Protokoll der Sitzung vom 26.09.2018

(Beifall SSW, SPD und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Wolfgang Baasch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, auch diese Debatte macht deutlich, dass Bekenntnisse

(Jette Waldinger-Thiering)

zur Inklusion notwendig sind und auch bleiben. Vielleicht sind wir in einigen Bereichen auch gar nicht so weit auseinander, dennoch ist es immer wieder erforderlich, Inklusion auch als Thema hier im Landtag zu diskutieren.

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte versuchen, den Blick ein bisschen über den Bildungsbereich hinaus zu lenken. Inklusion bedeutet die vollständige und gleichberechtigte Möglichkeit, an allen gesellschaftlichen Entscheidungen und Prozessen von Anfang an teilzunehmen. Inklusion bedeutet, dass die erforderliche Unterstützung für die Teilhabe gewährleistet werden muss. Inklusion ist eine Umwelt, die barrierefrei von Menschen mit und ohne Behinderung genutzt werden kann. Inklusion bedeutet, dass Menschen mit Behinderung die Verantwortung in ihrem Leben und in der Gesellschaft selber tragen. Sie wollen ihre Interessen selbstverantwortlich wahrnehmen und selbstbestimmt vertreten. „Nicht ohne uns über uns“ ist ein Leitmotiv aus der Behindertenarbeit beziehungsweise aus der Selbstvertretung der Menschen mit Behinderung.

Das Fundament für die Umsetzung dieser Rechte bildet die UN-Behindertenrechtskonvention, ein Gesetz, das auch unser politisches Handeln und Entscheiden leiten muss. Das gilt auch für den Bildungsbereich. Man kann aber feststellen, dass wir auch im zehnten Jahr nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention von der umfassenden Teilhabe von Menschen mit Behinderung noch weit entfernt sind. Die Umsetzung wird zwar nicht grundsätzlich infrage gestellt, aber es werden immer wieder finanzielle Hürden oder zeitliche Barrieren für Menschen mit Behinderung aufgebaut. Ich finde, das ist nicht mehr hinzunehmen. Es geht nicht mehr nach dem Motto „erst das und dann so“, sondern es geht darum, das umzusetzen.

(Beifall SSW)

Die Menschen mit Behinderung, und das gilt auch für die Schülerinnen und Schüler in der Schule, haben ein Recht auf Teilhabe. Sie haben ein Recht auf Inklusion, und dieses Recht dürfen wir Ihnen nicht länger vorenthalten, ansonsten frustrieren wir die Menschen, und wir sind nicht in der Lage, die adäquaten Lösungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung aufzuzeigen. Deswegen ist es aus meiner Sicht richtig, hier zu diskutieren. Vielleicht ist es auch wieder an der Zeit, den Runden Tisch „Inklusion“ einzuberufen.

(Beifall SPD und SSW)

Das Wort für die Landesregierung hat die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Karin Prien.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schaumschlägerei hin oder Schaumschlägerei her, ich denke, Herr Baasch hat recht, dass es gut ist, dass der Landtag die Gelegenheit wahrnimmt, über das Thema Inklusion heute zu diskutieren. Das gehört hier in diesen Landtag, das gehört häufiger in den Landtag. Dafür bin ich dankbar. Ich bin auch deshalb dankbar, weil es eine gute Gelegenheit ist, all denjenigen, die jeden Tag in den Schulen zum Thema Inklusion hart arbeiten - die Lehrkräfte, die Sonderpädagogen, die Schulassistenten, die Schulbegleiter und die Schulpsychologen -, für all das, was sie jeden Tag leisten, danke zu sagen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Dr. Frank Bro- dehl [AfD])

Das will ich ganz bewusst an den Anfang meiner Rede stellen.

Meine Damen und Herren, worum geht es bei der Inklusion? - Lassen Sie mich eine Definition der KMK aus Oktober 2011 zugrunde legen. Es geht um ein höchstmögliches Maß an gleichberechtigter Teilhabe von Menschen mit Behinderung an Bildung. Unser Schulgesetz greift in § 5 Absatz 2 diese Definition der KMK auf und sagt - ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten -:

„Schülerinnen und Schüler sollen unabhängig von dem Vorliegen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs gemeinsam unterrichtet werden, soweit es die organisatorischen, personellen und sächlichen Möglichkeiten erlauben und es der individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf entspricht...“

Das bedeutet gemeinsamer Unterricht unter Ressourcen- und Qualitätsvorbehalt mit Blick auf das einzelne Kind. Darauf, meine Damen und Herren, richten wir unsere Politik aus. Dazu gehört auch festzustellen, dass die Inklusionsquote allein noch nichts über die Qualität von Inklusion aussagt und dass die Quote allein nicht dazu führt, mehr Teilhabe zu realisieren.

