Die Frage ist dann natürlich, außer Sie gehen davon aus, dass die PIRATEN zukünftig 50 % im Bundestag und in den Landtagen haben werden -
Die letzten Nachrichten, die mich erreichen, lassen mich daran zweifeln, dass es so kommt. - Dann werden solche Kompetenzen, die in anderen Staaten übrigens auch bei Polizeibehörden liegen, der Polizei zugeordnet werden. Das will ich nicht. Deshalb ist das Trennungsgebot wichtig, es ist elementar. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir einen Geheimdienst haben, um die gesellschaftlichen Anforderungen an Vorfeldaufklärung erfüllen zu können, ohne dass Geheimdienste polizeiliche Rechte bekommen. Denn damit haben wir in Deutschland ganz schlimme Erfahrungen, und das möchte ich nicht wieder.
Sie sagen, das passiere alles nicht. Herr Kollege Dr. Breyer, Ihre Vorhersagen sind auch in anderen Fällen nicht eingetreten. Gestatten Sie mir, dass ich mich nicht komplett auf Ihre Zukunftsvisionität verlasse. - Vielen Dank.
Herr Abgeordneter Kubicki, ich habe Ihre Bemerkung während der Rede so verstanden, dass Sie Ausschussüberweisung beantragen? - Das ist nicht der Fall. Es ist nichts beantragt. Es ist kein Antrag gestellt. Der Tagesordnungspunkt ist damit erledigt.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen sehe ich nicht. Dann ist das einstimmig so beschlossen.
Ich erteile für die Landesregierung der Ministerin für Justiz, Kultur und Europa, Anke Spoorendonk, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Bemerkung vorweg. Ich finde es gut, dass dieser Tagesordnungspunkt nach der ersten Debatte kommt. Denn zur Identität einer demokratischen Gesellschaft gehört auch das Wissen um die eigene Geschichte. Wenn wir die Tätigkeit des Nationalsozialistischen Untergrunds diskutieren, gehört natürlich auch dieses Thema dazu. Darum herzlichen Dank dafür, dass mir die Gelegenheit gegeben wird, jetzt etwas zur Gedenkstättenarbeit zu sagen.
Meine Damen und Herren, es gehört zu den Merkmalen der schleswig-holsteinischen Gedenkstättenarbeit, dass sie von unten gewachsen ist und immer Widerstände vor Ort zu überwinden hatte. Erst 1989/90 gab es überhaupt Landesmittel für die Gedenkstättenarbeit, und zwar für die wissenschaftliche Ausstellung über das KZ Ladelund 1944. Einen eigenen Haushaltstitel im Landeshaushalt erhielten die Gedenkstätten erst 1996.
Mit der 2002 gegründeten Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten war die Hoffnung verbunden, die ehrenamtliche Arbeit zu stärken und finanziell besser abzusichern. Rückblickend betrachtet ist aber festzustellen, dass die Bürgerstiftung dazu nicht die Kraft hatte.
Daher hat sich mein Ministerium gleich zu Anfang meiner Amtszeit auf den Weg gemacht, ein Landeskonzept zur Entwicklung der Gedenkstätten und Lernorte in Schleswig-Holstein zu erarbeiten. An zwei Runden Tischen mit Akteuren der Gedenkstättenarbeit, zu denen auch die Fraktionen des Landtags eingeladen waren, und in mehreren Sitzungen der aus den Mitgliedern der Runden Tische heraus gegründeten Arbeitsgruppe sind Eckpunkte eines Konzepts diskutiert und zu Papier gebracht worden.
Wenn der Entwurf im Herbst vorliegt, werden sich sowohl das Kabinett als auch der Landtag damit befassen. Das ist mein Ziel. Denn auch darum geht es: Wir wollen die Vermittlung der Geschichte des Naziregimes in den politischen Raum zurückholen, um deutlich zu machen, dass sich das Land seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist und sich dieser Verantwortung auch stellt.
Auf Grundlage der vorliegenden Eckpunkte konnten wir jedoch schon eine ganze Reihe erster Schritte einleiten, um die Lage der Erinnerungsarbeit in Schleswig-Holstein zu verbessern. So haben wir die Zuwendung für die Bürgerstiftung 2014 um weitere 100.000 € auf 230.000 € erhöht, um gemeinsam mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten die wissenschaftliche und organisatorische Arbeit der Bürgerstiftung zu verstetigen, was letztlich wiederum allen Gedenkstätten zugute kommt.
Zudem werden Projekte vor Ort umgesetzt, die lange auf eine Finanzierung warten mussten. Dazu gehört die Unterstützung des Ehrenamts durch weitere Mitarbeiter in Ahrensbök, Kaltenkirchen und im Flandernbunker genauso wie die Förderung von Informationsbroschüren über das KZ HusumSchwesing und das Projekt „Jüdische Woche“ des Museums Alte Synagoge in Friedrichstadt.
