Aber dass ich mich heute im Parlament Ihnen gegenüber ein Stück weit dafür rechtfertigen muss, dass wir Seite an Seite sind, ist eine neue Erfahrung. Ich sage eines sehr klar: Ideenklau - ich bekenne mich schuldig. Ich habe vor drei Wochen nichts anderes gemacht, als einmal in den Koalitionsvertrag von Jamaika hineinzuschauen und festzustellen, dass wir uns darauf verständigt haben, und habe diese Auffassung öffentlich geäußert.
Ich gebe zu: Das ist medial nicht schlecht gelaufen, und ich habe das danach nicht korrigieren wollen.
Das ist sicherlich ein Vorwurf, der mich trifft. Den zweiten Vorwurf verstehe ich nicht so recht. Dass ich es in drei Wochen nicht geschafft habe, das, was ich am 17. August im Schleswig-Holsteinischen Landtag erklärt habe, was ich öffentlich erklärt habe, bis heute Gesetz werden zu lassen, ist ein Vorwurf, der ein bisschen schmerzt. Aber, Herr Dr. Stegner, wenn Sie dies gleichzeitig damit paaren, dass Sie sozusagen Ihr Urheberrecht gestört wissen wollen, weil Sie es ja schon ganz lange Zeit davor vertreten haben, kann ich am Ende nur fest
stellen: Okay, ich bin im Moment noch erfolglos, aber Sie sind bei diesem Thema ein bisschen länger erfolglos als ich. Von daher: Einigen wir uns auf unentschieden.
Daher mache ich jetzt zur Güte einen Vorschlag. Vielleicht erinnern wir uns daran, dass es leichter ist, gemeinsame Positionen im Bund durchzusetzen, wenn man eher die Einigkeit als den Streit, den man miteinander führt, in den Mittelpunkt stellt. Denn dass wir in unserem Land einen Spurwechsel brauchen, ist doch völlig unstrittig.
Wir wissen, dass es ganz viel Kritik am Rechtsstaat gibt. Briefe, die man bekommt, befassen sich mit dem Thema Migration. Natürlich bekommt jeder von uns auch Briefe mit der Frage: Warum gelingt es euch nicht, diesen oder jenen Kriminellen in unserem Land vernünftig abzuschieben? - Insoweit gibt es Vollzugsdefizite. Aber die Anzahl der Briefe, in denen sich Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger darüber beklagen, dass Menschen, die sich in unserem Land integriert haben, in ihre Heimatländer abgeschoben werden, ist ungleich höher. Deswegen ist es richtig, dass wir hier die Möglichkeit schaffen, diesen Menschen eine Perspektive zu bieten.
Ich halte das, zugegeben, auch für zu wichtig, als dass wir jetzt über einen Schnellschuss reden, wobei wir miteinander noch gar nicht genau definiert haben, für welche Personengruppe es am Ende gelten soll. Wir sollten heute darüber diskutieren, dass wir in Fragen der Migration wirklich verlässliche, klare gesetzliche Grundlagen brauchen, und dafür sollten wir uns auf Bundesebene einsetzen.
Ich kann nicht verstehen, dass auf Bundesebene im Moment darüber diskutiert wird, Anwerbeprogramme für Südosteuropa aufzulegen und zu sagen, wir haben einen hohen Bedarf an Pflegekräften,
und dann sollen Menschen von dort hierhergeholt werden, aber gleichzeitig schieben wir aus den gleichen Ländern diejenigen ab, die hier über Jahre leben, die Deutsch sprechen können, die ihre Ausbildung schon beendet haben. Das ist doch ein Irrsinn! Deswegen ist das, was wir hier gemeinsam wollen, schlicht und ergreifend richtig, und das sollten wir
Lieber Herr Ministerpräsident, der Punkt geht eindeutig an Sie. Dass Sie es nicht so schnell geschafft haben, Frau Merkel und Herrn Seehofer zu überzeugen, will ich jetzt nicht Ihren mangelhaften Bemühungen zuschreiben. Aber wenn es so ist, wie Sie es zum Schluss sehr eindrucksvoll und unter Beifall des ganzen Hauses ausgeführt haben, dann frage ich Sie, warum Sie dies in dem Bereich, in dem Sie das regeln könnten - nämlich im eigenen Land wenigstens die nicht abzuschieben, für die genau das zutrifft, was Sie gerade gesagt haben -, nicht machen, sondern dies einen Schnellschuss nennen. Damit würde man mit gutem Beispiel vorangehen, und das wäre kein Schnellschuss - finde ich jedenfalls.
- Herr Dr. Stegner, wir befinden uns ja im Moment auf Bundesebene noch genau in der Ausformulierung dessen, was Gesetzeskraft wird. Mein Glaube daran, dass sich am Ende der gesunde Menschenverstand durchsetzt und wir eine bundesweit einheitliche Regelung bekommen, ist relativ groß. Deswegen wünsche ich mir ausdrücklich, dass wir uns auch gemeinsam dafür einsetzen, dass wir genau diese Regelung nicht irgendwann in ferner Zukunft, sondern jetzt möglichst schnell bekommen. Deswegen ist ja auch bewusst in dem Antrag von CDU, Grünen und FDP festgelegt worden, dass wir bei dem Spurwechsel über die Menschen reden, die im Moment hier sind. Ich sage an der Stelle sehr deutlich: Wenn wir ein vernünftiges Zuwanderungsgesetz haben, dann schaffen wir auch Möglichkeiten der legalen Migration nach Deutschland, direkt über das Fachkräftezuwanderungsgesetz, dann brauchen wir diese Spurwechsel-Regelungen nicht mehr, weil diese Menschen eine klare Perspektive bekommen.
