Lassen Sie mich einen Punkt aus Ihrem Antrag herausgreifen, und zwar den Punkt betreffend die Aufgabenkritik. Das haben die PIRATEN bereits in der vergangenen Debatte eingebracht. Ja, das nehme ich sehr ernst. Die Schuldenlast nicht nur der Kommunen, sondern auch des Landes und des Bundes wir haben gestern über die Sanierung des Nord-Ostsee-Kanals gesprochen - ist groß. Auch der Sanierungsstau ist groß. Deshalb ist es sicherlich wichtig, dass wir darüber reden, welche Aufgaben der Staat zukünftig unter der Einhaltung welcher Standards erfüllen kann. Diese Frage muss insbesondere auch in Anbetracht des demografischen Wandels diskutiert werden, da es immer weniger Menschen geben wird, die diese Aufgaben wahrnehmen.
Wenn irgendjemand aus diesem Haus vorschlägt, an welcher Stelle wir Aufgaben streichen können, dann möchte ich wissen, wie das dann funktioniert.
Viele von Vorgängerregierungen eingesetzte Kommissionen haben sich dieser Arbeit gewidmet. Ich habe in der Hamburgischen Verwaltung, in der ich 25 Jahre lang gearbeitet habe, verschiedenste Prozesse der Verwaltungsmodernisierung mitgemacht. Da hätte man an der einen oder anderen Stelle vielleicht auch sehr viel Geld sparen können.
Ich stehe der Frage offen gegenüber, wie wir Aufgaben anders und effizienter wahrnehmen können. Unsere grünen Vorschläge erwähnen wir immer wieder, die dann meistens mit deutlichen Worten zurückgewiesen werden. Wir sind da aber sehr offen. Ich finde es richtig, dass Sie erwähnen, dass das die Grundlage ist für das zukünftige Staatswesen. Das allein ist für mich aber keine Begründung dafür, eine notwendige Finanzausgleichsreform, so wie wir sie hier vorgelegt haben, zu verschieben. Das würde letztlich nur eine Verschiebung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag bedeuten.
Sie sagen: Reden wir erst einmal über das Allgemeine und das Grundsätzliche. Dann machen wir irgendwann einmal die konkrete Reform. - Das geht nicht, weil das ein sehr komplexes Thema ist. Ich nehme das aber gern auf. Wir können gern einmal vielleicht im Rahmen parlamentarischer Abende darüber diskutieren. Das ist aber kein Grund für uns, die Reform des kommunalen Finanzausgleichs zu verschieben. Meine Damen und Herren, die Opposition bellt, ohne zu beißen - vielleicht zum Glück.
Die Alternative zum KFA? - Fehlanzeige. Ich begrüße zwar jetzt die konstruktive Mitarbeit dadurch, dass wir einen Antrag haben, über den wir uns auseinandersetzen können, aber für mich ist immer noch klar: Wir brauchen die Reform. Mit diesem Gesetz traut sich die Regierung, eine überfällige Reform anzustoßen. Das ist nicht immer bequem, aber es ist notwendig. Ich bin froh, dass unsere Regierung auch bereit ist, unbequeme, aber dringend notwendige Wege zu gehen. - Herzlichen Dank dafür.
Einen habe ich noch: Nachdem wir gestern in der Debatte schon mit dem Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2005 konfrontiert wurden - ich glaube, es war die FDP zum Bildungsdialog - und das heute noch einmal erwähnt wurde, möchte ich Ihnen gern den
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] überreicht Wolfgang Ku- bicki [FDP] ein Schriftstück - Zuruf Wolf- gang Kubicki [FDP])
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe keinen Koalitionsvertrag, Frau von Kalben, hier hat im Übrigen
- das wäre vielleicht besser - auch niemand die Notwendigkeit des kommunalen Finanzausgleichs infrage gestellt, auch die Opposition nicht.
Die spannende Frage ist nur, worauf Sie bei Ihrem kommunalen Finanzausgleich setzen. In Wahrheit hoffen Sie auf etwas bei dem Konstrukt, das Sie heute endlich vorgelegt haben - nachdem dreimal nachgebessert wurde und nachdem die Fraktionsvorsitzenden der regierungstragenden Fraktionen, noch bevor dieser erste Entwurf dem Plenum zugeleitet wurde, bereits auf einer Pressekonferenz angekündigt haben, dass sie erheblichen Nachbesserungsbedarf bei diesem Entwurf sehen. Dann tun Sie doch hier nicht so, als ob Sie ein JahrhundertReformwerk in den Saal geworfen hätten. Sie haben genau das Gegenteil getan. Sie haben endlich erkannt, dass eine Reform notwendig ist, deren Notwendigkeit im Übrigen niemand bestreitet und bei deren Auswirkungen - darauf kommt es am Ende an - Sie in Wahrheit ausschließlich auf eine weiterhin gute Konjunktur setzen. Das sagt der Innenminister übrigens selbst, weil ansonsten all das, was Ihnen bisher schon an Kritik vorgehalten wurde, auch eintreten würde.