Mit einem Qualifizierungsprojekt werden sich zudem die größtenteils ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gedenkstätten vor Ort für die weitere Professionalisierung ihrer vielseitigen Arbeit fortbilden können. Zusätzlich ist es uns gelungen, finanzielle Mittel zur Förderung von Schulexkursionen zum Besuch dieser Gedenkstätten bereitzustellen.
Hinzu kommt, dass wir im Rahmen der Konzeptarbeit auch prüfen werden, wie unsere künftigen Erwartungen an die Bürgerstiftung aussehen und wie wir sie dabei unterstützen können, diesen noch besser gerecht zu werden. Dabei denke ich auch über die Umwandlung der Bürgerstiftung in eine öffentlich-rechtliche Stiftung für Vermittlungs- und Erinnerungsarbeit nach.
Meine Damen und Herren, die Eckpunkte unseres Gedenkstättenkonzepts enthielten konkret zwei Anträge auf Förderung aus dem Gedenkstättenprogramm des Bundes. Sie wurden beide im letzten Jahr intensiv vorbereitet, öffentlich diskutiert und im September 2012 eingereicht.
Dem Antrag für die Neuentwicklung der Ausstellung in der KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund hat die Beauftragte für Kultur und Medien zugestimmt. Dieses Projekt kann nunmehr umgesetzt werden. Als älteste Gedenkstätte SchleswigHolsteins hat Ladelund eine besondere Bedeutung für unser Land. Das KZ Ladelund als eines von 87 Außenkommandos des KZ Neuengamme steht exemplarisch für das, was ganz Schleswig-Holstein in der Nazizeit ausmachte: Das KZ im Dorf macht deutlich, dass es keinesfalls versteckt und in abgelegenen, menschenleeren Gegenden zu den Verbrechen der Nationalsozialisten kam. Sie wurden überall im Land und mitten unter uns begangen. Alle wussten davon.
Abgelehnt wurde unser Antrag zur Förderung des Projekts Neulandhalle, wobei es müßig ist, über die Gründe für die Ablehnung zu spekulieren. Dass die sogenannte Neulandhalle in Dithmarschen als herausragend authentischer Lernort, wo die Ideologie einer Gewaltherrschaft auf der Grundlage eines kollektiven Rassenwahns beeindruckend zum Ausdruck kommt, eine Kommission bestehend aus Gedenkstättenexperten spaltet, kann ich mir ohne Weiteres vorstellen.
Andersherum bin ich weiter davon überzeugt, dass wir uns in den kommenden Jahren verstärkt damit auseinandersetzen werden, wieso es zu der Nazidiktatur in Deutschland kommen konnte. Wie funktionierte die exkludierende und inkludierende Volks
gemeinschaft? Warum funktionierte dieses System besonders gut in Schleswig-Holstein? - Danach werden die neuen Schülergenerationen fragen. Darauf müssen wir Antworten geben können, und Antworten sind nun einmal leichter nachvollziehbar, wenn sie an authentischen Orten gegeben werden. Keiner hat diese Problematik bisher so stark und provozierend aufgegriffen wie der Historiker Götz Aly in seinem Buch „Hitlers Volksstaat“, das ich jedem zur Lektüre empfehlen kann.
Meine Damen und Herren, es ehrt diesen Landtag, dass er sich schon vor der Landtagswahl 2012 fraktionsübergreifend für das Projekt Neulandhalle aussprach. Diese Gemeinsamkeit ist mir weiter wichtig.
Daher gilt es jetzt, nach vorn zu blicken. Gemeinsam mit der Nordkirche, denn ihr gehört schließlich das Gebäude, werden wir das Konzept des „Lernortes Neulandhalle“ weiterentwickeln. Mein Ziel ist es, das Gedenkstättenkonzept fortzuschreiben, ergänzt durch ein übergeordnetes Konzept zur Vermittlung der Nazigeschichte in SchleswigHolstein, worin die Neulandhalle ihren Platz haben wird.
