Protokoll der Sitzung vom 11.10.2017

(Dr. Ralf Stegner)

gen für die Briefwahl und der Bekanntmachungen in Leichter Sprache …“

Das ist eine Festlegung auf diese Dokumente und auf nichts anderes. Erzählen Sie mir nicht, dass das alles nicht notwendig wäre. Es ist notwendig, etwas zu machen, wenn man daran will.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP - Dr. Kai Dolgner [SPD]: Dann war die alte Regelung ungültig!)

Ich will nicht verhehlen, dass mich der Aufschrei aus der kommunalen Familie und in vielen Leserbriefen, man fühle sich bei den neuen Unterlagen für blöd verkauft, ziemlich geärgert hat.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich habe die daraus sprechende Haltung als unsensibel und teilweise borniert empfunden. Offenbar hatten wir 2016 aber die Bereitschaft in der Gesellschaft, auch im Bereich des Wahlrechts alle mitnehmen zu wollen, Barrieren abzubauen und dabei für die Mehrheit neue, ungewöhnliche Wege zu gehen, überschätzt.

Meine Damen und Herren, während des Landtagswahlkampfs hatte ich in meinem Wahlkreis das große Vergnügen, an Podiumsdiskussionen der Kandidatinnen und Kandidaten in sehr großen Einrichtungen der Lebenshilfe teilzunehmen. Wir Kandidatinnen und Kandidaten - Frau Wagner-Bockey war dabei - mussten uns viel Mühe geben, die Antworten auf Fragen aus dem Publikum zu den Zielen unserer Parteien in einfacher Sprache rüberzubringen. Das war alles andere als einfach, aber sehr nützlich. Mir wurde dabei zum Beispiel klar, dass man etwas erst wirklich tief verstanden hat, wenn man es in einfachen Worten darstellen kann.

Die Kandidatinnen und Kandidaten von den Grünen und von der SPD wurden in diesen Veranstaltungen übrigens viel gelobt, weil wir die Einzigen waren, die auch Versionen ihrer Programme in Leichter Sprache vorweisen konnten.

(Lars Harms [SSW]: Wir auch! - Zurufe)

- Ihr auch? - Ihr seid aber bei uns im Kreis nicht so aufgetreten. - Schon in den Nachbesprechungen mit den Veranstaltern dieser Podiumsdiskussionen - also den Trägern der Lebenshilfe-Einrichtungen wurde mir allerdings angedeutet, dass wir als Gesetzgeber mit der Regelung zu den Wahlunterlagen in Leichter Sprache noch keine optimale Regelung gefunden haben. Es fiel auch das Wort „Bärendienst“ für die Sache der Menschen mit Handicap.

Deswegen begrüße ich sehr, dass wir uns mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf auf den Weg machen wollen zu einer sachgemäßeren und insgesamt besseren Lösung. Es geht keineswegs darum, in Zukunft auf die Anwendung der Leichten Sprache bei den Informationen zur Wahl zu verzichten, auch nicht bei den wichtigsten Migrantensprachen. Wer das hineininterpretiert, ist auf dem Holzweg.

Die heute vorgelegte Verordnungsermächtigung im Gesetz macht den Weg frei für eine insgesamt bessere Lösung der schon bei der kommenden Kommunalwahl 2018 anstehenden Bedürfnisse bei der Information der Wählerinnen und Wähler.

Wir werden im Rahmen der Anhörung auch ein besonderes Augenmerk auf die Vorschläge der Behindertenverbände legen, und mir ist vor allem wichtig, dass Professor Dr. Hase, unser Landesbehindertenbeauftragter, in diesen Prozess eindeutig und federführend eingebunden wird. Er hat uns heute signalisiert, dass der Gesetzentwurf, den wir jetzt vorgelegt haben, durchaus in seinem Sinne ist und ein richtiger Ansatz für diese wichtige Frage ist. Ich bin froh, dass wir da endlich zum Ergebnis kommen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Herr Kollege, bevor Sie zum Schluss kommen, könnten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Stegner gestatten.

Sehr gern.

