Protokoll der Sitzung vom 23.01.2015

Bitte schön.

Lieber Kollege, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass die Erkenntnis, die wir haben, auf einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes dieses Hauses beruht. Ich werde Ihnen dieses Gutachten sehr gern zur Verfügung stellen. Darin ist, finde ich, in hervorragender Weise juristisch argumentiert worden, warum die 60 Millionen € verfassungswidrig sind. Wir können uns über die Argumente in dem Gutachten dann gern noch einmal austauschen.

Ja, aber Herr Dr. Tietze, auch wenn ein Gutachter diese Auffassung vertritt, heißt das nicht, dass es so ist. Das ist im Leben so.

(Zuruf)

- Man muss sehen: Das ist eine Meinung.

(Zuruf: Dann fragen wir Herrn Kubicki! - Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Tietze, ich würde Ihnen sonst noch auf Ihren Hinweis antworten. Ich nehme das zur Kenntnis. Ich würde das auch gern entgegennehmen. Aber Herr Dr. Tietze, es bleibt das Problem, dass Sie das Projekt eigentlich nicht wollen und hier einen Popanz aufbauen, der, glaube ich, der Sache nicht förderlich ist. Das stört mich, und deswegen ist das schlecht.

(Beifall FDP und CDU)

Für die Piratenfraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Patrick Breyer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Ihr Antrag zur festen Fehmarnbelt-Querung, der nach allem, was wir heute wissen, eine Koordinierung durch den Bund fordert, ist Augenwischerei.

(Beifall PIRATEN)

Fakt ist doch, dass dieses Projekt ein Fiasko ist. Es ist von Anfang an durch einen Staatsvertrag über die Köpfe der Bürger hinweg festgezurrt worden.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Dr. Stegner, wenn Sie in Ihrer Rede sagen, wir - das heißt, die Politik - müssten den besten Weg finden, dann verdeutlicht das doch nur wieder, dass Sie selbst entscheiden wollen und nicht die Bürger entscheiden lassen wollen. Das finde ich sehr schade; denn Ihr Ministerpräsident, Herr Albig, ist sehr viel weiter, wenn er sagt, wir müssten bei großen Infrastrukturprojekten künftig auch durch Volksentscheid darüber entscheiden lassen können. Ich freue mich sehr, Herr Albig, auf Ihre Gesetzesinitiativen und Bundesratsinitiativen, die das möglich machen werden.

Die feste Fehmarnbelt-Querung wird ein Desaster für Umwelt und Tourismus in der Region sein. Jetzt wird die Bäderbahn aus den Orten wegverlegt, wodurch die Anbindung verschlechtert wird. Möglicherweise sollen vorübergehend sogar Güterzüge durch die Bäder donnern. Das schließt die Bahn jedenfalls nicht aus.

(Beate Raudies [SPD]: Wo donnern die denn jetzt?)

- Im Moment fahren die Güterzüge natürlich nicht über das Wasser, Frau Kollegin. Aber wenn der Tunnel gebaut sein wird, bevor die Hinterlandanbindung fertiggestellt ist, besteht die Gefahr - die Bahn sagt, sie schließt das nicht aus -, dass auch die Güterzüge über die Bäderstrecke donnern, bis die Neubaustrecke fertiggestellt ist.

Parlament und Öffentlichkeit sind aktiv durch geschönte Kostenrechnungen getäuscht worden. Herr Wirtschaftsminister Meyer, ich habe mich sehr gefreut, dass Sie inzwischen auch öffentlich sagen, dass das Projekt schöngerechnet worden ist. So ist es ja auch. Es ist gut, dass Sie das eingestehen. Selbst nach offizieller Rechnung hat dieses Gesamtprojekt ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1,3. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie sich die Infrastrukturpläne angucken, dann sehen Sie, dass bei einem solchen Kosten-NutzenVerhältnis keine Umgehungsstraße aus Bundesmitteln finanziert werden würde. Es ist also im Verhältnis zu anderen Bedürfnissen, die wir in unserem Land haben, völlig unsinnig, dieses Projekt weiterzuverfolgen.

