Protokoll der Sitzung vom 16.11.2017

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Ich lasse über den Gesetzentwurf in der Drucksache 19/231 (neu) in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, AfD und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen der SPD in der Fassung der Drucksache 19/346 angenommen.

Bevor wir in die Mittagspause eintreten, weise ich noch auf den Sitzungstermin des Wirtschaftsausschusses um 14:30 Uhr in Raum 342 hin.

Wir sehen uns hier wieder um 15 Uhr.

(Lars Harms)

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung: 13:16 bis 15:04 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich eröffne wieder unsere Sitzung.

Ich begrüße ganz herzlich bei uns im SchleswigHolsteinischen Landtag Besucherinnen und Besucher der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung aus Altenholz. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:

Aufbau eines Studiengangs im Bereich Bauingenieurwesen

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/308

Aufbau eines Studiums im Bereich Bauingenieurwesens

Alternativantrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/329

Ich sehe, das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDUFraktion hat der Abgeordnete Tim Brockmann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich noch gut an die letzte Plenartagung erinnern, in der die Opposition uns vorwarf, keines unserer Wahlversprechen angepackt zu haben. Schon damals war klar, dass dies lediglich Oppositionsrhetorik ist; denn das Gegenteil ist der Fall. Die Jamaika-Koalition packt in allen Bereichen an und hält ihre Versprechen. Im Wahlkampf, im Koalitionsvertrag und im Hunderttageprogramm der Landesregierung haben wir die Einrichtung eines weiteren Bauingenieurstudiengangs im nördlichen Landesteil versprochen, und mit dessen Einrichtung wollen wir heute beginnen. Dies ist ein guter Tag für die Menschen und für die Wirtschaft in Schleswig-Holstein.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Landauf, landab beklagen Bauwirtschaft, Planungsbüros, aber auch die öffentliche Verwaltung, dass es zu wenige Absolventen im Bereich des Bauwesens gebe. Immer mehr Stellen, insbesondere im nördlichen Landesteil, können nicht adäquat besetzt werden - mit den bekannten Folgen für unser Land: Planungsverfahren kommen ins Stocken, Investitionsmittel können nicht abgerufen werden, und die Infrastruktur droht immer weiter zu verfallen. Mit der Einrichtung eines weiteren Bauingenieurstudiengangs an der FH Kiel wollen wir hier schnell und gezielt Abhilfe leisten.

Lassen Sie mich kurz einen Blick zurück in das Jahr 2003 werfen. Die damalige SPD-Landesregierung machte sich an die Umsetzung des sogenannten Erichsen-Gutachtens. Das Gutachten empfahl einschneidende Veränderungen der schleswig-holsteinischen Hochschullandschaft. Eine dieser einschneidenden Veränderungen war die Empfehlung, die Bauingenieursausbildung auf den Standort Lübeck zu konzentrieren und die Bauschule in Eckernförde zu schließen. Schon damals gab es kritische Stimmen. Der Abgeordnete de Jager stellte in der Plenardebatte die Frage, ob es sinnvoll sei, die gesamte Bauausbildung an einem Standort zu konzentrieren, der nicht einmal in der Mitte des Landes liege. Könne es nicht sinnvoll sein, fragte de Jager weiter, einen Ausbildungsstandort im südlichen Landesteil und einen im nördlichen Landesteil zu haben? Meine Damen und Herren, ich glaube, rückblickend müssen wir diese Frage wohl mit Ja beantworten.

(Beifall CDU)

Es zeigt sich immer wieder, dass Fachhochschulen in der Region und von der Region geprägt werden. Sie bilden insbesondere für den regionalen Arbeitsmarkt aus. Das ist auch gut so; denn es verankert die Fachhochschulen in der Region und führt zu engen Kooperationen mit der regionalen Wirtschaft, was ausdrücklich gewollt und zu begrüßen ist.

