Protokoll der Sitzung vom 25.04.2018

Zu beiden Fragen wäre ich an Ihrer Antwort sehr interessiert, Herr Kollege.

- Bei allem Respekt, Sie vermischen wieder den Landesmindestlohn mit dem Vergabemindestlohn. Ich darf Sie daran erinnern, dass das schon einmal der Fall gewesen ist.

Bleiben wir erst einmal beim Landesmindestlohn. Dieser soll zum 1. Januar 2019 aufgehoben werden. Ganz ehrlich: Ihre Zwischenfrage beunruhigt mich etwas, weil Sie ja den Bundesarbeitsminister in Berlin stellen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt CDU)

Nach unserer Kenntnis wird der Bundesmindestlohn auf Empfehlung der Kommission, die daran arbeitet, zum 1. Januar 2019 erhöht. Der Tarifindex

- das hätte ich in meiner Rede ohnehin noch sagen wollen - würde dazu führen, dass der Mindestlohn auf 9,19 € angehoben werden müsste. Unsere grüne Bundestagsfraktion, zugegeben in der Opposition vielleicht nicht ganz so gut informiert wie Ihre Leute dort, geht davon aus, dass das auch passiert. Wenn es anders ist, dann korrigieren Sie das bitte. Dann müssten wir in der Tat in der Koalition noch einmal ins Gespräch kommen. Aber der Ball liegt gerade bei Ihnen. Wir rechnen damit, dass der Bundesmindestlohn erhöht wird und der Landesmindestlohn dann überflüssig ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Eine weitere Zwischenfrage!

Ich will die Mittagspause nicht weiter hinausschieben und Ihnen nur sagen: Das Arbeitsministerium wird in dem Moment tätig, in dem die Empfehlung vorliegt. Sie liegt nach meinem Wissen noch nicht vor. Darauf habe ich mich bezogen. Das beeinflusst das Bundesarbeitsministerium übrigens nicht. Das ist in der Tarifautonomie mit einem Ausschuss unter Vorsitz eines Sachverständigen geregelt. Das Bundesarbeitsministerium setzt es nur um.

Genau. Wenn wir uns das Ganze konkret anschauen, stellen wir fest, dass man sich bei der letztmaligen Erhöhung des Bundesmindestlohns - wir haben zumindest keinen Anlass zu glauben, dass es dieses Mal anders wird - sehr stark am Tarifindex orientiert hat. Letztes Mal lag der Tarifindex bei 8,77 €, und der Mindestlohn wurde dann auf 8,84 € erhöht.

Anders als es Herr Hölck heute behauptet hat, stimmen wir über diese Sache ja nicht ab, sondern überweisen den Gesetzentwurf, wie wir es immer tun, in den Ausschuss. Ich würde es begrüßen, wenn wir gemeinsam über die Frage, was eigentlich im Bund passiert und wann dies geschieht, im Ausschuss ins Gespräch kämen. Dazu bin ich gern bereit. Aus unserer Sicht sehen wir hier aber kein großes Problem.

(Beifall Lukas Kilian [CDU] und Kay Ri- chert [FDP])

Herr Stegner, wir haben schon von Kollegen gehört, dass Sie nicht nur in der letzten Wahlperiode,

sondern auch in dieser Wahlperiode Ähnliches schon angekündigt und gesagt haben, dass der Landesmindestlohn und die Frage der Überführung für Sie kein grundsätzlicher Konflikt mit uns ist. Über die Details haben wir uns eben noch einmal unterhalten. Ich habe immer noch nicht ganz verstanden, was eigentlich genau Ihr Punkt ist, aber zumindest glaube ich, dass der Landesmindestlohn - das kann man ruhig einmal sagen - ein wichtiger Wegbereiter war und dass das, was wir in der alten Koalition und einige andere Bundesländer auch getan haben, diese Debatte unterstützt hat. Aus unserer Sicht hat der Landesmindestlohn die Funktion, die er hatte, erfüllt, sodass er jetzt eben auch überführt werden kann.

Etwas anders sieht es beim Vergabemindestlohn aus. Hier liegt uns nach wie vor der Gesetzentwurf der SPD und ursprünglich vor allem der Abgeordneten des SSW vor, der fordert, den Vergabemindestlohn im nächsten Schritt zu erhöhen.

