Protokoll der Sitzung vom 09.12.2020

(Beifall SSW)

Das würde nicht nur den Mietern die entsprechende Entlastung bringen, sondern das würde auch den Vermietern und Energieversorgern gerecht werden.

Alles in allem finde ich, es ist in der Tat eine schwierige Entscheidung, welche politische Maßnahme nun die zielführendste ist und ob eine zusätzliche Maßnahme in diesem Fall überhaupt angebracht ist. Das merken wir immer wieder in der Diskussion, wenn es um die Coronakrise geht. Ich denke, wir sollten vielleicht im Ausschuss noch einmal in Ruhe darüber beraten, wie sich das vergangene Moratorium, das wir hatten, wirklich konkret ausgewirkt hat und wie sich die aktuelle Situation auf dem schleswig-holsteinischen Wohnungsmarkt derzeit darstellt. Nur wenn wir die Gegebenheiten auch mit konkreten Zahlen darstellen können, können wir tatsächlich auch über zielführende Maßnahmen diskutieren. Und vielleicht macht es dann Sinn, schon bestehende Instrumente ein bisschen - auch zeitweise - zu schärfen.

Ich glaube, dass dieses Moratorium am Ende nicht zielführend ist, denn es kann nicht in unserem Interesse sein, dass wir Mieterinnen und Mieter haben, die später sechs, sieben, acht, neun oder zehn Monatsmieten schuldig sind und irgendwann den Gerichtsvollzieher vor der Tür haben, wenn die Pandemie vorbei ist. Dann geht es den Leuten wirklich ans Kleid, und das wollen wir in gar keiner Art und Weise. Das wäre eine reine Katastrophe für die Leute. Wenn sie dann sogar noch Verzugszinsen bezahlen müssen, dann haben sie wirklich den Hauptgewinn gezogen. Das kann nicht unsere Aufgabe sein. Wenn wir wollen, dass wir die Leute entlasten, dann geht das nur, indem wir beispielsweise den Zugang zum Wohngeld zeitweise etwas erleichtern, sodass die Leute einen staatlichen Zuschuss bekommen können. Das ist die leichtere Variante, und sie hilft nicht nur den Mietern, sondern auch den Vermietern, und das ist genau richtig. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, FDP und vereinzelt CDU)

Das Wort für den Zusammenschluss der Abgeordneten der AfD hat der Abgeordnete Jörg Nobis.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der SPD wirkt auf den ers

(Lars Harms)

ten flüchtigen Blick ganz sympathisch. Wer möchte nicht unverschuldet in Not geratenen Mietern irgendwie helfen? Das gilt aber nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick wird klar, dass der Vorschlag der SPD in die völlig falsche Richtung geht. Die SPD-Forderung ist billiger Populismus und verunsichert in schwerer Zeit die Menschen, sagt Andreas Breitner, Direktor des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen und früherer SPD-Innenminister.

Herr Breitner weist zu Recht darauf hin, dass es kaum Fälle von Kündigung wegen coronabedingter Nichtzahlung von Mieten gebe. Wenn Sie, liebe Genossen, an Mieten denken, dann haben Sie immer die großen Wohnungsgesellschaften vor Augen, die den einen oder anderen Mietausfall sicherlich verkraften können. Was Sie aber nicht sehen, sind all diejenigen Vermieter, für die ein kleines vermietetes Objekt, eine Einliegerwohnung oder eine Doppelhaushälfte oder dergleichen Teil ihrer Altersvorsorge ist. Wir haben es eben gehört.

Das betrifft mitnichten nur einige wenige, ganz im Gegenteil. Zwei Drittel aller Wohnungen in Deutschland gehören Privatpersonen. Das restliche Drittel verteilt sich auf Wohnungsbaugenossenschaften, öffentliche Wohnungsgesellschaften und Unternehmen. Es gibt in Deutschland rund 4 Millionen private Einzelvermieter, und die würden Sie mit Ihren Plänen besonders treffen. Wer eine Wohnung vermietet, der kann sich keinen staatlich geduldeten Mietausfall leisten. Wir haben es gehört: Für viele ist das die Rente oder ein Teil der Rente.

Einmal mehr zeigen Sie, liebe Genossen, dass Sie nicht verstanden haben, wie das wahre Leben so funktioniert. Ich helfe Ihnen gern auf die Sprünge: Sie lösen kein Zahlungsproblem von Mietern, indem Sie immer mehr Schulden aufhäufen lassen. Sie verschieben die Probleme nur in die Zukunft und sorgen dafür, dass die Probleme auf weitere Gruppen überspringen. Sie infizieren auf Dauer den gesamten Wirtschaftskreislauf.

