Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

Schutz von Bienen und Wildbienen verbessern Keine Anwendung bienengefährlicher Neonicotinoide mehr im Freiland

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/705

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Kirsten Eickhoff-Weber das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Schon seit Jahren warnen Imker, Umweltschützer und Wissenschaftler eindringlich vor den für Insekten hochgiftigen Neonicotinoiden. Bereits 2013 und 2015 haben wir hier im Landtag über diese Wirkstoffe in Insektiziden beraten. Sie sind bereits in winzigen Dosen für Bienen und andere Insekten hochgiftig; sie werden vom Wind, Pollen, Staub, Bodenpartikeln und Wassertropfen verteilt. Die Folgen sind katastrophal.

Die Bienen werden in ihrem Orientierungs-, Kommunikations- und Lernvermögen erheblich geschädigt. Negative Auswirkungen für Bruterfolg und Sammelleistung und die Schwächung des Immunsystems mit nachfolgenden Krankheiten und Parasitenbefall sind die Folge. Wir alle lesen es immer wieder in den Zeitungen. Die Insekten fallen also nicht alle sofort tot um; der größte Teil geht wahr

scheinlich jämmerlich ein, ohne dass der Einfluss der Neonicotinoide direkt sichtbar wird. Seit dem verheerenden Bienensterben 2008 wird über diese Stoffgruppe diskutiert.

Die EU-Risikobewertungsbehörde EFSA hat seit 2013 in mehreren Stellungnahmen festgestellt, dass die Risikobewertung für diese Wirkstoffe offensichtlich nicht umfassend, nicht ausreichend war. Insbesondere die Gefährdung von Honig- und Wildbienen, auch anderer Insekten und die Auswirkungen auf die Vogelwelt wurden lange unterschätzt.

Auf EU-Ebene wurde daher im Dezember 2013 die Beschränkung für die drei infrage stehenden Wirkstoffe beschlossen. Eine Überarbeitung der Empfehlung erfolgte 2016 und führte 2017 zu dem Vorschlag der EU-Kommission, ein komplettes Freilandverbot auszusprechen. Denn obwohl es bereits Teilverbote für diese Mittel gibt, sinkt die Menge der ausgebrachten Neonicotinoide in Europa nicht.

Vor dem Hintergrund der alarmierenden Berichte über das große Insektensterben ist das mehr als besorgniserregend. Überall hören wir Forderungen nach Strategie, nach Planung, nach Forschung; das ist alles richtig. Aber gegen das große Sterben bei den Kleinen müssen wir jetzt handeln.

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Ein Rückgang von 75 % an Biomasse bei Fluginsekten in den letzten 20 Jahren, wie die Datensammlung des Entomologischen Vereins Krefeld ergab, muss zu Konsequenzen führen. Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hat deutlich gemacht, dass die Einschätzung der EFSA geteilt wird, und hat ein Verbot der kritischen Neonicotinoide im Freiland ausgesprochen. Die Generaldirektion hat für morgen die Abstimmung über das Verbot von Neonicotinoiden bekanntgegeben.

Daher begrüßen wir die Ankündigung der Bundesministerin für Landwirtschaft und Ernährung vom 20. April 2018 im Deutschen Bundestag. Sie hat erklärt, dass sie in Abstimmung mit der Bundesumweltministerin gegen diese weitere Nutzung stimmen wird, also für ein Verbot in der Freilandhaltung. Das ist das Zeichen aus Deutschland.

Das ist alles gut, kann aber nur ein erster Schritt sein. Wir fordern aufgrund der neuen Erkenntnisse eine Ausdehnung des Verbots auf weitere Anwendungsbereiche bis hin auf die gesamte Stoffklasse der Neonicotinoide. Denn es gibt Neonicotinoide, die weiterhin erlaubt sein werden, die aber nicht

(Vizepräsident Rasmus Andresen)

weniger gefährlich sind. Wir müssen uns entschieden für eine deutliche Minimierung des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft einsetzen. Wir brauchen Forschung und Innovation, wir brauchen neue Wege im Pflanzenschutz, Innovation und Verantwortung für die Neuausrichtung hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft, die ökologisch verträglich, sozial gerecht und ökonomisch rentabel ist.

(Beifall SPD)

Wir reden schon viel zu lange, wir müssen jetzt handeln. Wenn es zehn Jahre dauert, bis drei Wirkstoffe verboten werden, dann wird mir angesichts des dramatischen Insektensterbens angst und bange.

Wir fordern die Landesregierung auf, im Land aktiv zu werden und sich im Bund und auf EU-Ebene dafür einzusetzen.

Hier möchte ich ein Plakat aus dem laufenden Kommunalwahlkampf zitieren: ,,Summ Summ statt BlaBla“.

