Protokoll der Sitzung vom 15.06.2018

(Heiterkeit und Zurufe)

und dargestellt, wie vielstimmig die Debatte auf Bundesebene gerade bei diesem Thema ist und warum es wichtig ist, heute einen klaren Beschluss zu fassen, damit die Positionierungen klar sind, bleiben und umgesetzt werden.

Niemand möchte beim Kauf von täglichen Produkten wie Fleisch und Milch lange einen Beipackzettel durchlesen. Jeder möchte schnell, einfach und verbindlich erkennen, was er kauft. „Mit dem Einkaufswagen abstimmen“, das ist das Motto.

(Kirsten Eickhoff-Weber)

„Kein Ei mit der Drei“, das war der Slogan, der in Verbindung mit der europaweit verpflichtenden Haltungskennzeichnung bei Eiern vor über zehn Jahren den Durchbruch für eine Umstellung der Haltung von Legehennen weg von den Käfigen gebracht hat. Es bedurfte keiner staatlichen Subventionen, keiner Ge- oder Verbote. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben zügig geregelt, welche Haltungsform Zukunft.

Wir möchten den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Wahl geben, nicht nur bei Frischeiern, sondern auch bei verarbeiteten Produkten wie Milch und Fleisch. Die Diskussion ist schon einige Jahre alt. Das ist richtig. Wir haben viel bewegt. Es geht auch darum, die Situation des Tierwohls in der Nutztierhaltung zügig zu verbessern.

Auch der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik der Bundesregierung hält die aktuell verbreiteten Haltungsbedingungen vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Akzeptanz für nicht zukunftsfähig. Die Kosten für den notwendigen Umbau beziffert das Gutachten auf 3 bis 5 Milliarden € jährlich. Das entspricht einer Preissteigerung von 3 bis 8 % für den Endverbraucher. Um die Wertschöpfung zu erzielen, muss dieser Mehrwert eindeutig erkennbar sein.

Auch die Betriebe brauchen klare Orientierungspunkte, wo sie die Betriebsentwicklung oder Investitionsentscheidungen hinlenken könnten. Jahrelange öffentliche Ankündigungen eines Tierwohllabels und ausbleibende Regelungen blockieren viele Entwicklungen auf den Betrieben und am Markt.

Ich freue mich, dass sich jetzt auch der Berufstand nach vielen Jahren Widerstand für eine verpflichtende Kennzeichnung ausgesprochen hat. Aber was hat sich geändert, was treibt ihn? Es ist nicht die Erkenntnis zur Kennzeichnung, die wir 2014 bereits in einem Antrag an dieser Stelle behandelt haben, es ist auch nicht die Erkenntnis, dass es im Jamaika-Koalitionsvertrag auf Bundesebene im vergangenen Herbst das Herzstück der geplanten Verbraucher- und Agrarpolitik der potenziellen Bundesregierung gewesen ist. Wir erleben heute eine spannende Debatte, wie das da weitergeht. Die Agrarministerkonferenz hat ebenfalls im April 2018 einen entsprechenden Beschluss gefasst und die Bundesregierung aufgefordert, bis Herbst endlich einen konkreten Vorschlag auf den Tisch zu legen.

Nein, wir haben die Situation, dass große Lebensmittelketten anfangen, ein vierstufiges Kennzeichnungssystem zu kreieren und auf den Kopf stellen. Damit übernehmen sie die Definition von Standards

in der Tierhaltung und im Tierschutz. Das macht nicht nur das Chaos perfekt. So landet das Setzen wesentlicher Standards in den Händen einiger großer Lebensmittelkonzerne und macht Erzeugerinnen und Erzeuger noch abhängiger von den Entscheidungen der Konzerne. Zu solchen Verwerfungen kommt es, wenn sich die Zuständigen in Regierung und Verbänden über Jahre weigern - wir wissen seit 15 Jahren beim Ei, wie es gehen könnte -, einfache und wirksame Regelungen, die von vielen gefordert werden, umzusetzen.

