Die EU hat bereits in der Pflanzenschutzrichtlinie aus dem Jahr 2009 die Möglichkeit eröffnet - es ist nur eine Richtlinie -, dass die nationalen Genehmigungsbehörden, also auch die deutschen, selbst nicht nur anhand der Gutachten bewerten, die ihnen vorgelegt werden, sondern auch Gutachten in Auftrag geben, die dann von den Herstellern bezahlt werden. Aber Auftraggeber ist die Behörde. Jetzt endlich hat die EU in einer Verordnung - das ist noch nicht durch - auf den Weg gebracht, dass eigene Gutachten durch die nationalen Zulassungsbehörden eingefordert werden. Was lehrt uns das? Gut, dass wir eine starke EU haben, die manchmal gegen alle Widerstände europaweit und weltweit eine sinnvolle, wirksame Umweltpolitik durchsetzt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Bienenvolk ist ein faszinierendes Meisterwerk an Organisationsund Prozessstrukturen. Damit dieses System funktioniert, muss sich jede einzelne Arbeiterbiene auf ihren Orientierungssinn verlassen können. Dieser ist jedoch sehr empfindlich und wird gerade von ausgebrachten Insektiziden wie den Neonicotinoiden ein Begriff, durch den man bei jedem Scrabble und jedem Galgenraten auf jeden Fall der Held ist - erheblich gestört. Dies bedeutet nicht nur für die Biene selbst und ihr Volk einen potenziell erheblichen Schaden, sondern kann auch Auswirkungen auf die gesamte Umwelt und natürlich auch auf die Ernährung haben. Ohne Bienen und andere Bestäuber hätten wir weltweit enorme Einbußen bei Getreide, Obst, Gemüse und folgerichtig Auswirkungen auf die gesamte Nahrungskette.
Die Wirkstoffe der Neonics führen bei Insekten zu Krämpfen und zum Tod. Die Biene, die diese aufgenommen hat, wird in ihrem Orientierungssinn ge
stört. Das wirkt sich dann nicht nur auf das Individuum, sondern auf den gesamten Bienenstock aus bis hin zu möglichem Absterben des gesamten Bienenvolkes. Darunter leidet dann auch die Artenvielfalt. Der vielfältige Einsatz ist für diese Bienen fatal. Wir haben gerade festgestellt, dass sie hauptsächlich noch in der Beize eingesetzt werden. Es gab aber auch die Anwendung als Granulat oder auch für die Behandlung von Blättern, sodass sich das dann breiter in der Pflanze verteilt hat und sich im Endeffekt dann auch in den Blüten und im Nektar wiedergefunden hat.
Die Anzahl der Bienenvölker, sowohl der domestizierten Honigbiene als auch der mehreren hundert Wildbienenarten, geht seit Jahren zurück. Diese Entwicklung ist bedrohlich, auch im Hinblick auf die Landwirtschaft. Eine Untersuchung der Bestäubungsleistung von Bienen im volkswirtschaftlichen Sinne ergibt - das kann man tatsächlich berechnen, was die da für uns alle leisten -: Allein in Deutschland sind das fast 2 Milliarden €. Auch wenn bisher letztinstanzlich noch kein finaler kausaler Zusammenhang zwischen Einsatz von Neonics und dem Bienensterben festgestellt wurde, werden diese zumindest als stark beeinträchtigender Faktor benannt. Da Bienen in unserer Umwelt ein so wesentlicher Faktor und ein so wesentliches Element sind, ist der Einsatz von Insektiziden, die ihnen nachweislich schaden, streng zu regulieren beziehungsweise in dem Fall auch zu verbieten.
Dies ist gerade bei der Verwendung der von der EFSA untersuchten Neonics der Fall, weshalb wir das Ansinnen des Freilandverbots hier unterstützen. Ebenfalls unterstützen wir, dass sich sowohl die neue Bundesumweltministerin als auch die Bundeslandwirtschaftsministerin auf EU-Ebene für das Nichteinsetzen und das Freilandverbot einsetzen. Es gibt morgen dazu eine Abstimmung. Deshalb empfehle ich, heute darüber zu befinden, denn ich glaube, das jetzt in den Ausschuss zu überweisen, würde dazu führen, dass wir feststellen, dass es sich aufgrund realpolitischer Entwicklungen und der Realität überholt hat. Deshalb bitte ich darum, dass wir heute darüber befinden. Die Anträge sind nicht megaweit voneinander entfernt. Insofern hoffe ich auf eine breite Zustimmung im Hohen Haus.
