Protokoll der Sitzung vom 12.10.2017

Die private Wohneigentumsbildung ist in Deutschland im Vergleich zum europäischen Ausland deut

(Özlem Ünsal)

lich unterdurchschnittlich. Deshalb sollten wir die derzeit günstige Zinssituation und die guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aktiv nutzen, um hier deutliche Fortschritte zu erzielen.

Aus meiner Erfahrung als ehrenamtlicher Bürgermeister meiner Heimatgemeinde Bilsen im dicht besiedelten Kreis Pinneberg weiß ich, dass es außerdem auf eine gute und enge interkommunale Zusammenarbeit ankommt, in der alle Fragen nicht nur der Wohnraumversorgung, sondern auch insbesondere der dazugehörigen Infrastruktur partnerschaftlich gelöst werden. Nur so kann es uns gelingen, in enger Abstimmung zwischen Städten und deren Umgebung ein differenziertes Angebot für all die Marktsegmente anzubieten, die über eine erhöhte Nachfrage klagen. Dies sind in der Regel der geförderte Mietwohnungsbau und frei finanzierte Wohnungen im städtischen Bereich und stark nachgefragte Einzelhausbebauung in den angrenzenden kleineren Gemeinden im Verdichtungsraum um Hamburg.

Insbesondere im Bereich der Versorgung mit Kindergarten- und Grundschulplätzen ist es kleineren Gemeinden durch eine flexible Schulträgerschaft möglich, sehr schnell und flexibel auf eine entsprechende Nachfrage junger Familien zu reagieren. Diese Zusammenarbeit muss in Zukunft unbedingt ausgebaut werden. Dabei sollte insbesondere die restriktive Auslegung der Landesplanung bei der weiteren Ausweisung von Wohnbauflächen in Gebieten mit starker Wohnraumnachfrage endlich flexibilisiert werden. An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich bei Minister Grote für die heutige Ankündigung einer entsprechenden Baulandoffensive bedanken.

(Beifall CDU und FDP)

Ich habe auch mit großem Interesse die Ausführungen von Kollegin Ünsal verfolgt, dass sie das auch unterstützt. Das ist insofern eine Änderung der bisherigen SPD-Politik, als diese auf eine sehr restriktive Auslegung der bisherigen Genehmigung der Landesplanung gesetzt hat. Vielen Dank. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, den die SPD und Frau Ünsal formuliert haben.

Die derzeit zulässigen Erweiterungsmöglichkeiten sind angesichts der weiter dramatisch ansteigenden Nachfrage, insbesondere im Hamburger Umland, den aktuellen Bedürfnissen anzupassen. Die Daten, die bisher Grundlage für die Genehmigung waren, stammen aus einer Zeit, in der wir einen deutlich geringeren Zuzug in unsere Region prognostiziert

bekommen haben. Unsere Partner und Freunde aus Hamburg sehen sich deshalb kaum zu lösenden Herausforderungen im Bereich des Wohnungsbaus gegenüber und sind dringend darauf angewiesen, dass wir ihnen jetzt zügig mit einer Ausweitung von Ansiedlungsmöglichkeiten, insbesondere im Hamburger Umland, zu Hilfe kommen. Dabei sollten wir auf eine immer besser werdende Koordinierung und Zusammenarbeit mit Hamburg aufbauen. Wir wollen mit der heutigen Debatte ein klares Signal senden, dass wir uns diesen Herausforderungen nicht nur stellen, sondern sie auch aktiv anpacken. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Dr. Andras Tietze.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein neues Thema für mich. Das muss ich an dieser Stelle sagen. Ich habe es vom Kollegen Matthiessen geerbt. Aber ich kann sagen, es macht Spaß, sich in das Thema einzuarbeiten.

Ich möchte Ihnen, Herr Minister, zunächst einmal herzlich für Ihren Bericht danken, hatte ich doch den Eindruck, dass da jemand spricht, der etwas von der Sache versteht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Ihre berufliche Laufbahn als Oberbürgermeister in Norderstedt zeigt eben auch, dass es nicht nur um das Wohnen geht, sondern es ist ein Vielfaches mehr nötig, dass man die Lebensqualität einer Stadt auf einem hohen Niveau hält, dass Leute gern in einer Stadt leben. Ich bin sehr froh, dass das in Ihren Händen ist. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Es gibt in Schleswig-Holstein mehrere besorgniserregende Trends, die wir nicht ignorieren können: Erstens. Bezahlbarer Wohnraum ist für mehr als die Hälfte der Bevölkerung eine finanzielle Herausforderung. Zweitens. Es gibt zu wenig bezahlbaren Wohnraum in Städten und am Hamburger Rand. Drittens gibt es einen zunehmen Leerstand auf dem Land.

(Peter Lehnert)

Lassen Sie mich als jemanden, der weiß, dass gerade in meiner Kirche da viel getan wird, noch etwas sagen, das mir Sorgen macht. Das ist der starke Anstieg der Obdachlosenzahlen in unserem Land. Auch da erleben wir einen exorbitanten Anstieg.