Dann wollen wir doch Sie und insbesondere denjenigen, der heute Morgen den Entwurf eingebracht hat, einfach einmal beim Wort nehmen: Der Innenminister sagt, diese Reform des kommunalen Finanzausgleichs werde transparent sein, sie werde gerecht sein, und sie werde auskömmlich sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, insgesamt verlieren die Kreise - Frau von Kalben - 53,7 Millionen €. Wenn Sie anderer Auffassung sind, dann stelle ich Ihnen die Frage, warum Sie eigentlich auch noch zur Transparenz Listen verteilen, aus denen man genau diese Summe errechnen kann. Die Frage ist, wie Sie vor dem Hintergrund dieses Verlustes tatsächlich noch behaupten wollen, dass diese Reform gerecht ist. Wir kommen jetzt dazu.
Am Anfang hätte eine Aufgabenanalyse stehen müssen. Darüber haben wir uns beim letzten Mal intensiv auseinandergesetzt. Was in Wahrheit bei Ihnen am Anfang stand, war eine Ausgabenanalyse, was aber etwas vollkommen anderes ist als eine wirkliche Aufgabenanalyse.
Der Innenminister erwidert auf die Kritik, dass besonders steuerstarke Kommunen entlastet würden, dass zur Solidarität eben auch gehöre, dass steuerstarke Kommunen grundsätzlich mehr zu leisten hätten. - Das ist richtig. Sie wollen aber nicht so viel fordern, dass das Geld für Investitionen fehlt, die andere von ihrem Geld leisten wollen. Sie wollen nicht übermäßig strapaziert werden. Genau das würde ich sehr, sehr ernst nehmen; denn mit der jetzt vorgelegten Reform entziehen Sie mindestens sieben von elf Flächenkreisen die Möglichkeit, überhaupt noch eigene Investitionen vorzunehmen.
Vor dem Hintergrund des Zustands der Infrastruktur - gerade in den Flächenkreisen - würde ich im weiteren Verfahren - Sie haben Dialogbereitschaft im weiteren Verfahren angekündigt - diese Kritik gerade der Flächenkreise wirklich ernst nehmen.
Herr Abgeordneter Dr. Garg, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung der Frau Abgeordneten von Kalben?
Ich habe wirklich ernsthaft eine nicht rhetorische, sondern ehrliche Frage. Wenn Sie von Aufgabenanalyse sprechen, meinen Sie dann auch einen Aufgabenkritikprozess, den ich vorhin beschrieben habe und bei dem ich den Eindruck habe, das wäre ein Totschlagargument, oder meinen Sie damit eher, dass wir tatsächlich nur eine Analyse machen, welche Aufgaben wahrgenommen werden?
- Ich stelle mir unter einer Aufgabenanalyse erstens vor, eine Antwort darauf zu finden, welche Aufgaben die Kommunen tatsächlich zu erfüllen haben ich komme später noch einmal darauf zurück -, welche Aufgabe die Kreise zu erfüllen haben. Die sind hier zum Teil schon benannt worden. Die Kreise haben erstens dafür zu sorgen, die Leistungen nach dem SGB VIII - also im Kinder- und Jugendbereich - und die Leistungen des SGB XII umzusetzen, und sie haben dafür zu sorgen, dass ein leistungsfähiger öffentlicher Personennahverkehr insbesondere in den Flächenkreisen sichergestellt werden kann.
Das sind drei zentrale Aufgaben. Ich bin der festen Überzeugung, dass neben all den freiwilligen Leistungen, die Sie im Zweifel aus Ihrer Verwaltungserfahrung noch besser kennen als ich, die Kommunen zumindest in die Lage versetzt werden müssen, konjunkturunabhängig genau diese zentralen Aufgaben auch weiterhin wahrzunehmen. Wenn das mit einem kommunalen Finanzausgleich nicht gelingt - egal ob novelliert oder nicht -, dann fehlt etwas in diesem System.
Eine weitere Nachfrage: Sie wissen auch, dass die kommunalen Haushalte in der Regel in Pflichtaufgaben und freiwillige Aufgaben aufgeteilt sind. Jeder Kreis weiß ziemlich genau, was eine Pflichtaufgabe und was eine freiwillige Aufgabe ist. Ich weiß zumin
dest aus meinem Kreis - das ist in vielen anderen Kreisen auch so -, dass der Anteil der freiwilligen Aufgaben marginal ist. Das heißt, wenn wir die Ausgaben sämtlicher Pflichtaufgaben zusammenrechnen, haben wir dann nicht auch eine Analyse dessen, was die Aufgaben kosten, die die Kreise zurzeit wahrnehmen?
