Ich gebe zu, das ist sehr weit hergeholt, aber ich mutmaße, die Jusos würden so etwas tun und ich würde mich als Partei- und Fraktionsvorsitzender der SPD hier hinstellen und sagen: Mit denen habe ich nichts zu tun. Sie würden dann lachen und höhnisch dazwischenrufen. Sie würden mich kritisieren, und Sie täten das zu Recht. Die Jusos machen so etwas aber nicht. Es ist die Junge Union, die so etwas macht. Das ist der Unterschied.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern zum eigentlichen Inhalt der Debatte über den Antrag zurückkehren.
Das ist die Frage des Minderheitenschutzes. Der Schutz der Rechte der Minderheiten ist sehr wichtig, und zwar nicht nur für die unmittelbar Betroffenen, sondern für alle von uns. Es ist wichtig, endlich durchzusetzen, dass es aufhört, dass die Rechte von Minderheiten wie Sinti und Roma in einigen EU-Staaten verletzt werden. Das ist ebenfalls von höchster Bedeutung. Die Kollegin Angelika Beer hat es bereits gesagt: Der Schutz der Minderheiten ist für mich zu wichtig, um ihn der EU in ihrem derzeitigen Zustand zu übertragen. Die Europäische Union ist im Moment nicht für den Minderheiten
schutz innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten zuständig. Sie ist nicht zuständig für die kulturelle Vielfalt und für den Grundrechteschutz. In Anbetracht der bekannten demokratischen Defizite der Europäischen Union finde ich, dass das auch gut so ist.
Wir haben gerade im Bereich der Bürgerbeteiligung Defizite. Das zeigt sich auch an Ihrer Bürgerinitiative. Die Hürden für Bürgerinitiativen liegen viel zu hoch. Dieses Instrument ist viel zu unverbindlich, und es hat einen viel zu engen Anwendungsbereich. Infolgedessen bin ich der Meinung, dass man im Rahmen der Europäischen Union an eine finanzielle Unterstützung der Minderheiten denken könnte. Denkbar wären auch internationale Vereinbarungen, insbesondere im Rahmen des Europarats. Es gibt bereits eine Rahmenkonvention zum Minderheitenschutz, die Frankreich übrigens bis heute leider nicht unterzeichnet hat. Das heißt, eine EU-Vertragsänderung würde nicht die Unterstützung Frankreichs finden.
Es gibt viele Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Schutz der Sinti und Roma, was ich ausdrücklich gut finde. Der Schutz der Grundrechte und der Minderheiten ist in Straßburg richtig angesiedelt und nicht in Brüssel.
Sofern in diesem Antrag eine Unterstützung der FUEV gefordert wird, begrüße ich das. Mir ist das aber zu unkonkret. Wie soll die Unterstützung aussehen? - Hier fehlen mir konkrete Zusagen dahin gehend, wie das konkret gefasst werden soll. Infolgedessen hoffe ich, dass ich erklären konnte, wieso der Schutz der Minderheiten uns allen ein wichtiges Anliegen ist, dass wir aber darüber streiten, ob der Weg, der hier vorgeschlagen wird, der richtige ist. Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Stegner, ich bin ein Stück weit persönlich betroffen. Sie wissen, ich komme aus dem Landesteil Schleswig. Ich bin in kultureller Vielfalt mit der dänischen Minderheit aufgewachsen, die ich persönlich nie infrage stellen würde, weil ich sie mein Leben lang erlebt habe. Auch dies war einer der Gründe dafür, dass die CDU-Fraktion in einem aufrichtigen Anliegen in dieses Haus einen Antrag eingebracht hat, um die Region Schleswig-Holstein
und Süddänemark mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel zu versehen. Dies soll kein museales Siegel sein, sondern es soll zeigen, welche Lebendigkeit die Minderheiten in Schleswig-Holstein haben, insbesondere in der deutsch-dänischen Grenzregion. Es soll deutlich machen, welchen Beitrag die gemeinsame Arbeit der Minderheiten und der Mehrheit für die Einheit Europas geleistet hat.
Ich fühle mich durch Ihre Worte sehr stark persönlich angegriffen, wenn Sie mir und uns als CDUFraktion dies so grundsätzlich und pauschal absprechen. Herr Kollege Stegner, so geht es nicht.
Ich habe es gestern auch schon gesagt. Der Kollege Klug hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass in unserem Rechtsstaat jeder das Recht hat, von seinen rechtlichen Möglichkeiten vor Gericht wie auch immer Gebrauch zu machen. Da geht es nicht um die Frage, in welcher - wie Sie es unterstellen Gesellschaft man sich da mit anderen Klägern befindet. Die kann man sich nicht aussuchen. Aber das Recht, das überprüfen zu lassen, hat man.
Zu den politischen Implikationen, die Sie hier unterstellen, sage ich für die CDU-Fraktion sehr deutlich: Wir haben immer erklärt - das gilt auch für den CDU-Landesverband, und unser Landesvorsitzender hat da klare Worte gefunden -, dass wir uns mit dem SSW nicht rechtlich, sondern politisch auseinandersetzen. Die Unterstellung, die von Ihnen hier kam, es sei ein CDU-Richter umgefallen, weise ich mit aller Entschiedenheit zurück.
(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ich habe das Zitat gebracht! - Serpil Midyatli [SPD]: Das stand in der Zeitung! - Weitere Zurufe SPD)
- Entschuldigung, das war die Überschrift in den „Kieler Nachrichten“, wenn ich das richtig weiß. Herr Dr. Stegner, Moment! Gerade diese Tatsache zeigt doch, wie unabhängig die Justiz in diesem Land ist.