Eine vollständige Bundesfinanzierung zu fordern, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist doch eine Illusion. Wir wissen doch alle

Herr Abgeordneter!

einen Moment, Herr Kollege! -, dass wir massiv Geld in das Projekt stecken müssen, um es planen zu können, dass unsere Planungskapazitäten gebunden werden und dass es natürlich im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans angerechnet wird, dass uns also dadurch Geld geklaut wird, das wir dringend für andere Verkehrsprojekte in SchleswigHolstein bräuchten.

(Beifall PIRATEN)

Herr Abgeordneter Dr. Breyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Winter?

Ja, gern.

Bitte schön.

Herr Kollege, vielen Dank. - Grundsätzlich bin ich ja Ihrer Meinung. Es ist ja auch bekannt, wie ich zur Fehmarnbelt-Querung stehe. Aber Ihre Forderung hinsichtlich der Bürgerbeteiligung regt mich jedes Mal wieder auf; denn ich stelle mir immer die Frage, welche Bürger Sie denn fragen wollen, wenn es um die Fehmarnbelt-Querung geht. Fragen Sie die Bürger in Ostholstein? Fragen Sie die Bürger in Schleswig-Holstein? Fragen Sie, da es ein Europaprojekt ist, die Bürger in Europa? Fragen Sie die Dänen? Allein schon deswegen würde ich mit der Argumentation für eine Bürgerbeteiligung dort aufhören, weil Sie den Bürger für ein solches Projekt leider nicht eindeutig identifizieren können.

Ich beantworte Ihre Frage gern, Herr Kollege Winter. Ihre Kolleginnen und Kollegen in Baden-Württemberg sind in der Frage deutlich weiter. Sie sagen nämlich ganz klar: Wenn wir als Land bei dem Pro

jekt S 21 dazubezahlen sollen, dann dürfen unsere Bürger auch darüber entscheiden, ob das Land dazu finanziell beiträgt. Genauso ist es bei dem Thema feste Fehmarnbelt-Querung. Dänemark entscheidet darüber, ob es seinen Teil bezahlt. Deutschland entscheidet darüber, ob es seinen Teil bezahlt, und wir als Land entscheiden darüber, ob wir da mitplanen und mitfinanzieren. Deswegen ist die Verantwortung ganz klar geklärt.

(Martin Habersaat [SPD]: Also deutschland- weite Bürgerbeteiligung?)

Es geht darum, ob wir das unterstützen und mitfinanzieren wollen, und darüber entscheidet jeweils derjenige, der es bezahlen soll.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Deutschlandweite Bürgerbeteiligung? - Martin Habersaat [SPD]: Das wollt ihr ja nicht!)

Gestatten Sie noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Winter?

Bitte schön.

Ihre Argumentation bedeutet, dass die dänischen Bürger über den Belt-Tunnel entscheiden. Dazu haben die Deutschen nichts zu sagen. Über die Schienenhinterlandanbindung wird dann Gesamtdeutschland entscheiden, weil das der Bund finanziert.

Herr Kollege Winter, da der Tunnel selber wenig Sinn macht, wenn er nicht angebunden wird, weil auf deutschen Staatsgebiet nicht gebaut werden kann, werden die Dänen natürlich kaum ein solches Projekt bauen, ohne Deutschland mit im Boot zu haben. Zu einem solchen Projekt gehören alle Seiten. Alle müssen zusammenarbeiten und zustimmen, um es zu ermöglichen. Wenn eine Komponente ausfällt, wenn das Land sagt, es plant nicht weiter, oder der Bund sagt, er trägt das Projekt nicht mehr mit, oder wenn Dänemark sagt, dass es den Tunnel nicht mehr finanziert, dann fällt das Projekt auseinander. Es müssen alle zustimmen. Sobald die

(Dr. Patrick Breyer)

