Protokoll der Sitzung vom 28.09.2012

Ich freue mich, dass Sie in den Ausschussberatungen Zeit und Gelegenheit haben werden, nach dem richtigen Weg zu suchen. Ich kann das nur begrüßen. Die Landesregierung wird das an jeder Stelle unterstützen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Johannes Callsen)

Vielen Dank. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer den Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 18/178, federführend dem Europaausschuss und mitberatend dem Innen- und Rechtsausschuss überweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist dies einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 46 A auf:

Haushaltswahrheit und -klarheit müssen erfüllt sein

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/223

Das Wort zur Begründung wird offenbar nicht gewünscht. Dann eröffne ich die Aussprache. Ich vermute, dass für die FDP-Fraktion Wolfgang Kubicki das Wort haben möchte, der es jetzt auch erteilt bekommt.

(Zuruf SPD)

- Für diesen Tagesordnungspunkt liegt mir keine Rednerliste vor. Ich glaube, es ist aber auch kein Problem, wenn wir das so klären.

Ich habe mich auch schon erhoben, Frau Präsidentin.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der FDP-Fraktion dient nicht dem Ziel, über Schuldvorwürfe und Verantwortlichkeiten der Vergangenheit zu streiten. Dazu hat es einen Untersuchungsausschuss gegeben, der festgestellt hat, dass die Ursache für die Schieflage der HSH Nordbank, die bis heute ununterbrochen andauert, in den Jahren 2005 bis 2008 zu suchen ist. Dass die Lage der Bank äußerst schwierig ist, wird derzeit von keinem Parlamentarier ernsthaft angezweifelt.

In einem Artikel des “Handelsblatts” vom 3. September 2012 mit dem Titel “Wie krank sind die deutschen Banken?”, hat die Ratingagentur Moody’s festgestellt, dass die HSH Nordbank die mit Abstand schwächste Finanzstärke aller großen deutschen Kreditinstitute hat. Zudem erklärte Moody’s am Mittwochabend völlig überraschend, dass Moody’s derzeit eine Senkung des langfristigen Ratings der HSH Nordbank prüfe. Eine Absenkung auf

den Subprime-Invest-Status würde die Lage der Bank zusätzlich verschärfen.

Wir müssen uns jetzt erneut mit der Situation der HSH Nordbank befassen, weil dies die Lage der Bank erfordert.

Herr Kollege Andresen, Sie haben in Ihrer Pressemitteilung vom vergangenen Freitag selbst die derzeit dramatische Lage der Bank offen bewertet und uns alle hier im Haus gemeinsam zu Handlungen aufgefordert.

Die in der Pressemitteilung erwähnten Entscheidungen zur Zukunft der Bank stehen jetzt an. Wir können nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, bis die vorgegebene Eigenkapitalquote unterschritten ist oder die HSH Nordbank den Rechtsanspruch aus der Zweitverlustgarantie bei den Ländern geltend macht. Eine mögliche Unterschreitung dieser Mindesteigenkapitalquote muss rechtzeitig von uns analysiert und ihr möglicherweise begegnet werden. Ein Umgang wie bei der Kapitalerhöhung im Juli 2009 würde alle Beteiligten nur nachhaltig schädigen.

Am 30. Juni 2012 ist die Eigenkapitalquote von 10 % erstmals unterschritten worden. Somit hat der HSH Finanzfonds keinen Anspruch mehr auf eine zusätzliche Prämie. Die möglichen Hilfsinstrumente zur Rekapitalisierung von Banken durch den Bund, die uns über die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, den früheren SoFFin, angeboten werden, stehen nur noch bis zum 31. Dezember dieses Jahres zur Verfügung. Wenn dieser Termin verstrichen ist, haben wir die Chance vertan, den Bund um Unterstützung zu bitten.

Wir bitten die Landesregierung, sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum EFSF und zum ESM genauer anzuschauen. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Bundesregierung den Bundestag umfassend über alle haushaltswirksamen Ereignisse sorgfältig unterrichten muss. Eine Unterrichtung von kleinen Sondergremien, wie beispielsweise unseres Unterausschusses Beteiligungen, reicht nicht aus. Die Mitwirkungsrechte des Parlaments sind hier sehr weitreichend. Wir bitten darum, dass die Diskussionen über diese Frage im Finanzausschuss insgesamt geführt werden, möglicherweise auch vertraulich; denn die Beschränkung auf kleine Sondergremien ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unzulässig und würde der Haushaltshoheit des Parlaments nicht gerecht.

(Beifall FDP und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle sind in der Pflicht, aufkommende Risiken zu erkennen und Schäden zu begrenzen. Wir selbst haben 2009 erlebt, wie man es nicht hätte machen sollen. Damals waren die Grünen und die FDP gemeinsam in der Opposition. Statt den Prozess damals transparent und offen zu gestalten, wurde gemauert, verschleiert, gedroht und eingeschüchtert. Der Finanzausschuss wurde teilweise auch falsch unterrichtet; nicht von der Regierung, sondern von Repräsentanten der Bank. Das Ergebnis war ein Stückwerk, das damals das Vertrauen in die Landesregierung nachhaltig beschädigt hat. Der damaligen Opposition in jedem Fall mir - ist das Schauspiel in grausamer Erinnerung geblieben. Ich wäre und war der festen Überzeugung: Wenn jemals wieder eine ähnliche Situation eintreten würde, dann würden diese Akteure vernünftiger agieren. Aus Fehlern anderer lernt man bekannterweise.

