Protokoll der Sitzung vom 26.09.2013

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] und Flemming Meyer [SSW])

Doch es geht hier vor allem um den Gedanken der Menschenrechte und den Kampf gegen Diskriminierung. Der Aspekt der kulturellen, sprachlichen und politischen Belange von nationalen Minderheiten wird dabei häufig völlig außer Acht gelassen. Ich kann in Klammern hinzufügen: Das Gespräch, das das Kabinett im Rahmen seiner auswärtigen Kabinettssitzung in Brüssel mit Frau Reding führte, machte deutlich, wie schwierig es ist, gerade diese Belange der Minderheiten auf EU-Ebene zu verdeutlichen. Auch das Beispiel des Aktionsplans gegen die Diskriminierung von Roma in der EU zeigt ganz deutlich, dass hier wirklich noch etwas geleistet werden muss, dass hier noch nicht alles im Reinen ist.

Die EU-Kommissarin für Bildung und Kultur, Frau Vassiliou aus Zypern, ist zwar seit 2010 auch für

(Lars Harms)

Mehrsprachigkeit verantwortlich, doch politisch konzentriert sie sich in erster Linie auf die Förderung von Fremdsprachenkenntnissen als Mittel für die Mobilität der europäischen Arbeitnehmer und die Wettbewerbsfähigkeit im gemeinsamen Arbeitsmarkt. Erst in zweiter Linie ist die Kommissarin auch für die Rechte von Sprechern von Regional- und Minderheitensprachen sowie der Sprachen von Migranten zuständig. Aus minderheitenpolitischer Sicht kann uns diese Situation natürlich überhaupt nicht zufriedenstellen, zumal es - wie auch ich sage - europäische Normalität ist, dass Menschen mit einer anderen Sprache aufwachsen als mit der Sprache ihres Staates.

Am 15. Juli 2013, also im Sommer, hat nun das Bürgerkomitee der Europäischen Minderheiteninitiative getagt, der ich zusammen mit sechs anderen Politikerinnen und Politikern mit Minderheitenhintergrund angehöre - angefangen mit Hans-Heinrich Hansen von der FUEV, aber auch Karl-Heinz Lambertz, Ministerpräsident der deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien, oder ebenfalls aus Belgien Jannewietske De Vries.

Insgesamt macht dieses Bürgerkomitee deutlich, dass Minderheitenpolitiker natürlich sehr wohl auf europäischer Ebene an Entscheidungen teilnehmen und sich auch zu Wort melden. Darum ist diese Initiative sehr viel mehr als nur eine Bürgerinitiative, wobei ich dieses Wort nur in Anführungszeichen setzen möchte.

Unter dem Motto „Du bist nicht allein. Eine Million Unterschriften für die Vielfalt Europas“ geht es darum, auf der Ebene der EU die Frage der Minderheiten und Volksgruppen sowie die regionalen Minderheitensprachen in den Mittelpunkt zu rücken, diese Fragestellung sozusagen zu einer Pflichtaufgabe der Europäischen Kommission zu machen.

Leider hat die EU-Kommission diesen Antrag - es ist bereits mehrfach gesagt worden - in der vergangenen Woche aus formalen Gründen abgelehnt. Gesagt wurde, der Antrag liege außerhalb der Gesetzgebungskompetenzen, der Zuständigkeiten und der Handlungsmöglichkeiten der Europäischen Union. Ich bedauere das sehr. Ich halte die Entscheidung auch für falsch. Wie es nun in dieser Frage weitergehen wird, ob der Europäische Ombudsmann angerufen oder gleich eine gerichtliche Entscheidung vor dem EuGH angestrebt werden soll, darüber gilt es nun zu befinden.

Ich könnte auch hinzufügen, dass sich das dänische Parlament natürlich auch mit dieser Frage beschäftigt hat. Presseberichten konnte ich die Anregung

entnehmen, dass dort überlegt wird, das neue Instrument der direkten Anfrage an die Europäische Kommission durch den Europaausschuss zu nutzen. Das könnte vielleicht auch ein Teil der Debatte im zuständigen Europaausschuss werden.