Um zur allgemeinen Beruhigung ein wenig beizutragen, möchte ich Ihnen die Resolution der Jungen Union Schleswig-Holstein vom 26. September 2013 zumindest in den Kernsätzen vorlesen:
„Mit unserer Resolution stellen wir noch einmal klar, dass die Junge Union SchleswigHolstein wie auch die Beschwerdeführer aus ihren Reihen zu keinem Zeitpunkt die Existenz der dänischen Minderheit infrage gestellt hat. Die dänische Minderheit ist und
bleibt ein wichtiger Teil der schleswig-holsteinischen Familie. Die diesbezüglichen Vorwürfe des SSW, der sich als Partei einmal mehr fälschlicherweise mit der Minderheit gleichsetzt, weisen wir entschieden zurück.“
(Beifall CDU - Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD] - Volker Dornquast [CDU]: Herr Stegner will das missverstehen, glaube ich! - Weitere Zu- rufe)
Meine Damen und Herren, wir fahren fort. Das Wort hat Herr Abgeordneter Lars Harms für die Kolleginnen und Kollegen des SSW.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eigentlich egal, was erklärt wird oder was einmal in Klageschriften gestanden hat. Was wir in Bezug auf den SSW feststellen können, ist, dass unser Landesverfassungsgericht - ein unabhängiges Gericht - einen Richterspruch erlassen hat, der da sagt, dass die Befreiung des SSW von der Fünfprozentklausel genauso wie die Daseinsberechtigung von mehr als nur einem Abgeordneten in diesem Hohen Hause rechtens ist. Das ist Fakt. Alles andere, glaube ich, kann man bilateral klären, das werden wir auch noch klären. Es ist an der Zeit, dass wir diese Diskussion jetzt zu den Akten legen,
dass die Zeit möglicherweise Wunden heilt, aber möglicherweise auch Erkenntnis bei dem einen oder anderen fördert. Das sage ich ganz deutlich.
tive nicht annimmt. Formal mag es so, wie es jetzt ist, begründbar sein. Es ist rechtlich oft so, dass etwas begründbar ist. Ich glaube aber nicht, dass es sachlich gerechtfertigt ist, eine Bürgerinitiative auf die Art und Weise nicht zum Zuge kommen zu lassen. Es steht der EU grundsätzlich - egal, ob wir über das Parlament oder über die Kommission reden oder ob wir über die Einflussmöglichkeiten von nationalen Regierungen reden - sehr gut an, in sich zu gehen und zu prüfen, ob man nicht doch mehr Verantwortung für die europäischen Minderheiten auf sich nehmen kann, weil - das ist für mich das Entscheidende - wir es hier relativ gut haben. Wir haben auch unsere Konflikte, das ist völlig okay. Aber wir leben in einem Rechtsstaat und haben es relativ gut. Gerade weil wir in einem Rechtsstaat leben, ist das Urteil so ausgefallen, wie es in Bezug auf den SSW ausgefallen ist.
Anderenorts sieht es aber anders aus, sowohl in der EU als auch darüber hinaus. Da kommt einer übernationalen Organisation durchaus eben doch eine andere Aufgabe zu. Deswegen ist es wichtig, dass gerade aus unserem Hohen Haus die Botschaft ausgesandt wird, dass wir die EU entsprechend auffordern und ermuntern, Verantwortung für die Minderheiten in der EU zu übernehmen.
Das Wort für die Landesregierung erteile ich der Ministerin für Justiz, Kultur und Europa, Frau Anke Spoorendonk.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Landesregierung begrüßt den vorliegenden Antrag ausdrücklich. Ich denke, man kann zu Recht fragen: Wenn nicht wir in Schleswig-Holstein, wer denn sonst sollte sich dieser Sache annehmen?
Wie notwendig es ist, die Rechte von Minderheiten auch auf EU-Ebene im Blick zu haben, zeigt uns leider die abschlägige Entscheidung der EU-Kommission, die Europäische Minderheiten-Bürgerin
Schon im September 2004 hatte die Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen, also die FUEV, bei einer Präsidiumssitzung die sogenannte Flensburger Erklärung verabschiedet. Sie fordert darin unter anderem, dass ein Kommissar oder eine Kommissarin für die Koordination der sprachlichen, kulturellen und rechtlichen Belange der nationalen Minderheiten verantwortlich zeichnet.
Ministerpräsidentin Heide Simonis hatte seinerzeit auf Anregung der damaligen und heutigen Minderheitenbeauftragten Renate Schnack diese Forderung der FUEV aufgegriffen und im Oktober 2004 an den designierten Präsidenten der EU-Kommission, José Manuel Barroso, geschrieben und für die Umsetzung dieses Wunsches geworben.
Damals ging es übergeordnet betrachtet um die Unterzeichnung der Charta der Grundrechte, in der die Rechte nationaler Minderheiten ausdrücklich genannt werden. Heute ist der Kontext die Wahl zum Europaparlament im nächsten Jahr, aber auch - das füge ich hinzu - vor dem Hintergrund der Finanzund Staatsschulden-Krise die Notwendigkeit, den eingeengten Blick auf Europa wieder zu erweitern; denn wir haben vergessen, dass Europa mehr ist als die Lösung dieser Staatsschulden-Krise, als die Probleme der Euro-Zusammenarbeit.
Gegenwärtig vertritt Viviane Reding als Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft an vielen Punkten die Interessen nationaler Minderheiten.