kann. Ich muss an dieser Stelle sagen: Ich halte die Ablehnung durch die Kommission für eine politische Ablehnung, auch wenn sie formal begründet wird. Deswegen begrüße ich, dass die FUEV-Vertreter gerade jetzt in Brüssel sind, um darüber zu diskutieren. Ich hoffe, dass sie es schaffen, dass die Zurückweisung durch die Kommission zurückgenommen wird.

(Beifall PIRATEN, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist gesagt worden: Wir haben in Europa 40 Millionen Menschen, die einer Minderheit angehören. Es gibt unterschiedliche Zahlen, aber diese 40 Millionen Menschen brauchen eine Stimme. Ich bin dafür, dass sie für sich selber sprechen können. Sie brauchen uns nicht als Stellvertreter. Deswegen ist es so wichtig, dass wir heute eine Entscheidung treffen. Wir haben den Antrag eigentlich überweisen wollen, weil wir gesagt haben, das ist ein wichtiges Thema mit vielen Fragen. Aber wir müssen dieses Signal in dieser Stunde geben.

Konkret ging und geht es bei dieser Initiative auch darum, dass Roma als gesamteuropäische Minderheit anerkannt werden. Spätestens seit der Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in die EU hat sich die Problematik des europäischen Antiziganismus tiefer in die EU hinein verlagert und verschärft. Die Kopenhagener Kriterien sind erwähnt worden. Die EU hat Instrumente, Mitgliedsländer, die gegen die Kopenhagener Kriterien verstoßen, dafür zur Verantwortung zu ziehen. Das ist das Mindeste, was wir verlangen.

(Beifall PIRATEN, SSW und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in Schleswig-Holstein ein Zeichen gesetzt. Ich freue mich, dass Hauke Bruhns hier ist als Vertreter des Landesverbandes der Sinti und Roma. Ich will hier auch noch einmal ganz klar sagen: Gerade die rassistische Plakataktion der NPD ganz gezielt gegen unsere Sinti und Roma in SchleswigHolstein hat deutlich gemacht, dass hier größter Handlungsbedarf besteht.

Als weiteres Beispiel zitiere ich die jüngste Äußerung des französischen Innenministers zu den Roma in Frankreich. Er sagt: „Wir haben nicht die Aufgabe, das ganze Elend dieser Welt aufzunehmen.” Und weiter: “Die Gruppe der Roma habe deutlich andere Lebensweisen. Es sei besser, wenn die Roma beispielsweise nach Rumänien oder Bulgarien zurückkehrten.”

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Ein sozialisti- sches Kabinettsmitglied! Unglaublich!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das zeigt, dass Rassismus selbst bei europäischen Politikern leider keine Ausnahme ist.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Die soziale Kohäsion in Europa nimmt zu, der Druck wächst, und wir stehen am Scheideweg. Während die EU einmal angetreten ist, Grenzen zu überwinden, nimmt abseits der Scheinwerfer auch die Spaltung zwischen den Ethnien weiter zu. Das ist ein Alarmsignal. Ich möchte, dass wir hier einig sind, dass wir dieser Gefahr gemeinsam entgegentreten.

Was tut die europäische Politik dagegen? Was bedeutet das Motto der Europäischen Union „In Vielfalt geeint”? Wie wird es gelebt? - Es wird nicht einmal umgesetzt. Es reicht nicht, Verletzungen zu kritisieren und dazu aufzufordern, massivste Diskriminierungen von Minderheiten zu beenden. Wir brauchen hier andere Möglichkeiten. Zum Schluss möchte ich den Präsidenten der FUEV aus einem offenen Brief vom 19. September 2013 zitieren. Er sagte:

„Es muss den politisch Verantwortlichen klar gemacht werden, dass die Devise ‚weiter so’ in Minderheitenangelegenheiten ein Spiel mit dem Feuer ist. Die Tendenz zum Nationalismus und damit einhergehend die Ausgrenzung von Minderheiten ist unübersehbar. Dieses zeigt sich am deutlichsten bei der größten Minderheit, den Roma.“

Dem kann ich nur zustimmen.

(Beifall PIRATEN)

Eigentlich müsste man viel länger über dieses Thema diskutieren. Am Ende der knappen Redezeit möchte ich sagen, dass wir den Vorschlag der Minderheitenbeauftragten im Zusammenhang mit einem europäischen Kommissar gern im Ausschuss diskutieren. Aufgrund der geschilderten Entwicklungen in der Europäischen Union befürchte ich allerdings, dass wir unseren Minderheiten damit nicht

(Angelika Beer)

unbedingt einen Gefallen tun, denn wir können nicht sicher sein, dass ein solcher Kommissar die vorbildliche Minderheitenpolitik in Schleswig-Holstein auch gutheißen wird.