Wir haben in der Küstenkoalition in der Wohnungsbaupolitik nicht alles falsch gemacht, sondern eine gute Vorlage geliefert. Dennoch werden von 2015 bis 2030 in Schleswig-Holstein bis zu 177.000 neue Wohnungen benötigt. Das geht aus einer Prognose hervor, die das Forschungsinstitut Empirica für das Innenministerium erstellt hat. Laut der Untersuchung hätte das Land erstens angesichts der regional stark gestiegenen Nachfrage nach Wohnraum schon 2015 mit dem Bau von 24.000 Wohnungen reagieren müssen. Ich nehme diese Studie auch als Kritik auf, dass wir in der Küstenkoalition mehr hätten tun müssen; denn tatsächlich sind innerhalb von zwei Jahren nur 10.000 Wohnungen entstanden.

Eine weitere Studie vom Institut für Weltwirtschaft, die vor einigen Tagen herausgekommen ist, sagt, dass es gerade in den Städten ein Problem mit studentischem Wohnen gibt. Ich habe eine Statistik gesehen, die sagt, dass es bis zu 30 % Kostensteigerung innerhalb von zwei Jahren gab. Auch das ist eine besorgniserregende Entwicklung; denn wir alle wollen, dass gerade diese jungen Menschen zu uns nach Kiel kommen. Wir reden oft über den Fachkräftemangel, und wir wollen sie hier halten. Es ist bedrückend, dass das ein Studierhemmnis ist und der Student am Ende vielleicht bei Mutti bleibt und nicht in die Freiheit einer Studentenstadt entlassen werden kann, weil es eben auch am Geld liegt. Ich erinnere daran, da müssen wir mehr tun.

Ich sagte bereits, die vorherige Regierung hat eine ganze Menge angenommen, und wir werden das verstetigen. Das ist auch etwas, was wir in der Jamaika-Koalition abgestimmt haben. Aber es geht nicht nur darum, Geld für Wohnungen auszugeben und Fördergelder einzuweben, sondern das Setting ist tatsächlich anspruchsvoller. Herr Minister, Sie haben das erwähnt. Wir brauchen mehr. Es reicht nicht, wenn wir nur auf das Alte aufsetzen, sondern wir brauchen mehr.

Ich sage, wir brauchen einen Maßnahmenmix, wir brauchen Planungshilfen für Kommunen, möglicherweise Denkwerkstätten. Wir brauchen zusätzliche Angebote an günstigem Bauland dort, wo Landesliegenschaften vorhanden sind. Wir müssen Bürokratiekosten abbauen. Wir müssen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften unterstützen. Ja, ich denke, wir brauchen einen Maßnahmen

mix, bei dem gerade die technische und bauliche Innovation eine Rolle spielt, aber auch das Setting darum herum. Ich sage einmal: Fahrradwege, Flüsterasphalt, Elektromobilität und natürlich auch der Kinderspielplatz oder das Sportfeld in der Nähe gehören dazu. Das ist ein Setting, was es ausmacht und was es lebenswert macht, in Schleswig-Holstein zu wohnen.

Aber ich sage auch: Für meine Fraktion muss es darum gehen, dass wir den zunehmenden Flächenverbrauch in den Blick nehmen. Diesen Zielkonflikt wollen wir lösen, und ich finde, das geht intelligent mit dem Stichwort Nachverdichtung, zum Beispiel dem Dachgeschossausbau in den Städten. Dadurch können wir im Bestand mehr Wohnraum schaffen. Ich finde, das ist eine intelligente Form von Wohnungsbaupolitik, und darum sollten wir uns auch kümmern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für uns gilt: Innenverdichtung vor Außenverdichtung.

Wir brauchen neue Ideen für das ländliche Wohnen. Wir sind bei der Zukunftslabordebatte, die wir gestern geführt haben, vielleicht gut beraten, das Thema Bedingungsloses Grundeinkommen mit der Frage weiterzuentwickeln, wie man es mit neuen Formen von Wohnraumfinanzierung - nachhaltiger generationengerechter Wohnraumfinanzierung - erreichen kann, dass man vielleicht eine Möglichkeit hat, das Häuschen im Dorf in eine Zukunftsidee hineinzubringen und dadurch möglicherweise über eine Weiternutzung in diesem Dorf erreichen kann, dass Menschen neu in dieses Dorf kommen, weil es dort spannende Settings gibt. Auch das empfinde ich als eine große Herausforderung.

