Protokoll der Sitzung vom 11.09.2014

Im Übrigen wissen wir, dass das an dieser Stelle nicht mehr passieren wird. Dass wir aber die Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen stärken und dass den Vereinten Nationen solche Mandate erteilt werden sollen, das finde ich richtig. Wenn man das um diesen Halbsatz, aber ohne das Adjektiv ergänzt, dann könnten die meisten Abgeordneten sicherlich damit leben. Das wäre zumindest mein Vorschlag.

(Beifall PIRATEN, vereinzelt SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

- Ich weiß nicht, ob man als Zwischenfrager Anträge stellen kann. Ich würde als der hier vorne am Mikrofon Stehende die Formulierung als Antrag übernehmen. - Danke.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt FDP und PIRATEN)

Vielen Dank. - Ich möchte darauf hinweisen, das jetzt noch zwei weitere Dreiminutenbeiträge anstehen. Außerdem wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die soeben gefundene Formulierung rechtzeitig dem Präsidium zuleiten könnten, damit wir darüber abstimmen können.

Jetzt hat aber zunächst die Kollegin Astrid Weber von der CDU-Fraktion das Wort.

(Zurufe)

- Astrid Damerow von der CDU-Fraktion. Ich bitte um Verzeihung.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Stegner, ich habe mich zu einem Dreiminutenbeitrag zu Wort gemeldet, weil mir bei meinem Redebeitrag vorhin die Zeit weggelaufen

(Jürgen Weber)

ist und meine letzten Formulierungen möglicherweise missverständlich waren.

Es ging mir in keiner Weise darum, pazifistische Grundhaltungen in irgendeiner Art und Weise herabzuwürdigen oder nicht zu akzeptieren. Ich denke, das steht auch niemandem zu. Das wird jeder Mensch für sich selbst entscheiden. Das war also nicht meine Absicht.

Ich wollte aber für mich selbst und für meine Fraktion - wir sind uns dabei einig - deutlich machen, das es für uns sehr problematisch ist, den Grundsatz zu vertreten, Amerika solle mit Waffen helfen, während wir humanitär helfen.

Wir haben hier mehrere Begründungen gehört. Das erscheint uns zu wenig. Es gibt uns das Gefühl, dass wir unserer Verantwortung nicht gerecht werden. Ich glaube, wir alle sind uns einig. Ich denke, niemand unterstellt dem anderen, dass er sich diese Entscheidung leicht gemacht hat. Die Diskussionen im Bundestag haben dies sehr deutlich gemacht.

Die Bundestagsfraktion meiner Partei hat sich so entschieden. Wir sehen dies in der Landtagsfraktion genauso. Ganz praktisch stehen wir nämlich vor dem Problem, dass in dieser Region täglich Menschen sterben. Wir reden hier darüber, welche Regularien wir einzuhalten haben und welche Mandate wir brauchen. In der Zwischenzeit sterben im Irak Menschen. Ich finde es höchst problematisch, hier nicht zu Lösungen zu kommen, so schwer diese auch sind. Wir werden noch sehr lange darüber diskutieren.

Uns allen ist die Problematik in der Region Kurdistan - egal, ob im Iran, im Irak oder in der Türkei bewusst. Wir alle wissen, dass Waffen, die man in Krisengebiete liefert, mitunter ganz schnell umgedreht werden. Das alles stimmt. Das kann ich aber doch nicht den Menschen vor Ort sagen, die dort gerade übelster Verfolgung, Mord und Todschlag ausgesetzt sind. Dies ist die Haltung meiner Fraktion. Diese wollte ich vorhin deutlich machen, ohne irgendwelche pazifistischen Grundhaltungen herabzuwürdigen.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Liebe Frau Kollegin Damerow, bei dem, was Sie eben gesagt haben, gibt es zwei Probleme. Wenn ich es richtig sehe, ist es doch so, dass die meisten Menschen dort im Augenblick sterben, weil sie nicht ordentlich versorgt werden, weil es an Versorgung fehlt. Die Korridore, die durch amerikanische Lufthilfe entstanden sind, führen dazu, dass die Menschen sicher an diese Orte gelangen, in denen sie dann versorgt werden müssen. Weiter sagen Sie, wir können dies nicht den Amerikanern überlassen. Wenn die Union dies so formuliert, dann besteht Sorge, weil Frau von der Leyen öffentlich sagt, sie sei dafür, dass wir endlich militärische Tabubrüche vollziehen. Ich muss ehrlich sagen, militärische Tabubrüche sind das Letzte, was wir im Moment brauchen. Ich glaube, wir müssen an einer Friedensordnung mitwirken. Das ist der Punkt, der mir Sorgen macht. Es ist die Verteidigungsministerin der Bundesrepublik Deutschland, die dies formuliert. Das ist unser Problem. Daher sind wir eher für klare Formulierungen.

