Protokoll der Sitzung vom 09.12.2020

Bitte kommen Sie zum Schluss.

- weil das zum Verzugszinssatz stattfindet. Meines Erachtens ist es wirklich eine falsche Politik, die Sie hier propagieren.

(Beifall CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Dr. Andreas Tietze.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eine kleine Vorbemerkung machen. Die Coronapandemie hat das Land fest im Griff. Ich wünsche mir, das wäre mittlerweile anders; die Coronadebatte nervt mittlerweile.

Erst Mitte November 2020 hatten wir eine umfangreiche Anhörung im Wirtschaftsausschuss. Betroffenenvertreter des erneuten Lockdowns haben uns eindrucksvoll erläutert, wie es ihnen geht: existenzielle Bedrohungen bei Soloselbstständigen, in der Veranstaltungsbranche, bei Kulturschaffenden. Nicht wenige - Frau Ünsal, Sie haben das gesagt befinden sich seit März in einem pandemiebedingten Dauerlockdown, obwohl Fixkosten, Miete, Heizung, Bankkredite, Leasingraten, weiter bedient werden müssen. Wir konnten hören: Die finanziellen Reserven sind aufgebraucht, und die Situation ist trotz Überbrückungshilfen nicht einfach - wenn sie beispielsweise angekündigt, aber nicht bezahlt werden. Das ist für die Leute nicht witzig.

Ich habe aus der Anhörung aber auch mitgenommen, dass uns die Leute immer wieder gesagt haben, das, was wir mit den Verordnungen machen, sei rechtlich sehr kompliziert, wenig hilfreich und manchmal nicht nachvollziehbar. Wir alle haben die Pflicht, besser zu kommunizieren und zu erläutern, was wir auf den Weg bringen. Nicht alles, was wir auf den Weg gebracht haben, war gründlich zu Ende gedacht. In der Situation im März 2020 ging es darum zu helfen. Genau da setzt Ihr Antrag ein.

Wir haben jetzt über das Moratorium diskutiert. Ich habe mir das auch so vorgestellt, dass das Moratorium Leuten in einer schwierigen Situation eine Sicherheit gibt und sie sagen: Hier habe ich eine Möglichkeit, denn ich bin zu Hause festgenagelt, ich muss ein Homeoffice einrichten, alles spielt sich in meiner Wohnung ab, und deshalb gibt mir der Staat einen Schutz für diese Wohnung.

(Lukas Kilian)

Psychologisch ist das eine total wichtige Botschaft. Die Diskussion, die wir gerade erlebt haben, zeigt, dass gut gemeint nicht immer gut gemacht ist. In dieser Situation können wir doch jetzt nicht sagen, das Mietenmoratorium sei der falsche Ansatz. Wenn wir sehen, dass, wie Sie zu Recht sagen, Vollzugszinsen da sind, müssen wir möglicherweise rechtlich nachsteuern. Es darf eben nicht dazu führen, dass ein schlechter Kredit da ist, sondern dazu, dass das eine angemessene Schutzwirkung für die Menschen hat, die das dringend benötigen.

Deshalb sage ich als Grüner: Wir haben uns an der Debatte im Deutschen Bundestag beteiligt. Es stimmt, Frau Göring-Eckardt hat da die Position der SPD sehr stark vertreten. Aber es ist nun einmal so: Sie haben sich im Bund in der Koalition nicht durchsetzen können, wir haben sozusagen Ihren Antrag im Gespräch in der Jamaika-Koalition nicht durchbringen können, obwohl ich für dieses Anliegen sehr geworben habe. Aber wir haben erreicht, dass der Antrag in den Ausschuss überwiesen wird.

