Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

Da Sie sich aber auf diese Zahl - das hat die letzte Debatte vor einigen Wochen gezeigt - nicht konkret festlegen lassen wollen, ist schon klar: Das ist nur der Anfang. Ich denke dabei nicht einmal an den Familiennachzug, der früher oder später folgen wird, sondern wenn man das ganze Bild betrachtet, wird schnell klar, wohin die Reise gehen soll.

(Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Lars Harms)

Schon im Jahr 2009 kam eine Studie im Auftrag des Europäischen Flüchtlingsfonds - immerhin einer Einrichtung der EU - zu der Erkenntnis, dass in Deutschland insgesamt Platz für sage und schreibe 274 Millionen Bewohner sei. Nach der EU-Studie wäre in Deutschland also noch Platz für rund 192 Millionen weitere Menschen. Meine Damen und Herren, allein diese EU-Gedankenspiele - so will ich sie einmal nennen - sind schon wirklich irre.

(Zurufe Lars Harms [SSW] und Dennys Bornhöft [FDP])

Es handelt sich zwar nur um eine Machbarkeitsstudie, aber man muss nicht in die Vergangenheit blicken, um zu sehen, wohin die Reise gehen soll.

(Martin Habersaat [SPD]: Achtung! Ach- tung! Aluhüte am Ausgang!)

- Nein, ich kann Ihnen den Namen der Studie nennen, den können Sie googlen, die können Sie sogar von den Seiten der EU herunterladen, Herr Haberssat. Gucken Sie einmal nach.

(Zuruf Martin Habersaat [SPD])

Herr Schaffer hat es bereits ausgeführt: Der UNMigrationspakt, der im Dezember in Marrakesch angenommen werden soll, wird die letzten rechtlichen Barrieren einreißen. Der Pakt trennt nicht mehr zwischen Asyl und Schutz einerseits und Migration andererseits. Die Befürworter dieses Abkommens wollen Migration zu einem Menschenrecht machen. - Aber nicht mit uns.

Wenn nämlich letztlich nicht mehr die Aufnahmeländer entscheiden dürfen, wer zu ihnen kommt und bleiben darf; wenn zukünftig die Rechte von Migrationswilligen in aller Welt über alles gestellt werden; wenn die Bestimmungen aus diesem Abkommen nach einiger Zeit in nationales oder EU-Recht umgesetzt werden; wenn schließlich unsere Gerichte die vermeintlich verbindlichen Regelungen des Paktes in ihren Urteilen berücksichtigen, dann, genau dann, werden wir uns hier in Schleswig-Holstein wirklich ernsthafte Gedanken machen müssen, und zwar nicht nur über 500 Schutzbedürftige, sondern dann reden wir über Hunderttausende oder gar Millionen Migranten allein für dieses Land.

(Widerspruch SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt FDP)

Meine Damen und Herren, das Vorgehen der Landesregierung und der Jamaika-Koalition ist durchsichtig. Es reicht dem Herrn Ministerpräsidenten nicht mehr, den Spurwechsel zu fordern und die

Masseneinbürgerung zu bewerben. Nein, Sie wollen am ganz großen Rad drehen. Hier soll die Büchse der Pandora geöffnet werden. Das wird es mit der AfD nicht geben, und wir werden uns mit allen parlamentarischen Mitteln dagegen zur Wehr setzen. - Vielen Dank.

(Beifall Claus Schaffer [AfD] und Doris Für- stin von Sayn-Wittgenstein [AfD] - Zuruf Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. - Oh, Entschuldigung, Verzeihung. - Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir sollten diese Debatte in diesem Haus nicht mit Verwirrung und Hetze beenden, sondern vielleicht eher mit dem Gedanken, mit dem die Frau Kollegin Midyatli vorhin angefangen hat.

Herr Minister, ich sehe da eine Möglichkeit, wie man vielleicht noch zu einer größeren europäischen Einigung bei diesem Thema kommen kann. Wir haben ja das Problem, dass viele Staaten nicht willens sind, sich der europäischen Solidarität anzuschließen. Deswegen finde ich den Vorschlag gut, den Gesine Schwan gemacht hat, dass wir Förderprogramme auflegen, mit denen wir die Kommunen unterstützen, die von sich aus Menschen aufnehmen wollen. Das ist etwas, was wir in Deutschland tun können und was man in solche Gespräche einbeziehen kann. Denn das ist genau die Voraussetzung, die wir brauchen, damit Menschen integriert werden können, damit sie hier willkommen sind. Das ist die Grundlage dafür. Manche Kommune sieht das ja auch als Chance. Es geht also nicht nur darum, die schleswig-holsteinischen Kommunen zu unterstützen - ich finde, das sollten wir ohnehin tun -, sondern wir sollten auch das andere tun.

