Protokoll der Sitzung vom 23.08.2012

Versetzen wir uns einmal in die vergangene Legislaturperiode zurück! Ich stelle mir vor, die damalige Landesregierung hätte es diesem Parlament zugemutet, Haushaltsberatungen für die Fraktionen innerhalb von 14 Tagen durchführen zu müssen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den heute regierungstragenden Fraktionen, Ihren Protest hätte ich gerne erlebt.

(Beifall FDP und CDU)

Herr Abgeordneter Garg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Stegner?

Leidenschaftlich gern. Ich will ja schließlich nicht meinem Fraktionsvorsitzenden allein das Vergnügen überlassen, sich mit Herrn Dr. Stegner zu unterhalten.

Herr Stegner, Sie haben das Wort.

Lieber Herr Kollege Garg, ist Ihnen der Unterschied zwischen der letzten und der jetzt handelnden Landesregierung bekannt, was den Zeitplan von Haushaltsberatungen angeht, der darin besteht, dass ein Vorlegen des Landeshaushalts nach der Sommerpause ganz leicht möglich gewesen wäre, wenn Sie einem früheren Wahltermin zugestimmt hätten?

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Absolut, Herr Dr. Stegner. Wir hätten aber auch im September wählen können, dann hätten wir schon einen Haushalt gehabt. Dann wäre es noch besser gewesen.

(Beifall und Heiterkeit FDP und CDU)

Im Übrigen gebe ich mit großer Freude die Haltung der langjährigen Parlamentarischen Geschäftsführerin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der heutigen Finanzministerin, Monika Heinold, einer vehementen Verteidigerin von parlamentarischen Rechten, wieder.

(Beifall)

Frau Heinold, dass Sie das heute mitmachen, ist schon bemerkenswert. Frau Heinold hat in der Sit

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

zung des Finanzausschusses - das können Sie im Ausschussprotokoll nachlesen - gesagt, „sie habe ein gut organisiertes Haus mit einer exzellent arbeitenden Verwaltung vorgefunden, die das Verfahren der Haushaltsaufstellung sehr gut vorbereitet habe“. Frau Heinold, ich ergänze einmal: Sogar das Ausfüllen der berühmten grünen Blätter - Sie wissen, was ich damit meine - war bereits geschehen. Die Eingabe in die Systeme war auch fertig.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den regierungstragenden Fraktionen, selbstverständlich billige ich Ihnen zu, dass Sie andere politische Schwerpunkte setzen. Das ist gar keine Frage, Frau von Kalben. Das habe ich auch im Ausschuss gesagt. Obwohl Sie hier Kuschelromantik veranstalten, sind sich die drei Partner in der Koalition nicht einig. Sie sind sich so uneinig, dass sie bis heute jede finanzwirksame Entscheidung vor die berühmte Klammer gezogen haben - egal ob das Personal im Bildungsministerium ist, ob das Personal im Energiewendeministerium ist, ob das die Eingliederungshilfe ist, ob das zusätzliche Altenpflegeausbildungsplätze sind. Sie sind sich bei allem nach wie vor nicht einig. Deswegen legen Sie den Haushalt erst Ende Oktober vor. Dann seien Sie doch wenigstens so ehrlich und sagen klar, dass Sie sich bei allen Fragen noch nicht einig sind!

(Unruhe SPD)

Was ich Ihnen aber nicht durchgehen lasse - deswegen der heutige Antrag -, ist, dass Sie so tun - das hat Ihre Finanzministerin in der Sitzung gemacht -, als ob Sie den Haushalt in der zweiten Lesung im Januar verabschieden müssten, weil Sie sonst ein zentrales Wahlversprechen Ihrer Koalition nicht einhalten könnten, nämlich 300 Lehrerstellen weniger aus dem System herauszunehmen. Dieses Versprechen würden Sie angeblich nicht halten können, wenn der Haushalt nicht im Januar verabschiedet würde. Das hat übrigens den Kollegen Harms zu der lustigen Bemerkung gebracht, wir sollten da doch zustimmen, denn schließlich wollten wir das ja auch. Ja, inhaltlich wollten wir das auch. Lieber Kollege Harms, dass Sie Ihre Haushaltsberatungen nach den Wünschen der FDP ausrichten, finde ich originell, dafür bedanke ich mich. Nur sind Sie auf dem Holzweg, denn es ist Ihnen unbenommen, diesen politischen Schwerpunkt zu setzen, indem Sie jetzt ganz sauber einen Nachtragshaushalt vorlegen, um diese Entscheidung zu unterlegen.

(Beifall FDP und CDU)

Das tun Sie nicht. Das wäre ehrlich.

Herr Kollege Dr. Stegner, Ihr eigentliches Wahlversprechen haben Sie ohnehin schon gebrochen. Sie haben nämlich gesagt: zum neuen Schuljahr. Das neue Schuljahr hat - wie wir alle wissen - begonnen. Da haben Sie gar nichts getan. Seien Sie wenigstens so ehrlich und dokumentieren Ihren politischen Schwerpunkt, indem Sie einen Nachtragshaushalt vorlegen! Dann können wir uns darüber unterhalten, wie wir damit in der Sache umgehen.

