Protokoll der Sitzung vom 21.05.2015

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich habe den Eindruck, dass Sie quasi als Handlanger der Gentechnikindustrie Gentechnik in Europa zulassen wollen.

Es ist richtig, dass Europa die Region ist, die man gentechnikfrei halten muss und die gentechnikfrei ist. Schleswig-Holstein ist gentechnikfrei. Wir haben bundesweit gerade einmal 7 ha - also die Größe der Binnenalster -, die als Versuchsfläche für Gentechnik zur Verfügung stehen, und wir haben ein bisschen in Spanien. Europa ist gentechnikfrei, obwohl wir seit Jahrzehnten die Möglichkeit haben, länderweise Gentechnik anzubauen. Warum ist Europa gentechnikfrei? Nicht weil irgendwelche

(Flemming Meyer)

Personalspekulationen stattfinden, welcher Politiker gerade wo sitzt, sondern weil eine ganz starke Zivilgesellschaft in Europa keinen Gentechnikanbau will.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW)

Daher finde ich es lächerlich, wie Sie immer wieder alle Gentechnikthemen zusammenbringen und mit Ihrer Petition kommen. Ich kann Sie nur auffordern, einmal einen Antrag zu stellen: Milch und Fleisch müssen gekennzeichnet werden, wenn mit GVO gefüttert worden ist.

(Beifall Kirsten Eickhoff-Weber [SPD])

Das würde deutlich machen, welche Kollateralschäden durch solche Futtermittelimporte entstehen und was alles daran hängt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW)

Stellen Sie bitte einen solchen Antrag - sonst werden wir ihn stellen -, damit die Forderung bei der Bundesregierung umgesetzt wird.

Wir sehen auch an der Stelle wieder, wie im Zusammenspiel zwischen Bundeslandwirtschaftsministerium und EU-Kommission versucht wird, ein Konglomerat mit Länderregelungen hinzubekommen. Die Futtermittel- und Lebensmittelverordnung regelt das EU-weit, und es ist wie auch bei anderen Themen unmöglich, wenn wir Regeln bekommen, mit denen Länder bei völlig freien Handelsströmen selbst etwas regeln sollen. Das ist gaga. Damit führen Sie Gentechnik durch die Hintertür ein.

Wir reden in erster Linie über den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und die Risiken, weil man das nicht einsammeln kann. Sie schmeißen alles zusammen mit Waschmitteln, Medizinprodukten und wo sonst noch GVO eingesetzt wurde. Im Bereich der Medizin hätte man vor Jahrzehnten vielleicht andere Techniken wählen können, das hat man aber nicht. Hören Sie bitte auf, das alles beliebig zusammenzuschmeißen, um GVO durchzusetzen!

Um es noch einmal festzuhalten: GVO-Lebensmittel müssen gekennzeichnet werden, und sie werden gekennzeichnet. Daher haben wir sie nicht in den Supermärkten. Wären sie beim Fleisch gekennzeichnet, hätten wir diese Importe nicht.

(Beifall PIRATEN und SSW)

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Das hat ökonomisch eine hohe Relevanz. Stehen Sie endlich dazu, dass wir hier ganz klare Regeln brauchen, die die EU darin stärken, die Zulassung restriktiv zu handhaben und das an die Nationalstaaten zu geben und nicht in die Regionen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Dr. Robert Habeck.

Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir, Danke zu sagen für den Antrag und die Unterstützung der PIRATEN. Der Antrag kommt genau zur richtigen Zeit. Das Bundeskabinett hat im Februar einen Entwurf vorgelegt und möchte Ende Mai im Kabinett darüber entscheiden. Der Bundesrat soll sich mit dem Entwurf der Bundesregierung vor der Sommerpause befassen. Ich stimme den koalitionstragenden Fraktionen und den PIRATEN zu: Es ist ein schlechter Entwurf.

