Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

dies, dass man sich bewusst dem Anerkennen von Realitäten verweigert.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir beabsichtigen trotz der zugespitzten Haushaltslage sogar eine zusätzliche Unterstützung der Kommunen über das FAG hinaus, beispielsweise bei kommunalen Krankenhäusern und im Flüchtlingsbereich.

Der Landkreistag, der vehementeste Gegner der neuen Struktur, ist Lobbyist der Kreise. Das ist sein gutes Recht. Er trägt aber gleichzeitig Verantwortung für das ganze Land und muss dieser gerecht werden. Denn die Bürgerinnen und Bürger der Kreise sind ebenso Bürgerinnen und Bürger der Gemeinden. Der Landkreistag fordert in seinem jüngsten Beschluss zum FAG, dass gleichwertige Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land geschaffen werden müssten. Lieber Landkreistag, genau das machen wir mit unserem neuen Gesetz.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich wünsche mir vom Landkreistag einen etwas stärkeren Blick für das Ganze. Viele Landräte sind übrigens da deutlich weiter als ihr Landesverband.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vergleichen Sie den Gesetzentwurf inklusive unserer Änderungsvorschläge mit dem Status quo, dann bin ich mir sicher, dass das neue FAG eine deutliche Verbesserung darstellt. Alle glücklich zu machen, das geht nicht. Das vorhandene Geld gerecht zu verteilen, das geht. Das zeigen wir mit dem neuen Finanzausgleichsgesetz. Das FAG ist die wichtigste Grundlage, um die politische Gestaltung in den Kommunen zu gewährleisten. Das bisherige FAG war dringend reformbedürftig.

Die Reform des kommunalen Finanzausgleichs ist ein Mammutprojekt, das die Bürgerinnen und Bürger direkt betrifft. Sie profitieren von einer gerechteren Verteilung der Mittel. Bei ihnen kommt es an, wenn Kommunen, die hohe soziale Lasten tragen, zukünftig einen größeren Handlungsspielraum haben.

Der kommunale Finanzausgleich wird mit unserem Gesetz von einem Labyrinth zu einem strukturierten System. Er ist immer noch komplex, passt immer noch nicht auf einen Bierdeckel, aber er ist nicht mehr undurchschaubar. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht; unsere Lösung ist eine gute Lösung. - Vielen Dank.

(Lang anhaltender Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die Fraktion der FDP hat der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg das Wort.

(Zurufe Dr. Ralf Stegner [SPD] und Anita Klahn [FDP])

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Stegner hat auch verstanden, wie eine namentliche Abstimmung funktioniert. Das freut mich.

(Beifall Uli König [PIRATEN])

Ebenso finde ich, dass die grundsätzliche Idee, eine Novelle des kommunalen Finanzausgleichs an den jeweiligen Aufgaben orientieren zu wollen, Herr Dr. Dolgner, richtig ist. Die Antwort auf die zentrale Frage in diesem Zusammenhang sind auch Sie in Ihrem sehr humorvollen Beitrag, Herr Kollege Dolgner, schuldig geblieben, sodass weiterhin unklar ist, warum die Landesregierung diesen Weg nicht von Anfang an konsequent gegangen ist. Denn was als aufgabenorientierter Ansatz politisch vermarktet wird - wir hatten viel Spaß beim Zuhören -, ist tatsächlich eine als Aufgabenkritik getarnte reine Kostenorientierung. Nichts anderes machen Sie mit dem vorliegenden Entwurf.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN - Wider- spruch Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den regierungstragenden Fraktionen, bleiben nach wie vor jede Aufgabenanalyse schuldig.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Das folgt einer gewissen Logik, wenn man nicht von vornherein gewusst hätte, welche Ergebnisse bei Ihrer Reform herauskommen sollten. Erstens sollten die kreisfreien Städte mehr Geld erhalten. Zweitens sollte keine entsprechende Erhöhung der Ausgleichsmasse vorgesehen werden.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Dolgner?

(Ines Strehlau)

Nein, Herr Dr. Dolgner kann gern nachher noch einmal fragen. Ich möchte zunächst einmal mit meinen Ausführungen beginnen, bevor ich seinen Wissensdurst stille.

Das bedeutet automatisch, dass es natürlich Verlierer bei einer solchen Umverteilungsaktion geben wird. Verlierer - das ist das Problematische - gibt es zahlreiche, insbesondere bei den Kreisen. Ich halte das nach wie vor in einem sehr ländlich geprägten Land wie Schleswig-Holstein für außerordentlich problematisch.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Ich will gar nicht verschweigen, Herr Dr. Stegner, dass es richtig ist, dass der vorliegende Entwurf auf etliche Vorabzüge und Vorabzuweisungen verzichtet. Das will ich an der Stelle sehr deutlich sagen. Auch der Verzicht auf die sogenannte Einwohnerveredlung ist grundsätzlich richtig. Dafür wurden bei der Behandlung von Stadt- und Landbevölkerung allerdings an anderer Stelle wieder neue Probleme geschaffen; ich komme gleich noch darauf zu sprechen.