(Wolfgang Baasch)

Aber genau das ist unsere Aufgabe, das ist das, was Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention von uns fordert: die konsequente Verbesserung der Teilhabe an Bildung von Menschen mit Behinderung. Die entsprechende Norm der Behindertenrechtskonvention zeigt uns allerdings nicht den konkreten Weg auf. Es ist die Verantwortung der Staaten, in diesem Fall der Bundesländer, die Umsetzung vorzunehmen. Ja, natürlich ist Inklusion ein Menschenrecht, aber allein die moralische Aufladung dieses Programmsatzes hilft an dieser Stelle nicht weiter, sondern es geht ganz konkret darum, wie man dieses Ziel erreicht. Da gibt es eben nicht den einen einfachen Weg zur Inklusion, der etwa im Völkerrecht festgeschrieben wäre. Das Völkerrecht beschreibt den Weg nicht. Wir sind in einem schwierigen, herausfordernden Prozess.

Die UN-Behindertenrechtskonvention sagt zum Beispiel nichts über ein uneingeschränktes Elternrecht, nichts über eine flächendeckende Schule für alle und schon gar nichts über die Abschaffung von Förderzentren. Darauf weist im Übrigen auch der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung, Herr Professor Hase, in seinem siebten Bericht über die Situation behinderter Menschen in SchleswigHolstein zu Recht hin. Ich denke, das ist weise.

Wir sind also gefordert, den Einzelfall zu betrachten und abzuwägen, was für den einzelnen Schüler und die einzelne Schülerin jeweils das Beste ist. Das geschieht, meine Damen und Herren, in Schleswig-Holstein mit großer Ernsthaftigkeit der Beteiligten, einschließlich ihrer Eltern: so viel gemeinsame Beschulung wie möglich, so wenig getrennte Beschulung wie nötig, Kleingruppen dort, wo es nötig und für das einzelne Kind förderlich ist.

Meine Damen und Herren, wir brauchen hierzu eine ehrliche Debatte, keine moralisierende Scheindebatte, die die Realität ausklammert. Wir brauchen auch keine ideologische Debatte. Über dieses Stadium sind wir längst hinweg.

Wir müssen mit Betroffenen, mit Fachleuten, mit Eltern und Lehrkräften, den Jugendämtern, den Kreisen und der Wissenschaft sprechen, wie wir die schulische Inklusion qualitativ und - das betone ich an dieser Stelle ausdrücklich - rechtskreisübergreifend weiterentwickeln können. Dabei müssen wir auf einheitliche Standards im Land drängen und von Best-Practice-Beispielen lernen. Das tun wir auch, meine Damen und Herren. Darum geht es, und damit entsprechen wir der UN-Behindertenrechtskonvention. Das ist die Grundlage unseres politischen Handelns.

(Beifall CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Wahrheit ist doch auch, dass an unseren Schulen in Schleswig-Holstein trotz unstreitig zu schlechter Personalausstattung, trotz fehlender früher Diagnostik, trotz suboptimaler Verzahnung der Hilfesysteme bisher an vielen Stellen Inklusion gut gelingt. Das ist der hohen Professionalität und auch - das will ich deutlich sagen - der Hingabe vieler Beteiligter geschuldet. Dafür an dieser Stelle noch einmal ein ausdrücklicher Dank.