Wir sollten der Initiative auf jeden Fall die bestmögliche politische Unterstützung zusichern. Wir sollten stolz darauf sein, dass die Dachorganisation, also die FUEV, die das erste Referendum zu Minderheitenangelegenheiten angestoßen und für ganz Europa koordiniert hat, ihren Sitz hier bei uns in Schleswig-Holstein hat. Die Minderheiten und Volksgruppen unseres deutsch-dänischen Grenzlandes, die Minderheiten und Volksgruppen hier in Schleswig-Holstein trugen und tragen diese Initiative seit der ersten Stunde vollauf mit. Gerade jetzt müssen wir diese Ziele in Brüssel sicherlich weiter vorantreiben.

Wir sollten aber auch regional diese Arbeit vor Ort stärken. Es ist notwendig, auch die Tätigkeit der FUEV in Schleswig-Holstein zu unterstützen. Denn dies bedeutet zugleich, die minderheitenpolitisch wichtigen Standorte Flensburg und Schleswig-Holstein zu sichern. Warum ist das wichtig? - In Anlehnung an die Diskussion von vorhin möchte ich sagen, dass unser Minderheitenmodell aus unserer Sicht sehr wohl Vorbildcharakter für Europa haben kann. In anderen Regionen Europas gibt es andere Minderheitenmodelle. Für die Slowenen in Kärnten wird abgefragt, wie hoch denn der Anteil von Zweisprachigen ist. Das löst dann Maßnahmen aus. In Südtirol gibt es andere Maßnahmen.

Wir sagen aber: Unser Minderheitenmodell hat etwas Besonderes, weil unser Minderheitenmodell Ausdruck dafür ist, dass Minderheitenpolitik nur in einer Demokratie leben kann. Unser Minderheitenmodell sagt aus, dass die Angehörigen einer nationalen Minderheit Teil der Gesellschaft sind, in der sie leben - mit den gleichen Rechten und mit den gleichen Pflichten. Von den Pflichten brauchen wir nicht zu sprechen. Die ergeben sich von selbst. Wie nimmt man aber die gleichen Rechte wahr? Wie sichert man die Gleichstellung kulturell, sozial, finanziell, politisch und insgesamt? Diese Gleichstellung, diese Chancengleichheit ist nur gegeben, wenn Defizite ausgeglichen werden. Das ist der Kernpunkt unserer Minderheitenregelung im deutsch-dänischen Grenzland.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Ein großes Zukunftsprojekt, das es in den kommenden Jahren anzupacken gilt, wird das Europäische

(Ministerin Anke Spoorendonk)

Haus der Minderheiten sein. Die Landesregierung greift damit gemeinsam mit unserem dänischen Nachbarn, der im Übrigen die Machbarkeitsstudie für das Haus der Minderheiten finanziert hat, auf die Kompetenzen einer Nichtregierungsorganisation, also auf die Kompetenzen der FUEV, zurück. Schleswig-Holstein hat sich damit auf der minderheitenpolitischen Bühne Europas zurückgemeldet. Ab 2014 werden wir zudem die Präsenz der FUEV in Brüssel unter dem Dach des Hanse-Office ermöglichen. Das Land wird dafür auch die Betriebskosten übernehmen.

Ich halte dieses Handeln auch als Signal für gut, für richtig und für wichtig. Die europaweiten Diskussionen der vergangenen Jahre über den Status und die Rechte von Minderheiten, aber nicht nur dort, sondern auch hier bei uns im Land, zeigen, dass für das Verständnis von Minderheiten und deren Handeln als Bevölkerungsgruppen in Mehrheitsgesellschaften Aufklärung und Information ein stetiger Prozess sein muss. Das erfordert aber, dass die Minderheiten sich daran aktiv beteiligen und sich positionieren. Genau das tun sie. Minderheitenvertreter sind weder in Schleswig-Holstein noch in Europa verhandelbare Objekte. Das muss besser verinnerlicht werden, zumindest auf der europäischen Ebene. Sie sind selbst bestimmte und selbstbestimmende Bürgerinnen und Bürger in unserer freien demokratischen Gesellschaft, und die gilt es als Gesamtheit zu schützen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN, Hauke Göttsch [CDU] und Oliver Kumbartzky [FDP])