Das Problem muss also anders gelöst werden, und zwar an der Wurzel. Wer unverschuldet durch die Folgen der Coronapolitik in Not gerät und deshalb seine Miete nicht zahlen kann, dem muss unbürokratisch geholfen werden - aber direkt und nicht, indem die Lasten den Vermietern aufgebürdet werden. Mietzuschüsse etwa könnten eine Lösung sein. Der Staat ist dabei in der Pflicht - das sage ich ausdrücklich -, weil viele dieser Härten erst durch staatliche Eingriffe entstanden sind.

Uns muss aber auch klar sein, dass solche Maßnahmen immer nur befristet sein können. Wenn sich die wirtschaftliche Lage weiter eintrübt und im kommenden Jahr keine nachhaltige Erholung einsetzt, dann wird auch der Staat nicht mehr im bisherigen Umfang einspringen können.

Ziel des politischen Handelns muss es also sein, wirtschaftliche Betätigung gerade in der Touristik, der Gastronomie und im Handel wieder zu ermöglichen - mit der Rücknahme von Maßnahmen, wo immer möglich, und mit Planungssicherheit für Unternehmer.

Als ersten Schritt hin zu mehr Sicherheit - in diesem Fall: für die privaten Vermieter - lehnen wir Ihren Antrag ab. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Wir kommen zu den Kurzbeiträgen. Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, Dr. Ralf Stegner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann über die Zielgenauigkeit dieses Instruments streiten. Man kann auch darüber streiten, ob man nicht noch zusätzlich etwas tun müsste. Dann aber, wenn es um den Mieterschutz geht, hier mit einer Rede aufzuwarten wie der Kollege Kilian das ist der Grund, warum ich mich gemeldet habe -, ist an Dreistigkeit echt nicht zu überbieten. Millionen Mietern zu suggerieren, sie seien zu dumm zu wissen, dass man seine Miete bezahlen muss, und würden das Gesetz nicht kennen - das übrigens mit der CDU zusammen beschlossen worden ist -, ist eine arrogante Schnöseligkeit, Herr Kollege, die ich Ihnen hier nicht durchgehen lasse. Das muss ich Ihnen sagen.

(Beifall SPD - Zurufe CDU: Oh!)

Mit schneidiger Anwaltsrhetorik so zu tun, als ob die Menschen blöd seien, und dies mit ein paar fragwürdigen Beispielen belegen zu wollen, ist, wie ich finde, intellektuell unter dem Niveau, das ich hier gern hätte.

(Lachen CDU)

Zweitens muss ich Ihnen sagen: Sie kommen mit dem Beispiel eines Ehepaars, das keinen Cent Rente bekommt.

(Jörg Nobis)

(Lukas Kilian [CDU]: Zu blöd zum Zuhö- ren?)

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Es gibt natürlich Fälle, dass etwas dazuverdient werden muss. Aber wenn man keinen Euro in die solidarischen sozialen Sicherungssysteme einbezahlt hat, dann liegt das Problem vielleicht woanders, aber nicht bei den Mietern dieses Objektes, Herr Kollege. Vielleicht haben Sie ja einmal etwas über Rentenversicherung gehört.

(Beifall SPD - Jörg Nobis [AfD]: Fragen Sie doch einmal Selbstständige!)

Dann muss ich auch sagen: Ich finde es ja richtig, dass wir Milliarden für Wirtschaftshilfen und ähnliche Dinge ausgeben - teilweise übrigens, ohne groß zu fragen, wie die jeweiligen Verhältnisse tatsächlich sind; das machen wir unbürokratisch. Aber immer dann, wenn es um den Mieterschutz geht, wird der Untergang des Abendlandes beschworen. Soziale Marktwirtschaft hat auch ein Adjektiv, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es gibt viele Menschen, die hart arbeiten und ihre Miete gerade einmal so bezahlen können.

