Protokoll der Sitzung vom 20.05.2015

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein, das will keiner!)

Wir sind in der Mehrheit - auch nach den Gesprächen, und die Regierung hat für diese Auffassung geworben - der Meinung, dass § 35 Baugesetzbuch die anzuwendende Vorschrift wäre. Das mögen andere anders sehen, aber wir sehen das so. Wenn § 35 Baugesetzbuch die anzuwendende Vorschrift

(Ministerpräsident Torsten Albig)

ist, dann laufen wir Gefahr, Wildwuchs zu bekommen, und dem stellen wir uns entgegen. Wir tun dies klug, wir tun dies nach intensiver verfassungsrechtlicher Abwägung, und wir halten die von Ihnen beschriebenen Fragen und Risiken für beantwortbar und für ausräumbar. - Ich glaube, das ist jetzt nicht mehr meine Antwort, Sie können sich gern wieder setzen.

Wir werden sicherlich Gelegenheit haben, uns an anderer Stelle darüber zu unterhalten, dass wir es geschafft haben, in einer Situation, in der überall in Deutschland Raumordnung aufgehoben wird - fast immer mit ähnlichen Argumenten -, eine Antwort zu geben, mit der wir beides leisten können, nämlich sehr schnell Rechtssicherheit zu schaffen und sehr schnell in einen neuen Aufstellungsprozess für Raumordnungen zu kommen - unter intensiver Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern -, ohne in den zwei Jahren, die wir dafür voraussichtlich brauchen werden, einen Stillstand des Ausbaus von Windenergie haben und ohne Gefahr zu laufen, dass es zu einem Wildwuchs kommt.

Das alles schuldete ein besonderes Verfahren. Hätten wir das in einem normalen Verfahren gemacht so glauben wir -, hätten wir zumindest in der Zwischenzeit einen Gap gehabt, in dem das eine oder andere passiert wäre.

Von daher ist der Weg, den wir gehen - da teile ich Ihre Auffassung - ein besonderer, er sollte auch kein Regelfall im parlamentarischen Alltag sein natürlich nicht -, aber für die Situation und die Besonderheit unser Stellung als Windland ist es meiner Meinung nach angemessen, diesen Weg zu gehen.

Ich danke allen für ihre Beteiligung. Ich danke insbesondere den vielen, vielen Verbänden, die in zwei sehr intensiven Gesprächen, die wir miteinander geführt haben, dies sehr positiv begleitet haben. Mein Dank gilt insbesondere den kommunalen Landesverbänden, auf deren ausdrücklichen Wunsch hin wir uns in diese Richtung bewegen, in die wir uns heute bewegen. Ich bin ganz zuversichtlich, dass zumindest aus Sicht der kommunalen Landesverbände auch die Kürze und Knappheit der Anhörung, die wir durchführen werden, eine ist, die ihre volle Zustimmung trifft. Denn das, was wir dort niedergeschrieben haben und was sie sich zu eigen gemacht haben, gibt exakt das wieder, was die kommunale Familie von uns erwartet. Deshalb geben wir diese Antwort, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir haben Ihnen den Entwurf des Winderlasses zukommen lassen. Auf der Basis wollen wir im Juni ins Kabinett gehen, um eine Handreichung für die Ausgestaltung der Ausnahmegenehmigungen in den nächsten zwei Jahren zu haben.

Wir haben auch in den Gesprächen beschrieben, dass das ein atmender Prozess sein wird. Wir werden auf diesem Weg hin zu unserer endgültigen Raumplanung lernen. Ich sage Ihnen heute zu: Auch bis zur Entscheidung im Juni wird alles, was wir für noch besseres exekutives Handeln sammeln und zusammentragen können, um zu verhindern, dass wir Lücken, einen Gap haben werden, aufgenommen, und wir bleiben im Dialog mit Ihnen. Wir werden den ganzen Prozess so anstellen, dass wir dann vorbildlich mit den Bürgerinnen und Bürgern und mit Ihnen gemeinsam in zwei Jahren eine neue Raumordnung haben werden. Mit dem Zwischenschritt werden wir miteinander vernünftig Windenergieausbau weiter möglich machen, ohne Wildwuchs zu bekommen.

Noch einmal in Richtung PIRATEN, aber auch in Richtung des gesamten Hauses: Unsere große Aufgabe wird es sein, die im Augenblick noch nicht beantwortete Frage zu beantworten, wie wir mit unserem gemeinsamen Wunsch umgehen, Bürgerbeteiligung nicht nur fakultativ - nach dem Motto: es ist hübsch, dass wir sie haben -, sondern mit einer Verbindlichkeit hinzubekommen, dass die Menschen nicht gegen ihren Willen zum Windenergieausbau gezwungen werden.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Das ist in der Tat eine große Herausforderung, an der werden wir uns gemeinsam messen lassen müssen, dass wir hier eine kluge Antwort finden, die dann auch vor einem OVG standhält. Das war ja die Kernkritik, dass wir das Kriterium absolut gesetzt hatten - und Herr Günther hat völlig recht -, in dem gemeinsamen Glauben, dass das richtig war. Da gibt es überhaupt keinen Millimeter Platz, hier etwas an den Vorgängerregierungen zu kritisieren. Ich hätte das damals genauso wie die Vorgängerregierung gesehen. Das atmet unseren gemeinsamen Geist, den Geist all derjenigen, die sich bei uns im Land gemeinsam für den Windenergieausbau in der Verantwortung sehen.

