Ich habe ja schon fünf Minuten gesprochen, aber ich nehme von meinem Recht Gebrauch, noch einmal drei Minuten dazu zu reden. Mit unserem Alternativantrag ist keinerlei Aufforderung an irgendwelche Frauen in Schleswig-Holstein verbunden, diesen schweren Weg gehen und diese Entscheidung treffen zu müssen.
Ich habe vorhin gesagt, dass ich mich mit meinen beiden Söhnen darüber unterhalten habe. Mein ältester Sohn ist vor fünf Monaten Vater geworden. Er ist mit seiner Frau zu jeder Untersuchung gegangen. Jeder, der hier in diesem Saal sitzt, vielleicht auch Martin Habersaat, der vorgestern Vater geworden ist, geht mit seiner Frau zum Frauenarzt und zum CTG und sieht, wie dieses Kind wächst. Da geht doch keiner freiwillig hin und sagt: Ich mache einen Abbruch.
Deshalb ist auch die Streichung des § 219 a keine Aufforderung auf einem Neonschild mit grellem Hintergrund: Kommt her, lasst einen Abbruch vornehmen. So ein Quatsch!
Das hier ist die reine Möglichkeit, sich darüber zu informieren, wo ich hingehen kann, wenn ich mich damit auseinandersetzen soll. Ich bin dankbar, dass alle Frauen hier im Hohen Hause sitzen geblieben
sind. Eigentlich hätten wir aufstehen müssen, denn Ihre Formulierungen über das Leben und die Möglichkeiten und die Gedanken, die wir uns machen, wenn wir in der Situation sind, dass wir ein Kind in uns tragen, das vielleicht gar nicht lebensfähig ist, sind erniedrigend. Wie man damit umgeht, das ist eine Diskussion, die Sie mit uns anzetteln wollten. Und wissen Sie was? - Ich lasse von Ihnen keine Zwischenfrage zu, weil ich dazu nämlich keine Lust habe.
Für die Landesregierung hat die Frau Ministerin für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Dr. Sabine Sütterlin-Waack, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! § 219 a Strafgesetzbuch, wir haben es heute oft genug gehört, stellt die Werbung für den Schwangerschaftsabbruch unter Strafe. So muss derjenige eine Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren befürchten, der öffentlich seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise entsprechende Dienstleistungen anbietet oder anpreist, seien es eigene oder fremde Dienstleistungen.
Die Vorschrift soll verhindern, dass der Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit als eine normale, jederzeit für Geld erhältliche Dienstleistung dargestellt und wahrgenommen wird. § 219 a StGB ist damit auch eine wichtige Schutznorm für das Rechtsgut des ungeborenen Lebens. Schon deshalb sind wir gut beraten, nicht zu schnell zu entscheiden. Den § 219 a kurzerhand zu streichen, wäre nicht ratsam.
Wir haben es heute gehört, die Befürworter einer Streichung behaupten, die Vorschrift beschränke die Informationsfreiheit, die Selbstbestimmung und die freie Arztwahl der Schwangeren. Dass die Informationsmöglichkeiten von Schwangeren durch das Werbeverbot tatsächlich in erheblichem Maße beschnitten werden, ist zweifelhaft. Im Internet, ich habe heute Morgen noch einmal nachgesehen, existieren zahlreiche neutrale Informationsseiten. Vor allem aber erhalten Schwangere über die ohnehin zwingend aufzusuchenden Beratungsstellen uneingeschränkten Zugang zu allen gewünschten Informationen. Die Beratungsstellen teilen selbstver
ständlich auch die Anschriften von Arztpraxen mit, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden. Dies ist der gesetzlich erwünschte Weg. Die Freie und Hansestadt Hamburg veröffentlicht eine solche Liste auf ihrer eigenen Internetseite.
Auch das medial begleitete Verfahren gegen eine Gießener Ärztin bietet meines Erachtens noch keinen Anlass, voreilig nach einer Streichung der besagten Strafnorm zu rufen. Zunächst bleibt doch abzuwarten, ob das Rechtsmittelgericht die Entscheidung des Amtsgerichts überhaupt bestätigt und inwiefern es Hinweise für eine mögliche einschränkende Auslegung der Norm gibt.
Eine praktisch erhebliche Rechtsunsicherheit besteht ebenfalls nicht, schaut man sich einmal die äußerst geringen Verurteilungszahlen an. Im Jahr 2016 gab es einen Fall. Daher hat der Rechtsausschuss des Bundesrats am Mittwoch vergangener Woche auch mit der Stimme Schleswig-Holsteins beschlossen, die Beratung über eine mögliche Streichung des § 219 a StGB bis zum Wiederaufruf zu vertagen. Die dadurch gewonnene Zeit werden wir nun für eine sorgfältige fachliche Auseinandersetzung mit einem möglichen Reformbedarf der Vorschrift nutzen, um uns für eine ausgewogene, praxisgerechte und mit dem übrigen Recht des Schwangerschaftsabbruchs konforme Regelung des Werbeverbots einzusetzen. - Vielen Dank.
Es ist beantragt worden, die Alternativanträge Drucksachen 19/463 (neu) und 19/482 federführend an den Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Dann ist einstimmig so beschlossen.
Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/451 in der Sache abzustimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenprobe! - Gibt es Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen der AfD-Fraktion abgelehnt.
Ich erteile das Wort der Frau Berichterstatterin des Innen- und Rechtausschusses, der Abgeordneten Barbara Ostmeier.