Was machen wir dann aber stattdessen? Es gibt ja einen Grund, aus dem es bisher eingesetzt wird. Wenn wir den Landwirten etwas nehmen, muss es prinzipiell Alternativen geben. Es wird Sache der Agrarforschung sein, alternative Lösungen voran
zubringen, um die Pflanzen vor den eigentlichen Parasiten zu schützen. Es muss mehr darauf geachtet werden, dass, wenn man Schädlinge tötet, dies selektiver geschieht, und somit Nutztiere, zu denen Bienen definitiv gehören, davon nicht beeinträchtigt werden.
Da bietet auch die Gentechnik Möglichkeiten, mit der Nutzpflanzen von vornherein so ausgestattet werden können
- ja, oha! -, dass sie schädlingsresistenter sind und wir somit im Nachgang gar keine Insektizide mehr ausbringen müssen.
Auch der Problematik, dass Schädlinge hier und da gegen Insektizide resistent werden, kann so begegnet werden. Die Chancen sollten wir zumindest erforschen und prüfen und als Politik nicht per se von vornherein verteufeln. Ich denke, das wäre der falsche Weg.
- Genau. - Deswegen muss der Schritt in der Forschung sein, auf der einen Seite unsere Landwirte vor Ernteausfällen zu schützen und auf der anderen Seite Honig- und Wildbienen und andere Bestäuber nicht zu bedrohen.
Wenn diesem Verbot zugestimmt wird, wird aber nicht allein das schon dafür sorgen, dass das Insektensterben, das hier schon adressiert wurde, automatisch sofort beendet wird. Es gibt andere Rahmenbedingungen, die den Bienen ebenfalls schaden. Das ist zum Beispiel der Wegfall von Grünflächen, das sind Monokulturen, und das sind leider auch zu reinliche Gärten und Landschaften.
Totholz, Unkraut und Wildwuchs kann man gerne auf seinem Grundstück belassen. Das spart Gartenarbeit. Ich weiß, wovon ich rede. Ich bekomme immer ein bisschen Ärger von meinen Nachbarn, weil es bei uns hier und da etwas wild aussieht. Aber mit Faulsein kann man hier und da auch ganz praktisch etwas für die Umwelt tun. Für heute plädiere ich dafür: Lasst uns darüber befinden: Nichts wie weg mit Neonics. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Der Verbotsantrag für Glyphosat ist im Umweltausschuss noch nicht zu Ende diskutiert, da legt die SPD schon den nächsten Verbotsantrag vor. Diesmal soll es um Neonicotinoide gehen, die die SPD vom Acker holen will und zwar komplett. Ich verwende in der Folge der Einfachheit halber den Begriff Neonics. Dieser Begriff ist, wie ich mir habe sagen lassen, auch in der Fachwelt gängig.
Wer alles verbieten will, so scheint es, der hat gerade einmal den Oberbegriff beziehungsweise die Stoffgruppenbezeichnung verstanden. Entscheidend ist jedoch, zwischen nützlich und schädlich zu unterscheiden. Das gilt insbesondere für die Chemie, und ich habe das schon als junger Werkstudent gelernt. Bei dem Herbizid Glyphosat konnte man noch nachvollziehen, dass die SPD das Pestizid total verbieten will, weil es als Totalherbizid sämtliches Unkraut tötet. Neonics sind aber keine Breitband-Totalpestizide, sondern vor allem für gewisse Schädlingsarten tödlich.
Es ist also in einer solchen Diskussion wichtig, zu differenzieren. Neonics enthalten eine dem Nikotin ähnliche Molekülstruktur. Das bedeutet aber nicht, dass sie auch dieselben Eigenschaften haben. Ersetzt man in einem solchen Molekül nur ein einziges Wasserstoffatom, kommt am Ende ein Stoff mit gänzlich anderen Eigenschaften heraus. Ich finde es wirklich schade, dass wir hier in diesem Hohen Haus keine Schautafeln verwenden dürfen, dann würde es anschaulicher werden.