- Sie haben mit Sicherheit einen Überblick darüber, was die derzeitige Aufgabenwahrnehmung kostet, Sie haben aber keinen Überblick darüber, wie diese Aufgabenwahrnehmung in den Kreisen organisiert wird. Da gibt es positive, aber auch negative Beispiele, Frau von Kalben. Ich glaube, an der Stelle sind wir gar nicht weit voneinander entfernt. Genau diese Frage ist bisher nicht hinreichend beantwortet worden.
Punkt zwei bei der Frage der Gerechtigkeit ist die Frage, was die Mittelkürzungen bei den Kreisen bewirken, die Konsolidierungshilfe erhalten. Bis auf den Kreis Dithmarschen müssen alle anderen Kreise Mindereinnahmen hinnehmen, Herr Minister. Ich glaube, das ist unbestritten, jedenfalls in Ihrem Berechnungsbeispiel. Dass Sie darauf hoffen - das haben Sie selbst relativ deutlich gemacht -, dass aufgrund der guten Konjunktur am Ende an Mittelzuweisung etwas ganz anderes herauskommt als auf dem Papier, steht auf einem anderen Blatt. Ich habe mich daran zu halten, was Sie selbst auch als korrigierte Berechnungsgrundlage verschickt haben. Auf dem Papier erhalten zumindest alle anderen Flächenkreise in Zukunft deutlich weniger Einnahmen als vor dem Entwurf. Von diesen Kreisen hat die Hälfte einen Konsolidierungsvertrag mit Ihrem Ministerium geschlossen. Bei der Mehrheit der Konsolidierungskreise führt die Kürzung der Zuschüsse, jedenfalls so, wie sie bisher wirken würden, dazu, dass die geplante Neuordnung den Konsolidierungsbeitrag, den sie von Ihnen erhalten, um ihren Haushalt in Ordnung zu bringen, komplett aufzehrt. Herr Innenminister, es kann doch nicht wirklich das Ziel einer Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs sein, dass die Konsolidierung der Kreisfinanzen in weite Ferne rückt, weil Sie den Kommunen genau mit Ihrer FAG-Novelle die Möglichkeit nehmen, ordentlich zu konsolidieren, und dazu auch noch ein Konsolidierungsabkommen geschlossen haben.
Vor ganz besonderen Problemen stehen Konversionskommunen, die zum Teil durch einen dreifachen Effekt belastet werden. Auch hier werden wir
uns in den Ausschussberatungen und in den Anhörungen sehr genau anhören und überlegen müssen auch wenn es sich um einzelne Gemeinden handelt, zwei davon kommen zum Beispiel aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde -, ob es wirklich gewollt ist, dass Konversionsgemeinden wie beispielsweise Hohn oder Alt Duvenstedt durch einen dreifachen Effekt - einmal durch die Zensusmittel, die möglicherweise falsch berechnet sind, zum Zweiten durch die Konversion und zum Dritten durch die Wirkung der FAG-Novelle - dreifach belastet sind. Ich hoffe, dass in den Ausschussberatungen auch darüber ernsthaft nachgedacht wird, ob das ein gewünschter Effekt einer FAG-Novelle sein kann.
Nächster Punkt. Sie können noch so oft behaupten, dass die Novelle allen Kommunen gerecht werde ich bin fest davon überzeugt, dass dieser Anspruch mit dem vorliegenden Gesetz noch nicht erfüllt wird. Sie schwächen den ländlichen Raum deutlich. Der Kreis Nordfriesland muss in Zukunft auf rund 7,2 Millionen € verzichten, der Kreis Plön auf 5,8 Millionen €. Das sind alles Zahlen aus dem Innenministerium. Herr Minister, der ländliche Raum wird durch Ihre Reform massiv geschwächt, und zwar nicht nur deswegen, weil bis auf den Kreis Dithmarschen alle Flächenkreise Finanzmittel verlieren. Es ist unbestritten, dass die kreisfreien Städte ganz besondere Soziallasten zu tragen haben. Das hat bisher auch niemand bestritten. Die Frage ist nur, ob es ein gewolltes Ergebnis ist, dass in sieben von elf Kreisen, in denen zum Teil Gemeinden als vermeintliche Gewinner gerechnet werden und zusätzliches Geld durch die vorliegende Novelle bekommen -
- Frau von Kalben, wenn Sie saldieren, haben Sie den Zugewinn bei den Gemeinden und das, was die Kreise verlieren. Unterm Strich verlieren insgesamt Gemeinden und Kreise in sieben von elf Fällen. Auch darüber sollten wir in den Ausschussberatungen reden. Mir ist egal, ob der Innenminister sagt: Jede Gemeinde zählt. Am Ende zählen die Mitbürgerinnen und Mitbürger in den jeweiligen Kreisen, die ja in Gemeinden leben, und die Frage, ob die mehr oder weniger zur Verfügung haben. In sieben von elf Kreisen haben sie unterm Strich weniger zur Verfügung. Das ist ja wohl nicht ernsthaft der Sinn einer FAG-Novelle.