Protokoll der Sitzung vom 27.09.2018

Bildungsfernsehen? Ich frage mich: Was meinen Sie eigentlich damit?

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

Was meinen Sie mit Information, Bildung und Kultur? - Was Sie sich unter Information vorstellen, haben wir gestern in der Aktuellen Stunde gesehen. Sie haben kein Interesse an einer aufklärerischen Information. Aber nehmen wir einmal das Bildungsfernsehen: Was versteht eigentlich die AfD unter Bildung?

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

Ich stelle mir das in etwa so wie die Veranstaltung „Fraktion im Dialog“ vor, die hier seitens der Frak

tion der AfD in der letzten Woche stattgefunden hat, als ein Referent des sogenannten Europäischen Instituts für Klima & Energie referierte. Das klingt erst mal hochseriös; irgendwie klingt das nach etwas. Das Problem ist, dass dieses angebliche Institut an keine Hochschule angebunden ist. Es ist ein eingetragener Verein. Es gibt keinerlei fachwissenschaftliche Veröffentlichungen dieser Person. Geleitet wird dieses Institut für Klima & Energie von einem Historiker. Ist Ihr Verständnis vom Bildungsauftrag also, dass solch klimaleugnerische Bildungspolitik am Ende des Tages auch noch in unsere Fernseher hineingeschwemmt wird?

(Zuruf Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Da vertraue ich lieber Lesch und anderen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Dann wollen Sie, dass die Spartensender verschwinden. Immer wieder wird auf die Spartensender Bezug genommen. Ehrlicherweise muss man sagen: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist für alle da. Was ich gucke, läuft viel häufiger auf ZDFneo und auf funk als auf ZDF und 3sat. Diese Spartensender haben eine gesellschaftliche Relevanz. Wenn Herr Schnurrbusch hier eben beschrieben hat, was er für berichtenswert und interessant hält, möchte ich Ihnen sagen: Wir haben nicht die gleichen Interessen. Das ist auch gut so. Genau dafür ist der öffentliche Rundfunk da.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Wenn es um den Sport geht, kann ich ja verstehen, dass dafür zu viel Geld ausgegeben wird und das ärgerlich ist. Da kann man versuchen, andere Modelle zu finden. Ich finde es allerdings befremdlich, dass Sie damit zufrieden sind, dass die Kielerinnen und Kieler das letzte Spiel der Saison von Wolfsburg gegen Holstein Kiel nicht gucken konnten, wenn sie dafür kein Geld ausgeben wollten. Das halte ich nicht für ein cooles Vorgehen, sondern hätte es tausendmal lieber gehabt, wenn das im öffentlichen Rundfunk übertragen worden wäre. Das Gleiche gilt auch für die Europameisterschaft in Deutschland 2024.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Worum es Ihnen im Kern wirklich geht, sind der Journalismus und die Frage: Wie halten wir es eigentlich mit der Kritik? Natürlich sind wir nicht immer alle glücklich, wie berichtet wird, halten etwas

(Lasse Petersdotter)

für nicht akkurat genug, glauben, man könnte doch mehrere Perspektiven einbinden, man hätte doch mehr ins Detail gehen können, und teilweise schmerzt die Kritik, auch wenn sie zutrifft. Der Maßstab, wie demokratisch wir als Politikerinnen und Politiker sind, bemisst sich daran, wie wir mit solcher Kritik aus der Presse umgehen, dass wir sie ohne Diskussion aushalten und dazu stehen, dass wir kritisiert werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Jörg Hansen [FDP])

Letzten Endes ist Ihre Partei die einzige, die dagegen aktiv vorgeht. Sie sind die einzige Partei, die Beschlüsse dazu gefasst hat, unliebsame Presse bei kritischen Anträgen auf einem Parteitag ausschließen zu können. Das macht seit 70 Jahren keine andere Partei; da sind Sie die Ersten, die das wieder für sich entdeckt haben. Genau da sehen wir den Demokratiecharakter Ihrer Partei und Ihrer Medienpolitik. Unser Charakter ist, dem nicht zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Jan-Marcus Rossa das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag startet die AfD in diesem Parlament ihren Angriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

(Jörg Nobis [AfD]: Schon die zweite Runde!)