Herr Rickers, ich schätze Sie durchaus als streitbaren Widerpart in vielen Debatten, aber Ihre heutige Rede ist in vielen Punkten falsch gewesen. Erstens. Österreich ist einer der Vorreiter gewesen, auf nationaler Ebene Verbote einzuführen. Österreich, Italien, Frankreich und Ungarn werden davon Gebrauch machen. Das haben sie angekündigt. Es kann gut sein, dass Niederösterreich oder andere Provinzen weitergehende oder treibende Maßnahmen ergreifen. Auch ich würde natürlich sofort erklären: Schleswig-Holstein würde, wenn wir keine andere Wahl hätten, GVO verbieten. Österreich als Beleg dafür anzuführen, dass man das nicht auf nationaler Ebene verbieten soll, ist falsch.

Zweitens. Die Zeit drängt. Wir haben nicht zwei Jahre Zeit, weil - das ist in der Debatte zu kurz gekommen - die EU ein Zweiphasenmodell vorgeschlagen hat. In der ersten Phase kann man ohne Angabe von Gründen allein auf der Grundannahme, dass man es politisch nicht möchte, GVO verbieten. Die Frist endet am 3. Oktober 2015. Bernd Voß hat

(Bernd Voß)

es gesagt. Es liegen acht Anträge bei der EU vor, die genehmigungsreif sind. Wenn diese Phase nicht genutzt wird, rutscht man in Phase zwei und muss nach Abwägung von allen möglichen Interessen Entscheidungen treffen, die dann beklagbar sind.

Wenn wir bis zum 3. Oktober 2015 auf nationaler Ebene sagen, Deutschland möchte keine GVO anbauen, ist das entschieden.

Deswegen drängt die Zeit, und es ist wichtig, dass man sich jetzt klar positioniert.

(Beifall PIRATEN, SSW und Detlef Mat- thiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Drittens. Es gibt gar keinen Grund, hier Parteilichkeiten oder regionale Spezifitäten aufzubauen. Alle Agrarminister, egal von welcher Partei und welcher Couleur, unterstützen die Forderung, dass die Bundesebene für den Staat Deutschland diese Regelung erlässt. Ich verstehe die CDU hier gar nicht, weil sie damit ihren anderen Amtskollegen in anderen Ländern, in denen die CDU noch regiert und die Agrarminister stellt, in den Rücken fällt.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Auch in Bayern!)

- Auch in Bayern.

(Beifall PIRATEN)

Erstaunlicherweise ist auch die CSU ein Gegner der GVO auf der regionalen Ebene. Herr Schmidt folgt dem nicht. Ich bin sonst kein so großer Fan von Seehofers Interventionen, aber an dieser Stelle könnte er gern einmal zum Telefonhörer greifen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Viertens. Es ist auch falsch, die Begründung von Herrn Schmidt zu wiederholen, dass die Länder aufgrund der besseren lokalen Kenntnisse mehr Entscheidungskompetenzen oder mehr Wissen hätten, weil - ich sagte es eben - in der ersten Phase, die sollten wir tunlichst zu nutzen versuchen, das gar nicht erforderlich ist,

(Beifall Angelika Beer [PIRATEN] und Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

in der man einfach auf Basis des politischen Beschlusses sagen kann: Wir wollen es nicht.

Fünftens. Der Vergleich zu Fracking hinkt im Hinblick auf alles, was laufen kann. Sie wissen genau, dass so etwas wie Länderklauseln oder eigene Möglichkeiten immer nur - Herr Dolgner, Sie sprachen von der zweiten Deichlinie - vielleicht die dritte oder vierte Deichlinie sind. Natürlich war die politische Linie der Koalition, der Landesregierung im

mer, im Bergrecht auf nationaler Ebene Techniken wie das Fracking zu untersagen. Insofern hinkt der Vergleich an dieser Stelle auch.