(Beifall SPD)

Mit dieser Idee sollten wir auch den Alternativantrag im Ausschuss weiter behandeln. Der Appell an den Bund hat sich ein Stück weit überlebt, weil sich der Bund fünf Tage vor Ihrer Antragstellung bereits entschieden hat. Die Reform der Zulassungsverfahren auf EU-Ebene läuft. Damit ist der von Ihnen in Ihrem Aspekt genannte Antrag bereits in Arbeit. Das Thema Forschung ist sicherlich eine große Herausforderung, gerade mit Blick auf die CAU.

Also, meine Damen und Herren Kollegen, ich freue mich auf die weiteren Beratungen im Ausschuss. Danke.

(Beifall SPD, Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Heiner Rickers.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegin Eickhoff-Weber! Schön, dass Sie anerkannt haben, dass unsere neue Landwirtschaftsministerin, Frau Klöckner, auf EU-Ebene ebenfalls nicht für eine weitere Zulassung der genannten Neonicotinoide im Freilandanbau stimmen wird. Da sie dies tut, sind wir natürlich nicht nur ihrer Meinung, sondern auch überzeugt von diesem Han

deln, weil es neue wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, durch die tatsächlich nachgewiesen wird, dass diese von Ihnen genannten Neonicotinoide auch als bienengefährlich einzustufen sind. Oberste Maxime ist und war und wird für die CDU auch bleiben, der Wissenschaft nicht nur Gehör zu schenken, sondern am Ende wissenschaftliche Ergebnisse anzuerkennen und politisch umzusetzen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich will einleitend für alle daran erinnern, dass es sich bei diesen Neonicotinoiden in der Anwendung, die hier gemeint ist, darum handelt, dass sie als Beize, also als Inkrustierung eines Saatkorns unter die Erde gelegt wird und nicht, wie Sie fälschlicherweise beschrieben haben, auch durch Verwehungen zu einem direkten Kontakt mit Insekten oder insbesondere Bienen führen können. Denn die von Ihnen genannten Neonicotinoide werden heute nur noch zur Aussaat von Zuckerrüben und Kartoffeln zugelassen.

Insbesondere Imidacloprid wurde in den 90er-Jahren - auch das ist ein Neonicotinoid - als der Fortschritt im Pflanzenbau schlechthin gefeiert, was den Anbau von Zuckerrüben angeht, weil genau die Behandlung des Saatkornes und nicht der Pflanze unter der Erde dazu geführt hat, dass die Belastung dieses Insektizids für die dann betroffenen Bienen möglichst gering zu halten war.

Das heißt in der praktischen Konsequenz: Könnten wir morgen diese Neonicotinoide nicht mit einer Alternative versehen, müsste der Landwirt zur Pflanzenschutzgiftspritze greifen und die Pflanzen bei Bedarf vielleicht auch mit Insektiziden oberhalb der Erde so behandeln, dass die Schädlinge, die dann bekämpft werden sollen, tatsächlich eingedämmt werden. Das kann es nicht sein. Deswegen müssen wir daran arbeiten, dass wir Alternativen für die Landwirtschaft gemeinsam mit den Betroffenen nicht nur erarbeiten, sondern auch zur Verfügung stellen.

(Beifall Oliver Kumbartzky [FDP])

- Danke. - Wir müssen darauf hinauskommen, dass wir diese ganze Sache am Ende wirklich mit Augenmaß wissenschaftlich behandeln.

Nach wie vor ist natürlich auch immer das Prinzip der Nachhaltigkeit Bestandteil christlich-demokratischer Politik gewesen. Insoweit will ich Ihnen gar nicht widersprechen. Zu dieser Nachhaltigkeit gehört natürlich insbesondere auch der Schutz der Insekten.

(Kirsten Eickhoff-Weber)

Einer der vielen Gründe, die wir hier mehrfach diskutiert haben, kann natürlich sein, dass die jetzt noch zugelassenen Insektizide, die Neonicotinoide, die das Saatgut unter der Erde schützen sollen, zu einem Insektenrückgang geführt haben. Das ist unbestritten. Genau aus diesem Grunde sollten wir auch auf das Urteil der EFSA hören.

Jetzt wiederhole ich mich: Wir haben es in den letzten Jahren und glücklicherweise auch bei Glyphosat so gehalten: Wenn die Wissenschaft und die dafür zuständigen Behörden, nämlich die EFSA und das Bundesinstitut für Risikobewertung, sagen, dass sei bienengefährlich, dann stufen wir es politisch auch als bienengefährlich ein und meinen, das gehört vom Markt genommen. Sollte es eben nicht bienengefährlich sein oder sollte es wie Glyphosat von diesen Behörde als nicht krebserregend eingestuft werden, also auch nicht bienengefährlich sein, dann sollte es auch in Zukunft noch Anwendung in der Landwirtschaft finden.