Vordergründig setzt sich die AfD für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein, der gegenüber privatwirtschaftlichen Anbietern ein qualitativ höherwertiges Programm anbieten und nur auf Sport- und Unterhaltungssendungen verzichten soll. Das klingt harmlos, genauso wie die Rede des Kollegen Schnurrbusch, aber so arglos sind wir nun einmal nicht.

Die Differenzierung zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk einerseits und privatwirtschaftlichen Medien andererseits in dem Antrag ist bemerkenswert. Darin kommt nicht nur Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum Ausdruck, sondern es wird behauptet, privater Rundfunk sei von Natur aus qualitativ minderwertiger. Das ist schon eine schräge Sichtweise, die Sie hier offenbaren.

(Beifall FDP, CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Anmaßend ist es aber, dass sich die AfD auf die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bezieht, um den Eindruck zu erwecken, sie wolle eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf der Grundlage verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung diskutieren. Aber die Haltung der AfD und ihre Ziele für die Gestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks befinden sich keineswegs in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung unseres Verfassungsgerichts. Ganz im Gegenteil, Sie verfolgen das Ziel, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zuerst zu schwächen und dann in der Bedeutungslosigkeit verschwinden zu lassen. Liebe Kollegen von der AfD, das werden wir zu verhindern wissen.

(Beifall FDP, CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre wirklichen Ziele und Motive teilen Sie uns zwar nicht in Ihrem Antrag mit, aber wir können ja auf Sekundärquellen zurückgreifen, die Ihre wahren Absichten enttarnen. In diesem Parlament bezeichneten Sie die Medien in unserem Land als „Lügenpresse“ und stellten infame Behauptungen auf, zum Beispiel, zwischen der Berichterstattung in den „Tagesthemen“ und der „Aktuellen Kamera“ im DDR-Fernsehen gebe es keinen Unterschied.

Dass es sich hier nicht um eine Einzelmeinung des Abgeordneten Nobis handelt, der sich schon häufiger durch fragwürdige und auch geschmacklose Äußerungen ausgezeichnet hat, entlarvt das Bundeswahlprogramm der AfD. Dort können wir nachlesen, dass die AfD eine neue Medienordnung will. Es soll keinen Rundfunkbeitrag mehr geben, und das öffentlich-rechtliche Fernsehen soll nur noch als Bezahlfernsehen existieren. Wer nicht Abonnent ist und nicht zahlt, soll auch keinen Zugang zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen haben.

Ganz ehrlich, diese Idee ist so absurd und so verfassungswidrig, dass sich weitere Ausführungen zu Ihren Fernzielen erübrigen.

(Beifall FDP, CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie zeigen aber, dass es Ihnen nicht um Meinungsund Medienfreiheit geht, sondern um Desinformation und die Beschneidung der Meinungsfreiheit, weil Ihnen die Berichterstattung in vielen Medien nicht passt. Sie fangen mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk an, und Sie werden bei den privaten Medien dann sicherlich nicht haltmachen.

(Lasse Petersdotter)

Dass die AfD ein völlig gestörtes Verhältnis zu den Medien hat, offenbart sich immer wieder bei unterschiedlichen Gelegenheiten. Auch Ihr Bundesvorsitzender hat sich Anfang des Jahres entlarvend zu Rundfunk- und Pressefreiheit geäußert. Auf der Homepage der Bundes-AfD hat er schwadroniert, der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe eindrucksvoll bewiesen, dass dessen Zwangsfinanzierung jeder Grundlage entbehre. Er meinte weiter, dass es nicht sein könne - ich zitiere wörtlich mit Verlaub -, „dass sämtliche Bürger genötigt werden, mit ihrem Geld die krankhaften Halluzinationen linker Propagandisten auch noch zu vergüten“.

