Protokoll der Sitzung vom 11.10.2017

Im Ansatz ist das mit Sicherheit alles gut gemeint, aber Leichte Sprache ist eben nicht leicht umsetzbar. Rechtssicherheit und Handhabbarkeit müssen ebenfalls gewährleistet sein. Daher heute der Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW zur Streichung der jeweiligen Durchführungsbestimmungen im Gemeinde- und Kreiswahlgesetz und im Landeswahlgesetz, und - wichtig - angeführt wird ein neuer Absatz mit dem Hinweis, dass barrierefreie Informationen, und zwar in Leichter Sprache, in Gebärdensprache oder in anderen Sprachen, in geeigneter Form als Onlineangebot zur Verfügung gestellt werden. Denn: Ziel muss es weiterhin sein, nach wie vor die Barrierefreiheit in geeigneter Art und Weise in Abstimmung mit dem Landesbeauftragten für politische Bildung und dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung herzustellen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gleichzeitig appelliere ich jetzt aber auch an eine zügige Umsetzung, da ähnliche Erfahrungen im Rahmen der im nächsten Jahr stattfindenden Kommunalwahlen zu erwarten sind. Gleiches gilt für die Wahl der hauptamtlichen Bürgermeister. Die Kommunen haben die Wahlen und Abstimmungen nämlich eigenverantwortlich durchzuführen.

Ich freue mich, dass wir heute fraktionsübergreifend weiterhin für eine Verbesserung des Wahlrechts behinderter Menschen kämpfen - unter Berücksichtigung der Widrigkeiten, die uns zugetragen worden sind und die innerhalb der Verwaltungen aufgetreten sind. Demokratie lebt eben von Wahlbeteiligung, und alle Menschen sollen Politik

verstehen und alle an Wahlen auch teilnehmen können. Das ist nach wie vor unser Ziel.

Ich freue mich auf eine weitere gute Beratung im Innen- und Rechtsausschuss. Dort wird die Anhörung entsprechend auf den Weg gegeben. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Herr Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war ein wenig verwundert, dass einige Kolleginnen und Kollegen diesen Tagesordnungspunkt heute gern ohne Aussprache abgehakt hätten. Denn wir reden hier nicht über eine kleine Verwaltungsformalität, sondern über ein Thema, das uns seit mittlerweile über drei Jahren umtreibt. Es geht darum, wie wir mehr Menschen an unserer Demokratie beteiligen können. Wir haben uns im Jahr 2014 mit allen Landtagsparteien gemeinsam auf den Weg gemacht, der sinkenden Wahlbeteiligung etwas entgegenzusetzen. Da saßen die Fraktions- und die Parteivorsitzenden zusammen.

Ein Jahr später haben wir im Landtag mit den Stimmen von CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und SPD unseren gemeinsamen Antrag „Demokratie lebt auch von Wahlbeteiligung“ verabschiedet. Ich erinnere gern noch einmal daran, weil wir auch parteiübergreifend beschlossen haben, dass Informationen zur Wahl auch in den wichtigsten Migrantensprachen bereitgestellt werden: Gemeinsam haben wir auch beschlossen, die Wahlunterlagen künftig barrierefrei zu gestalten. Beides haben wir im Landeswahlgesetz verankert.

Jetzt die ebenso rasche wie - zumindest für uns überraschende Kehrtwende der neuen Regierungskoalition. Sie legen uns einen Gesetzentwurf vor, um das alles wieder zu kippen. Die Kritik in der Öffentlichkeit und Presse an den neuen Wahlbenachrichtigungen war laut und in Teilen, das will ich nicht bestreiten, auch berechtigt. Man hätte das handwerklich besser machen können. Aber es gibt überhaupt keine vernünftige Begründung, warum jetzt das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Es braucht keine einzige Änderung im Landeswahlgesetz, um eine bessere Lösung bei den Wahlbenachrichtigungen zu erhalten. Das ist nicht erforderlich.

(Petra Nicolaisen)

(Beifall SPD)

Stattdessen würde es reichen, den Innenminister und seine Experten daran zu setzen, die Erfahrungen der Landtagswahl auszuwerten und es beim nächsten Mal besser zu machen. So viel Vertrauen in die eigenen Leute sollte man doch mindestens haben. Denn das Gesetz schreibt uns überhaupt nicht vor, wie das auszusehen hat.

