Protokoll der Sitzung vom 09.10.2014

Die Provinzial NordWest Holding ist inzwischen eine privatrechtliche Aktiengesellschaft, deren Anteile von öffentliche-rechtlichen Sparkassen- und Landschaftsverbänden gehalten werden. Eine Veräußerung dieser Anteile ist nur einvernehmlich möglich und steht in Schleswig-Holstein unter dem Zustimmungsvorbehalt der Landesregierung. Zuletzt haben aber ohnehin mehrere Anteilseigner eine Veräußerung an Private ausgeschlossen, als es um den Verkauf an die Allianz ging.

Die Holding erwirtschaftet ein positives Ergebnis und konnte es zuletzt sogar noch einmal steigern. Vor diesem Hintergrund komme ich zu der Bewertung, dass es im Moment überhaupt keinen Anlass für eine politische Einmischung des Landes gibt, das ja auch nicht Träger dieser Holding ist.

Auch meine ich zum Antrag der Koalition, dass die anderen Landesregierungen ebenfalls der falsche Ansprechpartner sind, was die Zukunft der Provinzial angeht. Vor dem Hintergrund empfehle ich, dem Antrag nicht zuzustimmen. Ich sehe ihn eher als eine politische Profilierung zugunsten der Beschäftigten an, als dass er Sinn machen würde.

Ich finde auch, dass diese Profilierung nicht besonders glaubwürdig ist. Denn es ist doch gerade die SPD, die seit Jahren unter dubioser Verflechtung mit privaten Konzernen eine private Realisierung von Bauprojekten und auch einen privaten Betrieb öffentlicher Infrastruktur im Wege von ÖPP-Projekten forciert.

(Beifall Uli König [PIRATEN] - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Was reden Sie für einen Un- sinn!)

Lesen Sie einmal die Rechnungshofberichte nach, Herr Dr. Stegner, was dort zu den dubiosen ÖPPProjekten gesagt wird, die die rot-grüne Bundesregierung auf den Weg gebracht hat. Hier im Land ist zuletzt der ÖPP-Vertrag für das UKSH abgeschlossen worden. Er ist hochproblematisch. Wir haben jetzt schon gehört, dass neue Beschäftigte in andere Gesellschaften ausgelagert werden sollen.

Herr Dr. Stegner, ich habe auf abgeordnetenwatch.de gelesen, dass Sie am 31. Juli dieses Jahres eine Frage von einem Bürger erhalten haben, aus der ich zitieren möchte:

„Bis 2014 sind nach einem Gutachten des Bundesrechnungshofs fünf der sechs Autobahnprojekte, die als PPP realisiert wurden, teurer geworden, als dies bei konventioneller Umsetzung der Fall gewesen wäre. Eine wesentliche Motivation zur Nutzung von PPP sei die Vorfinanzierung der Baukosten durch Private und damit die Möglichkeit der Umgehung der Schuldenbremse.

Und hier meine Nachfrage: Was ist ÖPP anderes als Privatisierung? Bauen Sie hier einen Schattenhaushalt auf? Warum machen Sie alles zum Nachteil der Bürger; denn zehnjährige Bundesanleihen kosten zurzeit 1,15 % Zinsen.“

Herr Dr. Stegner hat diese Frage auf Abgeordnetenwatch seit dem 31. Juli 2014 nicht beantwortet. Mich wundert es auch nicht, dass er sie nicht beantwortet hat.

(Beifall Uli König [PIRATEN] - Christopher Vogt [FDP]: Skandal!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unter einer SPD-geführten Regierung in Schleswig-Holstein sind wiederholt Häfen im Land privatisiert und verkauft worden. Dabei geht es um unsere Küsten, um unsere Natur, die es nur einmal gibt, aber nicht um Versicherungsangebote, zwischen denen man wählen kann. Leider ist von Ihrer Seite keinerlei Unterstützung für unseren Antrag gekommen, um diesen Ausverkauf unserer Natur zu stoppen. Vor diesem Hintergrund hat die Privatisierungskritik der SPD für mich jede Glaubwürdigkeit verloren.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Der Antrag von CDU und FDP ist überflüssig. Ich muss Kritik am zweiten Absatz äußern. Der öffentliche Auftrag einer Versicherung wird doch nicht in einer Erklärung von Betriebsrat und Vorstand formuliert. Diese können doch keinen öffentlichen

(Christopher Vogt)

Auftrag formulieren. Im Übrigen ist der Einsatz für Arbeitsplätze bei uns im Land eine Selbstverständlichkeit für uns. Daher sollten wir unsere Zeit nicht mit Symboldebatten verplempern.

(Zuruf SPD: Das sagt der Richtige!)

Mit bloßen Worten ist niemandem und vor allem nicht den bei der Provinzial Beschäftigten geholfen. - Vielen Dank.

