Zweitens. Ja, der Ministerpräsident hat recht. Er hat gesagt, auch Wohnungsbaugesellschaften kommunaler Art seien in der Vergangenheit gescheitert. Auch Kollege Lehnert hat darauf hingewiesen: Tafelsilber wurde verscherbelt.
Was ich besonders ärgerlich finde - das hätten auch Sie in Ihrer Rede benennen müssen, Herr Dr. Stegner; das hätte dazugehört -, ist, dass viele dieser ehemaligen kommunalen Wohnungsbaugesellschaften nun in der Hand von Offshore-Gesellschaften und Hedgefonds sind. Die Mieter in Kiel wissen gar nicht mehr, an wen sie die Miete überweisen. Das ist doch die eigentliche Ursache dafür, dass der Ministerpräsident gesagt hat, ein Urvertrauen oder ein Grundvertrauen in dem Sinne, dass die Kommunen dies in jedem Fall besser könnten, könne es nicht geben. Auch hier kann das wirklich niemand seriös behaupten.
form I, das wissen Sie, läuft 2019 die gesamte Bundesförderung aus. Das Land Schleswig-Holstein ist dann für die Sozialwohnungsbauförderung zuständig. Das wird eine Mammutaufgabe, die wir hier zu leisten haben. Dass der Ministerpräsident sich kontinuierlich dazu bekennt, dass die soziale Säule der Wohnraumförderung auch in Schleswig-Holstein weitergeführt wird, möchte ich ausdrücklich unterstützen. Das ist unsere gemeinsame Haltung in der Jamaika-Koalition.
Herr Stegner, zu dieser Debatte gehört auch der Hinweis darauf, dass der Druck, den wir jetzt im Bereich des sozialen Wohnraums feststellen, auch auf Fehlentscheidungen zurückzuführen ist. Besonders schmerzlich finde ich, dass 2009 26.000 Sozialwohnungen aus der sozialen Bindungsfrist herausgenommen wurden. Herr Stegner, dies geschah deshalb, weil man die Bindungsfrist von 80 Jahren auf 35 Jahre verkürzt hat. Damals hieß es, wir hätten einen alten Bestand. Wie sah denn dieser Bestand aus? Jahrzehntelang ist nicht investiert worden. Der ökologische Standard war schlecht. Die Menschen haben gemerkt, dass man in diesen Wohnungen eigentlich nicht mehr wohnen kann. Dann sind diese Wohnungen aus dem Bestand herausgegangen. Heute würde ich sagen, das war ein großer politischer Fehler; denn wir haben jetzt nur noch 47.000 Sozialwohnungen in Schleswig-Holstein.
Herr Kollege Dr. Stegner, ich will Sie auch fragen: Wie wollen Sie das eigentlich mit öffentlichem Kapital stemmen? Ist es nicht eher so, dass wir gerade für dieses Vorhaben auch die Aktivierung privaten Kapitals brauchen? Wir brauchen alle, die sich für eine soziale Wohnraumpolitik in Schleswig-Holstein engagieren wollen. Insofern muss man natürlich auch über bessere Abschreibungsmöglichkeiten nachdenken.
Ich wäre zum Beispiel dafür, dass der von Ihrer Partei gestellte Bundesfinanzminister Scholz, der jetzt die Verantwortung im Bund trägt, endlich die Steuerschlupflöcher schließt, sodass Share-Deals nicht mehr möglich sind. Diese eröffnen nämlich für Immobilienspekulanten Wege, sich der Steuerpflicht zu entziehen. Der Bundesfinanzminister hat also eine Handlungsmöglichkeit. Das hätte ich heute von Ihnen gern näher erläutert bekommen. Sie haben es jetzt in der Hand, lieber Herr Dr. Stegner, da Sie in der Großen Koalition den Bundesfinanzminister stellen.
Der dritte Punkt: Die Mietpreisbremse hat versagt. Ja, diese Einschätzung ist richtig. Wenn wir es uns genau anschauen, stellen wir fest: Der Ministerpräsident ist doch tatsächlich näher an den Menschen als Sie als Oppositionsführer.
Lieber Herr Kollege Dr. Stegner, Ziel der Mietpreisbremse ist es, die Miete zu kappen. Das finden übrigens auch wir politisch richtig. Das Instrument der Mietpreisbremse finden wir richtig. Wenn sich aber 40 bis 50 Menschen in einer Wohnung befinden und um diese kämpfen - wer bekommt sie denn dann? Doch nicht die Alleinerziehende mit Kind, doch nicht die einkommensschwache Familie! Es gibt einen Wettbewerb um diese Wohnung. Wir können die Mietpreisbremse noch hundertmal anders ausgestalten; das ist einfach ein Markt, der so funktioniert. Deshalb funktioniert die Mietpreisbremse nicht. Nichts anderes hat der Herr Ministerpräsident gesagt
Jetzt komme ich zu der Frage, ob es bessere Vorschläge gibt. Ja, wir Grünen haben bessere Vorschläge. Die grüne Bundestagsfraktion hat mit einem Gutachten vor einem Jahr die Wohngemeinnützigkeit untersuchen lassen. Ergebnis ist: Das ist ein zentraler Vorschlag, wie wir gerechte, soziale Mieten bekommen.