Die Philosophie, nur noch mit einem Soziallastenansatz arbeiten zu wollen, wäre grundsätzlich auch in Ordnung, wenn der gewählte Neuansatz bei der Umsetzung nicht neue, und zwar ganz erhebliche Probleme aufwerfen würde.

Ich will auch sagen, dass wir ausdrücklich begrüßen, dass die Abschaffung der KMU-Umlage erfolgt ist. Denn nach dem bisherigen System wurden die ohnehin unter steigenden Soziallasten ächzenden Gemeinden zusätzlich belastet.

Wenn man darunter einen Strich zieht, darf man, Herr Dr. Stegner und Herr Dr. Dolgner, von dieser Landesregierung mit Blick auf diesen Entwurf bedauerlicherweise doch nicht so viel erwarten. Ich freue mich, dass Sie darüber nachher namentlich abstimmen lassen wollen. Ich halte sehr deutlich für die FDP-Fraktion fest, dass hiermit eine große Chance vertan wurde und kein großer Wurf gelungen ist.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Die Änderungsanträge von Union und PIRATEN darüber haben wir lange in der Fraktion geredet und diskutiert - vermögen am Grundproblem - das können sie auch gar nicht - nichts ändern. Sie wollen schmerzstillend daherkommen. Das Problem ist, dass am Anfang eine Aufgabenanalyse hätte stattfinden sollen. Die fordern wir jetzt mit drei Jahren

Verzögerung ein. Wir werden uns bei Ihren Änderungsanträgen enthalten, weil das Problem eigentlich durch diese Landesregierung hätte gelöst werden müssen.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Es las sich in der Theorie doch so eindrucksvoll. So hielt das begutachtende NIW fest, dass von Aufgaben und nicht von Ausgaben ausgegangen werden muss.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Das mit dem Gutachten betraute Institut, Herr Dr. Steger, sagt, dass von Aufgaben ausgegangen werden müsse. Umso ernüchternder ist dann das heutige Ergebnis. Tatsächlich sind diese Aufgaben nie erhoben worden, sondern man ist im Ergebnis von Ist-Ausgaben ausgegangen.

Dabei wäre eine belastbare Aufgabenerhebung die zentrale Entscheidungsgrundlage für den gesamten weiteren Gesetzgebungsprozess gewesen.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Ausgaben wurden aber - das hat die Kollegin Nicolaisen zu Recht dargestellt - kritiklos aus Statistiken übernommen. Dieser fundamentale Fehler zieht sich durch das gesamte Gesetzgebungsverfahren hindurch.

Wie sollen auf der Grundlage eines fehlerhaften Entwurfs tragfähige Entscheidungen für den weiteren Gesetzgebungsprozess überhaupt gefällt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen? - So kritisiert dann Fromme ebenso zutreffend, dass die tatsächlichen Aufwendungen ohne jede Überprüfung auf ihre Erforderlichkeit zur Grundlage der Entscheidung gemacht wurden.

(Beifall Anita Klahn [FDP] und Wolfgang Kubicki [FDP])

Eine an sich notwendige Wirtschaftlichkeitsbetrachtung bei den Kosten haben Sie nie vorgenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Schmidt, und zwar nicht der Kollege Schmidt, sondern Professor Thorsten Ingo Schmidt, fasst dann auch in seiner Kritik an der Bemessung des kommunalen Bedarfs in der Anhörung - wie ich meine ausgesprochen sachlich - zusammen - Frau Präsidentin, ich zitiere -:

„Allerdings stellt das in Auftrag gegebene Gutachten des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung auf die bislang tatsächlich getätigten Ausgaben für die Wahrneh

mung der einzelnen Aufgaben ab, nicht auf die erforderlichen.“

Und Schmidt führt weiter aus:

„Einerseits werden damit besonders großzügige Leistungsstandards belohnt, andererseits bleiben etwa unterlassene notwendige Instandsetzungen und andere verschleppte erforderliche Investitionen außer Betracht.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir diskutieren auf allen Ebenen über den Investitionsstau. Was Sie gerade produzieren, ist ein neues Gesetz zur Bildung von Investitionsstau in einzelnen Gemeinden und in den Flächenkreisen. Das kann es ja wohl nicht wirklich sein.

Genau hierin sieht Schmidt die größte Schwäche des auf das Gutachten gestützten Entwurfs und macht deutlich - Frau Präsidentin, ich zitiere -:

„Und sollte dieses Ermittlungsdefizit nicht im Laufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens ausgeglichen werden, kann dies auch zur Verfassungswidrigkeit des späteren Gesetzes werden.“

Herr Kollege, gestatten Sie nun eine Zwischenbemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Dolgner?

Selbstverständlich, das hatte ich zugesagt. - Ja, Herr Kollege Dolgner.

Herr Kollege Dr. Garg, können Sie mir noch einmal erklären, wie eine einzelne Stadt oder Gemeinde durch ihr Ausgabeverhalten die Schlüsselzuweisung beeinflussen kann?