Klar, die Initiativen für freiwillige Tierwohlkennzeichnungen sind Zeichen eines Engagements und eines Willens zur Veränderung. Doch sie würden in der Masse nicht den Durchbruch bringen, da sie jeweils nur einen kleinen Teil der Tierhalterinnen und Tierhalter und deren Produkte erfassen würden. Eine klare vierstufige Kennzeichnung von null bis drei: null für ökologische Tierhaltung, drei für den gesetzlichen Standard. Das ist das, was wir brauchen.

Ich fasse zusammen: So ein System ist gut für den Tierschutz, gut für die Verbraucherinnen und Verbraucher, gut für die Betriebe und vermeidet Subventionserwartungen. Diese Chance sollten wir endlich nutzen.

Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg und sollten das durch unseren Antrag unterstreichen. Ich bitte Sie, dem Antrag zuzustimmen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Dennys Bornhöft das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den Kühlregalen der Supermärkte gibt es eine Menge bunter Label auf den Verpackungen von Fleisch, Milch und Käse, aber zu wenig Klarheit darüber, was diese Label tatsächlich aussagen. Wir Freie Demokraten sind dafür, dem Labelchaos zu begegnen, weil nur so der Kunde besser entscheiden kann, was er wirklich kaufen will.

(Beifall FDP)

Wir wollen die Stärkung der Transparenz am Markt und damit die Stärkung der Verbraucher erreichen. Für uns ist der Verbraucher als Marktteilnehmer ein ganz entscheidender Akteur. Der Verbraucher und

(Bernd Voß)

die Verbraucherin können über die Nachfrageseite mit steuern, was und in welcher Weise auf der Angebotsseite letztendlich produziert werden soll. Um diese Steuerungsfunktion gut ausführen zu können, benötigt der Verbraucher als Marktteilnehmer möglichst gute und klare Informationen über das Produkt, damit nämlich die von Herrn Habersaat gerade zitierte „unsichtbare Hand“, die wir vielleicht aus der Volkswirtschaftslehre kennen, die Informationsdefizite abbaut und somit nicht zu Marktverzerrungen führt.

Die in unserem Jamaika-Antrag vorgeschlagene Haltungskennzeichnung nach dem Vier-StufenPrinzip gibt dem Verbraucher klare Informationen für die Kaufentscheidung. Es existieren bereits viele unterschiedliche Label, aber die Vielzahl der Label trägt bisher eher zur Verwirrung bei. So gibt es beispielsweise das blaue Label „Für mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes in zwei Stufen, das Vier-Pfoten-Label „Tierschutz kontrolliert“ in Silber und Gold und das „Neuland-Label“ des Deutschen Tierschutzbundes gemeinsam mit dem BUND und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.

Ich wette, kaum ein Kunde kann sagen, welche Kriterien sich hinter diesen Labels jeweils verstecken. Da ich diese Rede stellvertretend halte, muss ich sagen: Ich reihe mich da als Kunde ein.

(Beifall FDP)

Daher können die derzeitigen Label nur eingeschränkt dazu dienen, den Verbraucher mit den bestmöglichen Informationen zu versorgen. Die bisher existierenden Label schaffen höchstens ein wohliges Gefühl beim Kauf, etwas für ein undefiniertes Tierwohl zu tun; das klang in der Diskussion ein Stück weit an. Das mag auch so sein, doch in der Einzelbetrachtung stiftet das Labelchaos eher Verwirrung, als die Kunden wirklich zu informieren.

Richtiger und besser finden wir es, wenn man sich EU-weit auf eine objektive, einheitliche Kriteriensystematik einigt. Wir sprechen uns daher für eine obligatorische, EU-einheitliche vierstufige Kennzeichnung aus. Der Fleisch- und Milchmarkt und der Verbraucher sollen damit bessere Informationen bekommen.

Der Verbraucher oder die Verbraucherin an der Fleischtheke ist für uns natürlich nicht bloß ein gesichtsloses Funktionsglied in einem abstrakten Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage; wir befinden uns ja auch nicht in einer VWL-Vorlesung. Der Verbraucher oder die Verbraucherin hat das

Recht, selbst zu entscheiden, was er oder sie kaufen möchte. Jeder Mensch hat das Recht, selbst zu entscheiden, was er essen will. Wir wollen die mündigen Bürgerinnen und Bürger mit unserem Antrag in diesem Recht zu wählen stärken. Uns ist nicht nur bei der Landtagswahl die freie Wahl - hier die freie Wahl der Verbraucher - deutlich lieber als ein staatliches Steuern über Verbote.

