Protokoll der Sitzung vom 28.09.2012

(Beifall FDP)

Sozialdemokratische Blütenträume einer heilen und konfliktfreien Welt helfen uns in dieser Frage genauso wenig weiter wie grüne „Pfeffersack“-Beschimpfungen, wie wir sie in der jüngsten Vergangenheit von den Kollegen Dr. Habeck - jetzt Mitglied der Landesregierung - und Detlef Matthiessen, immer noch Mitglied einer regierungstragenden Fraktion, vernehmen konnten. Es waren ja keine Erklärungen aus der heutigen Opposition der vormaligen Regierung, sondern es waren die Erklä

(Ines Strehlau)

rungen aus Reihen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich empfinde das nicht gerade als Einladung für eine harmonische gemeinsame Zusammenarbeit, wenn man das Gegenüber als „Hamburger Pfeffersack“ beschimpft.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Ich habe in diesem Zusammenhang auch noch die salbungsvollen Worte der grünen Kollegin Ines Strehlau aus dem Februar-Plenum im Ohr, die erklärte, ich zitiere:

„Wir Grüne wollen gern der Motor der Kooperation sein und hoffen, dass wir dabei in der nächsten Legislaturperiode auch Partnerinnen und Partner finden.“

- Das passt natürlich zur „Pfeffersack“-Argumentation.

Vielleicht sollten Sie, geschätzte Kollegin, zunächst einmal Ihre Freunde Dr. Habeck und Matthiessen fragen, ob sie in dieser Angelegenheit Ihre Partner sein wollen. Es wäre schön für Sie, wenn Sie es immerhin schaffen könnten, dass die Grünen hier mit einer Stimme sprechen, also zu der Frage, ob das nun Kooperationspartner oder „Pfeffersäcke“ sind, mit denen wir uns demnächst an einen Tisch setzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeder politisch Verantwortliche auf beiden Seiten muss sich im Klaren darüber sein, dass sowohl Hamburg als auch Schleswig-Holstein eigene Interessen haben, dass es aber darum geht, diese Interessen in einem gesunden Verhältnis wieder auszutarieren. Wer das leugnet, verkennt schlicht und ergreifend die Bedingungen von Politik und die Rahmen, in denen wir uns bewegen können.

Das, und nichts anderes, sollten wir als unsere Aufgaben der konkreten Frage verstehen. Die Bildung eines gemeinsamen Fundaments in Form eines Grundlagenstaatsvertrages kann hierbei hilfreich sein. Aber noch einmal, es geht darum zu erkennen, welche Interessen Hamburg hat, es geht darum zu definieren, welche Interessen wir haben. Es geht darum, in einem fairen Ausgleich diese Interessen miteinander in Übereinstimmung zu bringen. Denn nur dann wird Kooperation funktionieren und nicht aufgrund von salbungsvollen Worten, wie wir sie gelegentlich hören. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich dem Kollegen Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Skepsis des SSW gegenüber der Idee einer Länderfusion von Schleswig-Holstein und Hamburg ist hinlänglich bekannt. Doch klar dürfte auch sein, dass wir eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern begrüßen. Denn ganz ohne Zweifel liegt in dieser Kooperation neben jener auch mit den anderen norddeutschen Ländern oder mit Dänemark eine wesentliche strategische Perspektive für die Entwicklung unseres Landes.

Ich will in diesem Zusammenhang nur kurz an eine wichtige Tatsache erinnern: Schleswig-Holstein arbeitet bereits auf den unterschiedlichsten Gebieten eng mit Hamburg und anderen Ländern zusammen. Dies gilt, um nur einige Themen zu nennen, für den allgemeinen Verwaltungsbereich, für Dienstleistungen oder für IT- und e-Governmentfragen. Diese unterschiedlichen Kooperationen und Arbeitsteilungen sind und bleiben sinnvoll. Hier sehen wir noch weiteres Potenzial, um die Zusammenarbeit auszuweiten. Aus diesen Gründen können wir das in der Überschrift des CDU-Antrags formulierte Ziel, die Kooperation mit Hamburg zu verbessern, natürlich durchaus teilen.

Was aber den Weg zu diesem Ziel betrifft, sind wir völlig anderer Auffassung. Nach unserer Ansicht müssen wir keine Rahmenbedingungen für zukünftige Kooperationen in schwerfälligen Grundlagenstaatsverträgen festschreiben. Um die Zusammenarbeit zu intensivieren, ist es aus unserer Sicht völlig ausreichend und wesentlich ergebnisorientierter, wenn wir gemeinsam eine Kooperationsstrategie zu konkreten Themen entwickeln und in ihr transparente und vor allem erreichbare Ziele vorgeben.

(Beifall SSW)

Themenfelder für eine solche Strategie gibt es reichlich. So hat zum Beispiel der umfangreiche Abschlussbericht der Enquetekommission kaum an Aktualität eingebüßt. Hier finden sich eine ganze Reihe von Ansatzpunkten für eine sinnvolle Verbreiterung und Vertiefung der Zusammenarbeit. Als Beispiele lassen sich die Verkehrspolitik, die Gesundheitswirtschaft oder umwelt- und energiepolitische Fragen nennen. Diesen konkreten Themen müssen wir uns zuwenden und klären, ob und wie wir zu einer verbesserten Zusammenarbeit kommen.