Lieber Kollege Peters, im Gegensatz zu mir sind Sie ja Jurist, deswegen können Sie mir bestimmt erklären, ob es üblich ist, dass in Gesetzen solche Formulierungen, solche unbestimmten Rechtsbegriffe wie „in geeigneter Form zum Beispiel als Online-Angebot“ enthalten sind.

Wenn das so viel besser ist, warum haben Sie dann dieselbe Begründung für die Gesetzesänderung verwendet, die Sie in der Mittagspause vorgelegt haben, die für den ursprünglichen Gesetzestext verwendet worden ist? An der Begründung ist keine Silbe geändert worden. Ich würde gern wissen, worin die Verbesserung liegt. Ist das jetzt eine Verordnungsermächtigung? Auch das kann man Absatz 2 nicht genau entnehmen. Was ist das

(Burkhard Peters)

eigentlich, warum ist das so unbestimmt, und warum hat es die gleiche Begründung?

- Ich könnte Ihnen jetzt einen sehr langen Vortrag über Verordnungsermächtigungen und die sogenannte Wesentlichkeitstheorie halten. Es ist bei Verordnungsermächtigungen so, dass der jeweiligen Behörde bei der Ausführung ein gewisser Spielraum gelassen werden muss. Sonst könnte man es ja gleich im Gesetz regeln.

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Es ist aber auch so, dass das ausreichend konkretisiert ist, auch im Zusammenhang mit der Begründung. Das ist völlig ausreichend. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt die Kollegin Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In diesem Haus gab es eigentlich immer den großen Konsens, dass die Teilhabe aller Menschen von großer Bedeutung ist. Ich werte es einfach einmal als Reflex von Herrn Dr. Stegner, der der Opposition geschuldet ist, dass er sich jetzt hier an dieser Stelle in einer Art und Weise zeigt, die ich sehr bedaure.

(Zuruf SPD: Was?)

Wir haben wegen der großen Einigkeit die Inklusion auch als Staatsziel in unserer Verfassung verankert. Gleichberechtigte Teilhabe und Selbstbestimmung ist das, was uns die Verfassung seitdem als Ziel für Menschen mit Behinderung vorgibt. Das wollen wir erreichen und auch weiter vorantreiben.

(Beate Raudies [SPD]: Ihr wollt das ver- schlechtern!)

Ich denke, dass wir die gute Praxis, an dieser Stelle fraktionsübergreifend zu guten Lösungen zu kommen, auch fortsetzen können.

(Beate Raudies [SPD]: Ja, zu guten!)

Der jetzt hier vorliegende Gesetzentwurf dient einer Korrektur der vorhandenen in der Tat gut gedacht und gut gemeinten, aber schlecht ausgeführten Regelung.

Wenn Sie, Herr Dr. Stegner, nur einen einzigen Grund genannt haben möchten, was an diesem Ge

setz jetzt gut ist und zustimmungswürdig sein sollte - auch von Ihrer Seite -, dann ist es genau dieser neue Absatz 2, der mehr erreicht, als das, was bisher in den §§ 58 und 59 Gemeinde- und Landeswahlordnung steht. Es geht um ein umfassendes barrierefreies Informieren. Barrierefreiheit ist mehr als „nur“ Leichte Sprache. Das hatten wir in dem alten Gesetzentwurf nicht.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN - Wortmeldung Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Nein, Herr Dr. Stegner, meine persönliche Barrierefreiheit besteht darin, keine Fragen von Ihnen zuzulassen.

Meine Damen und Herren, Auslöser dieser Gesetzesänderung waren die Wahlbenachrichtigungen, die bei der letzten Landtagswahl versendet wurden, die für alle in Leichter Sprache verfasst wurden und leider Reaktionen in der Bevölkerung hervorgerufen haben, die von den Zeitungen mit „verschreckt“ oder „verwirrt“ betitelt wurden. Sie haben dazu geführt, dass Leichte Sprache und Menschen, die dieser bedürfen, verhöhnt wurden. Das war nicht das Ziel, das wir hatten, als wir gesagt haben, wir möchten die Leichte Sprache aufnehmen.