Im Übrigen darf ich Sie auf die Situation in den Niederlanden und in Österreich hinweisen, Herr Dr. Stegner. In den Niederlanden gibt es mit den Woningcorporaties ein Konzept, das vorsieht, dass nicht nur staatliche und genossenschaftliche, sondern auch private Gesellschaften investieren. Dies ist allerdings mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung verbunden. Die Gewinnausschüttung ist beschränkt und muss direkt in das Wohneigentum investiert werden. Vor allen Dingen ist die Miete keine Vergleichsmiete, wie wir sie kennen, sondern eine Kostenmiete. Sie deckelt sozusagen den Betrag. Dieses Modell hat interessanterweise auch sehr moderne sozialpolitische Aspekte, zum Beispiel das Quartiersmanagement, das heißt, die Menschen werden sozusagen in den Quartieren betreut. Das ist ein sehr modernes Konzept.
Wenn wir in der Jamaika-Koalition darüber nachdenken, wie wir es besser machen können, dann werden wir genau über solche Konzepte reden. Aber es gibt bei uns keine „Ausschließeritis“ nach dem Motto: „Staat ist gut, privat ist schlecht“, son
dern wir brauchen eine gemeinschaftliche, gesellschaftliche Bewegung für den sozialen Wohnungsbau hier in Schleswig-Holstein, meine Damen und Herren.
Deshalb werden wir Grünen mit diesen konstruktiven Vorschlägen - das Gutachten ist übrigens frei verfügbar; ich kann es Ihnen gern zur Verfügung stellen - in die Debatte hineingehen. Für uns gibt es keine Denkverbote. Aber wir wollen eine echte soziale und ökologische Wende auf dem Wohnungsmarkt. Wir wollen soziale Gerechtigkeit und faire Mieten. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zwei Nachträge zur Geschäftslage: Auch der Abgeordnete der CDU-Fraktion, Hauke Göttsch, ist krankgemeldet. Auch ihm wünschen wir gute Genesung.
Zudem habe ich es versäumt - wie mir das passieren konnte, weiß ich gar nicht -, den Geschäftsführer des Landesfeuerwehrverbandes, Volker Arp, bei uns zu begrüßen. - Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde hat sich schon deshalb gelohnt, um noch einmal öffentlich festzuhalten, dass die SPD-Fraktion nach einer Veranstaltung des Mieterbundes neun Tage gebraucht hat, um - nicht fristgerecht! - eine Aktuelle Stunde zu beantragen zu einem Zitat des Ministerpräsidenten, das aus meiner Sicht völlig unspektakulär war. Er sagt sonst viele spektakuläre Dinge. Aber dieser Satz - der Staat ist nicht der bessere Unternehmer, er hat sich nicht als der gute Unternehmer etabliert ist doch völlig richtig und bekommt uneingeschränkt unsere Zustimmung.
muss ganz ehrlich sagen: Das Zitat des Ministerpräsidenten war der erste gute Satz in Ihrer gesamten Rede. Ansonsten war da viel „Mottenkiste“ von Ralf Stegner.
Es gibt genug Belege für die These des Ministerpräsidenten, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer sei. Wir können uns noch lange darüber unterhalten; wir haben dazu in den nächsten Monaten noch genug Gelegenheit. Man sollte sich nicht zurücksehnen zum öffentlichen Wohnungsbau, den wir in den 70er-Jahren hatten; das war wahrlich nicht das Gelbe vom Ei.
Zudem hat der Ministerpräsident interessante Vorschläge gemacht, über die Sie aber nicht gesprochen haben, Herr Dr. Stegner. Ein Vorschlag lautet, statt die unwirksame und im Zweifel sogar kontraproduktive Mietpreisbremse fortzuführen, lieber darüber zu reden, ob man den Wucherparagrafen nicht auch im Mietbereich zur Anwendung bringen kann, um ungerechtfertigten Mieterhöhungen zu begegnen. Ich finde, das ist ein Vorschlag, über den man durchaus diskutieren sollte.
Bemerkenswert finde ich übrigens auch, dass die SPD-Fraktion unserem Bundesland in Ihrem heutigen Antrag sehr drastisch einen Wohnungsnotstand attestiert.
Ich meine, eindrucksvoller kann man das Scheitern der eigenen SPD-Wohnungsbaupolitik wenige Monate nach der Abwahl nicht dokumentieren. Ich bin sehr erstaunt. Ganz unrecht hat die SPD-Fraktion mit ihrer Feststellung aber leider nicht. Nicht nur in den Städten, sondern in vielen Regionen unseres Landes ist die Wohnraumsituation mittlerweile sehr angespannt. Das gilt schon lange nicht mehr nur für die Städte. Ich fürchte, die SPD wird uns nachsehen müssen, dass wir deshalb etwas anders in der Wohnungsbaupolitik vorgehen werden als sie in den vergangenen Jahren, weil sie mit ihrer Wohnungsbaupolitik leider gescheitert ist.