Dass sich dann auch noch die betroffenen Ausschüsse beider Länder zusammensetzen, ist ja heute schon gängige Praxis. Dagegen hat auch niemand etwas einzuwenden und ein solcher Ansatz kann

(Wolfgang Kubicki)

uns wirklich weiterbringen, meine Damen und Herren. Durch Grundlagenstaatsverträge ist dagegen rein gar nichts gewonnen.

Für uns muss eine vertiefte Zusammenarbeit, auf welchem Feld auch immer, die Verbesserung der Lebensqualität zum Ziel haben. Sie muss sich also in erster Linie am Nutzen für die Menschen im Land orientieren. Das ist für uns die Richtschnur, an der künftige Kooperationen auszurichten sind, und im Übrigen nicht nur Kooperation mit Hamburg, sondern auch mit allen anderen norddeutschen Bundesländern.

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Aus Sicht des SSW ist es immer sinnvoll, danach zu fragen, wo im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in allen Ländern sowie der Unternehmer und Unternehmerinnen im Land noch besser zusammengearbeitet werden muss. Auch wir sehen die Möglichkeit, durch eine engere Zusammenarbeit zu einem finanzpolitischen, wirtschaftspolitischen oder auch verwaltungstechnischen Mehrwert zu kommen, meine Damen und Herren.

Doch wir sagen dabei ganz deutlich, dass allein die Frage nach möglichen Einsparpotenzialen zu kurz greift und an den konkreten Problemen der Menschen vorbeigeht. Anders als unsere Vorgänger sehen wir beim Thema norddeutsche Kooperation aber die zwingende Notwendigkeit, im Interesse der Schleswig-Holsteiner zu handeln. Aufwendige Verhandlungen über den Rahmen der zukünftigen Zusammenarbeit können wir uns daher getrost sparen. Dies mag vielleicht eine interessante Aufgabe für Berufspolitiker oder Juristen sein, aber mit den Bedürfnissen der Menschen im Land hat dieser Ansatz rein gar nichts zu tun. Wir brauchen mehr gelebte Kooperation und keine weiteren vertraglichen Regelungen. Wir wollen die pragmatische Zusammenarbeit entlang einzelner Themen und keinen Formalismus. Es liegt in der Natur der Sache, dass hier immer wieder Kompromisse gefordert werden. Voraussetzung ist und bleibt aber, dass man die Interessen des Landes nicht aus dem Blick verliert und sich in den Verhandlungsergebnissen auch wiederfinden kann.

Nicht zuletzt der Fall der Husumer Windmesse macht deutlich, dass man hin und wieder gut beraten ist, eigene Wege zu gehen. Eine Zusammenarbeit um jeden Preis ist aus unserer Sicht der absolut falsche Weg. Im Gegensatz zur Vorgängerregierung halten wir es für unsinnig, sich bei den Hamburgern anzubiedern und die Zusammenarbeit damit letztlich zum Selbstzweck werden zu lassen. Ein solches Verhalten verhindert nicht nur eine Ko

operation auf Augenhöhe, sondern vernachlässigt auch die konkreten Interessen der Schleswig-Holsteiner.

Meine Damen und Herren, für die Wahrung dieser Interessen sind wir schließlich in allererster Linie gewählt worden. Wir wollen gern zusammenarbeiten. Wir wollen aber auch gern mit MecklenburgVorpommern, mit Niedersachsen, mit Bremen zusammenarbeiten, nicht nur mit Hamburg, gern auch mit unseren dänischen Nachbarn.

Dafür brauchen wir aber keine Grundlagenstaatsverträge, sondern wir brauchen konkrete Projekte, die wir umsetzen. Diese mögen in einzelnen Fällen auch in Staatsverträgen münden, weil man manchmal eine gemeinsame rechtliche Grundlage schaffen muss. Wir brauchen aber keinen Deckel, der vorgibt, dass wir zwangsweise als Selbstzweck eine Zusammenarbeit mit den Hamburgern kodifizieren müssen. Schöner ist es, wenn wir eine echte Zusammenarbeit hinbekommen. Daran hat es in der Vergangenheit manchmal gehapert. Es wäre schön, wenn es in Zukunft wieder klappen würde. - Schönen Dank.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Kollege Callsen von der CDU-Fraktion bittet um einen Dreiminutenbeitrag und hat nun das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An die Adresse des Kollegen Dr. Habersaat möchte ich sagen:

(Christopher Vogt [FDP]: Der ist kein Dok- tor! Der tut nur so schlau!)

Das Ergebnis der Enquetekommission zur norddeutschen Kooperation lag Ende der vergangenen Wahlperiode vor. Deswegen ist es richtig, dass wir zu Beginn dieser Wahlperiode das Thema wieder aufgreifen. Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt.