(Beifall SSW, Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Warum ist es so wichtig, auf nationaler Ebene dieses Verbot zu schaffen? - Flemming Meyer hat es eben gesagt. Der Flickenteppich heißt ja im Klartext, dass die Landwirte, die keine GVO anbauen wollen - das sind natürlich die ökologisch wirtschaftenden Landwirte, aber eben auch die konventionellen -, nicht mehr sicher davor geschützt werden können. Den Pollen ist es doch egal, wo die Landesgrenze verläuft.

(Oliver Kumbartzky [FDP]: Aber auch die Staatsgrenze!)

Insofern ist es richtig: Es ist dummerweise schon, wie Oliver Kumbartzky gesagt hat, ein Flickenteppich in Europa. Wenn all die Länder, die ich aufgezählt habe, einlösen, was sie versprochen haben, dann ist ein großes Gebiet der Nachbarländer Deutschlands mit dabei. Aber einen Flickenteppich in Deutschland einzuführen, heißt, eben nicht mehr sicher sagen zu können, dass GVO nicht in die Anbaukette gelangen.

Wenn man das jetzt noch mit der angestrebten Reform der Ökorichtlinie parallelisiert, dann können sich die Ökos gar nicht mehr wehren. Das ist sozusagen die Umkehr der Beweislast, wo die Ökos nachweisen müssen, dass ihre Produkte keinen Verunreinigungsgrad durch GVO haben. Wenn man beides zusammennimmt, wäre es das Ende des Ökolandbaus in Deutschland.

Deswegen macht es eindeutig Sinn, das auf der nationalen Ebene zu lösen. Es macht auch Sinn, wenn man den Koalitionsvertrag im Bund rekapituliert. Der im Land ist ja klar wie Kloßbrühe, wir haben auch entsprechend gehandelt und wollen das nicht. Wir sind dem Bündnis gentechnikfreier Regionen beigetreten. Aber auf Bundesebene heißt es ebenfalls im Koalitionsvertrag: Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an. - Wir erkennen sie an? Was heißt das denn, anerkennen? Da muss man ja wohl auch einmal pfeifen, wenn man die Lippen spitzt.

Deswegen kann ich mir bei aller Überlegung nur zwei Gründe vorstellen, warum Herr Schmidt das nicht tut. Entweder er hat Angst vor der eigenen Gesetzgebung und scheut sich, die Verantwortung zu übernehmen - das glaube ich eigentlich gar

(Minister Dr. Robert Habeck)

nicht, ich halte ihn durchaus für einen integren Typen, ein bisschen zaghaft in vielen Punkten der Agrardebatte, aber sicherlich nicht feige -, oder das ist der wahrscheinlichere Grund - es ist der Lobbyismus, der durchgreift. Angelika Beer hat es angesprochen. Das ist ein wirkliches Problem: Wenn man sich nicht traut, demokratische Prozesse in Gang zu bringen, weil man Angst vor dem möglichen Einfluss von Wirtschaftskonzernen hat, dann in der Tat ist es um die Grundsatzannahme von Regierung ziemlich schlecht bestellt.

Deswegen: Unterstützen Sie den Antrag. Auch vielleicht aus konservativer, gerade wertkonservativer Sicht brauchen wir keine GVO in Schleswig-Holstein oder in Deutschland. Springen Sie über Ihren Schatten! Machen wir jetzt auch ein bisschen Druck, dass die Bundesregierung sich vielleicht eines Besseren besinnt. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und Angelika Beer [PIRATEN])

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat Herr Abgeordneter Heiner Rickers.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, alle von Ihnen getätigten Behauptungen kann ich natürlich so nicht stehenlassen. Mir erschließt sich das anders. Sie haben das Zwei-Phasen-Modell genannt. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten. Der Entwurf sieht Folgendes vor: In Phase 1 kann ein Mitgliedstaat ein Unternehmen auffordern, von dessen Antrag auf Anbauzulassung für eine gentechnisch veränderte Pflanze ausgenommen zu werden.