Ich denke dabei auch an einen bundesweiten Austausch über diese neuen Aspekte der Erinnerungsarbeit nach. Es könnte beispielsweise ein wissenschaftliches Symposium mitsamt einer öffentlichen Veranstaltung im Landeshaus geben - gern auch gemeinsam mit dem Landtag. Entscheidend ist für mich aber, dass wir an der Idee eines Lernortes in der Neulandhalle festhalten. Das Land steht hier zu seiner Verantwortung, und damit meine ich auch, zu seiner finanziellen Verantwortung. Der Ort ist geeignet, und das Thema ist zu wichtig, um es zu ignorieren. Der schnelle Weg über die Einwerbung von Bundesmitteln ist uns erst einmal verwehrt worden. Machen wir uns also auf den etwas längeren Weg, um eine für die nächsten Generationen relevante und wichtige Vermittlungsarbeit zu verwirklichen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, die Frau Ministerin hat die vereinbarte Redezeit um 2 Minuten 45 Sekunden überzogen. Diese Zeit steht jetzt zusätzlich auch allen anderen Fraktionen zur Verfügung, wenn das gewünscht wird.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin, vielen Dank für den mündlichen Bericht, auf den ich gleich gern detaillierter eingehen möchte. Ich möchte vorweg darauf hinweisen, dass im Koalitionsvertrag an zwei Textstellen auf Gedenkstätten hingewiesen wird. Auf Seite 20 heißt es, dass die Koalitionäre sich einig seien, ein Gedenkstättenkonzept zu erarbeiten, „um uns auf dieser Grundlage um die Einwerbung von Bundesmitteln zu bemühen“, und auf Seite 53 ist dann zu lesen: „Die Gedenkstätten für die Opfer und Verfolgten des Naziregimes werden wir stärken und ausbauen“.
Ein unverzichtbarer Bestandteil dieser geplanten Konzeption war es bislang, für die Neulandhalle Bundesmittel einzuwerben, um die Zukunft des Gedenkortes in Dieksanderkoog zu sichern. Wie wir jedoch am 22. Februar 2014 im „Hamburger Abendblatt“ lesen mussten, ist dieser Plan offenbar grandios gescheitert. Wenn wir den dort aufgeführten Zitaten Glauben schenken, dann gingen die Gutachter mit der Vorlage des Kultusministeriums, also mit dem Förderantrag, hart ins Gericht. So heißt es dort sehr unmissverständlich:
„Die Sachverständigen bemängelten beim Konzept die zu starke Überfremdung und die Reauratisierung bei zu geringer Originalsubstanz“.
Viel schlimmer war jedoch, dass die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Frau Monika Grütters, feststellte, dass ein Museum und eine Gedenkstätte am Standort Neulandhalle grundsätzlich unangemessen seien. Ich füge an dieser Stelle hinzu, dass wir Liberale diese Auffassung ausdrücklich nicht teilen.
Vor diesem Hintergrund ist es aber deshalb wichtig - das sage ich jetzt fern jeder parteipolitischen Polemik -, dass wir auf dieser Grundlage nach vorn schauen, denn es geht immerhin um Millionenbeträge für den Kulturstandort Schleswig-Holstein.
Wie wir aus meiner Kleinen Anfrage, Drucksache 18/1596, erfahren haben, sollten die Mittel, die die Nordkirche im Rahmen der Sondervereinbarung
mit dem Land für kulturelle Projekte bereitstellen wollte, zu einem guten Teil in den Aufbau der Neulandhalle als Gedenk- und Lernort fließen. Dieses scheint jetzt obsolet zu sein. Die Fragen, die sich deshalb zwangsläufig stellen, sind: Sollen diese Mittel jetzt für diesen Zweck weiter verwendet werden, oder werden diese Mittel jetzt für andere kulturelle Projekte frei? Was passiert jetzt grundsätzlich mit dem Gebäude Neulandhalle? Wird das Land jetzt aktiv, um den Standort Neulandhalle als Gedenkort zu bewahren? Frau Ministerin, Sie haben eben gesagt, das Land stehe zu seiner Verantwortung. Aber was heißt das konkret? Was bedeutet es, wenn der Eigentümer, die Nordkirche, jetzt öffentlich zitiert wird, dass sich das Land nicht aus der historischen Verantwortung ziehen dürfe? Suggeriert das nicht, dass das Land dieses historische Erbe in letzter Konsequenz auch übernehmen muss? Ich hätte jetzt gern von Ihnen erfahren, ob Sie da konkrete Planungen haben.
Denn wenn wir es ernst mit einer verantwortungsvollen Auseinandersetzung zum Nationalsozialismus meinen, dann müssen wir auch jetzt nach Ablehnung des Förderantrags schnellstmöglich eine Antwort darauf finden, um die Neulandhalle als Gedenkort für die Opfer des Nationalsozialismus zu bewahren.
Darüber hinaus hätte ich von der Ministerin noch mehr Informationen zu der generellen schleswigholsteinischen Gedenkstättenarbeit erwartet. Sie haben zwar gesagt, Ladelund werde jetzt mithilfe des Bundes fortgeführt, aber was macht das Land? Die Bürgerstiftung ist hier auch erwähnt worden. Diese ist weitgehend ehrenamtlich organisiert. Es ist während der Runden Tische und vielen Gespräche gesagt worden, dass sie aufgrund der immer komplexer werdenden Aufgaben an Leistungsgrenzen stoße. Frau Ministerin, Sie sagen jetzt, die Bürgerstiftung könne mit weiteren 100.000 € rechnen. Aber ich stelle mir die Frage, ob damit gewährleistet ist, die Gedenkstättenarbeit sichern und vor allem auch modernisieren zu können.