In der Chemie gilt es zu differenzieren. Was Chemielaboranten ab der ersten Stunde lernen, sollten wir Politiker tunlichst beachten. Ein Absolutverbot von Neonics wäre rein politisch begründet. Sachlich-fachlich hieße es jedoch, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Wer alle Neonics über einen Kamm schert, wird auch behaupten, dass Nikotin und Crystal Meth chemisch verwandt sind. Ist die chemische Summenformel der beiden Stoffe fast identisch, sind es ihre Eigenschaften durchaus nicht, wie man sich vorstellen kann.
Wenn wir heute von Neonics sprechen, gehört es zu einer sauberen Differenzierung, die Guten und die Schlechten zu unterscheiden. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA sie wurde hier gerade schon erwähnt - sind vor allem drei Neonics ein Risiko für Bienen - nur drei: nämlich Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid. So sind sie auch im Alternativantrag von
Jamaika genannt worden. Aufgrund ihres Gefahrenpotentials unterliegen sie bereits EU-weiten Beschränkungen. Auch in den USA wurden mit dem „Saving America‘s Pollinators Act“ vor fünf Jahren vier Neonics verboten - wohlgemerkt nur vier.
Auch in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union besteht durchaus je nach Land und Pflanzenart eine differenzierte Verbotssituation. Zum Beispiel beschloss das französische Parlament vor rund zwei Jahren ein Verbot von Neonics - aber wieder mit der Möglichkeit bestimmter Ausnahmeregelungen. Ausnahmen ergeben immer dann Sinn, wenn das Risiko verkraftbar und der Nutzen hoch ist.
Der vorliegende Antrag der SPD ist aus unserer Sicht ein Showantrag aufgrund der bevorstehenden Entscheidung auf EU-Ebene. Der Jamaika-Antrag nimmt hingegen die notwendige Differenzierung vor und fordert ein Freilandverbot für bienengefährliche Neonics. Welche das sind, habe ich genannt.
Außerdem wird im Alternativantrag die Landesregierung gebeten, sich für die Forschung nach alternativen Pflanzenschutzmitteln und -methoden einzusetzen. Auch das können wir nur unterstützen, möchten aber auch darauf hinweisen, dass sich Industrie und forschende Wissenschaft schon seit Jahren genau darum bemühen.
Ein Beispiel ist Acetamiprid - um einmal etwas Neues zu nennen. Auch dabei handelt es sich nämlich um ein Neonicotinoid, aber eben nicht um ein Böses. Es erhielt seine EU-Zulassung bis zum 28. Februar 2033 und soll für Bienen unbedenklich sein - auch so etwas existiert also.
Unter Berücksichtigung einer ausgewogenen Risiko-Nutzen-Betrachtung kann die AfD die Aufrechterhaltung eines gut finanzierten Forschungsumfeldes in diesem Bereich nur unterstützen. Lassen Sie uns nicht nur unseren Landwirten vertrauen, sondern zur Abwechslung auch einmal unserer Industrie, die auch im eigenen Interesse immer auf der Suche nach neuen Wegen im Pflanzenschutz ist. Wir freuen uns auf die Beratung im Ausschuss und unterstützen die Überweisung des Alternativantrages.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 585 Arten Wildbienen gibt es noch in Deutschland. Die Bestände sind in den letzten Jahren stark zurückgegangen und sind, wie wir wissen, durch menschliches Einwirken weiter bedroht. Die Hälfte der Arten steht mittlerweile auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten Deutschlands. Über die vielen Jahre, in denen wir uns hier im Landtag über das Insektensterben unterhalten haben, haben wir immer wieder betont, dass die Ursachen vielfältig sind und dass wir dringend handeln müssen.
Der Verlust von Nahrungsflächen insgesamt ist ein Problem, aber auch der Einsatz von Pestiziden, der Befall durch Milben, andere Parasiten sowie Krankheiten. Als wir hier vor drei Jahren über dieses Thema diskutiert haben, habe ich darauf hingewiesen, dass Insektizide nicht nur für Bienen extrem schädlich sind, sondern auch für Motten und Schmetterlinge. Das Problem mit diesen Pflanzenschutzmitteln ist, dass sie nicht zwischen Pflanzenschädlingen und erwünschten Insekten unterscheiden. Selbst insektenfressende Vögel sind von den negativen Wirkungen dieser Stoffe betroffen. Es handelt sich bei den drei Pflanzenschutzmitteln, über die wir jetzt sprechen um Mittel, die die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit als definitive Gefahr für Wild- und Honigbienen bewertet. Deswegen ist die Entscheidung klar: Sie gehören verboten.