Die jetzige Regelung sagt nichts anderes, als dass das Innenministerium „Regelungen … über die Gestaltung der Wahlbenachrichtigung, des Wahlscheinantrages, der Unterlagen für die Briefwahl und der Bekanntmachungen in Leichter Sprache sowie der wichtigsten Informationen zur Wahl auch in anderen Sprachen“ trifft. Um das noch einmal deutlich zu sagen: Der erste Entwurf, den Sie uns vorgelegt haben, würde das nicht nur abschaffen, sondern die Wahlinformationen in den wichtigsten Migrantensprachen gleich noch dazu. Deshalb gab es daran Kritik.

Jetzt legen Sie uns im Schnellverfahren etwas vor, weil Sie gemerkt haben, dass es irgendwie nicht das Richtige ist, was Sie machen, voll mit unbestimmten Rechtsbegriffen, mit denen man überhaupt nicht umgehen kann, mit Beispielen und vielem anderen mehr. Es wurde mit heißer Nadel genäht und macht überhaupt nichts besser.

Regelrecht entsetzt bin ich darüber, dass heute Morgen im Innen- und Rechtsausschuss im Vorgriff ein vereinfachtes Verfahren mit den Anhörungen und Stellungnahmen beschlossen worden ist, die in den Herbstferien erfolgen sollten. Und dass die AfD natürlich mitstimmt, wenn es gegen Migrantensprachen geht, das ist ja klar. Das ist wirklich ein Verfahren, meine sehr verehrten Damen und Herren, was mit dieser Gemeinsamkeit, die wir auf den Weg gebracht haben, aber auch gar nichts zu tun hat.

(Beifall SPD)

Warum muss das Gesetz geändert werden? Dafür gibt es keinen vernünftigen Grund. Denn die fragwürdige Praxis hat mit dem Gesetz gar nichts zu tun. Wenn Sie das wirklich wollen, was hier eben beschrieben worden ist - im Selbstlob ist die Koalition ja wirklich großartig, was sie alles neu und toll macht -, warum kümmern wir uns dann nicht um eine bessere Praxis? Warum legen Sie einen Gesetzentwurf vor, der in der ersten Fassung inakzeptabel und in der zweiten handwerklicher Murks ist? Warum ziehen Sie das nicht zurück und kümmern sich lieber um die Auslegung des Gesetzes mit einer vernünftigen Praxis? Das wäre sinnvoll, wenn

wir dem Ziel immer noch folgen wollen, dass wir wünschen, dass mehr Menschen zur Wahl gehen.

(Jörg Nobis [AfD]: Es sind doch mehr Men- schen gegangen!)

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wenn es eine Lehre aus den Wahlergebnissen gibt, dann ist es die, dass wir uns Mühe geben müssen, mehr Menschen dazu zu bringen, sich an der Demokratie zu beteiligen.

(Jörg Nobis [AfD]: Wer hat denn die 5 % mehr gebracht? Das waren wir doch!)

Warum muss das jetzt schnell durchgehauen werden? Wir bekommen einen Gesetzentwurf in einer Minutenfrist vorgelegt.

(Beifall SPD)

Lesen Sie es sich einmal durch. Da steht zum Beispiel: Der Innenminister kann und so weiter. Jeder Mensch, der in der Verwaltung gearbeitet hat, weiß, dass mit solchen unbestimmten Rechtsbegriffen nicht gearbeitet werden kann. Das taugt nichts. Nennen Sie uns einen einzigen Grund, ich habe noch keinen gehört -, warum das Gesetz geändert werden muss.

Es gäbe nur dann einen Grund, und zwar, wenn man nicht mehr möchte, dass das mit den Zielen, die wir miteinander vereinbart haben, weiter betrieben werden soll. Andere Gründe dafür gibt es nicht. Denn besser machen kann der Innenminister es auch auf der Basis des alten Gesetzes. Erzählen Sie uns nicht, das sei die einzig mögliche Form gewesen.

Ich weiß, was ich hier tue. Ich kritisiere nämlich die Fassung eines Innenministeriums, das von uns geführt worden ist. Es ist auch ein Stück Selbstkritik, dass das in der Praxis nicht so war, wie wir uns das vorgestellt haben. Aber zu sagen, man müsse das jetzt so machen, wie hier steht, ist falsch. Fragen Sie Ihren Innenminister - er ist ja auch Verfassungsminister, übrigens auch jemand, der Kommunalwahlen sehr gut kennt -, ob er nicht auf der Basis des alten Gesetzes sehr wohl eine Praxis entwickeln könnte, die die Schwierigkeiten vom letzten Mal aufgreift.

Dieses Gesetz taugt nichts und wird unsere Zustimmung nicht finden, weil es bezogen auf die Ziele wirklich fragwürdig ist. Kehren Sie zu dem zurück, was alle Parteien miteinander vereinbart haben!

