Der SSW will eine Gesellschaft, in der alle Menschen, egal ob mit oder ohne Behinderung, ganz selbstverständlich nicht nur die gleichen Rechte haben, sondern auch die gleiche Wertschätzung genießen. Dieses Ziel hat nicht nur unseren größten Einsatz, sondern vor allem auch einen langen Atem verdient. - Jo tak.
Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 18/3044, dem Sozialausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so überwiesen.
Generalangriff auf freie WLAN-Netzwerke und Filehoster stoppen: Verschärfung der Störerhaftung verhindern
Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/2963 (neu)
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat der Herr Abgeordnete Dr. Patrick Breyer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der Bundeswirtschaftsminister und SPD-Bundesvorsitzende Gabriel ist nicht nur der Mann, der mit falschen Informationen über Anschläge und Rücktrittsdrohungen versucht, den bundesweiten Widerstand aus der Sozialdemokratie gegen eine anlasslose und massenhafte Vorratsdatenspeicherung aller unserer Kontakte, Bewegungen und Internetverbindungen zu brechen - übrigens mit tatkräftiger Unterstützung des SPD-Landesvorsitzenden Dr. Stegner. Aus dem Ministerium Gabriel kommt auch ein Gesetzentwurf, den wir
ganz klar als Generalangriff auf freie WLANNetzwerke verurteilen. Wurzel allen Übels ist wieder einmal der fatale Koalitionsvertrag von CDU/ CSU und SPD im Bund, wo genau dies festgeschrieben ist.
Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen Anbieter von Hotspots von der Haftung für Nutzerverhalten nur freigestellt werden, wenn sie die Nutzer dieser Hotspots davor warnen, Rechtsverletzungen zu begehen, und Unbefugte von der Nutzung ausschließen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Grundidee von öffentlichem WLAN und öffentlichem Internetzugang ist doch gerade, niemanden auszuschließen; sonst ist er nicht öffentlich. Dadurch dass dieser Gesetzentwurf beziehungsweise Referentenentwurf nun den Internetzugang auf Berechtigte beschränken will, droht dieser Berliner Gesetzesvorschlag, den freien öffentlichen und drahtlosen Zugang zum Internet kaputt-, und die ehrenamtlichen Freifunkinitiativen, die daran arbeiten, unser Land möglichst flächendeckend mit Internet zu versorgen, plattzumachen.
Schon jetzt werden viele Privatpersonen aus Angst vor Abmahnung ihre WLAN-Hotspots verschlüsseln und nicht mehr der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Das ist völlig unverständlich, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, denn schließlich ist es doch auch am Telefon möglich, dass Rechtsverletzungen wie zum Beispiel Beleidigungen begangen werden. Trotzdem würde wohl niemand von der Telekom verlangen, vor jedem Gespräch eine Warnansage durchzugeben oder einen Türsteher an Telefonzellen zu stellen, damit diese nicht mehr öffentlich zugänglich sind.
Es ist wirklich absurd, wenn man sich einmal überlegt, was hier von den Betreibern von WLAN-Netzwerken gefordert werden soll.
Besonders falsch ist es, die WLAN-Haftung zu einem Zeitpunkt neu zu regeln, zu dem eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ansteht, übrigens auf Klage eines Mitglieds der Piratenpartei zu der Frage, ob die Störerhaftung überhaupt mit Europäischem Recht und Grundrechten vereinbar ist.
Zu der Problematik der WLAN-Zugänge möchte ich für uns Abgeordnete der Piratenpartei eine zweite Problematik ansprechen, nämlich Speicherdienste wie zum Beispiel Dropbox, das viele von uns kennen. Diese sollen nach dem Gesetzentwurf
haften, wenn sie zu einem überwiegenden Anteil rechtswidrig benutzt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Diensteanbieter, der im Auftrag der Nutzer Tausende, Millionen von Dateien speichert, weiß doch gar nicht, ob die Daten rechtswidrig sind oder nicht; er kann es doch auch gar nicht wissen.