In der Tat haben die Grünen im Deutschen Bundestag einen Vorschlag gemacht, den ich zumindest für überlegenswert halte. Es geht um einen SicherWohnen-Fonds, bei dem wir überlegen, wie wir diese spezielle Situation der Gewerbetreibenden, der Gewerbemieten, aber auch der Privaten verbessern können. Hier ist durch eine Erhöhung des Wohngelds auch gehandelt worden. Das finde ich übrigens im persönlichen Bereich richtig. Es setzt nämlich genau an der subjektiven Situation an, dass ich ein Problem habe und der Staat mich mit den Instrumenten unterstützt, die in der Wohnungsbauförderung bewährt sind.

Diskutiert wird auch über eine Änderung des § 313 BGB, Störung der Geschäftsgrundlage. Danach sollen Betriebsschließungen, Nutzungsbeschränkungen aufgrund von behördlichen Allgemeinverfügungen die Vertragsgrundlagen verändern. Auch da muss es Möglichkeiten geben, dass es rechtliche Situationen gibt, dass die Pandemie nicht dazu führt, dass wir ein Dauerproblem in der Wirtschaft haben.

Lassen Sie mich einmal ein Wort für die vielen Vermieterinnen und Vermieter sagen. Ich rede jetzt nicht über die großen Hedgefonds, sondern über die kleineren Vermieter. Herr Blažek sitzt ja auch dort oben. Hier ist ein Bemühen zu sehen, dass man gerade bei den kleinen Gewerbemieten nicht will, dass die Innenstädte veröden. Vermieter und Mieter sind in einer gemeinsamen Partnerschaft, dafür zu sorgen, dass es hier eben nicht zu einer Situation kommt, dass die Leute aus ihren Immobilien herausgedrängt werden. Wir haben schon genug öde

Innenstädte. Wir können es nicht gebrauchen, dass dieser Trend verstärkt wird. Insofern finde ich die Idee des Deutschen Mieterbundes, der auch einen Sicher-Wohnen-Fonds fordert, richtig. Wir brauchen zielgenaue Instrumente, Hilfsinstrumente, die im Sinne dieses Mietenmoratoriums wirken.

Liebe Frau Ünsal, ich werbe dafür, jetzt keinen Schnellschuss zu machen, sondern in den Ausschuss hineingehen, gemeinsam zwischen der Koalition, Jamaika, und Ihnen zu überlegen: Was brauchen wir tatsächlich an zusätzlichen Instrumenten, die - da hat der Kollege Kilian recht - zielgerichtet sind? Darüber würde ich mich gern unterhalten. Darüber würde ich gern nachdenken. Das ist eine gemeinsame Aufgabe, der wir uns gerade in der Coronapandemie stellen müssen.

Wir können nicht die Probleme in Berlin lösen. Das müssen die schon selber tun. Aber wir können für uns Dinge benennen, die wir für unsere Bürger in Schleswig-Holstein auf den Weg bringen können. Das ist unsere Aufgabe. Das sollten wir mit Engagement in dieser Pandemie tun und den Menschen deutlich signalisieren, dass wir sie nicht allein im Regen stehen lassen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt CDU)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Jan Marcus Rossa.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an das anknüpfen, was der Kollege Kilian hier ausgeführt hat. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er einmal aus der Praxis berichtet hat,

(Beifall FDP, CDU und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

wie dieses Mietenmoratorium tatsächlich gewirkt hat. Nicht ohne Grund haben Fachleute das Mietenmoratorium direkt nach Erlass als Kündigungsmoratorium bezeichnet, denn das war es. Es hat nur das Recht der Kündigung wegen Zahlungsverzug verschoben. Alles andere an wechselseitigen Pflichten einschließlich des Verzugsrisikos und des Verzugsschadensersatzes, dem sich Mieter ausgesetzt haben, blieb bestehen. Deshalb ist Ihr Antrag schon strukturell misslungen. Er nimmt dieses Problem nämlich überhaupt nicht in den Blick.

