Protokoll der Sitzung vom 22.11.2013

Ich finde, dass der Weg über das EU-Recht gehen soll. Das ist sinnvoll, denn wir haben europaweite Lebensmittelströme. Das hat die Lasagne-Geschichte gezeigt. Wenn man sich angesehen hat, woraus sich die Lasagne zusammengesetzt hat, dann wird deutlich, dass man in dieser Frage nicht primär eine nationale Lösung anstreben sollte. Vielmehr sollte man primär eine europaweite Lösung anstreben. Sie sind ansonsten doch ganz tapfer dabei, Maximalforderungen zu stellen. Ich weiß nicht, warum Sie jetzt kleinlaut die nationale Lösung wählen und sagen, die internationale Lösung vorzuziehen, sei schlecht.

(Zurufe PIRATEN)

Ich teile den Aufruf, dem Antrag zuzustimmen, und zwar unter der Maßgabe, dass wir alle uns einig

darin sind, dass der Ausdruck „zu prüfen“ nicht die Frage „ob“, sondern die Frage „wie“ bedeutet.

Ich lese den Antrag so, wie es auch unwidersprochen ist. Ich habe die Autoren des Antrags noch einmal befragt. Es ist nicht so, dass wir nichts tun, wenn dieses Anliegen 2014 scheitert. Wir tun etwas, und zwar versuchen wir im Fall eines Scheiterns auf nationaler Ebene, die kleinere Lösung zu erreichen. Es ist in der Politik allerdings durchaus sinnvoll, nicht die kleine Lösung, sondern erst einmal die große Lösung anzustreben. Ich glaube, das ist dem europäischen Gedanken förderlich.

Verbrauchern hilft die kleine Lösung nicht, denn wir haben diverse importierte Güter im Regal. Ich weiß, wovon ich spreche: Früher wurde gar nichts gekennzeichnet. Es ist mir gerade wieder in einem Lokal passiert: Als ich fragte, ob der Nachtisch vegetarisch sei, was bei Panna Cotta eine interessante Frage ist, erhielt ich die Antwort: Ja, da ist keine Rindergelatine drin. Es war aber Schweinegelatine enthalten. Das war in einem Vier-Sterne-SuperiorHotel.

(Zuruf: Sie sind Sozialdemokrat!)

- Das Hotel kennt ihr, da tagt meistens die Landtagsfraktion. Das sage ich, bevor ihr euch darüber lustig macht, liebe Kolleginnen und Kollegen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit und hoffe auf eine möglichst breite Zustimmung zu dem Antrag.

(Beifall SPD und Oliver Kumbartzky [FDP])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Für die Landesregierung hat der Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herr Dr. Robert Habeck, das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für diese Debatte! Ich finde sie ausgesprochen wichtig und freue mich darüber, dass dieses Thema auf Initiative der PIRATEN hin auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Es wurde schon über viele Wochen und Monate im Ausschuss debattiert. In der Tat ist wohl den wenigsten klar, wie viele tierische Bestandteile in Dingen des täglichen Konsums sind, bei denen wir dies gar nicht vermuten würden. Es ist nicht nur so, dass wir Schwein essen, wenn wir Steak bestellen, sondern das ist auch so, wenn wir Chips oder Gummibären

(Flemming Meyer)

verzehren. Häufig enthalten diese Produkte tierische Bestandteile.

Sie haben dieses Thema nicht nur unter ethischen, religiösen oder ökologischen Gesichtspunkten in die Landtagsdebatte gezogen, sondern auch unter Bewusstseins- und Modegesichtspunkten. Wenn Sie einmal das Stichwort Attila Hildmann googeln, dann werden Sie sehen, dass das Kochbuch des Jahres ein veganes Kochbuch ist. Alle Starköche, die Schweine in die Pfanne hauen, liegen abgeschlagen zurück. Das heißt, es gibt eine Bewegung hin zu vegetarischen und veganen Ernährungsweisen. Deshalb ist das, was gefordert wird, nämlich Klarheit bei der Kennzeichnung und ein Nachweis der Produktherkunft ohne Frage angesagt und notwendig und muss politisch auch durchgesetzt werden.

Liebe PIRATEN, allerdings macht das, was Sie fordern, meiner Ansicht nach schon rein technisch gesehen keinen Sinn. Sie wollen die Lebensmittelkontrollverordnung ändern. Diese läuft Ende des nächsten Jahres aus. Eine Änderung würde - wenn sie politisch tragen würde - tatsächlich nur wenige Wochen oder Monate Bestand haben. Dann gilt die europäische Informationsverordnung, über die schon gesprochen wurde. Nach dem Beschluss 2011 wird sie Ende des nächsten Jahres in nationales Recht eingeführt werden. Daher ist die Frage, was dort am Ende drinsteht und was umgesetzt wird, genau die richtige Frage, nämlich die europäische Frage. Die europäische Frage ist die richtige Frage. Wahrscheinlich teilen wir alle jedoch Ihre Skepsis und die Befürchtung, dass dieses Thema auf die lange Bank geschoben wird.