Wir müssen aber auch feststellen, dass die Absolventen bei Weitem nicht so mobil sind, wie man es erwarten könnte. Wer erst einmal seine Region zum Studieren verlassen hat, kommt so schnell nicht wieder zurück. Es werden neue soziale Kontakte geknüpft. Unternehmenspraktika erfolgen am Studienort, und häufig ergeben sich ganz konkrete Jobangebote. Schließlich wissen die Unternehmen ganz genau, Bauingenieure sind knapp, und sie werden sich dementsprechend ganz intensiv um die Nachwuchsgewinnung kümmern. Das Nachsehen haben Unternehmen und Behörden gerade im nörd

(Vizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber)

lichen Landesteil, wo eben dieser unmittelbare Zugang nicht gegeben ist.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Erwartungen an den neuen Studiengang formulieren. Wir wollen, dass dieser schnell eingeführt wird. Unser Ziel ist das Wintersemester 2018/19. Ich freue mich daher, dass die FH Kiel zugesagt hat, dieses auch leisten zu können und mit 40 bis 50 Studienplätzen zu starten.

Der Studiengang muss sich am aktuellen Bedarf ausrichten, um einen erkennbaren Beitrag zur Fachkräftesicherung zu leisten. Dazu bedarf es einer engen Kooperation mit Wirtschaft und öffentlichen Stellen. Ich lade daher Wirtschaft und Verwaltung ein, konkrete Angebote zu machen, wie die Ausbildung unterstützt werden kann. Ich freue mich, dass es hier bereits erste konkrete Zusagen gibt.

Die FH Kiel soll - das halte ich für ganz entscheidend - dabei eng mit der FH Lübeck kooperieren. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle sagen, dass das aufkommende Konkurrenzdenken, das hier so vereinzelt zum Ausdruck kommt, völlig fehl am Platz ist. Daher wollen wir das Angebot in Kiel auf einen Bachelor-Studiengang beschränken. Uns geht es um die Sache. Die Einrichtung des Ingenieurstudiengangs an der FH Kiel wird daher mitnichten eine Schwächung des Standortes Lübeck sein, sondern vielmehr eine Ergänzung, vielleicht ja sogar auch eine Stärkung. Lübeck wird nach wie vor einer der qualifiziertesten Standorte für das Bauwesen mit seinen über die Landesgrenzen hinweg anerkannten Bachelor- und Master-Studiengängen in Norddeutschland bleiben.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Heiner Dunckel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Hochschulpolitiker sollte man sich freuen, wenn eine Landesregierung einen neuen Studiengang mit zusätzlichen Ressourcen versieht und dies auch noch in einem Bereich, der offensichtlich und nachweislich aktuell einen hohen Bedarf hat.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP)

Ich könnte mich auch weiter freuen, weil Ihr Antrag bei mir ein gewisses Déjà-vu-Erlebnis hervorruft. Ich kann mich gut erinnern - Herr Kollege Brockmann hat es gerade gesagt -, vor 13 Jahren haben wir die Situation ja schon einmal gehabt, und zwar auf der Grundlage des Erichsen-Gutachtens. Ich will es gar nicht weiter ausführen. Ich war damals Mitglied und dann auch Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz und habe die erheblichen verständlichen Proteste gerade der Eckernförder Kolleginnen und Kollegen und Studierenden formuliert und kritisch den Landesregierungen - ich verwende extra die Mehrzahl - ins Bewusstsein gebracht. In der damaligen Situation prallten die Themen Haushaltskonsolidierung und Hochschulentwicklung regelmäßig aufeinander, und die Haushaltskonsolidierung hat regelmäßig gewonnen.

Die Grundphilosophie des Erichsen-Gutachtens bestand darin, die erforderlichen Studienplätze durch die Konzentration an einem Standort kostengünstig bereitzustellen. Bildungspolitisch kann man so argumentieren, das muss man aber nicht. Man kann es eben auch kritisieren.

Generell gilt - das ist auch bei dem neuen Studiengang so -, dass wir bei der Entscheidung über die Schließung oder Neugründung von Studiengängen fachlich zwei Dinge zu beachten haben: Erstens muss der mittelfristige Bedarf an Absolventen ermittelt werden, und zweitens müssen die in Deutschland, vor allem im norddeutschen Raum, existierenden Studienangebote in dieser Fachrichtung daraufhin untersucht werden, ob eine Arbeitsteilung möglich und sinnvoll ist.