Als Grüner sage ich: Es geht auch um ökologische Bauprojekte. Es ist ein Herzensanliegen von uns, dass man in der heutigen Zeit des Klimawandels im Bereich des ökologischen Bauens etwas tun soll und tun muss. Wichtig ist hier, dass wir das klar und deutlich mit Innovationen voranbringen. Das Bild „Schaffe, schaffe, Häusle baue“ für die Ewigkeit, das der Deutsche immer hat, wenn er Häuser baut, ist etwas von gestern. Wir brauchen flexible Formen. Ich nenne einmal mitwachsende Häuser oder Wohnungen, in die ich vielleicht zunächst erst einmal allein einziehe. Dann wächst das mit, dann ist das überflüssig. Was sollen meine Frau und ich die Kinder sind aus dem Haus - mit 140 m²? Das geht vielen so. Man muss den Garten pflegen und so weiter. Da gibt es also viele Möglichkeiten von

(Dr. Andreas Tietze)

interessanten Wohnkonzepten. „Leichtes Gepäck“ heißt es so schön in einem Song, durch den wir uns fragen: Schleppe ich diesen ganzen Scheiß eigentlich mein Leben lang mit, oder will ich nicht gerade hier die Flexibilität haben, Wohnraum neu, flexibel anzupassen? Das sind Ideen, die ich gern auch mit Jamaika entwickeln möchte.

Liebe SPD, liebe Özlem Ünsal, ich muss dann doch noch einmal ein Wort zu Ihnen sagen; denn so kann ich Ihnen das nicht durchgehen lassen. Es kommt immer wieder die Frage auf: Sind die Grünen eigentlich in Jamaika noch sozial oder nicht? Oder was machen die Grünen jetzt unter der Voraussetzung der Jamaika-Koalition? - Ja, wir sind sozial. Wir bleiben sozial. Das ist eine Gründungsaufgabe der Grünen, und ich lasse Ihnen nicht durchgehen, dass Sie uns gerade an der Mietpreisbremse nachweisen wollen, dass wir unsozial sind.

„Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll.“

Das hat der Dichter Christoph Lichtenberg gesagt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und CDU)

Deshalb sage ich: Wenn wir feststellen, dass die Mietpreisbremse, die wir alle wollen, nicht funktioniert, dann lügen wir uns doch in die Tasche,

(Beifall CDU und FDP)

wenn wir uns jetzt hier hinstellen und immer wieder mit diesen alten Konzepten meinen, wir würden das verändern. Wir haben es eben nicht verändert. Da gehört auch eine Grundehrlichkeit dazu.

Herr Abgeordneter Dr. Tietze, gestatten Sie eine Bemerkung des Abgeordneten Dr. Stegner?

Ja, bitte schön.

Lieber Herr Kollege Tietze, wir haben ja gerade gehört, dass Sie für Häuser sind, die mit einem mitwachsen. Ich habe den Eindruck, Sie wachsen mit der FDP und der CDU mit,

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

nämlich in der Frage, gegen die Mietpreisbremse zu sein. Die Union war gegen die

Mietpreisbremse. Deswegen ist es leider eine geworden, die keine Zähne hat. Die FDP will sie abschaffen. Diese Mietpreisbremse funktioniert, wenn man ihr Zähne gibt, die scharf genug sind. Wenn man sie aber abschafft, dann wird gewiss nichts besser. Insofern ist der Hinweis von Frau Kollegin Ünsal, wie ich finde, durchaus berechtigt. Wir sagen keineswegs, dass Sie Ihre soziale Seite in der Koalition verlieren, wenn Sie es nicht tun. Aber Sie müssen es bitte auch ertragen, dass wir Sie dafür dort kritisieren, wo Sie es tun. Dafür ist Opposition übrigens auch da, Herr Kollege.

- Lieber Herr Kollege Stegner, ich habe kein Problem damit, dass Sie Ihre Aufgabe als Opposition wahrnehmen.

(Beifall Dennys Bornhöft [FDP])

Aber ich will dann einmal sagen: Ja, es stimmt, man muss bei der Mietpreisbremse genau hinschauen. Die Verpflichtung des Vermieters zur Transparenz - was hat eigentlich der vorherige Mieter bezahlt? - ist zum Beispiel solch ein Punkt. Ich bin auch bei Ihnen, wenn es darum geht, bei Sanktionen bei Verstößen noch einmal genau hinzuschauen. Aber ich sage Ihnen auch: Wenn ich sehe, wie Ihre Stadtfraktion hier in Kiel, Ihre SPD hier in Kiel, seit Jahren verhindert, dass man das MFG5-Gelände nutzt, das dort zur Verfügung steht und auf dem man Wohnungsbau betreiben kann, wenn Sie auf der einen Seite die soziale Frage hier hochziehen und es auf der anderen Seite nicht schaffen, diese Stadt so zu entwickeln, dass Menschen gut und sozial gerecht wohnen können, dann ist das ein Widerspruch, den Sie mir wirklich einmal erklären müssen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und AfD)

Es ist immer leicht mit einem Finger auf andere zu zeigen.

(Beate Raudies [SPD]: Ja, genau!)

Deshalb sage ich an dieser Stelle ganz klar: Ein bisschen mehr Selbstkritik, auch ein bisschen mehr Ehrlichkeit in dieser Diskussion hätte ich mir auch von Frau Ünsal gewünscht.