(Dr. Andreas Tietze)

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, AfD und Doris Fürstin von Sayn- Wittgenstein [fraktionslos])

Das Problem Ihres Antrags ist darüber hinaus, dass wir in der Tat nach den drei Monaten, in denen dieses Mietenmoratorium zunächst galt, überhaupt gar keinen Bedarf für eine Verlängerung haben. Das wird meines Erachtens verkannt. Zum Zeitpunkt des ersten Mietenmoratoriums im März 2020 war völlig unklar, welche wirtschaftlichen und insbesondere finanziellen Auswirkungen die Coronapandemie für Mieter haben würde. Aus diesem Grund war es richtig, hier zunächst einmal einen gewissen Schonzeitraum einzuräumen, in dem gegebenenfalls Mietzahlungen zurückgehalten werden konnten, ohne dass das Mietverhältnis dadurch gefährdet werden konnte. Das ist die Zielrichtung des Mietenmoratoriums im März 2020 für drei Monate gewesen.

Was Sie völlig unberücksichtigt lassen, ist, dass dann bereits Anfang April 2020 deutliche Erleichterungen für den Bezug von Wohngeld verabschiedet wurden, sodass Mieter, die durch die Coronapandemie in Not kamen, viel schneller Wohngeld beziehen konnten. Insofern ist es auch kein Wunder, dass tatsächlich das sogenannte Mietverzugsproblem nicht so groß ist, wie Sie hier glauben machen wollen.

Meine Damen und Herren, dieser ganze Antrag leidet auch darunter, dass er im Grunde genommen Ängste bei Menschen schürt, die nicht in dieser Not- und Zwangslage sind, wie Sie sie hier beschreiben und zur Begründung Ihres Antrags heranführen.

Was ist denn das Ziel Ihres Antrags? Auch das schreiben Sie ja in Ihrer Begründung. Sie wollen die steigende Verschuldung von Mietern unterbinden mit Ihrem Mietenmoratorium. Das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall FDP und Doris Fürstin von Sayn- Wittgenstein [fraktionslos])

Wenn nicht gezahlt wird, dann steigt die Verschuldung der Mieter. Ich verstehe nicht, dass man das so ausblenden kann.

Wir haben soziale Sicherungssysteme in diesem Land, und die haben geholfen. Wenn Sie mit Wohnungsunternehmern sprechen, dann stellen wir fest, und das ist Ihnen auch von Ihrem eigenen Parteifreund bestätigt worden, nämlich vom VNW-Chef, dass es diese Verzugsproblematik tatsächlich in dieser Form nicht gegeben hat. Die Mieter haben ihre

Mieten mehr oder weniger pünktlich bezahlt, wie vorher auch. Es mag Ausnahmen gegeben haben.

(Özlem Ünsal [SPD]: Fragen Sie mal beim Mieterbund nach!)

- Sie sprechen von wenigen Fällen bundesweit. Das kann nicht der Maßstab sein für einen solchen Antrag.

Und ganz ehrlich: Nach der gestrigen Berichterstattung in der Zeitung habe ich schon gedacht, dass ich meine Rede gar nicht mehr schreiben muss und Sie vielleicht den Antrag einfach zurückziehen, denn Herr Breitner hat doch recht mit dem, was er sagt: Es gibt kein Bedürfnis für ein Mietenmoratorium.

(Beifall FDP, CDU und SSW)

Im Übrigen ist die Herangehensweise von Ihnen hoch problematisch. Sie diffamieren mit diesem Antrag rechtschaffende Wohnungsunternehmen, die nämlich ihre Mieter nicht vor die Tür setzen, die Rücksicht nehmen. Das wissen Sie auch, und das müssen Sie einräumen.

Wir haben hier kein Problem, das so groß ist, dass es ein Mietenmoratorium rechtfertigen würde. Wir brauchen eben etwas anderes als ein Mietenmoratorium. Ich glaube, das ist deutlich geworden durch die Ausführungen von Lukas Kilian und von mir.