(Beifall PIRATEN)

- Warten Sie den zweiten Teil des Satzes ab. Deshalb hat der Bundesrat bereits am 20. September die Bundesregierung aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für eine zeitnahe Einsetzung dieser Informationsverordnung mit der Kennzeichnungspflicht für vegetarische und vegane Lebensmittel einzusetzen. Dies sage ich im Sinne von Kai Dolgner und mit Blick auf die Frage des Auf-Zeit-Spielens. Es heißt darüber hinaus, die Bundesregierung wird gebeten zu prüfen, welche rechtlichen Möglichkeiten für eine nationale Regelung bestehen.

Die Frage „welche“ bedeutet nun weder die Frage „ob“ noch „wie“, aber am ehesten umfasst sie die Frage „wie“. Das heißt, der Ball für eine nationale Gesetzgebung liegt im Moment im Feld der Bundesregierung. Für den Fall, dass die Europäische Kommission nicht den Informationsverordnungen

entsprechend handeln wird, müsste tatsächlich über eine nationale Möglichkeit nachgedacht werden.

Ich bin nicht sicher, dass die Prüfung der Frage nach dem „wie“ zwingend zu einem positiven Ergebnis kommen wird, weil die Hürden durchaus hoch sind. Wir befinden uns in einem europäischen Binnenmarkt. Dort besteht die Regel, dass der europäische Warenverkehr diskriminierungsfrei und ohne Verbote organisiert werden muss. Aus meiner Sicht ist es kein Widerspruch, wenn man vorschreibt, dass nachgewiesen werden muss, welche Bestandteile Produkte haben und welcher Herkunft diese sind. Ob aber alle diese Auffassung teilen, wird abzuwarten sein. Sinnvoll ist es allemal, in einem gemeinsamen Binnenmarkt auch gemeinsame Regelungen zu schaffen. Das sollte angestrebt werden.

Die Frage einer nationalen Behandlung dieser Frage ist bereits in Form eines erteilten Prüfauftrags erfüllt. Damit hat die Landesregierung dem Geist des Antrags, den wir jetzt verabschieden werden, im Grunde schon entsprochen. Im Übrigen hat sie auch dem entsprochen, was die Verbraucherzentralen an den Ausschuss geschrieben haben. Die Verbraucherzentralen sprechen sich nämlich eindringlich für eine europäische Lösung aus und verweisen auf die einzuführende europäische Kontrollinformationsverordnung.

Wenn man die Verbände nimmt, dann steht Foodwatch gegen die Verbraucherzentralen. Ich glaube, es gibt Gründe, den weisen Ratschlägen der Verbraucherzentralen an dieser Stelle zu folgen. Der Antrag der regierungstragenden Fraktionen und die von der FDP angekündigte Unterstützung spiegeln dies aus meiner Sicht am besten wider. Ansonsten bin ich bei dem Kollegen Bernd Voß: Wenn die Europawahl zu einer Abstimmung in der Frage wird, welche Lebensmittel wir verzehren und wie wir wissen können, welche Lebensmittel wir verzehren, dann wird das eine spannende Wahl. Hoffen wir, dass im Sinne dieses Antrags ordentlich Druck in den Kessel kommt. - Herzlichen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/807 (neu) abstimmen. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag abzulehnen.

(Minister Dr. Robert Habeck)

Wer der Ausschussempfehlung folgen und so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist gegen die Stimmen der Fraktion der PIRATEN mit den Stimmen aller anderen Abgeordneten angenommen. Damit ist der Antrag selbst abgelehnt. Vielen Dank.

Ich lasse jetzt über für selbstständig erklärten Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/961 in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung abstimmen. Wer der Ausschussempfehlung folgen und so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der CDU-Fraktion bei Enthaltung der Piratenfraktion mit den Stimmen aller anderen Abgeordneten so beschlossen worden. - Vielen Dank.

Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 56:

EU-Strukturfonds

Bericht der Landesregierung Drucksache 18/1217

Ich erteile zunächst das Wort der Ministerin für Justiz, Kultur und Europa, Frau Anke Spoorendonk. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Bemerkung vorweg. Ich werde in meinem mündlichen Bericht zu den EU-Strukturfonds nur teilweise auf den Ihnen vorliegenden schriftlichen Bericht Bezug nehmen. Sie kennen das: Schriftliche Berichte an den Landtag haben einen längeren Vorlauf und können daher die aktuellsten Entwicklungen nicht mehr berücksichtigen. Daher beginne ich mit zwei neuen Nachrichten:

Erste Nachricht. Im Europäischen Parlament wurden in dieser Woche endlich die letzten Hürden für den Rechtsrahmen für den Start der Strukturfonds ab 2014 genommen.

Sie erinnern sich: Zwar war bereits im Sommer ein Kompromiss zwischen dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten zum mehrjährigen Finanzrahmen gefunden worden. Danach sieht der MFR für die nächsten sieben Jahre insgesamt Zahlungsermächtigungen in Höhe von knapp 960 Milli

arden € vor. Er fällt damit etwa 3,5 % geringer aus als der Haushalt 2007 bis 2013.