Den Fraktionen stehen weitere 5 Minuten 30 Sekunden zu. - Ich sehe, dass niemand davon Gebrauch machen möchte. Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Es besteht Einvernehmen, in der Sache abzustimmen. Es ist beantragt worden, dies zu tun. Wer diesem Antrag Drucksache 18/1147 die Zustimmung geben will, bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Ablehnung durch den Abgeordneten Dr. Breyer und Zustimmung aller anderen Abgeordneten ist dieser Antrag angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhaltung von Dauergrünland (Dauergrünlan

derhaltungsgesetz - DGLG) und zur Änderung anderer Vorschriften

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 18/890

Bericht und Beschlussempfehlung des Umwelt- und Agrarausschusses Drucksache 18/1134

Ich erteilte dem Berichterstatter des Umwelt- und Agrarausschusses, Herrn Abgeordneten Hauke Göttsch, das Wort.

Herr Präsident! Ich verweise auf die Vorlage.

(Beifall SPD, vereinzelt CDU und Beifall Oliver Kumbartzky [FDP])

Sie verweisen auf die Vorlage. Das war ein umfänglicher Bericht. Gibt es dazu Wortmeldungen? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache.

Zunächst einmal hat die Landesregierung das Wort. Ich erteile dem zuständigen Minister, Herrn Dr. Robert Habeck, das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben uns schon während der letzten Plenardebatte ausführlich über verschiedene landwirtschaftliche Themen ausgetauscht und dabei auch über das Grünland und das kommende Dauergrünlanderhaltungsgesetz, das jetzt in zweiter Lesung in diesem Haus beraten und - so hoffe ich jedenfalls - verabschiedet wird.

Lassen Sie mich noch einmal sagen, dass das Grünland und entsprechend das Gesetz den besten Schutz des Dauergrünlands sicherstellt, den wir je in Schleswig-Holstein hatten, dass das Grünland von überragender Bedeutung für die öffentlichen Güter Klima, Boden, Wasser und Arten ist.

Mit diesem Gesetz werden verschiedene Regelungen zusammengefasst und systematisch überführt. Ich bin sehr froh, dass wir so weit gekommen sind, dass dieses Gesetz heute verabschiedet wird.

Wenn man Grünland umbricht, hat man das Gegenteil seiner Bedeutung erreicht. Grünland hat eine hohe Wirksamkeit, Treibhausgase zu speichern.

(Ministerin Anke Spoorendonk)

Wenn man Grünland, das auf Moorböden steht, umbricht, etwa für Maisanbau, dann kann man keine Grünanlage dieser Welt erfinden, die die ökologische Bilanz ins Positive verkehren kann.

Der Schutz von Grünland ist kein Selbstzweck, sondern die Landesregierung und die sie tragenden und vielleicht auch ein paar mehr Fraktionen kommen damit dem öffentlichen Interesse nach, die nicht ökonomischen Güter unter einen Schutz zu stellen. Wir sind in Schleswig-Holstein besonders angesprochen, weil wir bis 2008, bevor eine andere Landesregierung Schutzmaßnahmen ergriffen hat, den höchsten Verlust an Grünland hatten. Wir waren das Bundesland mit den höchsten Umbruchraten bis 2008. Es war dann eine ordnungsrechtliche Vorgabe der Landesregierung, die diesen Schutz des Grünlandes sichergestellt hat. Dieser Schutz war sehr wirksam. Eine politische Maßnahme hat also dazu geführt, dass der Umbruch unterbleibt, sodass wir jetzt Gefahr laufen, die Quote, die von der EU festgelegt wird, nämlich ein Rückgang des Grünlandes von 5 % gegenüber dem Referenzjahr 2003, zu unterschreiten.

Wenn das passiert - es könnte in diesem Herbst passieren -, wäre das Grünland in Schleswig-Holstein ohne Schutz. Entsprechend würde der Pflug herausgeholt und wahrscheinlich in großem Umfang umgebrochen werden.