Ich habe hier immer gesagt - es wäre verlogen, würde ich jetzt etwas anderes behaupten -, dass wir Grüne das auch gern tun würden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wenn es hier im Haus eine politische Mehrheit dafür geben würde, den Vergabemindestlohn in einem nächsten Schritt auf 10,68 € anzuheben - das sind die korrekten Zahlen, die der Minister letztes Mal vorgetragen hat -, dann wären wir Grüne sehr gern mit dabei. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir uns in einer Koalition befinden und dass CDU und FDP eine grundsätzlich andere Haltung zu dieser Frage haben.

Ich bin ganz ehrlich. Wir saßen lange zusammen, zu manchen Zeiten in angenehmer Atmosphäre, zu anderen Zeiten in herausfordernder Atmosphäre, und haben uns über diese Fragen unterhalten. Ich habe bis heute nicht so ganz verstanden, was das Problem damit ist, eine Lohnerhöhung von 0,69 Cent pro Stunde für Reinigungskräfte und Wachpersonal zu beschließen, warum es dagegen so großen Widerstand in unserer Koalition gibt.

(Beifall Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] und Aminata Touré [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich muss aber zur Kenntnis nehmen, dass es Koalitionsfraktionen gibt, die sagen - wir haben im Koalitionsvertrag nichts anderes vereinbart -: Uns ist das Signal für den Mittelstand - der Minister hat es gerade noch einmal gesagt - wichtiger als eine Er

(Rasmus Andresen)

höhung für Reinigungskräfte und Wachpersonal um 0,69 Cent. Ich setze Prioritäten, aber ich muss damit leben, dass ein Großteil der Koalition eine andere Schwerpunktsetzung vornimmt.

Wir Grüne hätten das gern gemacht, und wir wollen in der Lohnpolitik bei den Löhnen, bei denen es sinnvoll ist und bei denen wir jetzt noch über dem Bundesmindestlohn liegen, für weitere Steigerungen arbeiten.

Ich will aber auch einen selbstkritischen Satz zu unserer Zeit in der Küstenkoalition sagen, weil wir es nämlich dort auch nicht hinbekommen haben, in diesem Bereich das zu machen, was richtig gewesen wäre. Zum einen hatten wir - so wie jetzt Bernd Buchholz - damals Reinhard Meyer nicht als unseren Partner in diesen Fragen. Er hat sich versperrt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt FDP)

Es hat Druck von uns Grünen, von den Abgeordneten des SSW und zum Teil auch von der SPD-Fraktion geben müssen, um überhaupt auf diesen Vergabemindestlohn von 9,99 € zu kommen. Der andere Fehler, den wir gemacht haben - das meine ich ganz ernst, auch das haben wir intern in den Beratungen vorgeschlagen, aber auch da gab es leider kein Entgegenkommen von der FDP-Fraktion; ich tue gerade viel dafür, dass ihr Profil gewinnt, wie ihr merkt -,

(Heiterkeit)

ist beim Thema Kopplung des Vergabemindestlohns an die Tarifentwicklung passiert - im öffentlichen Dienst oder überhaupt. Auch da wäre es besser gewesen, zu einer Regelung zu kommen, damit ähnlich wie auf anderen Ebenen der Mindestlohn automatisch erhöht wird, wenn die Tarifentwicklung so ist,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

und man es nicht Wirtschaftsministern welcher Couleur auch immer - ob Grün, Gelb, Schwarz oder Blau, das richtige Blau, nicht das rechtspopulistische Blau

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Unser Blau!)

selbst überlässt, sondern dass man es mit der Tarifentwicklung koppelt. Das haben wir damals auch in der Küstenkoalition nicht gemacht. Ich glaube, dass das ein Fehler war, sonst hätten wir uns jetzt diese Debatten erspart, und wir hätten für Reinigungskräfte und Wachpersonal eine konkrete Lohnerhöhung, von der sie mehr gehabt hätten als von dem

mittelstandsfreundlichen Signal, das andere jetzt hier senden wollen.

