Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Serpil! Du kannst mir glauben, dass wir in der Jamaika-Koalition intensiv auch über euren Antrag diskutiert haben. Und menschlich, glaube ich, kann ich das sehr sehr gut nachvollziehen, was du hier geschildert hast. Es geht vielen von uns so, dass uns die Einzelschicksale sehr am Herzen liegen und wir hier Lösungen finden müssen.
Aber es ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt auch ganz wichtig, dass wir die rechtlichen Rahmenbedingungen, die wir jetzt haben und die jetzt gelten, auch anwenden und dass wir dazu stehen. Das unterscheidet uns, weil wir uns in der Jamaika-Koalition vorgenommen haben, keine Alleingänge in Schleswig-Holstein mehr zu machen und uns nicht abzusetzen von dem, was auf Bundesebene zurzeit an Gesetzen existiert. Diese Alleingänge helfen tatsächlich niemandem. Das unterscheidet uns. Deswegen vertraue ich auf die engagierte Arbeit unseres Innenministeriums. Ich glaube auch nicht, dass unser Staatssekretär Herr Geerdts von jedem Einzelfall genervt ist, der da kommt.
Ja, ich habe es gesehen. - Ich weiß, dass sich hier um jeden Einzelfall gekümmert wird und dass in jedem Einzelfall auch das Ermessen, das unter Umständen zählen kann, geprüft und ausgeführt wird. Aber wer dann im Einzelfall unter keinen dieser Gesichtspunkte fällt, dann ist das leider Gottes so, dass diese Menschen so lange, bis ein Einwanderungsgesetz da ist, unser Land verlassen müssen. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Wir haben uns
Sie haben ausgeführt, dass Sie sich in dieser Koalition mit der Landesregierung darauf verständigt haben, keine Alleingänge auf Bundesebene zu machen. Ich gehe dann davon aus, dass sich der Ministerpräsident dann hier nicht mehr zu bundespolitischen Dingen äußern kann oder wird.
- Das habe ich nicht gesagt; dann habe ich mich falsch ausgedrückt, was mir im Eifer des Gefechts passiert. Ich wollte sagen: Wir wollen keine Alleingänge aus Schleswig-Holstein mehr, was ein Moratorium angeht. Der Ministerpräsident hat zu keiner Zeit von einem Moratorium gesprochen.
Wir haben uns darauf verständigt, dass es dieses Moratorium nicht gibt. Natürlich darf sich der Ministerpräsident zu jedem Punkt äußern, den er für wichtig hält, und seine Meinung dazu sagen. Dann kommen wir hier zusammen und diskutieren darüber.
- Gut. - Also was ich damit sagen will: Da unterscheiden wir uns eindeutig. Wir haben eine klare Linie.
Wir machen das an anderer Stelle im Übrigen auch nicht. Wir haben viele Gesetzgebungsverfahren, die in der Warteschleife sind. Wir haben auch Gesetzgebungsverfahren außerhalb des Asylrechts, die für viele Menschen in unserem Land von großer Bedeutung sind, weil es ihnen hilft. Da sagen wir ja auch nicht, wir machen jetzt erst einmal ein Moratorium und schauen einmal, was passiert, bis das Gesetz endlich in Kraft ist. Wir haben da einen anderen Weg, aber ich weiß, dass sich hier im Innenministerium auf den unterschiedlichsten Ebenen um
jeden Einzelfall sehr bemüht und gekümmert wird. Das ist für Schleswig-Holstein schon sehr kennzeichnend und wird wahrscheinlich nicht überall so gemacht. Darauf vertraue ich, und so ist das.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was ein Rechtsanspruch ist, ist zu unterscheiden von dem, was man aus Vernunft, aus Humanität macht. Das sollte man nicht verquicken. Natürlich ist es die Frage einer politischen Einschätzung, was geboten ist, was man aus Vernunft und Humanität macht. Wir hatten in der Vergangenheit verschiedene Stichtagsregelungen, bei denen Menschen bleiben durften, die keinen Anspruch auf Asyl hatten. Wir reden also gar nicht über eine so große Besonderheit. Ich kann das in drei Minuten nicht alles aufzählen. Die Leute, die sich schon länger mit dem Thema beschäftigen, wissen genau, was ich an der Stelle meine.
Man kann versuchen, das formal zu überdecken oder zu sagen, das Land Schleswig-Holstein ist weit vorne. Das ist richtig. Wir sind hier nur ein Landesparlament; wir wollen das für die gesamte Bundesrepublik, weil es aus keinem Blickfeld einen Sinn macht, die Menschen, die Menschen Ausbildungsplätze geben - Handwerksmeister, kleine Geschäfte -, zu enttäuschen. Bei meinem Praktikum hatte ich auch ein Gespräch mit dem Tischlermeister, der das nicht verstehen konnte. Er hatte einen Lehrling, der zwei Jahre bei ihm war. Dann durfte er nicht mehr bleiben. Er sagte, der sei motiviert, der wollte zur Arbeit kommen, das würde ihn unterscheiden von ganz vielen anderen, die er noch zugewiesen bekommen würde. Ganz ehrlich? Natürlich macht man in solchen Fällen ein Moratorium, wenn man sagt: Wir wollen jetzt etwas abwarten, was solche Dinge, wie zum Beispiel einen Spurwechsel, regeln soll.
Es ist völlig sinnvoll zu sagen: Jetzt frieren wir den derzeitigen Zustand ein. Darum geht es beim Spurwechsel. Wenn Sie wirklich ernsthaft einen Spurwechsel wollen und sagen, Sie hätten sich noch nicht durchgesetzt - auch noch nicht in allen Teilen
der Union -, dann ist es logisch, dass man keine Fakten schafft, schon gar keine Fakten, die nachher den Menschen mitteilen, dass es alles umsonst war, was man gemacht hat.
