Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es auch in Schleswig-Holstein Quartiere und Milieus gibt, die sich ohne Unterstützung von außen nicht selbst helfen können. Brennpunkte zeichnen sich dadurch aus, dass sich viele Probleme auf allerengstem Raum ballen, und ich glaube, das ist das Entscheidende: Immer wieder sind es gerade Kinder, die unter diesen Rahmenbedingungen leiden. Fehlende Deutschkenntnisse, Alkoholsucht der Eltern, Bildungsferne über mehrere Generationen, Arbeitslosigkeit und Armut, Gewalt in der Familie - das sind alles Problemfelder, die sich am Ende auch im Klassenraum wiederfinden. Klar ist, und die Ministerin hat es gesagt, wir können mit dem Bildungsbonus alle diese Probleme und gerade die Sozialstrukturen in verschiedenen Stadtteilen nicht auflösen, aber wir können einen Beitrag dazu leisten, die Chancengerechtigkeit in der Bildungspolitik zu verbessern. Das muss unser gemeinsames Ziel sein.
Der Handlungsbedarf ist groß, so groß, dass Schulleitungen und Lehrer mit „Schulen am Wind“ in Kiel einen Verein gegründet haben, um deutlich zu machen, hier ist Hilfe dringend notwendig. Ich kann verstehen, dass die Opposition - das ist gerade deutlich geworden - das Haar in der Suppe sucht. Ich sage aber sehr deutlich in Richtung SPD und SSW, Sie müssen sich bei aller Kritik im Detail beim Bildungsbonus die Frage gefallen lassen, warum Sie nicht schon in der vergangenen Wahlperiode ein solches Programm aufgelegt haben,
denn das zeigt der Bericht deutlich: Gezielte Förderung in Schulen in schwierigen Lagen hat es in der vergangenen Legislaturperiode nur rudimentär ge
geben. Ich glaube, die Probleme in Kiel - ich selbst kenne sie auch schon seit vielen Jahren - waren vorher schon offensichtlich. Wie mit „Kein Kind ohne Mahlzeit“ machen wir auch mit dem Bildungsbonus deutlich, dass gerade die Jamaika-Koalition Sozialpolitik eng mit Bildungspolitik zusammendenkt. Das ist ein Ansatz, und das habe ich schon gesagt, der insbesondere Kindern hilft. Das ist im Ergebnis gute Politik.
Unser Bildungsbonus ist kein Gießkannenprogramm. Das ist auch deutlich geworden. Wir wollen nicht Wohltaten im ganzen Land verteilen, sondern dort Mittel einsetzen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Das werden nicht hundert Schulen sein, sondern das werden wahrscheinlich in der höchsten Stufe 10, 20, 30 Schulen sein. Was wir mit diesem Sozialatlas auch machen, ist eine echte wissenschaftliche Analyse. Wir überlegen erst einmal. Deshalb ist, glaube ich, die Zeit am Anfang nicht das Entscheidende, sondern die Gründlichkeit, dass wir uns anhand objektiver Kriterien einen fundierten Überblick verschaffen und dann herausfinden, wo Handlungsbedarf besteht.
Ich bin auf die Ergebnisse sehr gespannt; denn ich erwarte mir von dem Sozialatlas nicht nur Ergebnisse, die für die Bildungspolitik allein interessant sind, sondern wahrscheinlich auch für die Sozialpolitik insgesamt, und dass nicht nur durch den Bildungsbonus in den Quartieren neue Impulse entstehen, in denen wir besonderen Handlungsbedarf haben. Dafür sollten wir uns die notwendige Zeit nehmen.
Ich habe vernommen, dass es Kritik daran gibt, dass sich die Schulen um Bildungsbonusmittel bewerben müssen - da scheint die Begrifflichkeit missverständlich zu sein - und dass die Landesregierung behaupten würde, die Schulen hätten selbst schuld an ihrer Lage.
Zum Ersten: Wir finden es richtig, dass sich die Schulen konzeptionell mit dem Bildungsbonus beschäftigen und ihre Ziele und Vorhaben zur Schulund Unterrichtsentwicklung beschreiben; denn Geld allein - das macht der Bericht deutlich - hilft den Schulen nicht. Es geht darum, übergreifende Qualitätsentwicklungskonzepte zu erstellen, zum Beispiel wie eine Schule in einem Team zusammenarbeitet, um Probleme zu lösen, systematisches Schulleitungshandeln zu entwickeln. Die Schulleitungen, das wissen wir auch wissenschaftlich fundiert, sind ein sehr wichtiges Element in dieser Fra
ge. Es geht darum, produktiven Umgang mit Heterogenität zu entwickeln. Die Heterogenität ist gerade in den Klassenräumen in sozialen Brennpunkten riesengroß. Wir haben Inklusion als Thema, wir haben verschiedene Lernleistungsstufen als Thema. Aber wir haben viele dieser sozialen Probleme, die ich eben genannt habe, bei denen Heterogenität viel stärker als an anderen Schulen eine Rolle spielt.
Es geht weiter darum, eine hohe Qualität der internen und externen Beziehungen und Netzwerke in den Schulen sicherzustellen. Diese internen und externen Netzwerke sind auch die, die den Bildungsbonus hoffentlich in den Stadtteilen zu etwas ganz Besonderem machen, weil diese Probleme meist nicht in der Schule allein gelöst werden können. Man braucht Partner. Man braucht Ämter, die dort mitarbeiten, aber ebenso Schulsozialarbeit oder Sozialarbeit, die es so bereits gibt. Jugendmigrationsdienste seien als Beispiel zu nennen, mit denen man zusammenarbeiten kann.
Das mag konzeptionell in diesem Bericht erst einmal kompliziert klingen. Aber wenn ich Erfolg haben will - das ist wissenschaftlich erwiesen -, dann funktioniert es eben nur mit klaren Konzepten und nicht allein mit Geld. Da ist es wichtig, dass die Schulen mitziehen und erst einmal definieren, was sie eigentlich erreichen wollen. Das heißt jetzt Bewerbungskonzept. Aber ich glaube, am Ende kommt dabei ein gutes Ergebnis heraus. Wofür das Geld am Ende ausgegeben wird, steht auch heute noch nicht fest.
Die Schulen haben die Möglichkeit, sich aus der gesamten Bandbreite - ich habe Ihr Bild nicht ganz verstanden, aber es war auf jeden Fall eine vielfältige Bandbreite - Themen auszusuchen. Das können zusätzliche Erzieher, Sozialpädagogen oder Lerntherapeuten sein, das können zusätzliche Lehrerstunden für den Ausgleich sein. Aber das können auch externe Kooperationspartner sein. So können die Schulen an dieser Stelle eigene Konzepte entwickeln. Das ist das, was zählt.
Zum Zweiten: Keiner - das ist mir besonders wichtig, weil Sie es heute wieder gesagt haben - gibt den Schulen schuld an diesen besonderen Herausforderungen, vor denen sie stehen.
Das macht nicht die Ministerin, und das kann ich aus dem Bericht auch nicht herauslesen. Klar ist aber, