Protokoll der Sitzung vom 23.03.2018

Das könnte man noch als Schrulligkeit abtun. Vielleicht gehört es auch einfach zum großen politischen Spiel dazu. Wenn Sie nun aber, genau einen Monat, nachdem Sie den Haushalt verabschiedet haben, genau einen Monat, nachdem Sie die Möglichkeit gehabt hätten, erste Weichen zu stellen, wenn Sie nun also einen Monat nach der finalen Haushaltsdebatte hier in diesem Haus mit einem Antrag um die Ecke kommen, der so klingt wie Auszüge aus meiner damaligen Rede,

(Lachen CDU und FDP)

fange ich ernsthaft an, mir Sorgen zu machen. Sie reden jetzt von Generationengerechtigkeit.

(Lukas Kilian [CDU]: Kommt Ihr Antrag noch vor dem Wochenende?!)

Schuldenabbau und Investitionen stehen oft in einem Zielkonflikt, schließen sich aber nicht aus. Die bisherigen Regelungen zu IMPULS 2030 boten aus unserer Sicht einen guten Kompromiss: Bereitstellung von Mitteln in einer ordentlichen, aber begrenzten Höhe, die sowohl eine Auflösung des Investitionsstaus im Land sicherstellt als auch den Fokus auf den so wichtigen Schuldenabbau legt.

(Annabell Krämer)

Wenn Ihnen diese Worte bekannt vorkommen - das dürfen sie, weil ich exakt diese Worte vor einem Monat gewählt habe.

(Zuruf Annabell Krämer [FDP])

Was ist seitdem neu? Ich sage es Ihnen, meine Damen und Herren. Der Landesregierung ist aufgegangen, dass sie jetzt 2,95 Milliarden € neue Schulden aus dem HSH-Nordbank-Desaster übernehmen muss beziehungsweise dies jetzt für sinnvoll erachtet. Wir werden im April darüber reden. Vor einem Monat feierte sich Jamaika - Kabinett und Fraktionen - freudetrunken selbst für ihr Eigenprädikat Gesamtkunstwerk Haushalt 2018. Ihr Haushalt ist tiefrot, und das scheint Ihnen langsam, aber sicher bewusst zu werden.

Was ist noch neu? Nun, nicht viel. Seit letztem Jahr liegt ungenutzte Liquidität in Größenordnungen in Sondervermögen, dass Dagobert Duck seine wahre Freude daran hätte. Der Geldspeicher IMPULS 2030 ist prall gefüllt.

Zum 28. Februar dieses Jahres verzeichnete alleine das Sondervermögen IMPULS 2030 einen Kontostand von über 743 Millionen €. Etwas bescheidener, aber immer noch finanzstark geht es auch mit MOIN.SH und REFUGIUM weiter. Sie lassen Geld brachliegen und fabulieren nun davon, dass die ich zitiere - „planvolle Tilgung der Schulden“ für Sie Generationengerechtigkeit sei. Ich brauche keinen Wissenschaftler beziehungsweise keine wissenschaftliche Beratung, um zu wissen, wie ich Schulden tilge.

Erst führen Sie hier über Drucksachen Selbstgespräche, dann wieder scheinen Sie ein völlig anderes Selbst herausgekramt zu haben. Jedenfalls scheint Jamaika Ende März 2018 nichts mehr mit Jamaika vom Februar 2018 zu tun zu haben.

Meine Damen und Herren, kommen Sie mit sich selbst ins Reine, lassen Sie die Spielereien, lassen Sie die haushaltspolitischen Tricksereien, machen Sie sich ehrlich, und fangen Sie einfach an zu sparen. Anregungen dazu, wie das geht, haben wir Ihnen im Februar vorgelegt. Ich erspare Ihnen an dieser Stelle die Wiederholung.

(Vereinzelter Beifall CDU - Zurufe BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Danke! - Hans-Jörn Arp [CDU]: Das ist auch gut so!)

Machen Sie es einfach, reden Sie weniger darüber. Sparen ist der Schlüssel zur Schuldentilgung. Die schwäbische Hausfrau wusste es schon immer. Ihnen wird es langsam bewusst. Das ist toll. Darüber freuen wir uns. Ich freue mich auch auf die Haus

haltsberatungen im Herbst. Dann werden wir sehen, wie viel Schuldentilgung eingeplant werden wird.

Wir finden Schuldentilgung gut. Daher werden wir dem Antrag auch zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zu meiner eigentlichen Rede komme, ein kurzer Hinweis an meinen Vorredner: In den letzten Haushalten wurde gespart, weil wir in diesen letzten Haushalten Schulden getilgt haben. Das war bei der Küstenkoalition und ist auch bei der jetzigen Koalition der Fall. Insofern erfüllen wir das, was Sie von uns gefordert haben, schon, wer auch immer in den letzten Jahren regiert hat. Ich glaube, da sind wir auch eigentlich ganz gut davor.

Obwohl das Land Schleswig-Holstein derzeit hohe Steuereinnahmen zu verzeichnen hat und bereits seit einigen Jahren darüber hinaus ausgeglichene Haushalte vorweisen konnte und eben auch Schulden getilgt hat, bedeutet das natürlich nicht, dass wir die Schulden aus der Vergangenheit einfach abschreiben können. Seit den 70er-Jahren - das ist das Grundproblem - hat das Land jahrzehntelang neue Schulden aufgenommen. Höhepunkt war eine Nettokreditaufnahme von 1,5 Milliarden € zur Deckung des reinen Haushalts im Jahr 2005.

Seit 2010 ist, wie Sie wissen, die Schuldenbremse nicht nur in der Landesverfassung verankert, sondern auch im Grundgesetz. Sie ist auch eine Lehre aus der Banken- und Finanzkrise ab den Jahren 2007 und 2008. Also auch aus der Tatsache, dass es mit der HSH Nordbank schiefgegangen ist, haben wir als Politik Schlussfolgerungen gezogen und uns darauf vereinbart, ab 2020 keine neuen Schulden mehr zu machen. Die Schuldenbremse hatte in der Tat anfangs viele Skeptiker, weil man nicht wusste, wie man mit ihr klarkommen sollte. Wir haben sie trotzdem immer befürwortet, und ich glaube, auch aus heutiger Sicht hat sich die Schuldenbremse bewährt.

Obwohl man sich dank der Schuldenbremse deutlich gegen eine Neuverschuldung verpflichtet hat, besteht für uns als Land Schleswig-Holstein immer noch eine große Herausforderung: der Verkauf der

(Jörg Nobis)

HSH Nordbank. Aufgrund des geplanten Verkaufs der Bank macht Schleswig-Holstein auf einen Schlag 2,95 Milliarden € neue Schulden in diesem Jahr. Allerdings: Würden wir das bei unseren Institutionen lassen, wo es bisher geparkt ist, wäre der Zinseszinseffekt noch größer als das, was wir anhand des Zinsmanagements, das relativ perfekt läuft, zu erwarten haben.

Ja, es ist bitter. Es wirft unsere solide Haushaltspolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte um Generationen zurück. Das ist völlig klar. Aber es ist immer noch die bessere Lösung, als alles so zu lassen, wie es jetzt ist.

Wie soll man es ausdrücken? Wir wissen, dass wir ein Problem haben, nämlich das Problem, dass die staatlichen Institutionen, dass wir als Land nur im begrenzten Umfang eigene Einnahmen haben und dass wir auch nicht immer eigenständig über diese Einnahmen verfügen können. Darin sind eben auch Kofinanzierungsmittel enthalten, es sind auch Steueranteile dabei, die wir selbst nicht steuern können. Das heißt auch, dass die Länder und Kommunen letztlich keinen direkten Einfluss auf die Höhe ihrer eigenen Einnahmen haben. Das ist das Grundproblem. Das heißt, wenn wir von den Schulden wegkommen wollen, dann ist das nur über Einsparungen möglich, die ja auch gemacht werden. Es ist ja nicht so, dass man nicht einspart, aber es ist eben auch unsere Verantwortung, unsere Zukunft zu gestalten.

Wenn wir nur der schwäbischen Hausfrau nacheifern, dann sind wir vielleicht irgendwann im wahrsten Sinne des Wortes pleite, weil die Wirtschaft davon nicht gut hat, die Bildung davon nicht guthat, die Kultur davon nicht guthat, die innere Sicherheit davon nicht guthat.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Die Umwelt!)