Und dann Ihre Krokodilstränen, dass sich Schulden aufhäuften - wunderbar! Wo sind denn Ihre Vorschläge, das zu verbessern? Mieterschutz ist doch kein Entweder-oder, sondern Mieterschutz plus Hilfe wäre die Antwort, die man eigentlich geben müsste, statt hier solche Reden zu halten.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Natürlich gibt es eine Menge anständiger Vermieter. Aber Sie beziehen nur die reine Vermieterposition. Wir müssen auch an die vielen Tausend Mieterinnen und Mieter denken, die hart arbeiten müssen, um sich das leisten zu können. Wir fordern übrigens nicht mehr, als dass ihnen in dieser Situation nicht die Wohnung gekündigt wird; über alles andere lässt sich reden. Die Mieterinnen und Mieter sind nicht schuld an der Coronakrise.

Abgesehen von dem Herrn von den Rechtsradikalen, auf dessen Argumente ich hier nicht eingehen möchte - dazu waren sie zu dumm -, sind wir uns in diesem Haus wahrscheinlich darin einig, dass diese Menschen die Krise nicht verursacht haben.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Haben auch wir gesagt!)

Ich fordere Sie noch einmal auf: Machen Sie Vorschläge, wie man es besser machen kann! Aber Sie stellen sich hier hin, polemisieren, verkaufen die

Leute für dumm und betrachten die soziale Marktwirtschaft rein aus der Vermieterperspektive. Das können Sie Ihren Klienten erzählen, die es nötig haben, zu Ihnen zu kommen, aber der Bevölkerung nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD - Unruhe FDP und CDU - Jörg Nobis [AfD]: Geistiger Sozenstuss!)

Liebe Kollegen und Kolleginnen, es sind mehrere Begriffe gefallen, die nicht sonderlich parlamentarisch sind, darunter „blöd“ oder auch „dumm“. Wir machen weiter mit den Kurzbeiträgen. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Lasse Petersdotter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich fand die Analysen, die hier vorn stattgefunden haben, sehr spannend und will fast keiner davon widersprechen. Es ist tatsächlich ein wahnsinnig teurer Kredit, wenn man das berücksichtigt, was Kollege Kilian angesprochen hat. Unsere Aufgabe ist es aber nicht, das Recht zu interpretieren und auszulegen, sondern es anzupassen, das heißt zu verändern, wenn es unzureichend ist.

(Beifall Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Analyse ist ja richtig; aber wir müssen danach zu anderen Schlüssen kommen, weil Probleme tatsächlich bestehen.

Ich kann nachvollziehen, dass man zu der Abwägung kommt, dass es kein besonders guter Kredit ist, den man da eingeht. Für viele Menschen in der konkreten Situation ist das aber nicht die Abwägung. Sie stehen nicht vor der Frage: Ist das der bessere Kredit, oder gehe ich zur Bank? - Letzteres ist schwierig, wenn ich keinen Job habe oder nur wenig Kurzarbeitergeld bekomme. Die Frage, vor der diese Menschen stehen, ist: Wie wohne ich in den nächsten drei bis vier Monaten? - Das ist ein großes Problem für viele Menschen.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Dann finde ich, dass sich jemand, der behauptet, das sei kein echtes Problem, auf sehr dünnem Eis bewegt.

(Beifall Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], SPD und Lars Harms [SSW])

(Dr. Ralf Stegner)

Wir haben hier ein Problem!

Wenn wir uns angucken, wie viel die Menschen für ihre Miete schon vor der Coronakrise ausgeben mussten, das heißt, wie viel Prozent vom monatlichen Einkommen das ausmachte - 40 %, 50 %, teilweise weit mehr -, und wenn wir dann die Gegenrechnung aufmachen, was an Kurzarbeitergeld gezahlt wird, dann können wir uns durchaus erschließen, dass das nicht hinhaut.

Natürlich wird die Miete trotzdem gezahlt, und natürlich wird der Strom trotzdem gezahlt. Das bedeutet aber nicht, dass die soziale Härte nicht bestünde. Klar ist, dass die Priorität gerade jetzt natürlich genau dort liegt: Als Allererstes bezahle ich die Miete. Als Zweites bezahle ich den Strom. Erst dahinter kommt alles andere. - Genau diese Abstriche sollten die Menschen in dieser Zeit nicht machen müssen.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Wenn wir immer wieder sagen, dass wir, weil wir alle in dieser Situation sind, auch alle zusammenstehen müssen, dann muss uns bewusst sein, dass wir zwar alle im selben Sturm sind, aber längst nicht im selben Boot. Genau diese unterschiedlichen Härtesituationen muss die Politik abwägen. Die Analysen müssen die richtigen sein, und die Folgerung muss lauten, dass wir den Menschen in diesen Härten helfen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Lars Harms [SSW])