(Beifall SSW und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Zum Thema Vergabegesetz werden wir in den nächsten Monaten noch oft die Gelegenheit haben, in den Debatten andere Aspekte zu beleuchten. Uns ist wichtig, dass der Vergabemindestlohn bei 9,99 € bleibt. CDU und FDP allein hätten ihn abgeschafft. Das haben wir Grüne verhindert. Mehr war leider nicht möglich. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt FDP, SSW und Beifall Hans-Jörn Arp [CDU])

Für die Fraktion der FDP hat Herr Abgeordneter Kay Richert das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ja, die FDP hat sich früher einmal gegen den Mindestlohn ausgesprochen. Was wir haben wollten, waren sogenannte Lohnuntergrenzen, die auch nach Branchen und Regionen differenziert ausgestaltet werden sollten. Heiner Garg hat das damals als Arbeitsminister hier so eingebracht. Es mag vielleicht ein anderer Name davor stehen, aber das Instrument an sich ist uns durchaus nicht unbekannt.

„Wir werden den Landesmindestlohn so lange eingefroren lassen, bis der Bundesmindestlohn genau da ist. Das ist Tarifautonomie.“

„Sobald der Bundesmindestlohn da ist, ist der Landesmindestlohn überflüssig. Das ist doch eigentlich relativ einfach zu verstehen…“

Ich bin natürlich bei dieser Steilvorlage nicht der Einzige, der seine Rede mit Zitaten beginnt. Das Zitat ist nicht von mir, sondern das ist die Haltung der SPD-Fraktion, hier vorgebracht in der schon erwähnten Diskussion am 18. November 2016. Wir sind uns nicht immer einig, aber in diesem Fall schon. Weil das so ist, frage ich mich, warum Sie nun von der eigenen Linie abweichen und die Abschaffung des Landesmindestlohns kritisieren.

(Rasmus Andresen)

Schauen wir uns das einmal an. Spricht denn eigentlich noch irgendetwas für die Erhaltung des Landesmindestlohns? Der Landesmindestlohn wurde 2013 mit der Begründung eingeführt, dass es keinen Bundesmindestlohn gebe. Das ist so weit auch richtig gewesen. Der Landesmindestlohn war „ein Instrument, den Bundesmindestlohn zu erreichen.“ - Seit 2015 gibt es jetzt den Bundesmindestlohn. Der Landesmindestlohn ist damit überflüssig. Der Bundesmindestlohn wird alle zwei Jahre angepasst. Dabei richtet sich die Mindestlohnkommission des Bundes üblicherweise nach dem Tarifindex. Das ist hier auch schon mehrfach angesprochen und auch konkret angekündigt worden. Bleibt sie dabei, wird der Bundesmindestlohn 2019 auf 9,19 € steigen und damit minimal höher als der Landesmindestlohn liegen. Der ist damit also egalisiert. Jetzt sagen einige: Wenn das so ist, dann tut der Landesmindestlohn auch niemandem weh. Kollege Hölck hat eben gesagt: Dann warten wir und halten uns alle Möglichkeiten offen.

Aber es ist nicht so, dass es niemandem weh tut. Wer das behauptet, hat sich entweder nicht mit der Materie beschäftigt oder hat schlicht keine Ahnung. Denn auch der Landesmindestlohn bedeutet Bürokratie, und zwar sowohl für die Unternehmen als auch für die Verwaltung.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Wir von der FDP möchten gern Bürokratie abbauen. Deswegen gehört der Landesmindestlohn abgeschafft. Wir würden sogar gern noch einen Schritt weiter gehen. Wer der Debatte gefolgt ist, dem wird bereits nach kurzer Zeit der Kopf bei den vielen Mindestlöhnen schwirren. Hier in Schleswig-Holstein gilt zusätzlich zum Landesmindestlohn und dem Bundesmindestlohn auch noch der vergaberechtliche Mindestlohn. Jetzt haben wir gerade gehört und auch heute gelesen, dass die SPD und auch der DGB diesen vergaberechtlichen Mindestlohn als den Mindestlohn betrachten, der jetzt die Arbeitnehmer vor prekären Situationen und Lohndumping rettet. Wenn das tatsächlich so ist, frage ich mich: Wie rechtfertigen Sie eigentlich den normalen Mindestlohn? Das ist dann doch das Tor für prekäre Beschäftigung und Lohndumping, oder nicht?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt FDP, Beifall Lukas Kilian [CDU] und Lars Harms [SSW])

Die Freien Demokraten hätten gern erreicht, dass Verwaltungen und Betriebe zukünftig nur noch mit einem einzigen Mindestlohn zu tun haben, nämlich

dem Bundesmindestlohn. Jetzt haben Sie die Gelegenheit, das im Bund zu machen. Machen Sie es bitte, und jammern Sie nicht in vier Jahren, dass Sie die Gelegenheit dazu verpasst haben.