Wir sind uns inhaltlich also ziemlich einig und bitten darum, unseren Alternativantrag im Ausschuss zu beraten. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Bernd Voß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Freitag dieser Woche findet in Brüssel im ständigen Ausschuss für Pflanze, Tier, Lebensmittel und Futtermittel die bereits einmal vertagte Abstimmung über die drei besonders umstrittenen Insektengifte aus der Gruppe der Neonics statt. Wie zu hören ist, hat sich die Bundesregierung in dieser Frage endlich zu einer klaren Haltung durchringen können und wird dem Verbot der Freilandanwendung zustimmen. Einerseits bin ich froh darüber, andererseits muss ich sagen: Es wird auch langsam Zeit. - Der Hinweis auf die Schädlichkeit dieser drei Gifte - ich will sie gar nicht aussprechen -

(Heiterkeit und Beifall)

Diese drei Wirkstoffe sind schädlich für Honigbienen, Wildbienen und andere Insekten, und es gibt diese Kritik bereits seit über zehn Jahren. Statt den Hinweisen konsequent nachzugehen, wurde lange Zeit verharmlost. Dann wurde schließlich im Dezember 2013 auf Basis einer Studie die Gefährlich

keit dieser Stoffe aufgezeigt und EU-weite Anwendungsbeschränkungen erlassen. Dann wurde geprüft und nochmals geprüft. Es gab viele, die es einfach nicht wahrhaben wollten. Die Abhängigkeit von diesen Wirkstoffen - Heiner Rickers hat das bereits gesagt - war bei verschiedenen Anbauverfahren einfach sehr groß. Als die EFSA, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, die für die Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln zuständig ist, Ende Februar mit einer Meta-Studie die früheren Befunde bestätigte, dämmerte es vielen: Der Kopf muss aus dem Sand heraus.

Das Verbot, wenn es denn kommt, wovon ich ziemlich überzeugt bin, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer bienen- und insektenfreundlicheren Landwirtschaft. Ich will gar nicht allein den volkswirtschaftlichen Wert von einigen 100 Milliarden € Bestäubungsleistungen weltweit anführen. Ich will gar nicht - das ist bereits mehrfach gesagt worden und unstrittig - die massive Abnahme von Insekten und die ganzen Nährstoffkreisläufe anführen, die daran hängen.

Aber zurück zum vorliegenden SPD-Antrag: Wir begrüßen den Vorstoß der SPD und hätten auch den SPD-Antrag unterstützen können, obwohl es auch im Bundestag so ist, dass die Regierungskoalition den Antrag der Grünen zu diesem Thema letzte Woche abgelehnt hat. Nicht, dass wir uns so verhalten würden, um Gottes Willen, aber unser Antrag ist weitergehend. Der Grund ist, dass die langjährigen Vorgänge um diese drei Stoffe nur die Spitze des Eisbergs sind. Es gibt weitere Stoffe aus der Gruppe der Neonics, die dringend stärker in den Blick genommen werden müssten. In den letzten Jahren hat es bereits infolge der oben erwähnten Anwendungsbeschränkungen eine Umstellung auf diese Schadstoffe gegeben.

Meine Sorge ist, dass sich in einigen Monaten oder Jahren belegen lässt, dass diese ebenso schädlich sind, und wir wieder vor einem Verbot stehen. Das eine ist die Umweltbelastung, die bleibt, und es wird versäumt - ich glaube, das ist das viel größere Problem -, zügig Alternativen in Sorte, Fruchtfolge und Anbauverfahren zu entwickeln.

Fortschritt sieht anders aus. Das zeigt auch Frankreich. Frankreich hat bereits den Ausstieg aus allen Neonics für 2020 beschlossen. Das liegt nicht allein an Macron, dem das geschuldet wäre.

Es muss sich auch etwas bei den Zulassungsverfahren tun. Das ist der zweite Teil unseres Antrags. Bisher erfolgte die Bewertung meist anhand von Studien, die die Antragsteller, also die Hersteller

(Heiner Rickers)

der Mittel, für die Zulassung vorlegten. Sie sind die Auftraggeber der Forschungsaufträge. Durch diese Abhängigkeit vom Auftraggeber ist die Existenz von unabhängiger Sicherheits- und Risikoforschung im Bereich Pflanzenschutz und Toxikologie gefährdet. Das wissen wir auch aus Kiel, wenn Institute für Toxikologie - bundesweit einmalig - verschwinden.

Die EU hat bereits in der Pflanzenschutzrichtlinie aus dem Jahr 2009 die Möglichkeit eröffnet - es ist nur eine Richtlinie -, dass die nationalen Genehmigungsbehörden, also auch die deutschen, selbst nicht nur anhand der Gutachten bewerten, die ihnen vorgelegt werden, sondern auch Gutachten in Auftrag geben, die dann von den Herstellern bezahlt werden. Aber Auftraggeber ist die Behörde. Jetzt endlich hat die EU in einer Verordnung - das ist noch nicht durch - auf den Weg gebracht, dass eigene Gutachten durch die nationalen Zulassungsbehörden eingefordert werden. Was lehrt uns das? Gut, dass wir eine starke EU haben, die manchmal gegen alle Widerstände europaweit und weltweit eine sinnvolle, wirksame Umweltpolitik durchsetzt.