(Volker Dornquast [CDU]: Böse Landwirte!)

- „Böse Landwirte“ sage ich gar nicht. Ich räume ein, dass es aus betriebswirtschaftlicher Sicht natürlich attraktiv ist, umzubrechen, Mais anzubauen oder Weizen zu pflanzen, gerade angesichts der Agrarpreise. Herr Dornquast, Sie sehen ja, dass auch eine Regierung, die von Ihrer Partei geführt wurde, fand, dass Landwirte weder böse noch gut sind, sondern entlang ihrer betriebswirtschaftlichen Interessen arbeiten, dass das aber für eine politische Maßgabe nicht ausreicht und deshalb das Grünland geschützt werden muss.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich freue mich, dass diese Erkenntnis bei vielen Menschen in diesem Haus und auch in der Öffentlichkeit angekommen ist.

Das Dauergrünlanderhaltungsgesetz, wie es vorgelegt wurde, war schon ein Gesetz, das mit Augenmaß geschrieben wurde. Wir haben beim Schutz von Gewässern allein die bundesrechtlichen Regelungen eingeführt und sind nicht darüber hinausgegangen. Untergeordnete Gewässer wurden vom Ge

setz ausgenommen, es wurden nur die Gewässer erster Ordnung ins Gesetz hineingeschrieben. Der Gesetzentwurf hat versucht, die Gewässer, den Boden, das Klima und die Arten mit Augenmaß zu schützen.

In den Gesprächen mit den Verbänden haben die Fraktionen zwei weitgehende Änderungen vorgenommen. Zum einen wurde das alte und strukturreiche Artengrünland herausgenommen, das sogenannte mesophile Grünland. Das ist richtig so, weil es eine Verunsicherung bei der Landwirtschaft gab, welche Flächen genau darunterfallen. Wir werden jetzt in eine Kartierung einsteigen und diese Flächen ausweisen, sodass wir in ein, zwei Jahren noch einmal die Debatte eröffnen und schauen können, ob wir da nicht zusammenkommen.

Zum anderen trage ich es mit, aber bedaure es ausdrücklich, dass es nicht gelungen ist, die Dränage in den Vogelschutzkulissen, wo noch nicht dräniert wurde, über dieses Gesetz zu regeln und zu untersagen. Wir haben jetzt den etwas merkwürdigen Zustand, dass wir mit viel europäischem Geld, mit viel Landesgeld Maßnahmen durchführen, um die Wiesenvögel in den Kulissen im feuchten Grünland zu schützen. Wir geben auf der einen Seite viel Geld aus, und auf der anderen Seite sperren wir uns dagegen, die Trockenlegung von Grünland geordnet zu regulieren. Das ist aus meiner Sicht logisch schwer auflösbar, aber ich trage es als politischen Kompromiss mit.

Ich möchte darauf hinweisen, dass das Gesetzgebungsverfahren - das ist ja der Vorwurf, der immer gern erhoben wird - zu vielen Änderungen geführt hat. Das war ein echter Dialog. Der hat sogar dazu geführt, dass die Oppositionsfraktionen im Ausschuss, als ich dabei war, keinen Änderungsantrag gestellt haben. Dennoch haben die Oppositionsfraktionen dieses Gesetz im Ausschuss abgelehnt. Das klingt für mich ein bisschen so: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Ich möchte darauf hinweisen, dass das Gesetz auch auf Wunsch der Landwirtschaft bis 2018 befristet wurde. Das heißt, wir werden das Gesetz in der nächsten Legislatur automatisch beraten müssen. Auch das ist vernünftig. Das ist allerdings eine Befristung, die in beide Richtungen wirkt: Wir werden selbstverständlich auch überprüfen, ob Artenverluste oder weitere Verluste zu beklagen sind. Das ist eine gute Regelung.

Weil wir fast allen Wünschen nachgekommen sind, die aus der Landwirtschaft gekommen sind und die die Opposition letztlich wunschlos glücklich zu

(Minister Dr. Robert Habeck)