Leider deuten derzeit die Anzeichen nicht darauf hin, dass sich das Theater von damals nicht wiederholt, auch wenn wir jetzt andere Darsteller haben. Gegenüber der Deutschen Presseagentur haben Sie, Frau Finanzministerin, am Dienstag erklärt, dass Sie nur dann Haushaltsmittel veranschlagen dürften, wenn davon auszugehen sei, dass sie im betreffenden Haushaltsjahr ausgegeben werden müssten, und dies sei nicht der Fall, weil die Ziehungswahrscheinlichkeit zum 30. Juni 2012 41,4 % betragen habe.

Hier wird die Situation beschönigend dargestellt. Richtig ist: Die Ziehungswahrscheinlichkeit betrug zum 30. Juni 41,4 %. Richtig ist aber auch, dass die Ziehungswahrscheinlichkeit weiter ansteigen wird. In der Pressemitteilung der HSH Nordbank zur Vorstellung des Halbjahresergebnisses vom 31. August heißt es, ich zitiere:

„Für den weiteren Jahresverlauf 2012 rechnet die HSH Nordbank mit anhaltend schwierigen Rahmenbedingungen für ihr Geschäft… Die HSH Nordbank rechnet entsprechend nicht mit einer raschen Verbesserung der Lage.“

- ich kann einfügen: Fast jeden Tag geht ein Schiffsfonds der HCI in Insolvenz

„und erwartet den Tiefpunkt im Zyklus der Branche erst in den kommenden zwölf bis 18 Monaten. Mit dem Beginn einer langsamen Erholung bei Frachtraten, Zeitcharterraten und Schiffspreisen rechnet die Bank gegenwärtig nicht vor Ende 2013. Dementspre

chend geht die Bank weiterhin von einem höheren Vorsorgebedarf für Kreditrisiken aus.“

Wer diese Zeilen liest, der stellt schlussfolgernd fest, dass die Ziehungswahrscheinlichkeit weiter ansteigen dürfte. Wenn sie 50 % überschreitet, dann sind Sie zum Handeln im Etat verpflichtet. Auch Ihre Erklärung, es würde zunächst nur den öffentlich-rechtlichen Fonds treffen, ist eine Verschleierung, denn das Eigenkapital dieses Fonds liegt bei 217 Millionen €. Ob das Eigenkapital, das zum 30. Juni 2012 ausgewiesen war, heute noch in dieser Größenordnung besteht, ist zweifelhaft.

All dies will ich nicht weiter vertiefen. Ich bitte darum, dass unser Antrag an den Finanzausschuss überwiesen wird, denn ich vermute, dass wir uns wirklich intensiver mit der Situation der Bank beschäftigen müssen. Herr Kollege Andresen, uns läuft die Zeit davon. Das Schlimmste, das dem Land Schleswig-Holstein passieren kann, ist, dass wir anschließend in eine Haftung genommen werden, die wir uns zu dem Zeitpunkt, als wir die Garantien ausgegeben haben, in dieser Größenordnung nicht vorgestellt haben, die sich gegenwärtig aber möglicherweise zu realisieren scheint. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte darum, den Antrag an den Ausschuss zu überweisen.

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt PIRA- TEN)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Tobias Koch das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Arbeit des Untersuchungsausschusses in der vergangenen Legislaturperiode standen zwei Fragen im Mittelpunkt der Aufklärungsarbeit. Das war zum einen die Frage nach dem Zeitpunkt, zu dem die Risiken damals frühestens erkennbar gewesen wären. Daran schloss sich die Frage an, ob die Landesregierung damals rechtzeitig gehandelt hat.

Genau diese beiden Frage stellen sich auch in der aktuellen Situation wieder. Die Frage nach dem Zeitpunkt ist allerdings mit der Veröffentlichung des Halbjahresberichts der HSH Nordbank am 31. August dieses Jahres eindeutig beantwortet. Seit diesem Datum sind nicht nur der Landesregierung und dem Beteiligungsausschuss, sondern auch der gesamten Öffentlichkeit all diejenigen Risiken be

(Wolfgang Kubicki)

kannt, die heute den Anlass für diese Debatte geben.

Die Garantie der Länder Hamburg und SchleswigHolstein wird mittlerweile von der HSH Nordbank mit nahezu 2 Milliarden € in Anspruch genommen. Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten dieser Garantie erreicht mit 41,4 % den höchsten Wert seit Übernahme der Garantie. Der Kollege Kubicki sagte es bereits. Wenn sich die Wahrscheinlichkeit in dem gleichen Tempo weiterentwickelt wie im ersten Halbjahr 2012, dann werden wir die 50-%-Marke zum Ende des Jahres überschritten haben.

