Protokoll der Sitzung vom 12.11.2014

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Eka von Kalben das Wort.

Lieber Herr Günther, liebe CDU-Fraktion, ja, ich bin beim Thema Flüchtlinge emotional. Ich habe damit auch überhaupt kein Problem, weil es mich wirklich sehr ärgert, wie wir gerade bei diesem Thema, bei dem wir lange Zeit versucht haben, über die Parteien hinweg einen Konsens zu finden, vorgehen. Sie haben mir hier vorgeworfen, wie Herr Kretschmann im Bundesrat abgestimmt hat übrigens nach sehr langer und gründlicher Abwä

(Daniel Günther)

gung. Ich sage Ihnen, das hat mit der Politik in diesem Haus erst einmal nichts zu tun. Sie werden mir bestätigen, dass ich Sie in Diskussionen, die wir gemeinsam hatten, niemals mit der Bundes-CDU oder gar mit Ihrer lieben Schwesterpartei in Bayern über einen Kamm geschoren habe; vielmehr habe ich sogar immer ausdrücklich gesagt, dass sich die CDU in Schleswig-Holstein sehr wohl von der Bundeslinie unterscheide. Ich habe das immer positiv hervorgehoben.

Genau deshalb reagiere ich so emotional; denn es enttäuscht mich extrem, dass Sie sich ein Feld aussuchen, das gefährlich ist. Herr Kubicki, diese Ansicht teile ich. Deswegen ist es vielleicht auch gut, dass es anlässlich der Regierungserklärung ausgetragen wird. Vielleicht kann man dann irgendwann wieder zu anderen gemeinsamen Punkten zurückkehren. Aber ich finde es gerade gefährlich, was Sie machen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich?)

- Nein, ich schiele nicht, sondern ich gucke wieder Herrn Günther an. - Sie haben recht, dass es gefährlich ist. Aber ich glaube nicht, dass es gefährlich ist, darauf zu reagieren, wenn die CDU sich hier rückwärts gewandt in eine extremere Richtung bewegt. Darauf muss man reagieren. Das kann man nicht einfach stehen lassen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Herr Günther, Sie haben gesagt, ich hätte in meiner Presseerklärung nur auf einen Punkt - oder auf zweieinhalb Punkte, würde ich einmal sagen - von zehn Punkten reagiert. Das ist richtig. Das waren nämlich genau die Punkte, in denen Sie durch die Blume darauf hingewiesen haben, dass wir nicht genügend abschieben, dass wir die rechtlichen Möglichkeiten nicht ausschöpfen. Das ist a) meiner Meinung nach falsch; b) wäre es schön, wenn wir das könnten, und c) zielt das genau auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, die hier Zuflucht sucht, ab. Bisher war es nur eine Unterstellung von mir, dass Sie die eine Personengruppe damit meinen. In Ihrer Rede eben haben Sie aber ganz ausdrücklich davon gesprochen, dass Sie die Flüchtlinge vom Balkan meinen. Das ist das, was meiner Ansicht nach daran wirklich nicht akzeptabel ist.

Wenn wir anfangen, in gute und schlechte Flüchtlinge, in würdige und nicht würdige - wie früher beim Armenrecht - zu unterscheiden, dann bekommen wir ein Problem bei der gesellschaftlichen Akzeptanz. Dann bekommen wir ein Problem bei der gesellschaftlichen Akzeptanz derer, die unab

hängig von den Syrern und Irakern hier Zuflucht suchen. Es war bisher in diesem Haus Konsens, dass wir allen Menschen, die hier als Flüchtlinge herkommen, erst einmal die Gelegenheit geben, ihr Anliegen vorzutragen. Wir sind gemeinsam auf den Balkan gefahren. Sie waren mit dabei. Sie wissen, wie uns dort ganz offen mitgeteilt wurde, dass den Menschen dort die Pässe weggenommen und diese dann zerrissen werden, damit sie nicht ausreisen können. Wir können doch nicht sagen, dass es keine Diskriminierung von Roma und Sinti auf dem Balkan gibt, und zwar unabhängig davon, ob es sich um EU-Beitrittsländer handelt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wortmeldung Dr. Ralf Stegner [SPD])

Frau Kollegin -

Nein, Entschuldigung, lieber Ralf, ich möchte den Satz zu Ende sagen dürfen. - Ich möchte einfach, dass wir in diesem Haus nicht anfangen, Bevölkerungsgruppen, die hier Schutz suchen, gegeneinander auszuspielen. Wenn wir uns in diesem Punkt einig sind, dann können wir auch wieder zu einer vernünftigen Auseinandersetzung zurückkehren und versuchen, zu Gemeinsamkeiten in einem so wichtigen Feld zu kommen. Dass wir den Kommunen beiseite stehen, ja. Sieben von den zehn Punkten sind gut; wir können sie teilweise unterstützen. Aber musen Sie bitte nicht diese „Brandpunkte“ in Ihren Anträgen unter die anderen, sondern lassen Sie uns das trennen. Lassen Sie uns das nicht vermengen. - Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Serpil Midyatli das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach Artikel 16 Grundgesetz genießen politisch Verfolgte Asyl. Es gibt 50 verschiedene Aufenthaltstitel, Kollege Daniel Günther. Dies bedarf einer Prüfung. Es ist nicht damit getan, dass Sie sich hier hinstellen und entscheiden, wer bleiben darf und wer gehen muss. Bei allen, die hier sind

(Eka von Kalben)

und einen Antrag stellen, muss das geprüft werden, und das braucht seine Zeit.