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen und haben die Chance, noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Habersaat zuzulassen.

Zwischen Schluss und Zwischenfrage ziehe ich die Zwischenfrage

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Vor!)

(Heiterkeit)

- und freue mich auf dieselbe.

Herr Garg, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie in keinem Fall die Kritik, die hier geäußert wurde, teilen, dass die zusätzlichen Lehrerstellen zugunsten der Gemeinschaftsschulen und zu ungunsten der anderen Schulen verteilt worden sind, weil Sie die Behauptung in den Saal stellen, es gebe überhaupt keine zusätzlichen Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen?

- Ich wiederhole das gern auch für Sie, Herr Habersaat. Ich weiß, Lehrer belehren gern, sie lassen sich allerdings relativ selten belehren.

(Beifall Abgeordneter Christopher Vogt [FDP])

Lieber Kollege Habersaat, ich bin mitnichten mit den Unterstellungen, die Sie mir gerade unterschieben wollen, einverstanden und gehe nicht konform damit. Ich stelle lediglich fest, dass Sie ein zentrales Wahlversprechen - Sie nannten es selber zentral - gegeben haben, 300 Lehrerstellen weniger aus dem System herauszunehmen, als es die vorangegangene Koalition getan hat. Dieses Wahlversprechen haben Sie für das schon laufende Schuljahr abgegeben. Sie haben es weder zum laufenden Schuljahr gemacht, noch dokumentieren Sie bis

(Dr. Heiner Garg)

heute, dass Sie das haushaltstechnisch unterlegen können.

(Beifall FDP und CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Tobias Koch das Wort. - Ich dachte schon, er ist in die Mittagspause gegangen.

(Christopher Vogt [FDP]: Der ist doch nicht zu übersehen!)

Frau Präsidentin, dass Sie mir so etwas unterstellen, finde ich bedenklich. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die 300 Lehrerstellen werden schnellstmöglich zurückgegeben. So steht es im Koalitionsvertrag der Dänen-Ampel. Daran muss sich diese Landesregierung messen lassen.

Zu Oppositionszeiten wussten SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW ganz genau, wie das zu bewerkstelligen ist. In den Monaten vor der Landtagswahl wurde gleich dreimal die Aufstellung eines Nachtragshaushalts beantragt und - damit da auch die größtmögliche öffentliche Wirkung entfaltet wird - jeweils namentlich abgestimmt.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Richtig!)

War die Forderung anschließend vom Tisch, nachdem die Anträge abgelehnt worden sind? - Nein, mitnichten. Auch für die Zeit nach der Landtagswahl war die Aufstellung eines Nachtragshaushalts das erklärte Ziel, zumindest bis zum Wahlsonntag.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wollen wir heute auch namentlich abstimmen lassen?)

- Das könnten wir überlegen, ja.

“Wir verabschieden einen Nachtragshaushalt und nehmen die zum Sommer geplante Kürzung von 300 Lehrerstellen zurück.”

- So steht es im 100-Tage-Regierungsprogramm der Grünen vom April 2012, und zwar gleich als zweiter Punkt und damit ganz oben in der Prioritätenliste des Zwölf-Punkte-Programms. Wörtlich wiesen Monika Heinold und Robert Habeck darauf hin, dass Sie kein Wünsch-dir-was-Programm vorlegen würden, sondern konkrete, schnell umsetzbare Konzepte.

(Beifall CDU und FDP - Christopher Vogt [FDP]: Her damit!)

Wenn es die Landesregierung damit wirklich ernst gemeint hätte, wäre es mit einem Nachtragshaushalt möglich gewesen, die Lehrerstellen spätestens zum 1. September und damit fünf Monate früher als jetzt vorgesehen in den Stellenplan einzustellen. Die dazu erforderliche Sondersitzung in der Sommerpause hätte im Übrigen perfekt zur Dramaturgie des neuen Regierungsstarts gepasst.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das hätten Sie wohl gern gehabt!)

- Das wäre perfekt gewesen, Herr Dr. Stegner. Stellen Sie sich einmal die Symbolkraft vor, die Sie damit hätten entfalten können: Die neue Regierungsmehrheit holt die Abgeordneten extra aus dem Urlaub zurück, um schnellstmöglich ihre Wahlversprechen einzuhalten! Das wäre doch einmal etwas gewesen!

(Beifall CDU - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das hätten Sie kritisiert!)

Was macht die Landesregierung stattdessen? Kaum im Amt verkündet sie erst einmal, dass es in diesem Jahr überhaupt keinen Nachtragshaushalt mehr geben wird. Diese 180-Grad-Wende der neuen Finanzministerin macht mehr als alles andere deutlich, dass der Koalitionsvertrag der Dänen-Ampel zum reinen Wünsch-dir-was-Programm verkommen ist. Denn sonst könnte Monika Heinold problemlos einen Nachtragshaushalt vorlegen.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Anstelle dessen beschließen SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW jetzt, den regulären Haushalt für 2013 im Eilverfahren durch das Parlament zu peitschen. Ganze zwei Wochen, wo ansonsten zwei Monate üblich waren, werden den Fraktionen jetzt zur Durchsicht des Haushaltsentwurfs und zum Einreichen von schriftlichen Fragen eingeräumt.