(Beifall Abgeordneter Christopher Vogt [FDP])

Gleichzeitig ist die Kernkapitalquote der Bank zum 30. Juni 2012 unter die Marke von 10 % gefallen. Deshalb mussten die Garantiegeber, also wir, Hamburg und Schleswig-Holstein, bereits auf die Zusatzprämie verzichten, die uns für den Fall der Inanspruchnahme der Garantie zusteht. Wer in der Lage ist, eine Bilanz oder eine Gewinn- und Verlustrechnung zu lesen, der kann daraus ablesen, dass der Halbjahresüberschuss von 70 Millionen € nicht aus dem operativen Geschäft erwirtschaftet wurde, sondern einzig und allein aus einmaligen Sondereffekten resultiert.

Zur Schiffsfinanzierung sagt die HSH in ihrer Halbjahrespressekonferenz: Die Krise der Branche habe sich in den vergangenen Monaten weiter verschärft. Das dicke Ende kommt noch, denn die Bank sagt auch, der Tiefstpunkt wird erst in den kommenden zwölf bis 18 Monaten erwartet, und wir alle wissen, was das für die HSH Nordbank bedeutet. Seit gestern ist zudem bekannt, dass Moody’s eine Herabstufung des Ratings der HSH Nordbank prüft. Nun kann man von Ratingagenturen halten, was man will, aber ich denke, uns allen ist klar: Eine Herabstufung dieser Art würde die Liquiditätsbeschaffung der HSH Nordbank gravierend beeinträchtigen.

Nun stellt sich die Frage: Wie reagiert die Landesregierung auf diese erkennbaren Risiken? - Die Finanzministerin hat dies mittlerweile öffentlich deutlich gemacht und sagte in den „Kieler Nachrichten“ vom 21. September 2012, das seien alles „rein spekulative Risiken“. Sie sehe deshalb keinen Handlungsbedarf. So lautete das wörtliche Zitat. Ich hoffe, Sie sind hier richtig zitiert worden. Nein, ich hoffe es nicht, aber so wurden Sie wiedergegeben, Frau Ministerin. Damit ist die Frage, ob die Landesregierung rechtzeitig auf erkennbare Risiken

reagiert, auch beantwortet. Die Antwort lautet erschreckenderweise: Nein.

Die Ministerin hat es noch nicht einmal für nötig erachtet, im August und im September an den Sitzungen des Beteiligungsausschusses teilzunehmen. Stattdessen argumentiert sie rein rückwärtsgewandt damit, dass auch die Vorgängerregierung keine Risikorücklage eingestellt hätte. Das ist eine wirklich haarsträubende Argumentation.

(Beifall CDU und FDP)

Sie wird der aktuellen Situation nicht gerecht, und das ist auch in Bezug auf die Vergangenheit nicht angemessen, denn der Unterschied ist, dass die Garantie bei der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2011/2012 im Dezember 2010 mit keinem einzigen Euro in Anspruch genommen war. Heute sind wir bei 2 Milliarden €.

(Beifall CDU und FDP)

Die Ziehungswahrscheinlichkeit war damals geringer, die Kernkapitalquote der Bank war höher und die Charterraten im Schifffahrtsgeschäft waren damals im Steigen begriffen und nicht im Niedergang wie jetzt. Jetzt, im September 2012, sind aber erhebliche Risiken erkennbar. Wir sind jetzt dabei, den Haushalt für 2013 und die Finanzplanung für die Folgejahre aufzustellen. Herr Kollege Andresen, der richtige Zeitpunkt, um nach Lösungsansätzen zu suchen, ist genau jetzt. Wir müssen jetzt Entscheidungen treffen.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, das gilt erst recht, wenn man - wie die Landesregierung - einen Haushaltsentwurf einbringen will, der die gesetzlich zulässige Defizitgrenze bis an die Oberkante ausreizen will. Ein solcher Haushaltsentwurf ohne jeglichen Risikopuffer besitzt keinerlei Risikotragfähigkeit. Schon das kleinste unerwartete Ereignis würde einen solchen Haushalt zur Makulatur werden lassen, und wir sprechen hier nicht von den kleinsten anzunehmenden Ereignissen.

Wer jetzt, wie die Regierungsfraktionen, schnell einen Haushalt durchbringen will, um die eigenen Wahlversprechen zu erfüllen, und dabei einen Anstieg des Defizits und einen Anstieg der Neuverschuldung in Kauf nimmt, gleichzeitig aber die Augen vor den erkennbaren Risiken bei der HSH Nordbank verschließt und nach einer Vogel-StraußStrategie den Kopf lieber in den Sand steckt, der handelt nicht nur fahrlässig, sondern das ist Verantwortungslosigkeit mit Vorsatz. Daher sage ich Ihnen: Gutes Regieren geht anders.

(Tobias Koch)

(Beifall CDU und FDP)