Man hat sich in der Großen Koalition auf einen Entwurf verständigt, der viel zu kurz greift und nach wie vor daran festhält, für die Personenstandsänderung von den betroffenen Menschen medizinische Gutachten einzufordern. Damit bleibt ein großes Stück der Diskriminierung erhalten. Wir Grüne finden das falsch und wünschen uns ein echtes Selbstbestimmungsgesetz.
Als Nichtbetroffener kann man sich kaum vorstellen, was für ein Leid für betroffene Personen dahinter steckt, was es bedeutet, sich immer wieder beweisen zu müssen und durch die Vorlage von unnötigen und auch teuren medizinischen oder psychologischen Gutachten seine eigene Situation erklären zu müssen. Deshalb ist es gut, dass wir heute erneut über diese Fragen sprechen.
Wir glauben, dass es viele Länder auch um uns herum gibt, die diese Fragen besser lösen. Das betrifft beispielsweise Skandinavien, wo es durch unbürokratischere Verwaltungsverfahren möglich ist, den Personenstand zu verändern, aber auch Argentinien. Dort ist eine freie selbstbestimmte Wahl einfach nur aufgrund des inneren und individuellen Erlebens entscheidend. Dieses Gesetz in Argentinien gibt es seit 2012. Das ist etwas, was für uns Grüne auch das Ziel für Deutschland sein sollte.
Wir glauben aber auch, dass wir in Schleswig-Holstein da eigentlich gar keinen Nachholbedarf mehr haben. Wir haben diese Frage hier mehrfach im Haus diskutiert. Innerhalb der demokratischen Parteien waren wir uns in diesen Fragen immer sehr einig. Dieser Antrag heute bedeutet noch einmal Rückendeckung für die Aktivitäten, die Minister Garg auf Bundesebene sowieso schon unternimmt. Wir haben deshalb überhaupt kein Problem damit, dass wir jetzt noch einmal Anträge dazu beraten. Wir glauben aber, dass die Baustellen, auf denen
man für politische Mehrheiten kämpfen muss, nicht bei uns im Haus, sondern im Deutschen Bundestag bestehen. Es liegt jetzt an den Bundestagsfraktionen - du hast es auch schon gesagt, liebe Serpil - von CDU/ CSU und SPD, dafür zu sorgen, dass die Gesetze so werden, wie es die Verbände möchten, dass die Regelungen so werden, wie es sich der Bundesrat zumindest viele Bundesländer wünscht, und nicht so, wie sie Horst Seehofer gerade in das Verfahren geschickt hat.
Wir können sehen, dass es im aktuellen Verfahren auch bereits eine ganze Reihe von Gesetzentwürfen gibt, die besser sind. Es gibt dazu Vorlagen vom Bundesrat und auch von der Bundestagsfraktion der Grünen, die schon vor Jahren einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, der vieles von dem berücksichtigt, was wünschenswert wäre und sich auch die SPDFraktion hier in diesem Haus wünscht. Es gibt außerdem einen Gesetzentwurf des Instituts für Menschenrechte, der ganz, ganz stark ein Selbstbestimmungsrecht wäre.
Deshalb würden wir uns freuen, wenn wir die Anträge heute in die Ausschüsse überweisen, um das noch einmal dazu zu nutzen, mit den Verbänden zu sprechen. Die Verbände wie Trans SH und auch HAKI sagen uns: Ihr in Schleswig-Holstein seid hier gut positioniert. Wir können uns auf jede einzige demokratische Partei verlassen, aber wir haben auch etwas davon, wenn ihr euren Einfluss auf Bundesebene ausübt.
Gerade weil wir das machen sollten und die GroKo-Fraktionen hier im Haus weiter sind als auf Bundesebene, würden wir gern noch einmal in den Dialog gehen. Wir sollten die Ausschussberatung dazu nutzen, die Verbände noch einmal einzuladen, um zu schauen, wie wir die Stimmung auf Bundesebene noch kippen können. Das ist der Grund für die Ausschussüberweisung. Ich würde mir wünschen, dass wir das gemeinsam hinbekommen. Vielen Dank.
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zugehörigkeit eines jeden Menschen zu einem bestimmten Geschlecht ist eine höchst intime und persönliche Frage, die jeder für sich selbst, frei und selbstbestimmt beantworten muss. Nun ist es hinlänglich bekannt, dass sich das Geschlecht nicht ausschließlich in männlich und weiblich unterteilen lässt, sondern durchaus unterschiedlich sein kann, auch wenn das für einige immer noch nicht in ihr veraltetes Weltbild passen will.