Zustimmung einer Seite entfällt, ist das Projekt hinfällig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem vor dem Hintergrund der Rede des Kollegen Andreas Tietze verwundert mich, dass Sie in Ihrem Antrag tatsächlich schreiben, es gehe darum, erhebliche Nachteile für die Region zu vermeiden. Herr Dr. Tietze, Sie haben doch selbst gesagt, das Projekt wird erhebliche Nachteile für die Region nach sich ziehen. Das heißt, die Nachteile können nicht vermieden werden, wenn Sie das Projekt vorantreiben. Deswegen bleibt unsere Kritik an Ihrer Politik als Grüne: Sie reden dagegen und stimmen dafür. Das ist unehrlich.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN - Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn Sie dann noch erweiterte Beteiligungsmöglichkeiten fordern, so muss ich Ihnen sagen: Das ist eine völlig schwammige Forderung. Was soll das heißen? Bei der Beratung des Landesplanungsgesetzes im letzten Jahr haben wir konkrete Vorschläge zur Erweiterung der Bürgerbeteiligung vorgelegt, nämlich ein zentrales Internetportal zur laufenden Bereitstellung aller Unterlagen, eine Bürgerbeteiligung schon vor der Einleitung des Verfahrens zur Diskussion über Sinn und Zweck sowie Alternativen zu solchen Projekten, eine verpflichtende öffentliche Antragskonferenz zu Verfahrensbeginn, ein verständliches Merkblatt, eine mündliche Erörterung mit den Bürgern und ein öffentliches Raumordnungssystem zu schaffen. Das haben Sie alles abgelehnt. Sie haben unseren Antrag komplett abgelehnt.

Umgekehrt wollen Sie nach dem neuen Gesetzentwurf der Landesregierung, der heute ohne Aussprache in den Ausschuss überwiesen werden soll, sogar weniger Bürgerbeteiligung haben. Die Fristen für Stellungnahmen sollen im Landesverwaltungsgesetz verkürzt, teilweise halbiert werden. Die Folgen einer Fristversäumung sollen verschärft werden. Antwortschreiben an Einwender sollen in vielen Fällen nicht mehr verfasst werden. Für Naturschutzverbände werden erstmals Ausschlussfristen eingeführt. Das heißt, Sie tun das Gegenteil von erweiterter Bürgerbeteiligung. Sie schränken sie weiter ein.

Vor dem Hintergrund ist die richtige Antwort auf die aktuellen Erkenntnisse zur festen FehmarnbeltQuerung nur der Ausstieg aus dem Projekt. Ihr Antrag, der suggeriert, man könne es verträglich weiterführen, ist eine Irreführung der Bürger und kann deswegen nur abgelehnt werden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Beifall? - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Man könnte von Lautlosigkeit reden!)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Herr Abgeordnete Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Schreiben von Bundesverkehrsminister Dobrindt an seinen dänischen Amtskollegen, Transportminister Magnus Heunicke, wonach es auf deutscher Seite zu einer zeitlichen Verzögerung in Bezug auf die Hinterlandanbindung kommen wird, löste auf dänischer Seite, gelinde gesagt, keine Freude aus. Heunicke hat gegenüber Dobrindt deutlich gemacht, dass es klare Absprachen und Fristen zwischen Deutschland und Dänemark gibt, an die sich beide Vertragspartner zu halten haben.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Nun ist es nicht das erste Mal, dass es wegen der Hinterlandanbindung zu Irritationen auf dänischer Seite gekommen ist. Ich erinnere hier an eine Streichliste der Deutschen Bahn von 2010, wonach die Hinterlandanbindung der Fehmarnbelt-Querung nur eingleisig ausgebaut werden sollte. Auch damals wurde von dänischer Seite deutlich gemacht, dass der zweigleisige Ausbau der Bahntrasse ein wichtiger Teil des Vertrages sei.

Angesichts der Tatsache, dass Dänemark die Querung allein finanziert, ist das Interesse dort natürlich groß, dass das Projekt so zeitnah wie möglich umgesetzt wird. Daher ist es nachvollziehbar, dass solche Meldungen bei der dänischen Regierung nicht auf Gegenliebe stoßen können.

Man mag zur Querung stehen, wie man will, aber Fakt ist: Der Staatsvertrag zwischen Dänemark und Deutschland wurde zwischen zwei gleichberechtigten Partnern ausgehandelt und ratifiziert. Beide Vertragspartner haben sich an die Absprache zu halten. Zu dieser Absprache gehört auch die jeweilige Hinterlandanbindung.

(Beifall SSW, SPD und Volker Dornquast [CDU])