Protokoll der Sitzung vom 22.08.2012

Ich glaube auch, dass wir wirklich noch mehr tun müssen. Wir müssen auf die Straße gehen. Wir müssen Menschen in Veranstaltungen, über Presse und natürlich auch über das Internet informieren, und wir müssen es vor allen Dingen auch in einer anderen Sprache tun. Wir haben in den letzten Jahren Demokratieveranstaltungen im Land gemacht und hatten dort auch immer Jugendworkshops. Es geht darum, wie wir reden, und nicht darum, dass alles kleinklein veröffentlicht wird. Ich glaube nicht, dass das die Form ist, die uns wirklich weiterhilft.

Wir müssen außerdem mehr Möglichkeiten zur Mitentscheidung schaffen. Es reicht nicht, nur Transparenz zu schaffen, und dann kann der Bürger oder die Bürgerin hinterher sehen, warum wie entschieden wurde; nein, die Menschen wollen auch mitentscheiden. Ich habe in den letzten zwei Jahren als Landesvorsitzende mehr Einblick in den Landtag genommen als 95 % aller Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner, die nicht im Landtag sitzen. Ich war sozusagen eine Außenstehende, und ich kann mich nicht erinnern, dass ich irgendwelche Prozesse nicht nachvollziehen oder einsehen konnte, und zwar als ganz normale Bürgerin. Konnte ich Entscheidungen leider nicht immer nachvollziehen, dann lag das aber an den politischen Inhalten von Schwarz-Gelb und nicht an der mangelnden Transparenz.

(Zuruf Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Transparenz schafft Vertrauen in die Demokratie, das ist richtig. Aber ich glaube, es braucht auch ein Minimum an Vertrauen untereinander, um transparent arbeiten zu können. Wenn jedes Gespräch und ich sage: jedes Gespräch -, das ich führe, hinterher sofort in der Öffentlichkeit ist, kann ich nicht vertrauensvoll mit jemandem zusammenarbeiten.

Ich möchte zum Schluss daher auch noch einmal einen Ihrer Kollegen zitieren, den Vorsitzenden Bernd Schlömer, der in einem Interview in der „Stuttgarter Zeitung“ gesagt hat:

„Es gibt für den Politikbetrieb auch eine Präventivkraft des Nichtwissens. Es gibt einen Bereich, unter dem vertrauliche Gespräche geschützt werden müssen. Das ist nötig, um den Parlamentsbetrieb zu schützen. Würden wir vollkommene Transparenz herstellen, würden unsere politischen und Moral- und Rechtssysteme zusammenbrechen.“

Dem möchte ich nichts hinzufügen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP, PIRATEN, SSW und vereinzelt CDU)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat deren Vorsitzender Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn diese Aktuelle Stunde der PIRATEN etwas Gutes hat - manche mögen das vielleicht komplett

(Eka von Kalben)

anders sehen -, dann, dass der Kollege Dr. Stegner und ich zum zweiten Mal fast wortgleich einer Meinung sind. Herr Dr. Stegner, das muss uns eigentlich zum Nachdenken Anlass geben. Wenn es nicht so traurig wäre, dann könnte man daraus eine Büttenveranstaltung machen: Das Land hat unheimliche Probleme. Die Menschen haben Sorgen, Europa fliegt fast auseinander, und wir beschäftigen uns hier mit einem Antrag der PIRATEN, der - wie der Fraktionsvorsitzende es vorgetragen hat - von Unzulänglichkeiten und falschen Informationen nur so strotzt.

Herr Breyer, was Sie wollen, ist nicht Transparenz, was Sie machen, ist Denunziation. Ich werde es gleich belegen.

(Beifall CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich sage Ihnen auch, warum Sie das machen: Sie machen das, weil Sie die komplette inhaltliche Leere, die Sie ansonsten an den Tag legen, verdecken wollen, nichts anderes haben Sie ja, und weil Sie verschleiern wollen, dass Ihre Fraktion in den wesentlichen Fragen zerrissen ist.

Ich habe zwei Sitzungen des Innen- und Rechtsausschusses miterlebt, die historisch sind: Da erscheinen drei PIRATEN. Der von den PIRATEN in den Innen- und Rechtsausschuss entsandte Abgeordnete, Herr Dudda, stimmt in die eine Richtung und der Fraktionsvorsitzende sagt Nein. Das ist ja toll.

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Wir haben keinen Fraktionszwang! So ist das!)

Herr Kollege Breyer, wenn wir so arbeiten, können wir die Fraktionen auflösen und uns bei allen Ausschusssitzungen gemeinsam treffen, weil dann alle ihre jeweilige Meinung zum Besten geben.

Der Sinn der parlamentarischen Arbeit besteht darin - deshalb haben wir Fraktionen, und das erleichtert auch die Arbeit -, dass man sich untereinander verständigen kann, zunächst Sie untereinander und dann wir miteinander. Ansonsten ist die parlamentarische Arbeit überhaupt nicht mehr zu vollziehen. Das werden Sie vielleicht in den nächsten Wochen und Monaten noch begreifen.