Es geht uns um die Sache, um die Zusammenarbeit mit Hamburg und darum, diese Zusammenarbeit voranzubringen. Deswegen stimmen wir der Ausschussüberweisung zu. Meine Bitte ist allerdings, dieses Thema federführend dem Europaausschuss zu überweisen, der nach unserer Geschäftsordnung für die norddeutsche Zusammenarbeit zuständig ist.

(Lars Harms)

Mitberatend sein sollte der Innen- und Rechtsausschuss. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Nun erteile ich das Wort dem Ministerpräsidenten Torsten Albig, der für die Landesregierung spricht.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist absolut zutreffend: Schleswig-Holstein ist in seiner Entwicklung nur dann wirklich stark, wenn Schleswig-Holstein abgestimmt mit Hamburg arbeitet. Hamburg wird nur dann eine Zukunft haben, wenn Hamburg abgestimmt mit Schleswig-Holstein arbeitet.

Dies ist übrigens immer richtig, und zwar unabhängig davon, ob Sozialdemokraten regieren, ob Christdemokraten regieren oder ob sonst jemand regiert. Meine Damen und Herren, es ist immer richtig, wenn sich der Norden als ein zusammenhängender Raum versteht, wenn er über Bildung redet, wenn er über wirtschaftliche Raumplanung redet, wenn er über Sicherheit redet. Wir können zusammen mehr erreichen.

Der Umstand, dass wir die Debatte um HUSUM Wind noch nicht so abgestimmt führen, ist kein Zeichen dafür, dass der Grundsatz nicht richtig ist, sondern dass wir am Grundsatz arbeiten müssen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dies hat auch die Vorgängerregierung im Kern so gesehen. Sie hat das auch prüfen lassen. Wirtschaftsminister Jost de Jager hat vom Lorenz-vonStein-Institut die Frage des Grundlagenstaatsvertrags analysieren lassen. Das Ergebnis kennen Sie. Das war eine eher skeptische Analyse, jedenfalls was einen großen Grundlagenstaatsvertrag angeht. Die Analyse war optimistischer, was eine Kaskade von Staatsverträgen angeht. Letztlich war dies ein Grund dafür, dass die vorherige Regierung die Idee des Grundlagenstaatsvertrags nicht weiter verfolgt hat. Am Ende ist das aber gar nicht so entscheidend.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir zusammenkommen, dass wir mit den Hamburgern - daher ist gut, dass in Hamburg parallel eine ähnliche Debatte geführt wird - Verfahren vereinbaren, wie wir uns

verbindlicher als bisher gemeinsam in Abstimmungssituationen begeben.

Hätten wir verbindliche Abstimmungsebenen beim Thema der Energieraumplanung, dann könnten in Zukunft solche Situationen möglicherweise vermieden werden. Dabei geht es um die Fragen, wie genau sich ein Messeraum um das Thema Wind im Norden aufbaut, wie genau wir Stärken verteilen und wie wir Schwächen verhindern. Das sollte man nicht mit Machtworten, sondern mit rationalen Prozessen abarbeiten. Das genau könnte man erreichen, und so verstehe ich diese Debatte.

Mit Ausnahme des sehr klugen Beitrags des SSW waren die Beiträge zu 95 % inhaltlich deckungsgleich, auch wenn man 95 % der Redezeit darauf verwendet hat, so zu tun, als wäre das nicht so.

(Beifall PIRATEN)

Eigentlich sagten aber alle: Ja, wir wollen zusammenarbeiten. - Die Landesregierung sieht das auch so. Wir haben natürlich etablierte Verfahren. Die Vereinbarung, die vor 20 Jahren getroffen wurde, ist eine ganz ordentliche Arbeitsgrundlage. Wir treffen uns regelmäßig im Kabinett. Die nächste Sitzung haben wir für das Frühjahr nächsten Jahres vereinbart. In diesem Jahr fand eine Kabinettssitzung in Kiel statt. Die nächste Sitzung wird in Hamburg stattfinden. Außerdem kommen die Parlamente zusammen. All das ist sinnvoll und klug.

Das reicht aber noch nicht aus. Wir merken, dass wir eher am Anfang der Zusammenarbeit als am Ende der Zusammenarbeit sind und dass wir eine Menge Potenzial haben. Die Metropolregion - das ist mein Eindruck - macht Mut, weil in der Metropolregion im Zusammenhang des Raums gedacht wird, und zwar in allen Bereichen. Das gilt übrigens auch für die Region bis nach Niedersachsen hinein. Von Herrn Harms wurde vorhin bereits das Argument vorgebracht, dass wir das nicht begrenzen sollten. Die Frage ist, was tatsächlich raumpolitisch zusammengehört. Es ist höchste Zeit, die Entwicklung der Metropolregion auch auf SchleswigHolstein auszudehnen.

Ich freue mich, dass Sie in den Ausschussberatungen Zeit und Gelegenheit haben werden, nach dem richtigen Weg zu suchen. Ich kann das nur begrüßen. Die Landesregierung wird das an jeder Stelle unterstützen. - Vielen Dank.