Das ist übrigens das, was auch Ihre Partei auf Bundesebene vertritt. Sie nennen das Stichtagsregelung an der Stelle. Ich halte genau diese Vorgehensweise für richtig. Deswegen bitte ich Sie umgekehrt um Unterstützung für den Antrag, den die regierungstragenden Fraktionen gestellt haben. Ich glaube, dann haben wir beide auch mehr Möglichkeiten, genau das auf Bundesebene Gesetz werden zu lassen.
Bevor Sie mit Ihrer Rede fortfahren: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kai Dolgner?
Lieber Herr Abgeordneter Dr. Dolgner, ich möchte meine Rede jetzt zu Ende führen. - Nein, Herr Dr. Dolgner hat direkt vor mir einen Dreiminutenbeitrag geleistet. Ich habe die Auffassung, die Sie vorhin geäußert haben, genau verstanden. Lassen Sie mich jetzt einfach die Rede zu Ende führen. Ich glaube, ich habe zu den von Herrn Dr. Stegner eine ganze Menge Argumente gesagt.
Ich glaube, wir müssen alle miteinander feststellen, dass eine breite gesellschaftliche Mehrheit für das besteht, was wir hier fordern. Herr Dr. Stegner hat die entsprechenden Umfragen zitiert und sehr deutlich gesagt, dass auch die Mehrheit der Bevölkerung dafür ist. Es gibt auch etliche Kampagnen von Unternehmen in unserem Land. Ich kann mich an die Kampagne in Baden-Württemberg erinnern, wo sich insgesamt 500.000 Beschäftigte verschiedener Unternehmen für 2.000 Menschen, die in unserem Land nicht mehr länger einen Schutzstatus haben, einsetzten, weil sie wollen, dass diese Menschen hierbleiben.
Insofern ist es vollkommen klar, dass wir hierfür eine klare gesellschaftliche Mehrheit haben. Wir brauchen ein Zuwanderungsgesetz, wir brauchen aber auch Perspektiven für Menschen, die in unserem Land gut integriert sind. Diese rechtlichen Grundlagen sollten wir möglichst schnell in Deutschland und damit auch in Schleswig-Holstein schaffen. - Vielen Dank.
Der Ministerpräsident hat die vereinbarte Redezeit um 30 Sekunden überschritten. Diese Redezeit steht jetzt allen Abgeordneten zu. - Herr Dr. Dolgner hat sich für 30 Sekunden gemeldet.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bayerische Staatsregierung sieht nach der derzeitigen Gesetzeslage gerade einen Abschiebeschutz für Pflegeschüler vor. Wieso kann Bayern - zumindest in dem Bereich - moderner sein als Ihre Landesregierung, Herr Kollege Günther? - Auf diese Frage hätte ich gern eine Antwort, weil die Bayerische Landesregierung bisher nicht der Maßstab für eine besonders abschiebeschutzfreundliche Politik ist. Sie fallen mit Ihren Aussagen hinter das zurück, was Bayern gerade macht. Ob das der Maßstab ist, an dem Sie Ihre Jamaika-Koalition messen lassen wollen, müssen Sie selbst beantworten, übrigens auch Sie, liebe Koalitionspartner.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, ich habe das, was Sie zum Schluss gesagt haben, so verstanden, dass Sie meinten, wir könnten Ihrem Antrag zustimmen - darüber könnten wir nachdenken -, wenn Ihre Koalition unserem zustimmt. Das wäre doch ein gutes Geschäft, weil Sie das eine tun können, ohne das andere zu lassen. Ich verspreche Ihnen, dass wir uns gemeinsam darum bemühen, die Leute insbesondere in Ihren Reihen zu überzeugen, dass wir zu einem vernünftigen Einwanderungsgesetz kommen.
Aber ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Alles, was Sie ansonsten vorgetragen habe, war ja richtig, aber warum eigentlich - Frau Midyatli hat vorhin einige Beispiele genannt - wenden wir Humanität nicht sofort an? Das ist etwas, was ich mich wirklich frage: Warum nicht?
sozusagen Teil meiner politischen Biografie -: Ich habe als Innenminister in diesem Land immer die Meinung vertreten, dass Schleswig-Holstein in humanitären Fragen die Spielräume so weit ausnutzen sollte, wie es irgendwie geht. Warum schieben wir Menschen, die hier integriert sind, eine Ausbildung machen, arbeiten wollen und das auch können, wo die Wirtschaft das will, noch ab, bis wir Ihre Leute von CDU und CSU überzeugt haben? Das finde ich falsch.
Lassen Sie uns gemeinsame Sache machen: Wir stimmen Ihrem Antrag zu, Sie stimmen unserem Antrag zu, und wir schaffen eine humanitäre Sofortregelung. Das wäre ein leuchtendes Beispiel aus dem Norden. Dann würde man wirklich sagen: Da ist nicht rumgeschnackt, sondern angepackt worden. Das könnten Sie jetzt machen. Ich lade Sie dazu ein, das jetzt zu tun.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst die Abstimmung in der Sache über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/891. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und AfD gegen die Stimmen der SPD und der Abgeordneten des SSW abgelehnt worden.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der AfD, Drucksache 19/897. Es ist Abstimmung in der Sache beantragt worden. Ich lasse über den Antrag der Fraktion der AfD abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Dann ist dieser Antrag gegen die Stimmen der AfD-Fraktion abgelehnt worden.
Nun lasse ich über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/918, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen der AfD bei Enthaltung der SPD angenommen.