Daher sei gesagt: Durch die Abschaffung des § 219 a StGB ändert sich nichts an den aktuellen Regeln, die für Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland gelten. Werbung und Marketing von Ärztinnen und Ärzten sind ohnehin stark reguliert.
Berufswidrige Werbung, also eine anpreisende, irreführende, vergleichende oder reißerische Werbung ist und bleibt unzulässig. Für die sorgenvollen Juristinnen und Juristen unter uns weise ich auf das Hintergrundpapier des Deutschen Juristinnenbundes zum Thema hin. Er empfiehlt ebenfalls eine Korrektur oder Streichung des Paragrafen.
Wir diskutieren hier über den Zugang zu Informationen über medizinisch korrekt durchgeführte Schwangerschaftsabbrüche und das Recht der Patientinnen auf freie Arzt- und Behandlungswahl. Was ist das Erste, das die meisten Menschen heutzutage tun, wenn sie in eine Praxis müssen? - Sie googlen. Sie informieren sich über Fachgebiete, Fortbildungen, Zusatzqualifikationen der Ärztinnen und Ärzte. Sie treffen eine Vorauswahl, vom wem sie sich gern behandeln lassen würden. Das ist auch ihr gutes Recht.
Bei Schwangerschaftsabbrüchen ist das aber so nicht möglich. Nach geltendem Recht dürfen Ärztinnen und Ärzte nicht öffentlich darauf hinweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, und erklären, was die Patientinnen erwartet.
Wissen Sie, was oftmals passiert, wenn Sie „Schwangerschaftsabbruch“ und den Namen Ihrer Stadt googlen, wenn Sie wissen wollen, wo Sie derzeit Adressen von möglichen medizinischen Einrichtungen finden? - Sie landen auf einer Diffamierungsseite, die Schwangerschaftsabbrüche als Mord, als Hinrichtung, als Todsünde darstellt, einer Seite, auf der animiertes Blut von oben nach unten tropft, einer Seite, die Schwangerschaftsabbrüche in Verbindung mit dem Holocaust bringt. Das kann niemand von uns wollen!
Schlussendlich geht es jetzt darum, ob es einen offenen Umgang mit dem Thema geben soll oder ob es weiterhin ein Tabu bleiben soll, ob wir wollen, dass Frauen der Zugang zu Informationen erschwert wird oder nicht. Diese Entscheidung gehört nicht aufgeschoben, sie gehört nicht vertagt und eigentlich auch nicht weiter diskutiert. Für mich und
für uns als SSW ist die Entscheidung völlig klar: Schleswig-Holstein muss die Bundesratsinitiative zur Änderung des Strafgesetzbuchs unterstützen. § 219 a StGB gehört abgeschafft.
Ja, tue ich, Frau Landtagsvizepräsidentin. - Deshalb möchte ich den Antrag von Jamaika und den Alternativantrag von SPD und SSW federführend in den Sozialausschuss und mitberatend in den Innen- und Rechtsausschuss überwiesen wissen. Den AfD-Antrag werde ich Gott sei Dank ablehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin, Sie haben berichtet, wie Sie in der Koalition darüber gestritten haben, sich auseinandergesetzt haben, und genau das, was bei Ihnen passiert ist - Sie haben ja eine Lösung gefunden,
(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Aber keine Euthanasie-Debatte! - Bir- te Pauls [SPD]: Das müssen Sie uns doch nicht erzählen! - Weitere Zurufe)
Danke sehr. - Zum „Nazi-Vorwurf“: Wer § 219 a mit der Begründung aufheben möchte, es handele sich bei dieser Vorschrift um ein Nazi-Gesetz, weil der Paragraf 1933 ins Strafgesetz eingefügt wurde, der verkennt, dass Gesetze nicht automatisch deshalb Unrecht sind, weil sie aus dieser Zeit stam
men. Sie wissen, dass auch die Straßenverkehrsordnung aus dem Jahr 1934 stammt. Es geht hier nicht um Ideologie. Es geht um Schutz.
- Aha. Verraten Sie mir doch die Denke. Genau. Wenn Sie und einige unter Ihnen hier mit Unterstellungen arbeiten, was ich denn eigentlich will -
- Ja, genau. Wenn Sie das gehört haben, dann haben Sie gehört, dass ich argumentativ und juristisch argumentiert habe. - Herr Bornhöft hat die Frage gestellt: Was steht eigentlich hinter Ihrem Antrag? Ich kann Ihnen sagen: Es steht der Schutz des ungeborenen Lebens hinter meinem Antrag. Es steht § 219 a dahinter. Es steht dahinter, dass wir befürchten, dass es zu einer Relativierung kommt, dass eine Unterscheidung aufgehoben wird
- 219, entschuldigen Sie, 219 a -, dass eine Unterscheidung aufgehoben wird zwischen Heilbehandlung nicht Nichtheilbehandlung.