Vielen Dank. - Das Wort hat der Abgeordnete Flemming Meyer für die Kollegen des SSW.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor gut zwei Jahren haben wir hier im Landtag in einer Aktuellen Stunde zuletzt über die Zukunft der Provinzial diskutiert. Anlass war damals die mögliche Übernahme der Provinzial durch die Allianz. Dies hat seinerzeit für sehr viel Unruhe bei den Mitarbeitern der Provinzial geführt. Denn mit einer möglichen Übernahme standen auch Tausende von Arbeitsplätzen in Schleswig-Holstein auf dem Spiel. Es war beachtlich, zu sehen, wie die Mitarbeiter für ihren Arbeitsplatz und für ihre Provinzial gekämpft haben. Eine solche Übernahme hat es Gott sei Dank nicht gegeben, und das war auch gut so.

Der SSW hat seinerzeit vor einem Verkauf gewarnt. Der Schutz der Mitarbeiter stand für uns im Vordergrund. Wenn wir aber über die Provinzial reden, dann reden wir nicht über eine Versicherung im allgemeinen Sinne. Die Provinzial hat als öffentlich-rechtliches Unternehmen auch einen öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen. Sie soll eben nicht nur am Markt agieren wie andere Versicherungsunternehmen. Sie ist auch dem Gemeinwohl und der Daseinsvorsorge verpflichtet. Dadurch unterscheidet sie sich erheblich von anderen privaten Versicherungen. Der gesellschaftliche Wert dieser öffentlichen Einrichtung ist sehr deutlich zu sehen.

Die Provinzial hat in Schleswig-Holstein eine lange Tradition. Das spiegelt sich auch in der hohen Kundenbindung der Provinzial und ihrer tiefen Verankerung in ganz Schleswig-Holstein wider. Daher ist es natürlich klar, dass wir weiter ein sehr großes Interesse daran haben, die Provinzial in dieser Rechtsform zu erhalten.

Mit dem heute vorliegenden Antrag bekräftigen wir gewissermaßen den öffentlich-rechtlichen Vertrag zuletzt geändert im Jahr 2005 - zwischen dem Land

Schleswig-Holstein und dem Sparkassen- und Giroverband. Der Landtag hat seinerzeit mit Mehrheit diesem Vertrag zugestimmt. Er ist quasi die Grundlage dafür, dass die Provinzial als öffentlich-rechtlicher Versicherer am Markt agieren und gleichzeitig die Gemeinwohlleistungen erfüllen kann. Damit hat Schleswig-Holstein bereits früh die Weichen gestellt, die die Provinzial sichert und darüber hinaus dem Land Einflussmöglichkeiten gewährt.

Anders sieht es beispielsweise in Hamburg aus. Dort wurde die Hamburger Feuerkasse in den 90erJahren verkauft und gehört heute zur Provinzial NordWest Holding. Seitdem ist die Hansestadt nicht mehr an der Versicherung beteiligt und hat somit auch keinerlei Einfluss mehr. Aus diesem Grund hat die Hamburger Bürgerschaft mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen und Linken einem Antrag zugestimmt, der darauf abzielte, sich im Rahmen des politischen Dialogs mit den Landesregierungen von Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen für eine weiterhin öffentlich getragene Provinzial auszusprechen.

Immer wieder gibt es Fusions- oder Privatisierungsgedanken. Dies sorgt natürlich für Unruhe bei den Mitarbeitern; denn es geht letztendlich um den möglichen Abbau von Arbeitsplätzen und den Verlust der gesellschaftlichen Leistungen, die diese Versicherung erbringt. Dies kann aber nicht gewollt sein.

Wir wollen, dass die Provinzial weiterhin öffentlich getragen wird. Nur so gewährleisten wir, dass die Provinzial weiter in Schleswig-Holstein stark vertreten ist und dass sie ihre gut vernetzten Strukturen im Land behält. Die Provinzial ist eben keine x-beliebige Versicherung. Sie ist ein Beispiel dafür, dass Geschäft und kulturelles beziehungsweise soziales Engagement sich nicht gegenseitig ausschließen müssen. Daher geht es um mehr als nur um eine Versicherung. Es geht um ein Stück gelebte öffentlich-rechtliche Unternehmenskultur in Schleswig-Holstein, die wir alle gemeinsam gern erhalten wollen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Ralf Stegner von der SPD-Fraktion.

(Dr. Patrick Breyer)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in den vergangenen Wochen und Monaten sehr viele Gespräche geführt - mit den Gewerkschaften, mit dem Betriebsrat der Provinzial, mit dem Sparkassenverband, mit den Kollegen aus den Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz sowie mit all denjenigen, denen daran gelegen ist, dass das, was die Provinzial auszeichnet, nämlich die Sicherheit im Norden, auch für die Arbeitsplätze gilt. Es geht um ein wirklich toll arbeitendes Unternehmen, das natürlich nicht die Renditeerwartungen bedienen kann und auch nicht bedienen soll, die an die Allianz gestellt werden. Zudem hat die Provinzial auch einen anderen Auftrag. Das ist ein gutes Stück Gemeinwirtschaftskultur in Deutschland, das wir gern erhalten wollen.

Deswegen bedarf es überhaupt keiner mahnenden Hinweise an unsere Adresse, was die Sicherheit der Arbeitsplätze bei uns im Norden angeht. Das muss ich schon sagen. Wir sind diejenigen gewesen, die das die ganze Zeit - übrigens teilweise gegenüber der komplett anderen Einschätzung anderer - vertreten haben.