Ich möchte auch noch einmal aus einer Stellungnahme der Lebenshilfe zu der damaligen Zeit zitieren, die gesagt hat: Leichte Sprache heißt nicht leicht verständlich, sondern es geht ausschließlich um Lesekompetenz. An der Stelle möchte ich auch eine Nachricht in Erinnerung rufen, die ich von einer Schülerin bekommen habe. Sie hat gesagt: Ich habe lesen und schreiben gelernt, und das möchte ich anwenden. Ich bekomme hier das Gefühl, dass man mich nicht ernst nimmt. - Das kann es auch nicht sein. Wenn wir erreichen wollen, dass sich mehr Menschen für Politik interessieren, mehr von ihrem demokratischen Recht Gebrauch machen, dann müssen wir alle Personengruppen gleichermaßen beachten, berücksichtigen und dürfen niemanden diskriminieren. Das ist leider in der letzten Legislaturperiode passiert. Das war keine böse Absicht - das sei an dieser Stelle ganz klar formuliert.

Deshalb haben wir jetzt - ich gebe zu, dass das mit diesen verschiedenen Vorlagen der Gesetzentwürfe, die Sie erreicht haben, ein wenig holprig gelaufen ist - einen Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser, der jetzt in der Form, in der wir ihn verstanden haben wollten, vorliegt, ist Ihnen heute erst zur Kenntnis gelangt. Dafür kann ich mich persönlich nur entschuldigen. Das soll nicht Standard sein. Aber es liegt - wie ich finde - jetzt ein guter Entwurf vor.

(Burkhard Peters)

Ich würde mich sehr freuen, wenn auch meine Kollegen auf der linken Seite des Hauses dem spätestens im Ausschuss zustimmen könnten. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Volker Schnurrbusch [AfD])

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Claus Schaffer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Mein ursprüngliches Redemanuskript kann ich quasi umdrehen und relativ frei sprechen. Der geänderte Antrag findet voll und ganz unsere Zustimmung. Ich möchte Sie bitten, den Antrag deswegen nicht gleich wieder zurückzuziehen, nur weil er unsere Zustimmung, die Zustimmung der AfD, findet. Manchmal sind wir da ganz dicht bei Ihnen, auch wenn Sie das vielleicht nicht mögen. Nehmen Sie das bitte ganz einfach so hin.

Menschen haben natürlich das Recht auf Teilhabe an Informationen, die auch von rechtlicher Bedeutung sind. Das Wahlrecht gehört zweifelsohne mit dazu. Selbstverständlich haben Menschen mit Einschränkungen das Recht, auch sachgerecht informiert zu werden, damit sie voll und ganz an der demokratischen Meinungs- und Willensbildung teilnehmen können. Das ist uneingeschränkt so.

Die Art der Einschränkung, sei es die Herkunft oder tatsächlich eine kognitive Einschränkung, ist dabei vollkommen nebensächlich. Wir sind insgesamt als Staat und Gesellschaft verpflichtet, alle Menschen mitzunehmen. Das tun wir dann auf diesem Weg auch.

Gut gemeint - den Satz hörten wir vorhin - ist bekanntermaßen das Gegenteil von gut. Genau das ist das, was jetzt zurückliegend bei der Landtagswahl passiert ist. Es hat nicht wirklich funktioniert. Und wenn Dinge nicht funktionieren, dürfen sie nicht Gesetzesrang haben. So einfach ist das eigentlich festzustellen. Deshalb geht der Antrag in die richtige Richtung.

Dieser Passus ist tatsächlich zu streichen, aber eben nicht ersatzlos. Insofern kommt die Änderung genau zur richtigen Zeit. Das war tatsächlich ein bisschen holprig, ein bisschen hoppla hopp. Aber um das inhaltlich als Entwurf weiter zu bearbeiten, haben wir den Ausschuss. Deshalb werden natür

lich auch wir der Überweisung in den Ausschuss zustimmen und selbstverständlich und gern daran mitarbeiten.

Die Beschlussfassung heute früh im Innen- und Rechtsausschuss - mit meinem Anteil für die AfDFraktion -, Herr Dr. Stegner, hat mitnichten etwas mit Ressentiments gegenüber Personen mit Migrationshintergrund zu tun. Diese Unterstellung von Ihnen ist nichts weniger als eine Frechheit. Wir haben ganz einfach an dem Prozedere mitarbeiten wollen, einen aus unserer Sicht guten Antrag zu unterstützen.