- Richtig, Frau von Kalben, auch die Umwelt hätte nicht gut davon. Wir müssen nun einmal als Staat eben auch investieren. Derzeit sind wir dazu recht gut in der Lage, aber es kann durchaus sein, dass wir in Zeiten kommen, in denen diese Investitionen außerordentlich schwierig sind. Wenn wir jetzt damit anfangen, uns Gedanken darüber zu machen, wie man Schulden tilgen kann, damit man sich Haushaltsspielräume in den kommenden Jahrzehnten erkämpfen kann, dann ist das auch eine Investition in die Zukunft.

Vor diesem Hintergrund geht es auch um Generationengerechtigkeit. Es geht aber auch darum, sich Spielräume für die Zukunft zu erarbeiten, wenn wir

alle möglicherweise schon nicht mehr hier sitzen, sondern andere hier Politik machen. Auch Ihnen gegenüber, den zukünftigen Gesellschaften gegenüber, haben wir eine Verantwortung. Deswegen finden wir es richtig, dass wir einen Tilgungsplan aufstellen - einen Plan, wie wir die Tilgung machen wollen. So würde ich es eher sagen; es ist ja nicht nur ein reiner Tilgungsplan.

Das ist der richtige Weg. Ich finde, wir sollten auch versuchen, dies gemeinsam hinzubekommen. Denn ich glaube, das ist eine Aufgabe, die weit über das hinausgeht, was dieser Landtag in dieser Wahlperiode leisten kann. Daran werden noch über Generationen zu arbeiten haben. Daher wäre es schon schlau, wir würden dies gemeinsam tun. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, CDU und FDP)

Für die Landesregierung erteile ich nun der Finanzministerin Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fortschritt und Rückschlag. Das ist das richtige Bild, wenn wir uns den Schuldenberg des Landes anschauen. Der Fortschritt liegt darin, dass wir es geschafft haben, in den Jahren 2013, 2015, 2016, 2017 - vermutlich wird es auch 2019 so sein -, Schulden zu tilgen. Der Rückschlag heißt Eigenverpflichtung für die HSH Nordbank mit rund 5 Milliarden €, die wir dafür wohl mindestens werden zahlen müssen.

Wer hätte im Jahr 2010 gedacht, dass es überhaupt gelingen kann, bereits vor 2020 mit der Tilgung zu beginnen? Haben wir uns doch Sorgen gemacht, wie es gelingen kann, Einnahmen und Ausgaben übereinander zu bringen. Und dann ist es mit Kraftanstrengung, mit Optimismus, mit einem Nichtlockerlassen gelungen, die gute Situation in Verbindung mit all den unterschiedlichen Schritten der Haushaltskonsolidierung zusammenzubinden und mit der Tilgung zu beginnen.

Es ist ein unglaublich großer Erfolg, dass Schleswig-Holstein inzwischen im Regelfall mit den Einnahmen, die wir haben, die Ausgaben ohne Neuverschuldung finanzieren kann.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und SSW)

(Lars Harms)

Deshalb war es richtig, die Schuldenbremse im Jahr 2010 auf den Weg zu bringen. Sie wissen, auch ich habe mir 2010 Gedanken darüber gemacht, ob es denn funktionieren kann, wie es denn ohne allzu tiefe Einschnitte funktionieren kann. Aber wir haben damals mit sehr breiter Mehrheit hier im Landtag gesagt: Wir wollen uns dieser Herausforderung stellen, wir wollen nicht mehr Schulden machen, sondern Schulden tilgen, mit unserem Geld auskommen, in Verantwortung für die zukünftigen Generationen.

Der erste Schritt ist gemacht, und nun sagt das Parlament heute, jetzt solle der zweite Schritt kommen. Wir wollen nicht mehr nur keine neuen Schulden mehr machen, sondern auch verbindlich tilgen.

Ich habe mir einmal angeschaut, wie der Altersdurchschnitt hier im Parlament, bei Ihnen, ist.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist gemein! - Lars Harms [SSW]: Die Rente ist sicher!)

Er beträgt rund 51 Jahre.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Haben Sie es für die Regierung auch einmal ausgerechnet?)

Und wie ist der Altersdurchschnitt bei jenen, die den Antrag unterschrieben haben?

(Beifall Annabell Krämer [FDP])

Er beträgt 35 Jahre.

(Beate Raudies [SPD]: Gut, dass Sie mich nicht gefragt haben!)

- Das hätte den Schnitt nach oben gezogen, Frau Kollegin. Das hätte mich gefreut.