Das Europäische Parlament hatte jedoch erst schwierige Verhandlungen über zukünftige Investitionsprogramme beenden wollen, bevor es dem Gesamtbudget zustimmen konnte. Dies ist nun endlich geschehen.

Im Anschluss an die Verabschiedung des mehrjährigen Finanzrahmens und des Haushalts 2014 im Parlament wurden endlich etliche Verordnungen verabschiedet, etwa zur Gemeinsamen Agrarpolitik, zur Kohäsions- und Regionalpolitik, aber auch für neue Forschungs- und Investitionsprogramme. Damit haben wir endlich Planungssicherheit.

Zweite Nachricht. Zu Beginn der Verhandlungen hatte ich mit flächendeckenden massiven Einbußen bei allen Fördertöpfen gerechnet. Doch der von uns allen erwartete Einbruch bei den Fördermitteln wird so nicht kommen; das wissen wir jetzt.

Beim ESF haben wir mit 75 Millionen € statt aktuell 100 Millionen € gerechnet. Erhalten werden wir knapp 80 Millionen €. Beim EFRE haben wir statt der aktuellen 374 Millionen € in den letzten Monaten mit rund 250 Millionen € Fördermitteln gerechnet. Es werden aber mehr werden, voraussichtlich etwa 270 Millionen €.

Beim ELER werden wir einen Zuwachs von 302 Millionen € auf 419 Millionen € bekommen. Und die Ansätze bei INTERREG werden bei INTERREG B wohl gehalten und bei INTERREG A von 33,4 Millionen € auf 44,8 Millionen € steigen.

In der Summe bewegen wir uns dann bei einem Fördervolumen von, vorsichtig gerechnet, etwa 810 Millionen € für die Jahre 2014 bis 2020.

Die Fördermittel - das muss ich hinzufügen - für INTERREG B und C werden nicht den einzelnen Bundesländern zugewiesen. Das, was wir letztlich bekommen werden, wird von erfolgreichen Projekten abhängen. Diese können also jetzt noch nicht ohne Weiteres mitgezählt werden.

Noch nicht entschieden ist, wie viel Mittel aus dem EMFF, also dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds, nach Schleswig-Holstein fließen werden. Hier laufen die Verhandlungen noch. Ich weiß, dass das MELUR mit rund 16 Millionen € rechnet. Aber, wie gesagt, wir wissen es noch nicht genau.

Meine Damen und Herren, nun liegt es nahe, einfach alle Zahlen zu addieren und sie mit den Zahlen der laufenden Förderperiode zu vergleichen. Auch das funktioniert leider nicht. Das funktioniert ers

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

tens deshalb nicht, weil die Verhandlungen über die Mittelverteilung zwischen den Bundesländern noch nicht abgeschlossen sind, und es funktioniert zweitens nicht, weil wir trotz einer Gesamtzahl, die am Ende des Tages gar nicht so schlecht aussieht, nicht vergessen dürfen, dass bei den konkreten Förderungen die Verluste, zum Beispiel beim EFRE und beim ESF, natürlich nicht von anderen Fonds aufgefangen werden können. Weniger Geld bei der Arbeitsmarktförderung im ESF kann nicht so einfach vom ELER aufgefangen werden. Trotzdem wird uns dies mit guter Politik gelingen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben bereits vor über einem Jahr mit der Vorbereitung des Einsatzes der europäischen Strukturfonds im Land begonnen. So haben wir im Dezember 2012 die strategischen Ziele der Landesregierung beschlossen, die eine Leitlinie für die Programmierung der einzelnen Fonds waren. Der weitere Programmierungsprozess war anspruchsvoll, nicht nur deshalb, weil die vorgegebenen Verfahren hochkompliziert sind, sondern auch deshalb, weil wir nach der Regierungsneubildung an wichtigen Stellen einen neuen Kurs bestimmt haben, zum Beispiel in Bezug auf die Energiewende. Es galt also, die Vorgaben der Kommission einzuhalten und gleichzeitig die Programme nach den eigenen politischen Schwerpunkten der Landesregierung auszurichten.

Genau das ist ein Novum. Mit dieser Neusteuerung hängt auch der politische Wunsch der Landesregierung zusammen, die EU-Fonds zukünftig ziel- und zukunftsgerichtet einzusetzen. Dazu hat die Landesregierung das folgende Verfahren verabredet:

Wir haben für die Zeit nach 2014 bei großen Projektentscheidungen bereits einen Kabinettsvorbehalt beschlossen. Damit gewährleisten wir die politische Steuerung für die großen Maßnahmen im Sinne unserer strategischen Ziele. Wir werden die laufenden Koordinierungen zwischen allen Ressorts ab 2014 weiterhin durch eine eigene interministerielle Arbeitsgruppe sicherstellen.