Ich sage Ihnen eines: Ein kleiner Betrieb mit sieben bis acht Leuten wird sich zweimal überlegen, ob er noch einmal in halbwegs unsicheren Situationen Geld und Zeit in die Ausbildung junger Menschen investiert. Das ist doch die Botschaft, die zurzeit gesendet wird, und zwar für die zweifelhafte Symbolpolitik. Natürlich versteht die Bevölkerung es nicht, wenn gut integrierte Menschen aus ihrer Mitte abgeschoben werden, und es bei anderen, bei denen man Gefährdungslagen schon länger kennt, Abschiebehindernisse gibt. Es ist vollkommen richtig: Am leichtesten schiebt man die ab, die sich gut integriert haben, weil sie am leichtesten zu holen sind. Aber das kann doch nicht die Botschaft sein. Da können wir uns auch nicht hinter Rechtsvorschriften verstecken - ich bin kurz davor, es doch noch zu sagen. Wir öffnen einmal die ganzen Fälle aus den letzten Jahrzehnten, bei denen wir genau solche Regelungen trafen, weil wir gesagt haben: Von den Ergebnissen her ist das politisch nicht vertretbar. Wir machen hier Politik. Das ist etwas anderes als ein Auslegen von Vorschriften, so wie es einem gerade in den politischen Kram passt.
Lieber Herr Kollege Dolgner, da Sie nicht die Zeit haben, es auszuführen, aber darauf angespielt haben: Ist es erstens nicht zutreffend, dass die 3+2-Regelung ja auch eine rechtliche Regelung ist, die denjenigen, die in Ausbildung sind, Schutz geben soll, aber in Deutschland nicht überall angewandt wird, und ist es zweitens nicht zutreffend, dass sozialdemokratische Innenminister in Schleswig-Holstein genau solche Ausnahmeregelungen getroffen haben, weil es der Vernunft entsprach, gelegentlich übrigens ohne Zustimmung der zuständigen Bundesinnenminister?
Landesregierung eingeführte Härtefallkommission überhaupt auf dem Boden des Rechts stehe und ob die Entscheidungen nicht angreifbar wären. Damals gab es übrigens auch eine entsprechende Diskussion in diesem Zusammenhang. Ich gebe Ihnen vollkommen recht. 3+2 ist ein Kompromiss gewesen. Bislang hat mir noch niemand den Sinn von „+2“ erklären können. Bei 3+2 reden wir auch über andere Fälle, wenn sie am Ende von „+2“ sind; über die werden wir uns auch noch unterhalten müssen. Ich hoffe, dass bis dahin das Thema Einwanderungsgesetz geklärt ist, sodass wir nicht bei 3+2 die völlig schräge Frage beantworten müssen, warum jemand, der drei Jahre Ausbildung gemacht hat, zwei Jahre erfolgreich gearbeitet hat, Sozialversicherungsbeiträge zahlt und zu den demografischen Fällen zählt, aus Staatsraison abgeschoben werden muss. Diese Frage wird auch die CDU in den nächsten Jahren endlich einmal klären müssen.
Meine letzten zwei Sekunden sind für den Kollegen von der AfD. Es ist wirklich unglaublich. Sie gehen in ein Land, in dem der Staat für über 13.000 Hinrichtungen aus Gefängnissen verantwortlich ist. Darunter waren viele Journalisten. Sie erzählen hier etwas von Medienfreiheit, von Meinungsfreiheit und loben die Verhältnisse in einem Land, in dem das alles tatsächlich nicht gewährleistet ist.
Dort gibt es nämlich eine Diktatur. Übrigens wird Assad vom Iran unterstützt, und Sie erzählen mir ernsthaft, dass das eine laizistische Unterstützung ist. Entschuldigung, so viel Humor habe nicht einmal ich. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst weise ich zurück, Herr Staatssekretär Geerdts könne irgendwann einmal genervt sein.
Bei allem Respekt wundere ich mich schon ein bisschen, dass wir jetzt doch etwas erhitzt über ein Thema diskutieren, bei dem wir hier im Parlament eigentlich gar nicht so weit auseinander waren und sind. Ich stelle schon fest, wir haben eigentlich eine weitgehende Einigkeit darüber, dass wir dringend und überfällig ein Zuwanderungsgesetz brauchen, dass wir Fachkräfte für unser Land anwerben wollen, dass wir legale Zuwanderungswege ermöglichen wollen und dass wir integrierten Menschen eine dauerhafte Perspektive geben wollen.
Herr Dr. Stegner, ich war als Regierungschef heute auf einiges eingestellt, aber dass Sie die Landesregierung und auch mich dafür kritisieren, dass ich diese Position vertrete, hat mich schon ein bisschen überrascht. Dass ich im CDU-Präsidium dafür kritisiert worden bin, dass ich Ihre Position teile, konnte ich nachvollziehen.
Aber dass ich mich heute im Parlament Ihnen gegenüber ein Stück weit dafür rechtfertigen muss, dass wir Seite an Seite sind, ist eine neue Erfahrung. Ich sage eines sehr klar: Ideenklau - ich bekenne mich schuldig. Ich habe vor drei Wochen nichts anderes gemacht, als einmal in den Koalitionsvertrag von Jamaika hineinzuschauen und festzustellen, dass wir uns darauf verständigt haben, und habe diese Auffassung öffentlich geäußert.