Um das wieder anhand eines Real-Life-Beispiels zu veranschaulichen: Nehmen Sie an, jemand betreibt eine Schließfachanlage in einem Bahnhof. Wenn sich da irgendwelche Dealer überlegen, diese Schließfächer zu illegalen Zwecken zu nutzen, dann kann der Betreiber dieser Schließfächer nichts dafür. Der soll ja auch nicht in die Fächer gucken. Man kann doch nicht ernsthaft sagen, weil diese Schließfächer missbraucht werden, machen wir die ganze Anlage dicht, sodass alle Bahnnutzer diese Schließfächer überhaupt nicht mehr benutzen können. Genauso irrwitzig ist es, Speicherdienste zu schließen, nur weil sie vielleicht von Einzelnen missbraucht werden. Es reicht völlig aus, bei Benachrichtigung rechtswidrige Inhalte zu löschen.
Ganz grundlegend möchte ich für uns PIRATEN auch festhalten: Das Internet, der freie Informationsaustausch, die Meinungs- und die Informationsfreiheit sind für uns keine Gefahr, sondern umgekehrt: Einschränkungen des freien Internetzugangs sind eine Gefahr für die Meinungs- und Informationsfreiheit im Netz.
Auf meine Anfrage hin hat mir das schleswig-holsteinische Wirtschaftsministerium erklärt, die Position zu diesem Gesetzentwurf auf Bundesebene sei im Grunde genommen, dass eine Abschaffung der Störerhaftung falsch sei und dass Freifunk auch durch diesen Gesetzentwurf nicht bedroht sei. Ich denke, ich habe erklärt, warum das Gegenteil der Fall ist. Vor diesem Hintergrund ist es unsere Aufgabe als Landtag, als Volksvertreter, ein klares Signal zu senden: Wir wollen einen freien, öffentlichen und möglichst überall verfügbaren Zugang zum Internet. Wir wollen Freifunk statt Angst.
Mit Blick auf die am Samstag anstehende Richtungsentscheidung des SPD-Konvents zur Vorratsdatenspeicherung füge ich hinzu, Herr Dr. Stegner: Wir wollen auch Freiheit statt Angst und vertrauliche Telekommunikation statt Vorratsdatenspeicherung. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit den gemeinsamen Punkten beginnen. Das ist immer ganz förderlich. Ein flächendeckendes WLAN zumindest in urbanisierten Räumen und geschlossenen Ortschaften ist, denke ich, ein Ziel, dem wir alle uns verschreiben können. Denn gerade in Zeiten ständig wachsenden Bedarfes an Bandbreite sowohl bei den Nutzern als auch bei den Endgeräten wird es eine unverzichtbare Ergänzung für LTE sein, nicht nur vom Nutzerkomfort her, sondern allein schon der Bandbreite wegen. Deswegen sind wir sehr dafür, dass wir Fortschritte beim Ausbau von WLAN machen. Genau diesem Ziel hat sich im Übrigen auch der Koalitionsvertrag auf Bundesebene verschrieben.
Nun kann man darüber streiten, ob das der richtige Weg ist. Dass wir dabei nicht alle Ansätze der PIRATEN werden teilen können, dürfte Ihnen auch klar sein. Denn man muss neben dem rein technischen Herangehen und dem Wunsch, möglichst schnell möglichst viel WLAN frei nutzbar zu machen, natürlich auch im Blick behalten, dass die Nutzung von WLAN für den einen oder anderen, der Rechtsverstöße im Sinn hat, eine hochattraktive Angelegenheit ist. Wenn ich nicht von meinem eigenen Account und mit meiner eigenen IP unterwegs bin, wenn ich Urheberrechtsverletzungen begehe - wir wollen über dem Bereich Kinderpornografie gar nicht sprechen -, dann ist WLAN natürlich ein bevorzugter Tatort, wenn es nicht entsprechend gesichert ist.
- Die Nutzung von WLAN. - Deswegen ist der Anspruch, nachvollziehen zu können, wer denn als Nutzer im WLAN unterwegs ist, ein Gedanke, der nicht von vornherein von der Hand zu weisen ist.
Im Übrigen ist der Gesetzentwurf, der jetzt aus dem Ministerium von Herrn Gabriel auf dem Tisch liegt, als Diskussionsgrundlage insofern interessant, weil in ihm ja bewusst zwischen kommerziellem und privatem Anbieter unterschieden wird.