Es gehört zur Meinungsfreiheit in diesem Haus dazu, dass man sich auch Hirngespinste anhören muss, aber ich finde, die Debatte sollte so nicht enden. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

(Jörg Nobis)

Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 19/1001, dem Innen- und Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwal- tungsgesetz - LVwG) - Änderung des § 251 LVwG, Begriffsbestimmung - Änderung des § 259 LVwG, Warnung

Gesetzentwurf der Fraktion der AfD Drucksache 19/1000

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile dem Abgeordneten Claus Schaffer von der AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Der Ihnen vorliegende Entwurf zu Änderung des Landesverwaltungsgesetzes schafft den rechtlichen Rahmen für etwas, was dringend erforderlich ist und was wir von der AfD bereits im Herbst 2016 erkannt und daher auch in unser Landeswahlprogramm aufgenommen haben.

Das Distanzelektroimpulsgerät - vielen dürfte der Begriff Taser, angelehnt an den früheren Herstellernamen, geläufiger sein - wird die seit Langem bestehende Lücke zwischen Schlagstock und Pfefferspray auf der einen Seite und der Schusswaffe auf der anderen Seite schließen. Ich sage ganz bewusst „wird“, denn nicht zuletzt seit dem tödlichen Polizeieinsatz in Bad Oldesloe ist in Polizeikreisen, Gewerkschaften und geringen Teilen der Landespolitik endlich die Erkenntnis gereift, dass der Taser ein probates Mittel ist, um eine Zwischenstufe vor dem Schusswaffengebrauch als Ultima Ratio einzuziehen.

Ich nehme hier den Willen der schleswig-holsteinischen Polizei wahr, den Taser zunächst in einem Probelauf zur Verfügung zu stellen. Die Berichterstattung darüber lässt mich hoffen. Damit könnte den Menschen, die für uns tagtäglich Leben und

Gesundheit riskieren, die für ihren Eigenschutz und für den Schutz von Bürgerinnen und Bürgern vor gefährlichen Angriffen erforderliche Ausrüstung zur Verfügung gestellt werden. Das stimmt mich außerordentlich hoffnungsvoll.

Zu diesem Taser gibt es noch einige Fakten zu berichten, damit wir hierüber vernünftig entscheiden können: Distanzelektroimpulsgeräte - der Fachbegriff - oder eben die Taser schießen zwei kleine Pfeile ab, die durch etwa 6 m lange Drähte mit der Waffe verbunden sind. Es fließen dann für einige Sekunden Ströme, die beim Angreifer eine Kontraktion von großen Muskelgruppen erzeugen und diesen dadurch unmittelbar kampf- oder handlungsunfähig machen. Neuere Generationen dieser Geräte sind mehrschüssig, durch den Wechsel von Kartuschen leicht nachladbar, und sie protokollieren jede Anwendung frei von Manipulationsgefahren.

Die technische Entwicklung der Taser folgt stetig auch der polizeilichen Einsatzerfahrung und lässt Probeläufe der letzten Jahre auch im unterschiedlichem Licht erscheinen. Das muss man wissen, wenn man die Ergebnisse vergleicht.

Taser sind Waffen, und sie sind deshalb nicht etwa harmlos oder ungefährlich. Richtig angewendet sind sie aber eine zusätzliche Möglichkeit, den zumeist tödlichen Schuss aus einer Polizeipistole zu vermeiden. Taser sind auch kein Allheilmittel, sie schließen nur die bestehende Lücke zwischen Einsatzmitteln, die auf verschiedene Distanzen gegen einen gefährlichen Angreifer mit Erfolg anwendbar sind.

Taser werden dazu beitragen, schwere und tödliche Verletzungen bei Angreifern und in der Folge auch traumatisierende Wirkungen bei Polizeibeamten zu vermindern. Am Ende werden Taser Menschenleben retten.

Der Taser wird in unserem Antrag nicht als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt eingeordnet, sondern ganz klar als Waffe. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags führt in seiner Stellungnahme zum Taser aus - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis -:

„Der Einsatz von Elektroimpulsgeräten führt bei den Betroffenen zu einer erzwungenen Verkrampfung und damit einhergehend einem Kontrollverlust über die Muskulatur. Er stellt mithin einen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit... dar. Ein solcher Eingriff darf … nur aufgrund eines Gesetzes erfolgen.“

(Vizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber)

Genau dieser Einschätzung folgt auch unser Entwurf zur Änderung des Landesverwaltungsgesetzes, denn selbst ein Probelauf mit dem Taser, der, wie dargelegt, rechtlich als Waffe einzustufen ist, kann nur auf einer rechtlich sicheren Grundlage, also einem Gesetz, erfolgen. Der Antrag der AfD-Fraktion schafft insofern diese rechtliche Grundlage und, mehr noch, er schafft den Boden für Beratungen, wie ein Probelauf zur Einführung des Taser gestaltet werden kann.