Ich möchte daran erinnern: Entsprechende Studiengänge gibt es in Hamburg an zwei Universitäten. An einer weiteren Universität wird ein Studiengang aufgebaut. Es gibt in Bremen und im nördlichen Niedersachsen weitere Studiengänge. Das müssten und sollten wir bedenken.

Ich frage mich, was der vorliegende Antrag der Regierungskoalition eigentlich soll. Denn nach meiner Kenntnis sind die Professuren an der Fachhochschule Kiel schon ausgeschrieben. Womit wollen Sie denn die Landesregierung beauftragen, wenn das schon alles passiert? Warum sollen wir in diesem Hohen Hause überhaupt darüber debattieren, wenn das schon alles in trockenen Tüchern ist? Mich erinnert das eher an die SMV - für die Jüngeren: das ist die Schülermitverantwortung - denn an eine ernsthafte Beteiligung hier im Parlament.

(Beifall SPD)

(Tim Brockmann)

Herr Kollege Brockmann, Anpacken ist schon gut; aber wenn, dann bitte richtig. Wir werden gleich sehen, dass es nicht richtig ist.

(Tim Brockmann [CDU]: Da bin ich ge- spannt!)

Hinzu kommt, dass sich die Regierungskoalition nach meiner Kenntnis und entgegen allen akademischen Gepflogenheiten gar nicht bemüht hat, mit den Fachkollegen der Fachhochschule Lübeck ins Gespräch zu kommen. Ich lese mit Erstaunen in den „Lübecker Nachrichten“ vom 15. November 2017 die Bemerkung des Kollegen Brockmann, dass die Fachhochschule die Federführung bei diesem neuen Studiengang haben soll. Mich würde es doch sehr erstaunen, dass es die Fachhochschule Kiel akzeptiert, dass eine andere Hochschule die Federführung eines Studiengangs in ihrer Hochschule übernimmt.

Umso mehr scheint es mir aus verschiedenen Gründen zwingend, dass die Landesregierung dem Plenum und dem Bildungsausschuss ausführlich darlegt, wie weit ihre Planungen wirklich gediehen sind. Ich möchte ganz im Sinne des Alternativantrags des SSW schon wissen, wie viele Studienplätze geschaffen werden sollen, welche finanziellen und personellen Ressourcen dafür erforderlich sind, welche Auswirkungen die Gründung dieses Studiengangs auf die Fachhochschule Lübeck hätte und wie die Landesregierung den mittelfristigen Bedarf unter anderem an Bauingenieuren einschätzt.

Zudem möchte ich wissen, was denn die Strategie der Hochschulentwicklung der Regierungskoalition ist - nicht nur für die Bauingenieurinnen und Bauingenieure - außer einer kurzfristigen Bedarfssicherung, die im Übrigen erst in fünf bis sechs Jahren überhaupt zum Tragen kommen wird.

Auch muss die Frage gestellt werden, ob es denn wirklich einen Sinn ergibt, nur einen Bachelor in Kiel anzubieten. Zumindest ist zu fragen, welche Ressourcen an der Fachhochschule in Lübeck für die eventuelle Fortsetzung eines Master-Studiums überhaupt vorhanden sind beziehungsweise ob nicht eine große Gefahr besteht, dass die Studierenden wieder nach Hamburg gehen und dann für Schleswig-Holstein nicht mehr zur Verfügung stehen.

Die Frage ist zwar beantwortet worden, ich bleibe aber skeptisch und frage mich, ob die Regierung wirklich nur plant, einen Bachelor in Kiel anzubieten, oder in der Folge irgendwann auch den Master.

Für mich ist der Antrag der Regierungskoalition mit vielen Fragen und wenig Antworten verbunden. Insbesondere fehlt mir das Strategisch-Konzeptionelle. Wir machen keine Hochschulentwicklung, weil uns einfällt, dass uns gerade in bestimmten Bereichen ein paar Studierende fehlen. Das ist keine, noch nicht einmal mittelfristige Planung. Hochschulentwicklung funktioniert anders als das, was ich derzeit hier sehe. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Lasse Petersdotter das Wort.