Es ist unfassbar, was und wie Sie sich äußern. Sie sind nicht nur respektlos, sondern Sie fordern die Zensur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Mit solchen Äußerungen zeigen Sie nicht nur einen Mangel an Zivilisierung, sondern Sie verfolgen ganz offen demokratiefeindliche und totalitäre Ziele.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir werden hier - und hoffentlich nicht nur hier gemeinsam diesen Bestrebungen entschieden entgegentreten. Wir treten hier und heute gemeinsam über die Fraktionsgrenzen hinweg für Medienfreiheit und Medienvielfalt ein. Die Medien sind ein Grundpfeiler unserer Demokratie, und sie stärken die Demokratie. Es mag uns nicht immer gefallen, was und wie über uns berichtet wird, aber das ist ja auch nicht deren Aufgabe. Die Medien haben objektiv über die Dinge zu berichten.

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

Das ist für unsere Gesellschaft wichtig. Sie können sich mit den Medien auseinandersetzen. Herr Nobis, bei Ihren Schmähungen übersehen Sie aber, dass Sie es sind, der den Anlass für kritische Berichterstattung über die AfD setzt. Es ist nicht umgekehrt.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich halte es für richtig und wichtig, dass über Ihre fragwürdigen Ziele und über die zahlreichen Halbund Unwahrheiten, die Sie äußern, kritisch berichtet wird. Wir brauchen einen starken öffentlichrechtlichen Rundfunk genauso wie starke private Medien. Sie haben die Aufgabe, unabhängig und überparteilich zu berichten, und sie leisten damit einen ganz wesentlichen Beitrag für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Das soll so bleiben. Deshalb treten wir für Meinungsfreiheit, Mei

nungsvielfalt und Medienvielfalt ein. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich dem Vorsitzenden Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es mag nicht allzu überraschend sein, aber bei einer Sache können wir nach nur einem Jahr sicher sein: Die Vorstöße der AfD gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind nur allzu vorhersehbar: Inhalte begrenzen, Mittel entziehen, seine Attraktivität einschränken und eigentlich am liebsten abschaffen, was nicht irgendwie privatwirtschaftlich arbeitet.

Der erste Punkt ist der Ruf nach einer grundlegenden Reform, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dahin gehend in seinem Programm beschränkt, dass er nur noch Informations-, Bildungs- und Kulturformate sendet. Besonders die Sportberichterstattung ist der AfD ein Dorn im Auge. Mich wundert das nicht: Sie haben noch nie fairen Sportsgeist gezeigt, aber eines verrate ich Ihnen schon vorab nehmen Sie es als gut gemeinten Tipp -: Wenn Sie den Deutschen den Fußball nehmen wollen, dann bringen sie das Volk wirklich gegen sich auf.

(Beifall Bernd Heinemann [SPD] und Chri- stopher Vogt [FDP])

Der Sport ist Teil der öffentlich-rechtlichen Fernsehlandschaft, und dazu gehört die Live-Übertragung großer Ereignisse: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist dabei - anders als die Privaten - angehalten, die Sportrechte zu vernünftigen Preisen einzukaufen. Deswegen sehen wir beispielsweise die Champions League nicht im ZDF, noch nicht einmal als Zusammenfassung am späten Abend. Eigentlich müsste man hier wie in anderen Ländern eher darüber nachdenken, dass Sportereignisse, wenn nicht live, dann doch zumindest als Zusammenfassung Teil des öffentlichen Auftrags der Rundfunkanstalten und damit kostenlos sein müssen. Was die Öffentlich-Rechtlichen aber auch ausgezeichnet leisten können - das ist wirklich eine sinnvolle Sache -, ist, dass sie über Doping und Korruptionsfälle diskutieren und problematisieren, wie die Auswahl der Austragungsorte abläuft. Hieran wollen wir nicht rütteln.

(Jan Marcus Rossa)

Der zweite Punkt ist der, dass Spartensender eingestellt werden sollen, Spartensender wie beispielsweise ZDFinfo oder ZDFkultur, ausgewiesene Bildungs- und Kultursender, die eigentlich behalten werden sollen, so denke ich, weil Sie doch Bildung und Kultur haben wollen.

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Aber nicht dreimal!)