Ich fange jetzt an, Ihnen zu sagen, wo Sie denunzieren: Sie behaupten in der Öffentlichkeit, es gebe Runden der Parlamentarischen Geschäftsführer, von denen Sie ausgeschlossen würden. Solche Runden gibt es nicht. Dass sich die Parlamentarischen Geschäftsführer über Abläufe verständigen müssen, übrigens auch heute, morgen und übermorgen während der Tagung, das ist der Sinn der Veranstal

tung, dafür haben wir sie, damit sich nicht alle Abgeordneten hier treffen müssen wie im Ting und dann darüber verhandeln müssen, welcher Tagesordnungspunkt behandelt wird, mit welchen Redezeiten, was man von der Tagesordnung herunternimmt, wie man miteinander umgeht. Das ist der Sinn.

Herr Breyer, man könnte heute sagen: Wir haben jetzt eine Kinderkrabbelgruppe mit Ihnen. Das Parlament ist aber nicht der Hort für eine Kinderkrabbelgruppe. Wir sind hier kein Kindergarten, sondern die Menschen erwarten, dass wir uns darum kümmern, ihre Probleme vor Ort zu lösen, oder jedenfalls einen Beitrag zur Lösung leisten.

(Beifall CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das leisten Sie gerade nicht.

Das Zweite ist, Sie behaupten, Sie hätten keinen Fraktionszwang. Damit unterstellen Sie, bei allen anderen gibt es einen Fraktionszwang. Ich kann sicher sagen, dass es in meiner Fraktion keinen Fraktionszwang gibt. Wie denn auch?

(Christopher Vogt [FDP]: Wir haben bei der Dringlichkeit schon unterschiedlich abge- stimmt!)

- Wie denn auch? Es gab auch in der Vergangenheit bei den anderen Fraktionen durchaus öffentlich ausgetragene, unterschiedliche Meinungen. Nur, im parlamentarischen Betrieb muss man irgendwann einmal zu einem Konsens kommen. Bei uns gibt es jedenfalls keinen Fraktionszwang, und ich frage: Wie wollen Sie den ausüben? Wie soll das funktionieren? - Ich sage dann, er soll sein Mandat zurückgeben, wenn er anders abstimmt als ich, oder wie? Wie stellen Sie sich so etwas vor? - Fraktionszwang bedeutet doch, dass Sie Sanktionsmöglichkeiten haben. Welche haben Sie denn? Sie haben gar keine. Das Einzige, womit Sie werben können, ist Ihre eigene Überzeugungsbildung, und das versuchen wir zunächst. Ich sage meinen Leuten immer: Wenn es mir nicht gelingt, euch zu überzeugen, wie wollen wir dann die Menschen überzeugen? So geht es den anderen Fraktionen wahrscheinlich auch.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Hoher Anspruch!)

Auch das müssen Sie vielleicht noch lernen: Wenn es Ihnen nicht gelingt, Ihre eigenen Leute zu überzeugen, warum glauben Sie, dass Sie die Menschen in Schleswig-Holstein von dem überzeugen können, was sie politisch nicht wollen?

(Wolfgang Kubicki)

Die dritte Behauptung ärgert mich wirklich zu Tode. Dr. Stegner, es tut mir leid, Sie wissen, wie sehr ich Sie schätze, und ich werde Sie wirklich vermissen,

(Heiterkeit FDP)

wenn ich diesem Parlament nicht mehr angehöre, nicht weil wir nicht gewählt worden sind, was Sie immer gehofft haben, sondern weil ich möglicherweise einer anderen Funktion nachgehen werde. Zu behaupten, Fraktionsvorsitzende hätten sich in Hinterzimmern getroffen - mein Zimmer ist kein Hinterzimmer, Ihr Zimmer wahrscheinlich auch nicht -, um irgendetwas abzusprechen, ist absurd.

(Zuruf)

- Herr Breyer, das haben Sie gerade in Ihrer Rede gesagt. Ich kann sicher sagen - das werden die meisten hier nachvollziehen können -, dass Dr. Stegner und ich uns weder in Hinterzimmern getroffen noch heimliche Absprachen getroffen haben. Das wäre auch mental schwer vermittelbar.

(Zurufe Abgeordnete Rolf Fischer [SPD] und Lars Harms [SSW])

Ich kann sagen, dass Dr. Stegner privat nicht ganz so schlimm ist, wie er öffentlich in Erscheinung tritt,

(Heiterkeit FDP - Beifall Abgeordneter Dr. Heiner Garg [FDP])

aber das hat nichts damit zu tun, dass es solche Absprachen gegeben hat - weder mit Robert Habeck noch mit Anke Spoorendonk, noch mit Ralf Stegner. Wir haben uns ein einziges Mal und sehr transparent zusammengesetzt, und zwar zusammen mit dem Landtagspräsidenten. Das war bei der Frage der Reform des Wahlrechts. Das musste logischerweise schnell gehen, und wir mussten dort Vorarbeiten leisten, um festzustellen, wie schnell Mehrheiten hergestellt werden können.