Liebe Frau Kollegin von Kalben, Sie schütteln den Kopf. - Wir haben übrigens noch etwas vereinbart, nämlich dass wir Fragen, die das Wahlrecht betref

(Dr. Ralf Stegner)

fen, gemeinsam voranbringen. Da legt man nicht mal eben in der Mittagspause einen neuen Entwurf vor und fragt: „Wollt ihr den nicht unterschreiben?“

(Beifall SPD)

Ein bisschen seriöser sollte man bei Wahlgesetzen schon arbeiten. Das ist jedenfalls der Anspruch der Sozialdemokratie.

(Beifall SPD)

Für die grüne Fraktion hat der Abgeordnete Burkhard Peters das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war im Juni 2016, da haben wir hier das große Gesetz zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften verabschiedet, zum Beispiel Verkürzungen bei den Sesshaftigkeitserfordernissen für aktives und passives Wahlrecht, Erleichterungen bei der Briefwahl und bei der Unterschriftensammlung für Volksinitiativen.

Auch beim Wahlrecht behinderter Menschen gab es bedeutsame Änderungen. Die Streichung des pauschalen Ausschlusses von Menschen mit Behinderung, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben, war ein Meilenstein, für den wir bundesweit und europaweit gelobt worden sind.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Auch die Ermöglichung von farbigen Parteilogos auf den Wahlzetteln war eine sinnvolle Maßnahme, Barrieren im Wahlverfahren abzubauen.

Die heute zur Debatte stehende Änderung im Landeswahlgesetz und im Gemeinde- und Kreiswahlgesetz, nach der die Gestaltung der wichtigsten Wahlunterlagen in Leichter Sprache zu erfolgen hat - das ist eine Festlegung, die problematisch ist -, fand allerdings bei der ersten Praxisanwendung im Rahmen der letzten Landtagswahl eine zwiespältige und überwiegend ablehnende Resonanz.

Der Grund? - Alle wahlberechtigten Menschen mit Handicap oder nicht - erhielten nach dem Gesetz einheitliche Wahlunterlagen in Leichter Sprache, wobei das Warum und Weshalb des für viele Menschen ungewöhnlichen, neuen Formats nicht auf den Unterlagen selbst erklärt wurde.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Könnte man ja ma- chen!)

- Nein, das ist das Problem. Das streng formalisierte Wahlverfahrensrecht erlaubt keine unterschiedliche Gestaltung der Wahlunterlagen und auch keine umfangreichen Zusatzerläuterungen.

Herr Kollege Peters, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dolgner?

Natürlich.

Herr Kollege Peters, es ist eine interessante Rechtsauffassung, die sich von unseren damaligen Besprechungen stark unterscheidet. Auf die Frage, ob man das in zwei Fassungen, in normaler Sprache und in Leichter Sprache, zuschickt, ist gesagt worden, das sei zu viel Aufwand. Wenn Sie in das Landeswahlgesetz reinschauen - nicht in die Landeswahlordnung, das ist eine Frage des Verordnungsgebers -, stellen Sie fest, dass dort die Möglichkeit gegeben wird, diese Gegenstände zu regeln. Der Gesetzgeber hat mitnichten gesagt - das ergibt sich überhaupt nicht aus dem Gesetzeswortlaut -, dass das von A bis Z alles in Leichter Sprache sein muss. Wenn das so wäre, hätte das alte Ministerium hier einen Rechtsbruch begangen. Denn auch die alte Benachrichtigung - was ja kritisiert worden ist - ist nicht durchgehend in Leichter Sprache formuliert. Dass Sie hier in Abrede stellen, dass man keinen Erläuterungssatz hätte machen können - die folgenden Sätze sind in Leichter Sprache, damit auch Menschen mit Behinderung und Leseschwäche das verstehen können, wir bitten den Rest um Verständnis -, man das nach alter Rechtslage nicht hätte aufführen können, hätte man den zweiten Teil der Wahlbenachrichtigung, der auch nicht in Leichter Sprache geschrieben ist, auch nicht machen dürfen.

- Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie uns Tilo von Riegen im Innen- und Rechtsausschuss auf die Bedenken hin erklärt hat, warum es nicht geht. Ich habe ihm das damals abgenommen, weil er der Experte ist.

Die Regelung in der bisherigen Nummer 19 ist ganz klar:

„… die Gestaltung der Wahlbenachrichtigung, des Wahlscheinantrages, der Unterla

(Dr. Ralf Stegner)