(Anita Klahn [FDP]: Dann haben Sie den Pa- ragrafen nicht verstanden! - Katja Rathje- Hoffmann [CDU]: Dann haben Sie die Frau- en nicht verstanden!)
Herr Kollege, was dahintersteht, wird doch deutlich, wenn man sich Ihren Antrag vor Augen führt. Sie beantragen ja nichts weiter, als dass die rechtliche Situation, so wie Sie sie haben wollen, beibehalten wird. Insofern bedarf es doch überhaupt gar keiner Diskussion.
Was Sie wollen, ist doch etwas völlig anderes: Sie wollen den Rest des Hauses provozieren, und Sie wollen einen Keil zwischen uns treiben. Ich finde, dass diese Debatte bislang sehr schön dargestellt hat, dass Ihnen das so schnell und so einfach nicht gelingt. Deshalb ist die Ablehnung, die angekündigt
worden ist, völlig verdient, denn die Provokation ist offensichtlich, sonst hätten Sie gar keinen Antrag stellen müssen.
- Ich missbrauche dieses Thema nicht und würde dieses ernste Thema niemals missbrauchen, um Keile zwischen irgendjemanden zu treiben.
Mit absoluter Sicherheit nicht. Dafür ist mir das Thema zu ernst. Aber es hat mich durchaus gewundert, dass die Frage jetzt gerade von Ihnen kommt. Seit November wird auch im Bundesrat diskutiert, und wer hat sich nicht dazu geäußert? - Die CDU hat sich im Bundesrat nicht dazu geäußert. Sie hat sich aus gutem Grund nicht dazu geäußert.
(Beifall Claus Schaffer [AfD] - Lukas Kilian [CDU]: Nein! - Widerspruch CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)
- Ja? Und Sie wundern sich, dass Ihnen konservativ gestimmte Wähler von der Fahne gehen? Sie wundern sich darüber? - Ich gehe mal weiter.
Zum Alternativantrag der SPD und des SSW: Das ist keine Unterstellung, aber beim Lesen Ihres Alternativantrags hat sich mir - eben vom anderen Ende empfunden - tatsächlich die Frage gestellt: Kann es sein, dass es Ihnen bei der Abschaffung des § 219 a StGB, für die Sie ja werben und auch heute geworben haben, tatsächlich um den Einstieg in die Abschaffung des § 218 insgesamt geht? Aber das ist eine Frage; ich möchte das nicht unterstellen. Wir können aber gern im Ausschuss darüber sprechen.
Zu dem Jamaika-Antrag: Der Wissenschaftliche Dienst des Landtags hat mir auf Anfrage versichert, dass in Schleswig-Holstein eine wertneutrale Beratung und Information von Schwangeren flächendeckend gegeben ist. Das macht den ersten Absatz Ihres Alternativantrags praktisch gegenstandslos. Das heißt aber nicht, dass wir nicht im Ausschuss auch über Verbesserungen der Beratungssituation
sprechen sollten und dass wir dies von unserer Seite aus nicht auch durchaus wollen. Der zweite Absatz Ihres Antrags deckt sich wieder zu 100 % mit unserem in der Sache. Entsprechend stimmen wir Ihrem Antrag, sollte unser Antrag nicht durchkommen, zu.
In aller Kürze noch zu Werbung und Information: Jemand, der mir eine Dienstleistung gegen Geld anbietet, ob es auf einer Homepage oder sonst wo ist, der wirbt. Er wirbt und informiert nicht nur. Alles andere ist Haarspalterei, die hier aus meiner Sicht vollkommen fehl am Platze ist.
Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat die Abgeordnete des SSW, Jette Waldinger-Thiering, das Wort.
Ich habe ja schon fünf Minuten gesprochen, aber ich nehme von meinem Recht Gebrauch, noch einmal drei Minuten dazu zu reden. Mit unserem Alternativantrag ist keinerlei Aufforderung an irgendwelche Frauen in Schleswig-Holstein verbunden, diesen schweren Weg gehen und diese Entscheidung treffen zu müssen.