Herr Abgeordneter Dr. Bernstein, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung oder Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Breyer?
Danke, Herr Kollege. - Zum einen möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass der neueste Gesetzentwurf, der auch tatsächlich zur Notifizierung eingereicht wurde, diese Unterscheidung zwischen gewerblichen und privaten Anbietern nicht mehr vorsieht.
Zum anderen möchte ich Ihnen folgende Frage stellen: Sie haben darauf abgestellt, dass Internet rechtswidrig genutzt werden kann. Würden Sie mir zustimmen, dass zum Beispiel auch Telefonzellen rechtswidrig, dass zum Beispiel auch öffentliche Fotokopiergeräte für rechtswidrige Vervielfältigungen genutzt werden können, und würden Sie deswegen verlangen, dass nachvollziehbar ist, wer wann was kopiert oder am Telefon gesagt hat?
Erstens ist der Hinweis, dass es Möglichkeiten gibt, gegen Gesetze zu verstoßen, kein Argument dafür, weitere Möglichkeiten zu schaffen.
Zweitens ist die technische Nutzung in meinen Augen insofern überhaupt nicht vergleichbar, weil Sie zwar beispielsweise bei einer Telefonzelle oder einem Fotokopiergerät natürlich die Möglichkeit haben, Rechtsverstöße zu begehen, Sie aber überall dort, wo Sie das Internet sozusagen als Tatwerkzeug benutzen, davon ausgehen müssen, dass Sie nachverfolgt werden können, und diese Möglichkeit gezielt durch die Nutzung fremder WLANNetze umgehen können. Das ist der eigentliche Punkt, über den wir an dieser Stelle diskutieren.
Von der rechtlichen Seite nun zur technischen Seite. Der Gedanke, dass wir am Ende eine tragfähige Lösung dadurch bekommen, dass wir möglichst viele kleine private WLANs aneinanderkoppeln, ist zunächst einmal ganz charmant. Aber das kann ja am Ende nicht wirklich die technische Lösung sein,
wenn es darum geht, WLAN-Zugang in urbanisierten Räumen und gerade auch in ländlicheren Gemeinden hinzubekommen.
Ich will an dieser Stelle auf die interessanten Projekte wie etwa „MobyKlick“ in Norderstedt und auch in einer ländlichen Gemeinde wie Kayhude verweisen, wo wir inzwischen fast flächendeckendes WLAN zur Verfügung haben. Dort müssen Sie sich natürlich registrieren. Klar, das ist nicht das, was Sie sich wünschen. An dieser Stelle haben wir in der Tat einen Dissens. Aber mir geht es darum, den Bürgerinnen und Bürgern WLAN zur Verfügung stellen zu können. Ich bin der festen Überzeugung, dass es für die allermeisten Menschen keine Hürde ist, sich in ein entsprechendes Netz einzuwählen.
Der entscheidende Punkt für den Ausbau an dieser Stelle wird es sein, dass wir bei WLAN, das letztlich nichts anderes ist als ein Funknetz, das wir an das Ende einer Leitung hängen, über die entsprechend leistungsfähige Leitungen verfügen. Deswegen wird auch für das Thema Ausbau von WLAN das Thema Ausbau der Breitbandnetze der entscheidende Hintergrund sein, hier insbesondere der Ausbau von Glasfasernetzen.
Vor diesem Hintergrund ist es, finde ich, ausgesprochen zu begrüßen, dass wir davon ausgehen können, in Kürze die Rahmenförderbedingungen des Bundes aufgrund der digitalen Dividende und der in diesem Bereich eingesetzten Bundesmittel zu bekommen. Dann ist, denke ich, auch der Zeitpunkt gekommen, zu dem das Land seine eigene Förderrichtlinie darauf abstimmen kann.
Ich hoffe, dass wir dann die Gelegenheit bekommen, eine leistungsfähige, schlanke und schnelle Förderung für den weiteren Ausbau von Breitband und NGA-Netzen in Schleswig-Holstein zu bekommen, möglichst offen für kommunale Anbieter, für private Initiativen und für die kommerziellen Anbieter in diesem Bereich.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu den Themen offene WLANs, Störerhaftung und Straftatbestände, Herr Dr. Bernstein, komme ich nachher noch.