Hören Sie auf mit Ihren - möglicherweise schon mit der Muttermilch aufgesogenen - Vorurteilen! Denunzieren Sie den Parlamentarismus nicht, sondern beteiligen Sie sich an der inhaltlichen Arbeit! Dann tun Sie sich selbst und dem Land einen größeren Gefallen als mit solchen Schauanträgen.

(Beifall CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für den SSW hat deren Vorsitzender, Herr Abgeordneter Lars Harms, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Debatte stellen sich für mich drei Fragen. Erstens. Sind wir wirklich so intransparent, wie uns von der PIRATEN-Fraktion vorgeworfen wird? Zweitens. Gibt es tatsächlich diese Runden der Parlamentarischen Geschäftsführer? Drittens. Was ist eigentlich Transparenz?

Die erste Frage, ob wir intransparent sind, kann man definitiv mit nein beantworten. Wir haben das öffentliche Plenum, wir haben die öffentlichen Ausschüsse, über alle öffentlichen Sitzungen geführte Protokolle sind öffentlich. Wir haben die Anträge im Netz, sodass sich der Bürger genau über die Abläufe informieren kann. In der Tat haben wir auch geschützte Bereiche. Es gibt zwei Bereiche: einmal die Bereiche, die formal geschützt sind, in denen es darum geht, dass Sicherheitsbedenken Rechnung getragen wird und Unternehmensgeheimnisse gewahrt bleiben müssen. Das sind das Parlamentarische Kontrollgremium und der Unterausschuss des Finanzausschusses für Unternehmensbeteiligungen.

Wir haben auch informell geschützte Bereiche. Das ist im normalen Umgang völlig normal. Das kennt jeder aus allen Lebensbereichen. Das gibt es in Unternehmen, das gibt es sogar in Familien, dass sich Familienmitglieder mal vertraulich miteinander unterhalten und möglicherweise nicht jedes einzelne Familienmitglied in irgendeiner Art und Weise informieren. Warum sollten wir anders sein als die Familien, als die Unternehmen, als die Vereine, als die Organisationen und Institutionen, die es im Land gibt?

Natürlich gibt es diese Bereiche. Diese Bereiche dienen dazu, Einigungen und Kompromisse herzustellen, die sonst, wenn wir in diesen Bereichen öffentlich tagen würden, niemals möglich wären, weil wir natürlich sofort in unsere normale Haltung zurückfallen und immer die reine Lehre der jeweiligen Partei vertreten würden. Um dies wirklich überwinden zu können, schafft man solche geschützten Bereiche, um Kompromisse möglich zu machen. Selbstverständlich werden diese Kompromisse auch mit den jeweiligen Fraktionen zurückgekoppelt.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich stelle fest: Intransparent sind wir nicht. Dabei ist es selbstverständlich so, dass wir immer besser werden können. Es ist immer Ziel von Politik, besser zu werden, aber so intransparent sind wir nicht.

(Wolfgang Kubicki)

Wie sieht es nun mit den Parlamentarischen Geschäftsführern aus, dieser angeblichen Runde, die anscheinend regelmäßig tagt, ohne dass ich dabei bin, obwohl ich schon seit Jahren Parlamentarischer Geschäftsführer bin? Anscheinend bin ich dann ja auch ausgeschlossen. Ich habe mich einmal mit den einzelnen Parlamentarischen Geschäftsführern unterhalten. Keiner kennt diese Runden. Alle sechs Parlamentarischen Geschäftsführer scheinen also in diesem Hohen Haus von diesen Runden ausgeschlossen zu sein, die irgendwelche Parlamentarischen Geschäftsführer anscheinend organisieren, die wir aber nicht kennen. Um es kurz zu machen: Diese Gespräche gibt es nicht.

Es gibt - mit wechselnden Personen, die an diesen Sitzungen teilnehmen - Gespräche zwischen einzelnen und manchmal auch mehreren Parlamentarischen Geschäftsführern. Manchmal sind auch alle dabei. Es gibt niemanden, der bisher ausgeschlossen hat, nicht alle auch wieder mit aufzunehmen. Es ist richtig, dass es auch Gespräche gab - da haben die PIRATEN recht -, zu denen wir uns getroffen haben und gesagt haben: Wir wollen in Ruhe vertraulich miteinander reden. Das haben wir auch angeboten, haben aber feststellen müssen, dass Vertraulichkeit durch die PIRATEN nicht immer gewahrt wird. Das ist das eigentliche Problem.