Dies hat im Oktober letzten Jahres auch das Bundesverfassungsgericht anerkannt und die Bundesregierung aufgefordert, neben weiblich und männlich eine dritte Option ins Personenstandsrecht aufzunehmen. Dem ist die Große Koalition auf Bundesebene vor einiger Zeit formal nachgekommen, hat aber nach meinem Empfinden eine historische Chance vertan. Denn es ist weiter vorgesehen, dass Menschen, die ihr Geschlecht ändern lassen wollen, eine langwierige medizinische Begutachtung vorweisen müssen.
So werden trans- und intersexuelle Menschen in unserem Land bedauerlicherweise weiter diskriminiert, indem man versucht, eine zutiefst persönliche und subjektive Entscheidung anhand von medizinischen Einstufungen zu objektivieren. Kein Arzt, keine Ärztin und erst recht nicht der Staat sollte die Letztinstanz sein, darüber zu entscheiden, welchem Geschlecht sich ein Mensch selbst zugehörig fühlt. In einem liberalen Staat muss die Denke von den betroffenen Menschen ausgehen und nicht vom potenziellen rechtlichen Missbrauch einer Neuregelung.
Die GroKo hat in letzter Zeit ordentlich Schlagzeilen gemacht, und sie hätte es sicherlich auch weiter gemacht, wenn der Entwurf von Horst Seehofer beibehalten worden wäre. Man kann froh sein - das wurde gerade ausgeführt -, dass sich Frau Barley, die Bundesjustizministerin, ins Zeug gelegt und den Vorschlag „anders“, den es zuerst gegeben hat und der von den Betroffenen zu Recht als abwertend empfunden wurde, abgelehnt hat, sodass nun „divers“ drinsteht.
Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat durch die beschlossenen Drucksachen 18/4842, Rechte von trans- und intersexuellen Menschen stärken, und 19/752, Bundesratsinitiative für ein Gesetz zur Anerkennung der Geschlechtsidentität von transsexuellen und intersexuellen Menschen, eine ziemlich klare, eine ziemlich liberale Haltung. Solange das Geschlecht von staatlichen Stellen erhoben wird,
bedarf es eines Verwaltungsverfahrens, um dies festzustellen, festzuhalten oder zu ändern. Eines diskriminierenden ärztlichen Begutachtungsverfahrens hingegen bedarf es nicht zwingend. An vorderster Stelle sollte aus liberaler Sicht ausschließlich die selbstbestimmte Entscheidung der jeweiligen Person stehen.
Wir Freie Demokraten bekennen uns weiterhin zur vollständigen Gleichstellung aller Menschen, egal welchem Geschlecht oder welcher Sexualität sie angehören. Hiervon sind wir allerdings noch weit entfernt. Daher müssen wir uns auf allen Ebenen auf Landesebene, auf Bundesebene, auf kommunaler Ebene - dafür einsetzen und dafür kämpfen, dass es allen Menschen in unserem Land ermöglicht wird, ihr Leben auf ihre Art und Weise zu führen, so, wie sie es selber möchten, wie sie sich selber entscheiden.
Der Auftrag, der im SPD-Antrag enthalten ist, sich für die Gleichstellung von Inter- und Transsexuellen auf Bundesebene einzusetzen, besteht. Durch die erwähnten Beschlüsse des Landtags bestand der Auftrag bereits, und durch die Unterstützung der Bundesratsinitiative aus Rheinland-Pfalz, Drucksache 226/18, hat die Landesregierung durch Minister Heiner Garg im Rahmen ihrer Möglichkeiten geliefert.
Insofern könnten wir sagen, es wurde auf Landesebene doch schon viel gemacht. Ja, es macht aber sicherlich auch Sinn, nachdem wir schon häufiger im Sozialausschuss darüber diskutiert haben, die beiden vorliegenden Drucksachen an den Innenund Rechtsausschuss und mitberatend den Sozialausschuss zu überweisen. Da können wir die Verbände dazu anhören, die sicherlich auch im Innenund Rechtsausschuss gehört werden möchten. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich habe eben ein bisschen zu schnell „geschossen“. Die Landjugend Schleswig-Holstein war eben noch gar nicht zu Gast; da kann sich dann jemand anderes geehrt fühlen. Ich begrüße also erst jetzt ganz herzlich die Landjugend Schleswig-Holstein
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Tribüne! Beim Geschlechtseintrag „divers“ lag der Fokus bislang auf Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung. Die SPD beantragt nun, dass der Geschlechtseintrag „divers“ künftig allen Menschen offenstehen soll, und zwar unabhängig von einer ärztlichen Diagnostik. Voraussetzung hierfür soll die sogenannte subjektive Geschlechtsidentität der betroffenen Person sein.