(Vereinzelter Beifall)

Der Beitrag des Kollegen Dr. Breyer ist intellektuell so unwürdig, dass ich mich damit gar nicht auseinandersetzen möchte. Das ist es wirklich nicht wert.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Herr Kollege Günther, Sie haben gesagt, in der Sache seien Sie willens, über Ihren Schatten zu springen. Wir bieten Ihnen an, einen Antrag Drucksache 18/2330 (neu) zu stellen, in dem der komplette Text des CDU/FDP-Antrags übernommen wird. Ihren Text fügen wir am Ende unseres Antrags hinzu. Das stellen wir zur Abstimmung.

Wir glauben, mehr kann man gar nicht auf Sie zugehen, als Ihren gesamten Text zu übernehmen. Ich bitte aber darum, uns damit zu verschonen, uns noch einzelne Sätze in unserem Antrag abzuverhandeln. Wir stellen diesen veränderten Antrag zur Abstimmung. Ich glaube, es wäre ein gutes Signal, wenn der Schleswig-Holsteinische Landtag dem insgesamt zustimmen würde. Das wäre ein Signal an die Beschäftigten. Das wäre auch ein Signal an die Privatwirtschaft.

Das wäre übrigens auch ein Signal an die Sparkassen. Wir haben den Sparkassen immer gesagt: Bei all den Problemen, die ihr habt, die Notausgangstür,

mit der Provinzial Kasse zu machen, das geht mit uns nicht. - Der Vertrag, der damals von Peer Steinbrück und anderen ausgehandelt worden ist, war ein guter Vertrag. Damit ist ein Ausverkauf verhindert worden. Die schleswig-holsteinische Politik macht das nicht mit.

Geben Sie sich also einen Ruck, Herr Kollege Günther! Wir haben Sie jetzt ein bisschen überrascht. Der Kollege Koch hat zwar immer noch seine Gestrigkeitsreden gehalten, aber das macht ja nichts. Lernen kann jeder, Herr Koch, auch Sie. Vielleicht können Sie über Ihren Schatten springen und sagen, dass Sie dem zustimmen, wenn wir schon Ihren Antrag komplett übernehmen, und nicht noch an einzelnen Formulierungen herummäkeln. Dazu fordere ich das Haus herzlich auf. Wenn wir das gemeinsam ohne die PIRATEN tun, ist die Gemeinsamkeit meines Erachtens groß genug. - Vielen herzlichen Dank.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort hat der Abgeordneter Thomas Rother von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist tatsächlich ein Stück weit irritierend, wie die Debatte läuft. Die Debatte ist nicht reine Symbolpolitik. Schauen Sie sich einmal an, wie viele Menschen davon betroffen sind und um welche Vermögenswerte es geht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das sind Leute, die auf eine Botschaft warten. Wenn sich die Landesregierung mit Nachdruck für die Arbeitsplätze einsetzt, so ist das wunderbar. Das können wir gern aufnehmen.

Genau dieser Prozess kommt ja auf uns zu. Genau dazu müssen wir uns positionieren. Deshalb ist das keine Symbolpolitik, sondern tatsächlich eine Stellungnahme zu einem Problem, das sozusagen vor der Tür steht und zu dem wir uns positionieren müssen.

Noch einmal zu den Ausführungen von Herrn Koch. Ich finde es gut, dass Sie die Erklärung zwischen Betriebsrat und Vorstand mit aufgenommen haben. Damit beziehen Sie sich also selbst auf den Betriebsrat. Nicht nur wir beziehen uns auf den

Betriebsrat und auf die Gewerkschaften. Allerdings ist es so, dass die Aufgaben und Geschäftsgrundsätze, wie sie bei der Provinzial gesetzlich definiert sind, tatsächlich auch aus meiner Sicht relativ flau formuliert sind. Ich habe dies vorgetragen. Von daher ist jede Präzisierung wunderbar.

Wir können uns natürlich über den historischen Kontext und darüber, wie die damalige Änderung der Rechtsform der Provinzial geschehen ist und was der Hintergrund war, unterhalten. Aber von einem Verscherbeln zu sprechen? - Wir können auch noch einmal über die HDW, die Wohnungsgesellschaft und so weiter diskutieren. Ich finde es aber ein bisschen absurd, dass diese Kritik gerade von denjenigen kommt, die die Sparkassen und viele andere Bereiche privatisieren wollten. Das passt für mich nicht zusammen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dennoch glaube ich, dass wir an dieser Stelle so viel Flexibilität zeigen können. Es wäre wünschenswert, wenn auch Sie so viel Flexibilität zeigten und wenn wir uns vielleicht weniger über die Frage der historisch reinen Wahrheit prügelten, sondern mehr um das, was aktuell ansteht. Ich glaube, hier besteht eine sehr große Gemeinsamkeit. Wir sind dazu bereit, diese Gemeinsamkeit herzustellen, und es wäre schön, wenn Sie sich daran beteiligen würden. Vielen Dank.