Das Beruhigende ist, dass die Bundeslandwirtschaftsministerin wiederholt kundgetan hat, dass sie sich mit der Bundesumweltministerin einig sei und dem geplanten Freilandverbot für die drei bienenschädlichen Insektizide, um die es jetzt geht, zustimmen werde. Das ist gut so. Es kann aber nur ein erster Schritt sein. In Gewächshäusern nämlich können sie weiterhin benutzt werden. Ob Gewächshäuser wirklich geschlossene Systeme sind, aus denen nichts herausdringt, lässt sich bezweifeln.
Wir werden uns auch darüber unterhalten müssen, wie wir mit Nachfolgestoffen mit gleicher Wirkung umgehen. Allgemein müssen wir uns um bessere Nahrungsangebote und Nistmöglichkeiten sorgen. Die intensive Landwirtschaft mit ihren Monokulturflächen und der Verlust von wilden Blühpflanzen führt dazu, dass Nahrungsflächen für die Bienen verloren gehen. Auf diesen Flächen wächst - dank Glyphosat und anderen Pestiziden - wirklich auch keine andere Pflanze mehr.
Also ist das Verbot dieser drei Mittel kein Allheilmittel, es wird nicht ausreichen. Unsere Agrarlandschaft wird immer einseitiger und intensiver genutzt. Bienen haben aber vielfältige Ansprüche an ihre Nahrung und ihre Nistplätze.
Es geht also zum einen darum, was die Landwirtschaft tun kann und wie wir sie darin unterstützen können. Von dem Bestäubungsdefizit, vor dem wir stehen, ist eben auch die Landwirtschaft betroffen. Rund 80 % aller Nutzpflanzen werden von Bienen bestäubt. Zum anderen geht es darum, was wir als Privatpersonen tun können, um dem Insektensterben entgegenzuwirken. Unsere Bürgerinnen und Bürger machen sich selbst große Sorgen. Umweltstiftungen bieten da zahlreiche Tipps zur Gestaltung natürlicher Gärten, zum Bau von Insektenhotels oder zur Balkonbepflanzung an. Wir freuen uns auch, dass das Programm ,,Schleswig-Holstein blüht auf" so gut angenommen worden ist.
Das Thema Naturerhalt nehmen wir beim SSW wirklich sehr ernst. Unser Zugang ist dabei immer, die Menschen vor Ort mitzunehmen. Wir suchen nach umsetzbaren Lösungen mit allen Beteiligten und führen unsere Veranstaltungen zu dem Thema deshalb immer unter Teilnahme aller Betroffener durch: aus Landwirtschaft, Industrie und Umweltverbänden sowie natürlich mit Bürgerinnen und Bürgern. ,,Værn om dit slesvigske miljø", also ,,Schütze deine schleswigsche Umwelt": Das war schon in den 70er-Jahren unser Motto. Das gilt auch noch heute. - Jo tak.
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Das ist schon eine besondere Situation. Bernd Voß von den Grünen steht hier und sagt: Neonicotinoide verbieten! Er lobt Frankreich für den Ausstieg aus allen Neonics. Die FDP steht hier und sagt: Nix wie weg mit Neonics - auch keine Differenzierung: die Neonics weg!
(Beifall Lars Harms [SSW] Zwei von drei Partnern wollen aus den Neonics aussteigen. (Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Heiner Rickers von der CDU sagt: Wir handeln erst, wenn die Wissenschaft entschieden hat. - Das ist ja klasse. Für die drei Neonicotinoide, die jetzt verboten werden sollen, haben wir zehn Jahre gebraucht. In 20 Jahren sind bei den Insekten 75 % der Biomasse verschwunden. Jetzt können wir mal ein bisschen Dreisatz machen und überlegen, wenn wir in diesem Tempo weiter handeln und agieren, wann gar keine Insekten mehr da sind. Dieses Tempo geht so nicht, meine Herren!