Was genau das ist, lässt der Antrag offen. Ich erspare Ihnen das Googlen und zitiere mit Ihrer Erlaubnis einmal, was die Hirschfeld-Eddy-Stiftung dazu 2008 veröffentlicht hat:
„Unter ‚geschlechtlicher Identität‘ versteht man das tief empfundene innere und persönliche Gefühl der Zugehörigkeit zu einem Geschlecht, das mit dem Geschlecht, das der betroffene Mensch bei seiner Geburt hatte, übereinstimmt oder nicht übereinstimmt.“
Geschlechtsidentität hat also nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun, sondern allein mit der subjektiven Wahrnehmung. Wer sich als Mann fühlt, dessen Identität ist männlich, wer sich als Frau fühlt, dessen Identität ist weiblich, und wer sich weder als Mann noch als Frau fühlt, dessen Geschlechtsidentität ist „divers“. Das ist der vorgeschlagene Terminus.
Nun ist Gefühl etwas Privates, und wie jemand sein Geschlecht auslebt, ist unbedingt jedem selbst überlassen. Aber heute geht es um ein Dokument, ein vom Staat ausgestelltes Dokument, und das ist eben nicht nur privat. Was wäre personenstandsrechtlich betrachtet die Konsequenz, wenn künftig jeder nach Gefühl das Geschlecht „divers“ eintragen lassen könnte?
- Nein, das würde nicht jeder machen; das ist ein Gedankenspiel. - Es würde nicht weniger als die generell freie Wahl über das eigene Geschlecht bedeuten. Wer die Wahl hat, „divers“ als Geschlecht eintragen zu lassen, wenn er sich danach fühlt, dem kann man auch nicht verwehren, dass er sich zu ei
nem späteren Zeitpunkt, und zwar wieder unabhängig von einer medizinischen Diagnose, als Mann oder Frau eintragen lässt. - Herr Garg, Sie lächeln, ist das nicht konsequent? - Doch, das ist es.
Entscheidend dafür, dass wir den SPD-Antrag ablehnen, ist jedoch ein ganz anderer Grund. Er würde die Tür einmal mehr in Richtung Beliebigkeit aufstoßen, denn beliebiges subjektives Empfinden wäre mehr wert als die Realität biologischer Fakten.
Wenn man dieses Prinzip gesetzlich erst einmal eingeführt und damit zum staatlichen Handeln erhoben hat, zöge das Konsequenzen nach sich. Dabei geht es nur vordergründig um rechtliche Fragen, Abstammungsrecht, Eheund Lebenspartnerschaftsrecht, Regelungen zum Mutterschutz oder auch Quotenregelungen.
Natürlich kann man diese Fragen theoretisch beantworten, und ich erspare uns jetzt, wie die Antworten darauf aussehen; darum geht es nicht. Es geht um mehr als um rechtliche Fragen, es geht um Deutungshoheit, es geht um Sprache, und es geht um Weltanschauungsfragen. Übergeordnet würde die Frage lauten, ob die Unterscheidung von Menschen in die Kategorie Frau oder Mann künftig überhaupt noch notwendig oder obsolet wäre.
- Genau. - Wir wissen alle, dass sich viele Vorkämpfer der selbstbestimmten Geschlechtsidentität dafür einsetzen und hierzu bewusst der Sprache bedienen. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis einmal Lann Hornscheidt:
- Fragen Sie sie doch, wer sie ist. Sie kommt übrigens aus Kiel. - Das Geschlecht soll nicht mehr erkennbar sein, deswegen geschlechtsneutrale Vornamen, deswegen auch Studierende, zu Fuß Gehende, deswegen im Landtag auch manchmal die Pause bei „BesucherInnentribüne“.
Jüngstes Beispiel sind die Neuregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch. Hier werden gerade Vater, Mutter, Ehefrau, Ehemann durch genderneutrale Begriffe ersetzt. Das kann man fortschrittlich finden.
Die SPD tut das. Es reicht ihr nicht mehr, dass intersexuelle Menschen unter dem Geschlecht „divers“ eingetragen werden können. Daran rüttelt auch niemand.