(Beifall CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine bessere Unterstützung durch funktionierende Konzepte. Abläufe müssen besser koordiniert werden. Die räumlichen Bedingungen vor Ort müssen stimmen. Das heißt in Schleswig-Holstein und in ganz Deutschland, sie müssen verbessert werden. Daran arbeiten wir. Zur Personalausstattung und zu den Ausbildungskapazitäten ist viel gesagt worden. Wir brauchen auch bessere Lösungen für Kinder mit starken sozial-emotionalen Störungen. Auch das muss man an dieser Stelle einmal aussprechen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und AfD)

Ich glaube, wir sind im Grunde bei vielen Fragen einer Auffassung. Wir sind quantitativ weit gekommen; qualitativ haben wir große Herausforderungen vor uns. Wir arbeiten zurzeit gerade an einer entsprechenden Bestandsaufnahme, die dann Grundlage für ein neues Inklusionskonzept sein wird.

Selbstverständlich tagt der Runde Tisch wieder. Der Termin steht. Wir werden uns in diesem Jahr ein weiteres Mal treffen; wir werden uns im nächsten Jahr dreimal treffen. Also auch insoweit kann ich Sie beruhigen. Wir haben viel Expertise im Land, in Theorie und Praxis. Wir werden diese zusammenbringen, wir werden diese nutzen. Wir haben eine große Aufgabe vor uns. Ich freue mich darauf, sie auch gemeinsam mit Ihnen hier im Landtag weiter voranzubringen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [AfD] und Dr. Frank Brodehl [AfD])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung in der Sache.

(Ministerin Karin Prien)

Wer dem Antrag Drucksache 19/944 (neu) 2. Fassung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD und die Abgeordneten des SSW. Wer ist dagegen? - Das sind alle anderen Fraktionen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags Schülerinnen und Schüler der Ernst-Barlach-Gemeinschaftsschule aus Wedel. Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Landesfischereigesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 19/677

Bericht und Beschlussempfehlung des Umwelt- und Agrarausschusses Drucksache 19/945

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich erteile zunächst dem Herrn Berichterstatter des Umwelt- und Agrarausschusses, dem Abgeordneten Oliver Kumbartzky, das Wort, der schon ganz gespannt darauf wartet.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ja, ich bin auch ein bisschen aufgeregt. - Ich verweise auf die Vorlage.

(Heiterkeit und Beifall FDP)

Herr Abgeordneter, so kennen wir Sie. Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Berichterstattung.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Jan Philipp Albrecht.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das zentrale Ziel des Gesetzentwurfs der Landesregierung war und ist es, die Kontrolle und Durchsetzung von EU-rechtlich beschlossenen Regelungen zur Freizeitfischerei zu gewährleisten. Dieses Ziel wird nach wie vor erreicht. Gegenüber

dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Landesregierung, einer Ergänzung der Ermächtigung in § 30, soll nun stattdessen eine Ergänzung des § 46, also des Ordnungswidrigkeitenparagrafen, erfolgen. Diese Änderung ermöglicht es, EU-Recht eins zu eins umzusetzen. Insofern schließt sich die Landesregierung der Empfehlung des Ausschusses gern an.

In Erwartung der heutigen Beschlussfassung möchte ich Sie darüber informieren, dass mein Haus gerade die erforderlichen Ergänzungen der Küstenfischereiverordnung im Hinblick auf die Tagesfangbeschränkungen, das sogenannte Bag-Limit, bei der Freizeitfischerei auf Dorsch in der Ostsee vorbereitet. Für die Oktober-Sitzung der EU-Fischereiminister wird ein Beschluss über die Höhe der ab 2019 geltenden Tagesfangbeschränkungen erwartet. Sobald dieser Beschluss bekannt ist, werde ich die sofortige Umsetzung in der Küstenfischereiverordnung veranlassen, sodass die Durchsetzung des neuen EU-Bag-Limits in Schleswig-Holstein ab Anfang 2019 sichergestellt wird.

An der Kontrolle zur Durchsetzung der Tagesfangbeschränkungen können sich dann zukünftig auch die gut ausgebildeten Fischereiaufsichtsassistenten der oberen Fischereibehörde selbstständig beteiligen. Dies wird die Durchsetzung gegenüber den zigtausend Anglern auf der Ostsee erleichtern.

Zusammen mit dem Landesfischereigesetz wurde im parlamentarischen Verfahren auch eine notwendige Anpassung im Landesnaturschutzgesetz an Bundesrecht vorgenommen. Auch dafür möchte ich dem Parlament ausdrücklich danken. Sie geben damit den Naturparks in Schleswig-Holstein den notwendigen rechtlichen Rahmen, um ihre wertvolle Arbeit fortzusetzen.