Die Änderung des Landesverwaltungsgesetzes ist hier also nur der erste Schritt hin zu einer Verbesserung der Sicherheit für Polizei und Bürger. Die Entscheidung zu einem Probelauf kann und muss dann folgen. Vermutlich werden wir gleich hören, dass der Taser in der jamaikanischen Schwachstellenanalyse zum Polizeirecht bereits enthalten ist, der Antrag der AfD-Fraktion insofern unnötig sei. Tatsächlich aber haben sich die Vertreter von CDU, FDP und Grünen noch am vergangenen Donnerstag gegenüber der Deutschen Polizeigewerkschaft eher uneins und von Bedenken getragen gezeigt. Ein kleines Ja zum Taser kam nur von der AfD-Fraktion. Diese Position vertreten wir bereits seit zwei Jahren.

Auch der seit Januar 2018 vorliegende Antrag zum polizeilichen Rettungsschuss liegt nun seit bald einem Jahr parlamentarisch auf Eis, und das vor dem Hintergrund Ihrer Schwachstellenanalyse. Die Polizei braucht den Taser, und sie braucht ihn schnell. Schleswig-Holstein kann auf die Erfahrungen anderer Länderpolizeien zurückgreifen. So hat Rheinland-Pfalz den Taser bereits nach einem erfolgreichen Probelauf in diesem Jahr eingeführt. Folgen Sie diesem Beispiel und lassen Sie Ihrer Schwachstellenanalyse nicht zu einer Schwachstelle der Polizei werden. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Tim Brockmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Einführung des Distanzelektroimpulsgeräts wird zurzeit intensiv öffentlich diskutiert. Anlass für diese aktuelle Diskussion ist weniger Ihr Gesetzentwurf, Herr Schaffer, als vielmehr der tödliche Schusswaffeneinsatz eines Polizeibeamten am 7. Oktober 2018 in Bad Oldesloe. Ein junger Mann, der mit einem Messer einen Polizisten angriff und

diesen Angriff trotz Warnungen nicht abbrach, konnte nur durch den Schusswaffeneinsatz gestoppt werden und erlag wenig später seinen Verletzungen. Dies ist eine Extremsituation für alle Beteiligten, insbesondere für die beteiligten Polizisten. Binnen kürzester Zeit müssen sie entscheiden, wie in der Situation angemessen zu reagieren ist.

Der Vorfall zeigt, dass es immer wieder Einsatzsituationen bei der Polizei geben kann, bei der die Schusswaffe zum Einsatz kommt, oftmals mit tödlichem Ausgang für den Angreifer und natürlich auch den entsprechenden traumatischen Folgen bei den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Gerade heute wies die GdP in einem offenen Brief noch einmal auf diese Problematik hin und führte aus, dass es auch ein Teil der Fürsorgepflicht des Landes sei, hier Abhilfe zu schaffen.

Meine Damen und Herren, es ist unsere Pflicht als Abgeordnete, zum einen zu hinterfragen, ob der Einsatz der Schusswaffe gerechtfertigt war, zum anderen ist es aber genauso unsere Pflicht zu hinterfragen, ob es womöglich mildere Mittel gegeben hätte, um eine solche Situation zu entschärfen. Wir kennen nicht alle Details des konkreten Einzelfalls in Bad Oldesloe, aber wir hören aus der Polizei heraus, dass es immer wieder Fälle gibt, in denen der Einsatz der Schusswaffe vermeidbar gewesen wäre, wenn ein Distanzelektroimpulsgerät zur Verfügung gestanden hätte. Wenn es also solche milderen Mittel für solche Einsätze gibt, über die unsere Polizei jedoch nicht verfügt, so ist es unsere Pflicht, diese unserer Polizei zur Verfügung zu stellen. Es ist in unser aller Interesse, den Gebrauch der Schusswaffe auf ein Minimum zu reduzieren, denn die Schusswaffe ist immer noch das Führungs- und Einsatzmittel mit der größten Wahrscheinlichkeit, am Ende tödlich zu wirken.

Die Diskussion ist nicht neu. Andere Bundesländer, insbesondere das von SPD, Grünen und FDP regierte Bundesland Rheinland-Pfalz, ist uns deutliche Schritte voraus. In Rheinland-Pfalz wird nach erfolgreichem einjährigen Pilotbetrieb bei der Polizeiinspektion Trier das Distanzelektroimpulsgerät für den Wechselschichtdienst in den Oberzentren eingeführt. Nach den Worten des rheinland-pfälzischen Innenministers Roger Lewentz habe sich der Wert des Geräts zum Schutz der Einsatzkräfte und zur Vermeidung von Verletzungen des polizeilichen Gegenübers eindrucksvoll - so seine Worte bestätigt. Er führte weiter aus, dass das Distanzelektroimpulsgerät eine hohe deeskalierende Wirkung habe und in aufgeheizten und gefährlichen

(Claus Schaffer)

Einsatzlagen Verletzungen bei allen an der Auseinandersetzung Beteiligten verhindere.