Von daher mein Dank für die Zusammenarbeit und mein Dank für die Unterstützung auch in diesem besonderen Verfahren. Noch einmal: Es ist nicht

(Ministerpräsident Torsten Albig)

Ziel, damit das Parlament zu untertunneln oder zu umdribbeln, sondern in einer besonderen Situation eine besondere Antwort zu geben. Das kann uns gelingen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir am Freitag eine möglichst breite Zustimmung für den Gesetzentwurf bekommen. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt CDU)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat Herr Abgeordneter Dr. Patrick Breyer von der Fraktion der PIRATEN.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich ergänzend zu dem, was schon unser Fraktionsvorsitzender und Herr Kollege Kubicki ausgeführt haben, auf zwei Aspekte Ihrer Rede eingehen, Herr Ministerpräsident, nämlich auf den Aspekt der Eilbedürftigkeit und auf den Aspekt der Bürgerbeteiligung.

Was die Eilbedürftigkeit angeht, sagt ja niemand von uns, dass es darum geht, infrage zu stellen, dass wir dieses Gesetz überhaupt brauchten, sondern es geht darum zu fragen, ob wir dieses Gesetz nicht auch im nächsten Monat, also vier Wochen später und nach Durchführung einer ordentlichen Anhörung, noch beschließen könnten. Es ist doch zweifellos so, dass nach obergerichtlicher Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein Investor darauf vertrauen kann, dass eine Rechtslage weiter gilt, wenn im Parlament schon ein Gesetzentwurf vorliegt, der zum Ausdruck bringt, dass die Fraktionen etwas anderes wollen. Es entstünde also kein Gap, aus dem ein Investor irgendwelche Rechte herleiten könnte.

(Beifall PIRATEN und FDP)

Das heißt, selbst wenn das Urteil morgen käme und Anträge eingingen, könnten wir auch in der nächsten Tagung des Landtags dieses Gesetz ohne jegliche Änderung beschließen. Das würde auch für alle anhängigen Anträge gelten. Kein Genehmigungsverfahren wird üblicherweise innerhalb von vier Wochen abgewickelt. Hier müsste also auch nichts verzögert werden. Vor dem Hintergrund wäre es möglich, sorgfältig zu prüfen. Deshalb sagen wir: Wenn die Bedenken nicht ausgeräumt werden, gehen wir den Weg nicht mit.

Zur zweiten Frage, der Bürgerbeteiligung. Einerseits freut mich das gemeinsame Ziel, andererseits muss ich, wenn ich Ihren Entwurf für den Erlass lese, feststellen, dass die Bürgerbeteiligung, also der Bürgerwille, wollen wir bei uns Windenergie haben oder nicht, jetzt gar keine Rolle mehr spielen soll. Nach Ihren Kriterien wird das überhaupt nicht mehr angesprochen. Nicht einmal mehr als weiches Kriterium - was ja das OVG zugelassen hat - darf der Bürgerwille berücksichtigt werden. Das muss aber doch das Mindeste sein, was wir machen, dass, soweit es im Rahmen der weichen Abwägung möglich ist, diesem Bürgerwillen Rechnung getragen werden kann. Da muss an der Richtlinie eindeutig nachgebessert werden, um zumindest das zu tun, was wir auf der jetzigen Gesetzesgrundlage tun können.

In einem zweiten Schritt - ich bin Lars Harms sehr dankbar für das, was er gesagt hat - müssen wir prüfen, wie wir den Bürgerwillen auch wieder hart durchsetzen können. Wir PIRATEN haben schon öffentlich angekündigt, dass wir den Wissenschaftlichen Dienst prüfen lassen werden, ob wir als Land es nicht abweichend vom Raumordnungsgesetz des Bundes - das ist das Gesetz, das das Oberverwaltungsgericht angewandt hat, auf das es sich beruft regeln können, dass sozusagen der entgegenstehende Bürgerwille ein hartes Ausschlusskriterium ist, solange es genügend Flächen für den Ausbau der Windenergie gibt.

(Beifall PIRATEN)

Es liegt doch wohl für alle von uns auf der Hand, dass es, wenn Investoren ausreichend Flächen - das war Ihr Ziel - für neue Windenergieanlagen zur Verfügung haben, keine Rechtfertigung dafür gibt, ausgerechnet auch noch da bauen zu wollen, wo die Bürger dagegen sind.