(Beifall PIRATEN und Jette Waldinger- Thiering [SSW])

Vielen Dank. - Zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Stegner von der SPDFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war sehr erstaunt über die Anmerkung des Oberzensors Dr. Klug. Er hat behauptet, Frau Pauls habe hier Misstöne in die Debatte gebracht. Frau Pauls hat auf Misstöne hingewiesen. Wenn der Präsident des Europäischen Parlaments sagt, es sei schon von Bedeutung, dass die Jugendorganisation der Partei der Bundeskanzlerin in einer solchen Sache so auftrete, dann finde ich, man darf das tun. Ich weiß nicht, welchen Grund Sie haben, sich vor die Junge Union zu stellen. Ich kann nur sagen: In dem Schriftsatz, um den es ging, wurde bestritten, dass der SSW die Partei der dänischen Minderheit sei. Mehr kann man etwas nicht infrage stellen.

(Beifall Bernd Heinemann [SPD] und Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Reaktion auf das Urteil lautete, dies sei ein politisch einseitiges Urteil. Ich habe gelesen, ein CDU-Richter sei umgefallen. Was sind das für Verhältnisse, wenn man so urteilt? - Das sind die Misstöne.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Oppositionsführer, Sie haben nicht das Kreuz, dies in Ihrer Partei zurückzuweisen. Dass Sie dafür nicht die Kraft haben, fällt auf Sie zurück. Sie sollten sich dafür schämen, dass Ihre Jugendorganisation so etwas macht.

Lassen Sie mich noch etwas anderes sagen: Natürlich kann jeder klagen, das ist sein gutes Recht. Dies aber mit solchen Begründungen zu tun und diese so zu kommentieren - Herr Dr. Klug, wenn die FDP hier im Haus dies verteidigt, dann kann ich daraus nur folgern, dass Sie nach wie vor der Meinung sind, dass es richtig gewesen ist, dass die schwarz-gelbe Koalition in der letzten Legislaturperiode die Minderheiten schlecht behandelt hat, so

dass man in Kopenhagen von konservativen und von liberalen Politikern angesprochen und gefragt wurde: Was ist eigentlich los bei euch? Warum habt ihr die parteiübergreifende Minderheitenpolitik aufgegeben? - Das ist der Sachverhalt, über den wir hier reden.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung oder -frage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Sehr gern.

Bitte, Herr Kubicki.

Herr Kollege Dr. Stegner, auch wenn es schwerfällt: Teilen Sie meine Auffassung, dass man rechtsstaatliche Grundsätze verteidigen kann, ohne sich mit dem Inhalt von Schriftsätzen gemeinmachen zu müssen? Teilen Sie meine Auffassung, dass man nicht jede Formulierung teilt? Sie waren bei der Verhandlung vor dem Verfassungsgericht anwesend. Teilen Sie meine Auffassung, dass bei der Verhandlung vor dem Verfassungsgericht allein die Überlegung einiger Prozessvertreter, es gebe nicht einmal eine dänische Minderheit, an die Grenzen der intellektuellen Leistungsfähigkeit der sonstigen Anwesenden gestoßen ist und dass Sie das weder der CDU noch der FDP oder sonst jemandem zurechnen können, sondern nur denen, die sich so unintellektuell geäußert haben?

(Beifall CDU)

Herr Kollege Kubicki, das teile ich ausdrücklich. Ich muss jedoch sagen, die Gemeinschaft beziehungsweise die Gesellschaft in Schleswig war schon sehr eigentümlich.

(Zurufe - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist eine Frechheit!)

- Vielleicht mögen Sie zuhören, wenn ich Ihre Frage beantworte, Herr Kollege?

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- Lieber Herr Kollege Kubicki, ich würde Ihre Frage gern in Ruhe beantworten. Ich teile ausdrücklich

(Angelika Beer)

das, was Sie gesagt haben. Ich will aber auf zwei Dinge hinweisen: Es kann uns nicht egal sein, wenn in Schleswig bei denjenigen, die klagen, Leute dabei sind, die eine Argumentation haben, von der ich sagen möchte, mit solchen Menschen sollte hier niemand etwas zu tun haben wollen. Ein zweiter Punkt ist: Wenn Sie Vorsitzender der FDP wären, dann würde ich es Ihnen intellektuell eigentlich zutrauen, dass die Jungen Liberalen, die sagen, dies sei ein politisch einseitiges Gericht, es gebe keine Partei der dänischen Minderheit, von Ihnen so kommentiert würden, dass Sie sagten: Ich habe mit denen nichts zu tun. - Ich nehme an, Sie würden sich hier hinstellen und sagen: Das verurteile ich, das ist nicht in Ordnung. - Die Kraft hat Ihr Kollege Callsen nicht. Das ist das, worauf ich hier hingewiesen habe. Das ist der Punkt, um den es eigentlich geht.

Ich gebe zu, das ist sehr weit hergeholt, aber ich mutmaße, die Jusos würden so etwas tun und ich würde mich als Partei- und Fraktionsvorsitzender der SPD hier hinstellen und sagen: Mit denen habe ich nichts zu tun. Sie würden dann lachen und höhnisch dazwischenrufen. Sie würden mich kritisieren, und Sie täten das zu Recht. Die Jusos machen so etwas aber nicht. Es ist die Junge Union, die so etwas macht. Das ist der Unterschied.