(Daniel Günther [CDU]: Sehr richtig! Dann sind wir uns ja einig!)

Genau diese Unterschiede machen Sie nicht. Wissen Sie was? Sie sagen, wir sollten keine Ängste schüren. Es gebe Menschen, die wirklich verfolgt würden, und andere, die nicht verfolgt würden. Wenn Sie diese Thesen aufstellen: Glauben Sie, dass die Faschisten vor der Tür zwischen einem Balkanflüchtling oder einem Syrer unterscheiden? Die können sie doch noch nicht einmal unterscheiden, wenn sie beide voreinander stehen.

Sie schüren hier Ängste, nicht wir, Herr Kollege Kubicki. Auch in der Opposition waren wir die Fraktion, die Ihre Arbeit konstruktiv begleitet hat. Ich möchte mit aller Schärfe zurückweisen, dass wir diejenigen sind, die hier Schärfe in die Debatte bringen - weder ich noch meine Fraktion. Das weise ich auf das Schärfste zurück.

(Beifall SPD)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Stegner?

Herr Dr. Stegner!

Liebe Frau Kollegin Midyatli, es ist ja nicht nur so, dass die Union diesen Punkt - das ist bemerkenswert als ersten Punkt aufführt. Es hat ja auch eine Wertigkeit, dass Sie damit beginnen.

Aber ich will noch auf etwas anderes hinweisen, wenn Sie mir die Gelegenheit dazu geben. Herr Günther hat hier ausgeführt, man halte sich ja nur an Recht und Gesetz. Alles andere wäre auch noch schöner, Herr Kollege Günther. Aber darum geht es gar nicht. Das Land Schleswig-Holstein - jedenfalls unter sozialdemokratischen Innenministern hat die humanitären Spielräume auch bei der Interpretation dieses Rechtes immer weiter ausgedehnt als die meisten anderen Bundesländer. Wir waren immer Vorposten, was die humanitären Spielräume angeht. Das wollen Sie einengen, indem Sie uns vorwerfen,

wir würden nicht genug abschieben. Das weisen wir zurück, das findet nicht den Konsens in diesem Haus. Früher war übrigens die FDP auch der Auffassung, dass wir das nicht tun sollten. Wir haben hier deswegen eine humanitäre Kommission, eine Härtefallkommission, eingerichtet, die den Namen auch wirklich verdient. Ich habe mir manchen Rüffel - wie manche meiner Kollegen auch von Herrn Schily - und wie die Innenminister alle hießen - eingehandelt, weil wir gelegentlich das Recht - das sage ich ausdrücklich zugunsten der Menschen so weit gedehnt haben, wie es nur irgend geht. Ich bin stolz darauf, dass wir Sozialdemokraten das so gemacht haben. Und das soll in diesem Land so bleiben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Daniel Günther [CDU]: Da bin ich aber auf die Antwort gespannt!)

- Dem kann ich nur ausdrücklich zustimmen. Übrigens ist das nicht nur ein Punkt in Ihrem ZehnPunkte-Plan, sondern auch der zweite, dritte und vierte Punkt beschäftigen sich nur mit Abschiebungen.

Auf Ihre anderen Forderungen, die Sie aufgestellt haben, haben wir mit unserer Nachschiebeliste schon reagiert. Mir fehlen bis heute noch Haushaltsanträge von Ihnen, mit denen Sie uns sagen, in welchen Bereichen Sie die humanitäre Flüchtlingspolitik insbesondere für die Iraker und die Syrer verstärken wollen. Ich erlebe nicht, dass wir da von Ihnen irgendwelche Vorschläge bekommen haben. Die Nachhilfe von Ihnen brauchen wir nicht.

Lieber Kollege Daniel Günther, überlassen Sie die Flüchtlingspolitik Ihrer Kollegin Astrid Damerow. Sie hat wenigstens Ahnung davon.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich erkläre damit den Tagesordnungspunkt „Regierungserklärung“ für beendet.

Meine Damen und Herren, ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 und 34 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Flüchtlings- und Asylpolitik den aktuellen Bedürfnissen anpassen

(Serpil Midyatli)

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/2382

Für eine solidarische Flüchtlings- und Asylpolitik in Schleswig-Holstein, Deutschland und Europa - Asylgesetzgebungen anpassen

Änderungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/2449

Humanitäre Flüchtlingspolitik beibehalten!

Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/2457

b) Syrische Kriegsopfer schützen - Flüchtlinge konsequent und bedingungslos aufnehmen!

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/2089

Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/2141 - selbstständig

Bericht und Beschlussempfehlung des Innenund Rechtsausschusses Drucksache 18/2401

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich zunächst der Frau Berichterstatterin des Innen- und Rechtsausschusses, der Kollegin Barbara Ostmeier, das Wort - die ich leider jetzt aber gar nicht sehe.

(Zuruf: Die telefoniert!)

- Ist es möglich, dass sie hereingerufen wird?