(Beifall PIRATEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf 18/2983 (neu) dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 33 auf:

(Ministerpräsident Torsten Albig)

Grenzübergreifende kulturelle Teilhabe: Minderheiten schützen, Geoblocking im öffentlichrechtlichen Rundfunk abschaffen

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/2948

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat der Abgeordnete Uli König.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Schleswig-Holstein ist Vorreiter im Bereich Minderheitenschutz. Das haben wir so in unsere Verfassung reingeschrieben, und das leben wir auch so. Auch die Bedeutung der Medien für effektive Minderheitenpolitik ist in diesem Land unstreitig. Anke Spoorendonk hat das bereits am 28. Februar 2008 im Landtag so gesagt:

„… der freie Zugang zum dänischen Fernsehen … trägt dazu bei, die Sprachkenntnisse zu verbessern und die dänische Kultur den Menschen südlich der Grenze näherzubringen.“

Meine Damen und Herren, der Zugang zu Medien ist für die Kulturvermittlung essenziell. Das gilt nicht nur für die dänische, sondern für jede Kultur. Im Internet besteht keine räumliche Beschränkung wie lokale Satellitenfrequenzen, Kapazitäten im Kabelnetz oder die Reichweite von Rundfunksendern. Selbst da, wo der Satellitenempfang theoretisch verfügbar ist, existieren oftmals Verbote von Satellitenantennen.

Mit der Etablierung von Livestreams und Mediatheken im Internet wurden die Medien von ihrer räumlichen Beschränkung befreit. Das auch von den öffentlich-rechtlichen Sendern eingesetzte Geoblocking setzt nun künstliche Schranken, wo ehemals bestehende technische oder räumliche Grenzen weggefallen sind. Es entspricht einem anachronistischen Festhalten an alten Marktmodellen, die heute ihre Rechtfertigung verloren haben.

(Beifall PIRATEN)

Die einzigen tatsächlich bestehenden Grenzen sind die Sprachbarrieren. Die werden gerade künstlich durch das Geoblocking zementiert, anstatt diese Sprachbarrieren durch interkulturelle Teilhabe einzureißen.

Im Grunde dürfte den meisten von Ihnen diese Diskussion nicht neu sein. Denn bereits die zitierte Feststellung der Justizministerin erfolgte zu dem fraktionsübergreifenden Beschluss vom 28. Februar 2008 über die Aufnahme deutsch-dänischer Mediengespräche. Der Landtag wollte damals einstimmig den grenzüberschreitenden Empfang von Sendungen in der Sprache der jeweiligen Minderheit. Wenig visionär ging der Landtag damals allerdings davon aus, dass Fernsehen nur per Satellit, Kabel oder terrestrisch empfangbar sei, wobei damals eigentlich schon abzusehen war, dass die Verbreitung über Internet kommt. Die ARD hat schon sechs Monate vorher auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin die Mediathek vorgestellt. Das ZDF hat schon Jahre vorher die Mediathek gestartet.

Der TV-Empfang über das Internet ist nicht nur eine alternative Empfangsmöglichkeit, sondern es ist eine gänzlich andere, die deutlich über die Reichweite selbst von Satellitenverbindungen hinausgeht. In vielen Gegenden ist es für die interessierten Personen, ob Mitglied einer betroffenen Minderheit oder nicht, gar nicht möglich, deutsche oder dänische Sender via Satellit zu empfangen. Durch Ortsrecht sollen zum Beispiel in Dänemark ganze Wohngebiete davon ausgeschlossen sein, dort Satellitenschüsseln aufzustellen. In Deutschland steht regelmäßig die ausgesprochen restriktive Praxis der Vermieter oder der Gerichte der Zulassung von Satellitennutzung entgegen. Auch in dem einen oder anderen Bebauungsplan sind Satellitenschüsseln an Häusern einfach verboten.

Es ist kein Geheimnis, dass Geoblocking auch auf europäischer Ebene kritisch diskutiert wird - allerdings bislang weniger unter dem Aspekt der Kulturvermittlung, sondern unter der Ägide des freien Binnenmarktes. Meine Damen und Herren, das geht vielfach an der eigentlichen Sache vorbei und greift zu kurz.

(Beifall PIRATEN)

Was am Ende auf europäischer Ebene entschieden wird, ist aktuell nicht abzusehen. Deshalb müssen wir im Rahmen der Möglichkeiten dieses Landes auf eine Abschaffung des Geoblocking hinwirken. Das betrifft NDR, ARD oder ZDF.

Beispielhaft haben wir das Problem mit Geoblocking bei dem Interview von Herrn Snowden gesehen. Der NDR hat das erste Interview mit Herrn Snowden geführt, es dann auch ins Internet gestellt. Man konnte sich das in Deutschland prima ansehen. Wenn man aber zum Beispiel versucht hat, aus den USA oder aus Russland auf dieses Interview zuzu

(Präsident Klaus Schlie)

greifen - ich glaube, den Amerikanern hätte es wirklich gutgetan, sich dieses Interview anzusehen -,

(Beifall PIRATEN)

ist man einfach an Geoblocking gescheitert: Dieses Interview ist in diesem Land nicht verfügbar. Das steht nicht so bei der ARD, aber Sie kennen diese Aussage beispielsweise von YouTube. Dieselben Erfahrungen machen übrigens die Vertreter der dänischen Minderheit, wenn sie hier in Deutschland den dänischen Rundfunk per Livestream sehen wollen. Dann steht auf Dänisch: Sie brauchen eine dänische IP, um das hier zu sehen.