(Vereinzelter Beifall SPD)

- Herr Kollege Stegner, das war keine Frage von Ihnen, sondern eine Feststellung. Dieser Satz von der Frau Ministerin von der Leyen wird immer wieder herangezogen. Sie hat von einem Tabubruch gesprochen. Herr Kubicki hat vorhin von einer Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln gesprochen, die diese Waffenlieferung sei. Ich denke, Sie wissen sehr genau, dass Ministerin von der Leyen mit ihrer Aussage im Grunde deutlich machen wollte, welch schwierige und durchaus heftig diskutierte Entscheidung dies ist und dass dies in der Tat eine Handlungsweise ist, die bisher für uns nicht üblich war. Das ist die Reaktion auf einen außerordentlich schwierigen und nicht einfach einzuordnenden Konflikt. Es gibt hier nicht nur Gute und Böse. Es gibt große Unterschiede.

In der Tat liefern wir Waffen in eine Krisenregion. Dies ist ein neues Vorgehen für die Bundesregierung. Ich denke, das ist genau das, was die Ministerin von der Leyen damit zum Ausdruck bringen wollte. - Ich danke Ihnen.

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms vom SSW das Wort.

(Astrid Damerow)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist klar, dass es Probleme gibt, dass man nicht weiß, wo die Waffen möglicherweise landen oder wie die Waffen möglicherweise in der Zukunft verwendet werden. Das ist klar, das ist ein Risiko, dessen wir uns - so glaube ich - alle bewusst sind. Dessen sind sich auch diejenigen bewusst, die durchaus bereit sind, Waffenlieferungen zuzustimmen.

Ich glaube, ein Kriegseinsatz der Bundeswehr schließt sich aus. Ich glaube, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Eigentlich geht es nur um die Frage des UN-Mandats. Wir haben festgestellt, dass es die UN bisher selbst nicht geschafft haben, ein Mandat - sei es robust oder welcher Art auch immer - auf die Beine zu stellen. Unsere Einschätzung ist, dass auch ein Antrag der Bundesrepublik Deutschland nicht dazu führen wird, dass sich dieser Knoten auflösen lässt.

Das führt automatisch dazu, dass es dann, wenn wir heute möglicherweise mit Mehrheit einen Beschluss fassen, in dem wir sagen, lasst die UN das regeln, letztlich bedeutet, dass den Menschen vor Ort trotzdem nicht geholfen ist. Für uns ist es ganz wichtig, dass den Menschen vor Ort geholfen wird. Es kann nicht dabei bleiben, dass die Amerikaner durch ihre Bombeneinsätze Korridore schaffen, durch die die Menschen flüchten können. Das ist schon viel. Wir müssen die Menschen vielmehr in die Lage versetzen, sich selbst wehren zu können. Das können sie nicht, wenn wir nur sagen: Ein UNMandat wird es schon richten. Wenn es dann doch nicht kommt, dann sind einige Monate ins Land gezogen. Dann schauen wir mal, ob sich diese Frage auf irgendeine andere Art und Weise lösen lässt. Wir müssen aber jetzt handeln. Jetzt besteht Zeitdruck. Wir müssen schnell handeln und den Menschen schnell die Hilfe angedeihen lassen, die sie brauchen. Sie ist humanitärer Art, aber sie ist leider auch militärischer Art. Dies beinhaltet auch Waffenlieferungen aus der Bundesrepublik Deutschland. Das ist nicht schön, und das ist keine Entscheidung, die wir uns als SSW leicht machen, aber wir stehen dazu, dass diese schnelle Nothilfe jetzt notwendig ist. Deshalb werden wir auch dem neu formulierten Antrag so nicht zustimmen können.

(Beifall SSW und vereinzelt CDU)

Vielen Dank. - Jetzt erhält Herr Abgeordneter Dr. Kai Dolgner von der SPD-Fraktion das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte einen Punkt des Kollegen Kubicki noch einmal aufgreifen, da mir dieser in der Debatte zu sehr untergeht. Ja, ich glaube, es ist für jeden Menschen mit einem Gewissen schlimm, wenn er für eine Situation keine perfekte Lösung hat. Diese hatten wir aber auch nie für den Südsudan. Der letzte Sezessionskrieg auf dieser Welt hat zwei Millionen Tote gefordert. Es gibt eine UN-Mission, die im Dezember gerade überrannt worden ist. Im Südsudan herrscht inzwischen der nächste Bürgerkrieg.

Deshalb sind diese Fragen nicht einfach zu beantworten. Meine Antwort muss prinzipiell auf alle Regionen in der Welt anwendbar sein. Es geht um das Thema Herrschaft des Rechtes im Völkerrechtsbereich. Ich kann nicht sagen: Weil mir diese Region näher steht als andere oder mehr in der Berichterstattung zu finden ist, werfe ich alle Regularien über Bord und komme zu willkürlichen Entscheidungen in der Frage, wie ich den Konflikt eingreife.