Ich danke der Frau Berichterstatterin. - Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Koalitionsfraktionen lehnen heute den Wunsch der Volksinitiative „Schleswig-Holstein stoppt CETA“, der Landtag möge sich bei der Landesregierung für die Ablehnung des Freihandelsabkommens der EU mit Kanada im Bundesrat einsetzen, ab. Die Fraktionen sind sich in diesem Punkt inhaltlich nicht einig. Das wird aufgrund der Debatte in diesem Haus niemanden erstaunen. Diese Differenz wurde auch im Koalitionsvertrag festgehalten. Das gängige und auch zwischen den Partnern vereinbarte Verfahren sieht in diesen Fällen eine Enthaltung im Bundesrat vor. Gleichzeitig geben wir den einzelnen Koalitionspartnern aber die Möglichkeit, den jeweiligen Standpunkt der Fraktion im Parlament zu vertreten.
Im März 2017 haben wir uns hier bereits intensiv über die Standpunkte zum damals noch nicht ratifizierten CETA-Abkommen ausgetauscht. Die CDU war und ist für eine vollständige Umsetzung des Freihandelsvertrags mit Kanada.
Wir werden uns der Globalisierung nicht entziehen können. Gleichzeitig wollen wir den Protektionismus überwinden, der in unserer kleinen Welt mit global zu lösenden Aufgaben geradezu absurd wirkt. Wir haben aber die Chance, die Globalisierung zu gestalten und selber Maßstäbe zu setzen. Gerade mit dem freiheitlichen und demokratischen Kanada hat die EU einen idealen Partner für dieses Freihandelsabkommen gefunden.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, kurz noch einmal zu einigen wichtigen Rahmenbedingungen, Fakten und Inhalten des Freihandelsabkommens CETA.
Erstens. Kanada ist ein wichtiger Handels- und Wirtschaftspartner der EU. Die EU exportiert jährlich schon heute unter anderem Maschinen im Wert von 8,3 Milliarden €, chemische Erzeugnisse im Wert von 5,9 Milliarden € und Lebensmittel im Wert von 3,4 Milliarden € nach Kanada. Über 70.000 Betriebe in der EU arbeiten für den Export nach Kanada, davon 80 % Mittelständler. 98 % aller Handelszölle entfallen durch CETA.
Zweitens. Der Dienstleistungshandel wird erheblich erleichtert. Eine gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen in bestimmten reglementierten Berufen, wie bei Architekten, Ingenieuren und Rechtsanwälten, findet unter festen Rahmenbedingungen statt.
Drittens. Die öffentliche Hand bekommt die Möglichkeit, auf den Märkten beispielsweise bei Ausschreibungen gegenseitig mitzuwirken.
Viertens. Das Recht an geistigem Eigentum in Kanada, deren Inhaber Personen oder Unternehmen der EU sind, wird besser geschützt.
Fünftens. Für eine nachhaltige Entwicklung gibt es Festlegungen für starke, rechtsverbindliche Verpflichtungen in den Bereichen Umweltschutz und Erhalt von Arbeitnehmerrechten.
Sechstens. Gerade kleinere Unternehmen profitieren besonders. Sie haben oftmals wenig spezialisiertes Personal. Ihnen helfen die Abschaffung von Zöllen oder vereinfachte Zollverfahren sowie kompatiblere technische Anforderungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, man könnte aus eigener Sicht immer alles noch besser machen. Kritik und Sorgen nehmen wir deshalb auch ernst. Verhandlungen setzen aber auch Kompromissbereitschaft voraus. Deshalb ist es aus unserer Sicht keine Alternative, auf die vielen Vorteile
Wir wollen Wachstum und Beschäftigung sichern. Wir wollen keine Absenkung der Standards beim Verbraucherschutz, der Umwelt oder im Sozialbereich. Wir wollen Marktzugang für unsere kleineren und großen Unternehmen, aber keine Zwangsprivatisierung in der kommunalen Daseinsvorsorge. Wir wollen Maßstäbe für den freien Handel in der Welt und gegen Protektionismus setzen. Dafür steht CETA. Deshalb sind wir für CETA und befürworten das.
Wir haben natürlich das Problem in der Koalition. Das müssen wir einfach respektieren. Dazu stehen wir auch. Aber es ist gut, dass Sie mir Gelegenheit gegeben haben, unsere Sicht der Dinge hier einmal darstellen zu dürfen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne im Schleswig-Holsteinischen Landtag Bürger und Bürgerinnen aus Flensburg und vom Grone-Bildungszentrum Ostholstein Kursteilnehmerinnen aus Neustadt, Eutin und Oldenburg. Herzlich willkommen hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Volksinitiative „Schleswig-Holstein stoppt CETA“ fordert uns auf, uns für eine Ablehnung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada einzusetzen. Das würden wir auch tun, wenn in den Verhandlungen nicht bereits substanzielle Verbesserungen erreicht worden wären und die in der Volksinitiative zum Ausdruck gebrachten Sorgen um europäische Standards, um Arbeitnehmerrechte oder um den Umweltschutz bisher einfach abgeprallt wären. Das ist aber nicht so. An den sozialdemokratischen Maßstäben, an denen wir fairen Handel messen, hat sich seit Jahren nichts geändert. Wir haben hier im Landtag mehrfach sehr deutlich und sehr detailliert unsere Bedingungen für Freihandelsabkommen generell und speziell auch für eine mögliche Zustimmung zu CETA formuliert. Es war die Sozialdemokratie, die erreicht hat, dass das
Paket noch einmal aufgeschnürt wurde und das CETA-Abkommen substanzielle Verbesserungen erfahren hat.