(Zuruf Özlem Ünsal [SPD])

Deswegen: Bitte lassen Sie am besten diesen Antrag auf sich beruhen. Beschäftigen wir uns mit den wirklichen Problemen. Wenn Menschen in soziale Notlage kommen, dann müssen unsere sozialen Sicherungssysteme eingreifen, und die stehen zur Verfügung. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU und SSW)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Vorsitzende, Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kurzarbeit, fehlende Aushilfsjobs in der Gastronomie oder ausbleibende Projekte für Projektmanager: Diese Dinge bestimmen den Alltag von vielen Menschen bei uns im Land, und eine solche Situation mindert natürlich die Zahlungsfähigkeit. Auf einmal passt die Miete nicht mehr ins Budget, und das ist natürlich keine schöne Situation.

(Jan Marcus Rossa)

Die SPD schlägt daher vor, das Gesetz zur Abmilderung der Covid-19-Pandemie zu verlängern. Laut dieser Regelung darf gemietete Wohn- oder Gewerbefläche nicht gekündigt werden, wenn die finanziellen Engpässe coronabedingt sind. Aus Sicht des SSW war es in Bezug auf die erste Infektionswelle richtig, ein solches Instrument in die Wege zu leiten, um schnell und vor allen Dingen zeitbegrenzt zu helfen. Nun befinden wir uns aber inmitten der nächsten Infektionswelle. Die Frage ist daher: Können wir soziale Härten so dauerhaft abmildern? Welche Instrumente haben wir dafür? Was haben wir aus den ersten Monaten lernen können?

Was ich für mich sagen kann, ist, dass die angesprochenen Maßnahmen keine echte Entlastung bringen. Die fristlosen oder ordentlichen Kündigungen würde man in diesem Fall nur nach hinten verschieben. Mit einer Verlängerung oder Neuauflage der Regelung würde man in wenigen Monaten wieder an der gleichen Stelle stehen. Das tun wir jetzt im Übrigen auch. Damit ist niemandem geholfen.

Natürlich ist es das Allerbeste, wenn man sich bilateral über eine Lösung einig wird. Das ist der Idealfall, aber auch eine solche Lösung wird kein dauerhafter Zustand sein können. Denn was feststeht, ist, dass auch die andere Seite - sprich Vermieter und Energieanbieter - Kosten zu decken haben.

Was ist also zu tun? Jeder oder jede kann sich an dieser Stelle individuelle Lösungen überlegen, um in dieser Situation Abhilfe zu schaffen. Das findet in Deutschland sehr wahrscheinlich auch tagtäglich statt, auch in Zeiten ohne Pandemie. Auch sei an dieser Stelle einmal kurz angemerkt, dass es schon unterschiedliche Instrumente diesbezüglich gibt wie die Übernahme der Kosten der Unterkunft im Zusammenhang mit dem Arbeitslosengeld oder Grundsicherung, bei der auch zeitweise größere Wohnungen geduldet und finanziert werden, oder eben das sogenannte Wohngeld, das aufgrund der Coronapandemie jetzt wesentlich häufiger beantragt und auch genehmigt wird. Es gibt also schon Hilfen, und auf diese Hilfen hat Andreas Breitner hingewiesen.

Aus Sicht des SSW wäre, wie ich bereits anfangs gesagt habe, ein erneutes Mietmoratorium nur ein Verschiebebahnhof. Den Beteiligten würde nur kurzfristig geholfen, während der Schuldenberg weiter wächst. Klüger wäre es daher, einen staatlichen Zuschuss auf den Weg zu bringen, der Menschen, die ihre Mieten und Energiekosten aufgrund von Covid-19 nicht mehr zahlen können, hilft. Meine Damen und Herren, hier könnte man zum Beispiel den Zugang zum Wohngeld zeitweise noch

weiter erleichtern. Das wäre eine Möglichkeit, die wir politisch schaffen könnten.

(Beifall SSW)