Sie haben in der Wohnungsbaupolitik viele Entwicklungen entweder verschlafen oder sogar selbst verschärft. Wenn ich das richtig sehe, Herr Dr. Stegner, wurden die öffentlichen Wohnungen der Landeshauptstadt Kiel auch von einem SPDOberbürgermeister, nämlich dem schon genannten Norbert Gansel, in den 90er-Jahren veräußert. Ich glaube, im Jahre 2003 war Heide Simonis Ministerpräsidentin, und Sie waren, glaube ich, Finanzminister, als die letzten Landeswohnungen verkauft wurden. Das gehört zur Wahrheit dazu. Sie haben von Sozialdemokraten gesprochen, die daran betei
ligt waren. Sie hätten auch sagen müssen, dass Sie persönlich daran beteiligt waren, die letzten Landeswohnungen zu verkaufen.
Jetzt schlagen Sie uns vor, Ihre Politik zu korrigieren. Aber es wurde schon gesagt: Der Mangel an Wohnungen hat durchaus verschiedene Ursachen, die in den letzten Jahren zusammenkommen. Es gibt den anhaltenden Drang in die Zentren und Ballungsräume. Es gibt mehr Singlehaushalte als in der Vergangenheit und gestiegene Ansprüche, was die Wohnungsgrößen angeht. Es leben schlichtweg deutlich mehr Menschen in unserem Land. Die Hochschulentwicklung spielt eine große Rolle, gerade in den Hochschulstandorten. Es kommt verschärfend hinzu, dass das Niedrigzinsniveau einen Immobilienboom ausgelöst hat, was die Immobilienpreise und die Mieten für viele Menschen in ganz erheblichem Maße steigen lässt. Da muss man gegensteuern.
Dass die SPD in der letzten Zeit sehr einseitig auf den sozialen Wohnungsbau setzt, ist aus meiner Sicht zu kurz gegriffen. Das ist ein Baustein, aber eben nur einer. Dass Sie neuerdings den öffentlichen Wohnungsbau wieder propagieren, ist aus meiner Sicht ein Irrweg, auf den wir nicht zurückkehren sollten, weil das unrealistisch und unwirtschaftlich ist.
Sie haben in Ihrem Antrag gesagt, Herr Dr. Stegner, Sie wollten die Position der Koalition zum öffentlichen Wohnungsbau herausarbeiten. Ich muss ganz ehrlich sagen: Hätten Sie im Januar-Plenum einmal aufgepasst! Dort haben Sie einen Antrag vorgelegt, der gemeinsam mit dem Alternativantrag der Jamaika-Koalition in der Anhörung im Rechtsausschuss liegt. In dem Alternativantrag der Koalition spielt der öffentliche Wohnungsbau keine Rolle. Daraus hätten Sie schließen können, dass wir den öffentlichen Wohnungsbau nicht wie Sie als ein Allheilmittel sehen, sondern auf andere Vorschläge eingehen. Insofern möchte ich noch einmal kurz daran erinnern, was wir machen möchten.
Es sind verschiedene Stellschrauben, an denen wir drehen müssen, damit wir zu mehr Wohnraum und zu günstigeren Preisen kommen. Wir müssen das Problem an der Wurzel packen, und nicht immer nur die Symptome bekämpfen. Die Rahmenbedingungen müssen an verschiedenen Stellen besser werden. Wir müssen endlich die unsinnigen Bauverbote aus dem Landesentwicklungsplan aufheben. Viele Orte dürfen keinen Wohnraum mehr
schaffen, obwohl er dort nachgefragt wird. Das ist doch irrsinnig. In der jetzigen Lage müssen wir endlich ran.
Man hat sehr lange an unsinnigen Bevölkerungsprognosen festgehalten. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich damals zum Studium nach Kiel gezogen bin. Da hat man gesagt, 2030, 2035 wird Kiel nur noch 170.000 Einwohner haben. Einige haben davon gesprochen, dass man in den neuen Bundesländern nach der Wende Wohngebäude wird abreißen müssen, weil es keine Leute mehr gibt. Auch in den ländlichen Räumen, in dem Amtsgebiet, aus dem ich komme, hat die Kreisverwaltung vor zehn Jahren gesagt, ihr werdet 700 Einwohner verlieren. Stattdessen sind Menschen im vierstelligen Bereich hinzugekommen. Das ist ländlicher Raum. Insofern waren diese Prognosen irrsinnig, und diese Verbote kommen aus einer Zeit, in der man sich geirrt hat.
Wir haben 2010 gemeinsam mit den CDA-Kollegen hier im Landtag beschlossen, dass wir die Wohnbaugrenzen aufheben wollen. Herr Dr. Stegner, ich kann mich noch gut an den Gegenwind erinnern. Da hieß es: Nein, das kann man nicht machen. Das ist doch Wildwuchs. Wir werden dann sehr viele Wohnungen haben, die leer stehen. Was soll das denn?
Jetzt beklagen dieselben Leute, dass wir keine Wohnungen haben. Herzlichen Glückwunsch! Guten Morgen!