Ein Vier-Stufen-System bedeutet übrigens nicht automatisch, dass Stufe vier besser ist als Stufe eins. Es ist ein einfaches Kategoriensystem, das die unterschiedlichen Haltungsarten kategorisiert. Alle Stufen haben ihre Vor- und Nachteile. Der Kunde soll frei entscheiden, was ihm die jeweilige Tierhaltungsform wert ist.

Unser Anliegen ist es, bessere Transparenz für den Kunden herzustellen. Das, meine Damen und Herren, ist die Vereinbarung von Ökologie und Ökonomie, die wir für die Jamaika-Koalition immer einfordern. - Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall FDP und CDU)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Um es gleich klarzustellen: Die AfD steht auch für eine artgerechte Tierhaltung, bei der Nutztiere nicht unnötig leiden müssen. Wir müssen verantwortungsvoll mit Tieren umgehen, die Haltung angemessen gestalten und gleichzeitig die Versorgung mit Fleisch und Grundnahrungsmitteln, etwa Milchprodukten, sicherstellen.

Auf der einen Seite kann Massentierhaltung negative Folgen für Tiere, aber auch für die Umwelt haben - wir haben es gerade beim Gülleproblem kennengelernt. Auf der anderen Seite steht der verständliche Wunsch der Verbraucher nach Milch und Fleisch zu bezahlbaren Preisen. Doch hier regt sich etwas: Heute wünschen sich bereits 82 % der Bürger mehr Transparenz in der Tierhaltung, 87 % verlangen eine bessere Tierhaltung, und 88 % sind sogar bereit, mehr Geld für Nahrungsmittel aus artgerechter Tierhaltung zu bezahlen. Ich hoffe, dass das nicht nur Lippenbekenntnisse sind.

Der Markt hat darauf bereits reagiert und eine Vielzahl von Haltungslabeln und sogenannten Biosie

(Dennys Bornhöft)

geln eingeführt. Beispielhaft verweise ich auf das „Neuland-Label“ oder die Haltungskennzeichnung der beiden großen Discounter, die seit Frühjahr dieses Jahres die Verpackungen zieren und bereits jetzt in vier Stufen deutlich machen, aus welcher Form der Tierhaltung das Fleisch stammt.

Eigentlich ist das ein Beleg für Politikversagen, denn aus unserer Sicht ist es Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen für die Tierhaltung zu gestalten und klar zu regeln. Stattdessen überlässt man dieses wichtige Feld den Produzenten, den Vermarktern oder den Verbänden.

Produzenten und Handel haben bereits Verpackungen mit eigenen Labels und Kennzeichnungen versehen. Somit haben die Verbraucher schon jetzt die Möglichkeit, die Art der Tierhaltung bei ihrer Kaufentscheidung zu berücksichtigen. Die Kennzeichnungen sind aber - da gebe ich Herrn Bornhöft generell gern recht - teilweise verwirrend und zu wenig informativ. Es ist davon auszugehen, dass der Handel nicht auf seine eigenen Kennzeichnungen verzichtet, denn die Einführung dieser Kennzeichnungen kostet sehr viel Geld, und sie befördern das Image der jeweiligen Handelskette. Das darf man nicht vergessen.

Welchen Mehrwert kann also eine staatlich verordnete Haltungskennzeichnung bringen, und wie soll das Ganze EU-rechtskonform umsetzbar sein? Wir haben gerade gehört, dass es da durchaus Widerstände gibt. Anfang des Jahres erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Herr Peter Bleser, dass die Bundesregierung aktuell keine Haltungskennzeichnung für Fleischprodukte einführen wolle. Hierzu sei der Aufwand zu hoch, und eine verpflichtende gemeinschaftliche Regelung, also eine Realisierung der Kennzeichnungspflicht für Fleischprodukte ähnlich wie bei Eiern innerhalb der EU, sei eher unwahrscheinlich.

Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung - wer weiß, wie lange die noch regiert - ist zwar festgeschrieben, dass bis Mitte der Legislaturperiode die rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen für ein staatliches Tierwohllabel und eine damit verbundene Haltungskennzeichnung geschaffen werden sollen. Wir müssen aber davon ausgehen, dass es noch Jahre dauern wird, bis eine Kennzeichnungspflicht, wie sie in diesem Antrag gewünscht ist, eingeführt wird. Das bedeutet für die Landwirte, die schon jetzt höhere Standards in der Tierhaltung berücksichtigen, dass sie auch länger auf einen finanziellen Ausgleich für ihre steigenden Kosten - denn artgerechte Tierhaltung gibt es nicht

gratis - warten müssen. Einen Mehrwert einer Neuregelung, die dieser Antrag vorsieht, gäbe es nur, wenn wir es schafften, eine Haltungskennzeichnung einzuführen, die klare, wissenschaftlich fundierte Haltungsvorgaben macht und gleichzeitig die breite Akzeptanz der Verbraucher findet.

Wir brauchen eine Regelung, um einerseits die Landwirte, die höhere Standards einhalten, entschädigen zu können - Herr Rickers hat gerade auf einen staatlichen Ausgleichsfonds hingewiesen und gleichzeitig die Verbraucher bei ihrer Kaufentscheidung zu informieren - in der Bestrebung, die moderne Landwirtschaft zu einer ethisch akzeptablen Tierhaltung voranzubringen. Dieser Antrag erscheint uns bestens dafür geeignet, diesen politischen Prozess zu beschleunigen. Daher stimmen wir dem Antrag gern zu und freuen uns auf die Beratung im Ausschuss - wenn ich das richtig verstanden habe. - Danke.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Untersuchungen belegen: Immer mehr Verbraucher wollen heute wissen, was sie kaufen. Dabei geht es ihnen nicht nur darum zu erfahren, wo die Produkte hergestellt werden - sprich: ob es sich um ein Produkt aus der Region handelt -, sie wollen heute auch wissen, wie die Tiere gehalten werden. Daher macht dieser Antrag Sinn.

Um es gleich vorwegzusagen: Wir als SSW begrüßen diesen Antrag, denn wir sehen darin einen Schritt in die richtige Richtung. Der vorliegende Antrag ist aber keine politische Erfindung der Jamaika-Koalition, denn bereits 2014 hat die Küstenkoalition hier im Landtag einen Antrag eingebracht, der zum Teil die gleiche Zielsetzung hatte - das hat die Kollegin ja auch schon erwähnt.

Aus Sicht des SSW schlagen wir mit einer transparenten und verbraucherfreundlichen Haltungskennzeichnung von Fleisch- und Milchprodukten gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Wir sehen darin eine Verbesserung in der Nutztierhaltung, denn der Verbraucher kann danach entscheiden, welche Art der Haltungsform er unterstützen will. Artgerechte Tierhaltung und Tierwohl spielen eine stärkere Rolle in den Köpfen der Verbraucher. Nicht umsonst

(Volker Schnurrbusch)

wirbt die Lebensmittelindustrie immer wieder mit glücklichen frei laufenden Tieren auf den Verpackungen. Aber was die Abbildung auf der Verpackung mit dem Produkt gemeinsam hat, erfährt der Verbraucher nicht. Eine Entscheidung für oder wider eine bestimmte Haltungsform kann der Verbraucher auf einer solchen Grundlage nicht treffen.

Mit einer Deklaration von vier Kategorien, beispielsweise ökologischer Erzeugung, Freilandhaltung, deutlich mehr Auslauf und Platzangebot sowie Tierhaltung nach gesetzlichem Mindeststandard, hätte der Verbraucher eine bessere Entscheidungsgrundlage. Wir sind der Auffassung, dass eine solche Kennzeichnungsform dazu beiträgt, das Bewusstsein für eine artgerechte Tierhaltung und das Tierwohl weiter zu stärken.