Die Reaktion der UNO ist nicht das, was ich mir vorstelle, da gibt es keine Frage. Stattdessen jedoch zu sagen, hier greife ich ein, dort nicht, und jeder Nationalstaat macht das so, ist Willkür. Das Thema Waffenlieferungen versuche ich einmal zu verdeutlichen, indem ich auf die Polizeiebene abhebe! Das ist ungefähr so, als sagte man: In diesen Stadtteil möchte ich mit meinen Polizeikräften nicht hineingehen, weil dort ein zu hohes persönliches Risiko besteht, also bewaffne ich die Taschendiebe, um die Mörderbanden zu bekämpfen. Genau so ist das.

(Zuruf: Abwegig!)

- Nein, das ist nicht billiger.

(Weitere Zurufe)

- Dann habe ich den Zwischenruf nicht richtig verstanden. Sie können mir gern eine Zwischenfrage stellen.

(Zuruf)

- Doch, darum geht es. Ich versuche das an dem deutlich zu machen, was sich im staatlichen Beisammensein bewährt hat. Ich sage: Es gibt ein Gewaltmonopol, und das hat der Staat. Ich verzichte selbst in Situationen, in denen mir das schwerfällt,

auf persönliches Eingreifen, auch wenn ich sage: Der Staat tut ja nichts. Wenn ich versuche, dies auf die internationale Ebene zu transferieren, dann führt dies dazu, dass nicht der einzelne Staat eingreift, sondern dass die Völkergemeinschaft eingreift, weil man eine Basis für eine Eingriffslegitimation braucht. Das hat der Kollege Kubicki richtig gesagt.

Ich möchte das noch einmal herausarbeiten: Der Angriff auf den Irak, so gerechtfertigt er vor dem Hintergrund des Regimes gewesen sein mag oder nicht, wobei wir über die gefälschten Beweise nicht reden müssen, war der Dammbruch. Man hat auf ein UNO-Mandat verzichtet. Die Folgen kriegen wir alle zu spüren. Wenn wir nicht alle dafür kämpfen, dass das Völkerrecht wieder Wirkung erhält und Bedeutung erlangt, dann werden wir die Konflikte der Welt nicht lösen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, PIRATEN und Wolfgang Kubicki [FDP])

Mir wird immer die Frage vorgehalten: Was ist denn deine Lösung? - Da ich rhetorisch nur eine mittelmäßig geschickte Formulierung finde, frage ich: Was ist die Lösung für die anderen Konflikte dieser Welt? Ich habe eben den Südsudan genannt. Im Augenblick gibt es eine zweistellige Anzahl an Krisenherden, bei denen genauso viele - wenn nicht sogar mehr - Unschuldige gestorben sind und täglich sterben. Wer also ein Patentrezept hat und sagt, ich möchte den oder denjenigen bewaffnen, der muss sich fragen lassen: Ist deine Lösung auch in dieser Region anwendbar? Im Südsudan haben wir übrigens inzwischen acht Bürgerkriegsparteien, die an dem Konflikt teilhaben. Ist deine Lösung im Kongo anwendbar?

(Zuruf SPD: Lybien!)

- Ein richtiger Zuruf! - Ist deine Lösung jetzt gerade in Lybien anwendbar? Oder kommt man nicht zu dem, was wir im Binnenverhältnis bei der Staatenbildung gesagt haben? Dort haben wir nämlich gesagt: Nein, wir kommen weg vom Recht des einzelnen Feudalherren, der sich selber sein Recht verschafft, indem man eine Gemeinschaft bildet und in dem dann die Gemeinschaft entscheidet, wie man mit Konflikten umgeht. Wenn wir das nicht auf die globale Ebene übertragen, dann haben wir wirklich verloren. Denn dann haben wir ein sehr kriegerisches Jahrhundert vor uns.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und PIRATEN)

Entschuldigung! Wir sind hier vorn noch in der Debatte über die Formalitäten der Abstimmung, die wir gleich durchführen. Deshalb war ich einen Moment lang unaufmerksam. - Jetzt hat der Kollege Johannes Callsen von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke, die Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt zeigt in der Tat, wie schwierig die Entscheidung über die Frage der Waffenlieferungen in den Irak ist und wie schwierig es gerade für unsere Kollegen im Deutschen Bundestag gewesen sein muss; denn der Deutsche Bundestag ist ja dafür verantwortlich,

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Leider nicht!)

diese Entscheidung zumindest politisch auf Bundesebene begleitend zu treffen. Ich sagte „politisch begleitend“, Frau Kollegin von Kalben.

Niemand hat sich diese Entscheidung leicht gemacht. Aber die Bundesregierung hat nach umfangreicher Abwägung entschieden. Der Bundestag hat nach intensiver Abwägung und auch nach parteiinternen sicherlich kontroversen Diskussionen ein Votum abgegeben, übrigens auch das SPD-Parteipräsidium, Herr Dr. Stegner, mit großer Mehrheit. Auch Ihnen oder dem SPD-Parteipräsidium unterstelle ich nicht, man habe sich an dieser Stelle irgendetwas leicht gemacht.

Ich habe auch vom eigentlich zuständigen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier - denn wir reden ja jetzt über ein UN-Mandat - nichts in diese Richtung gehört.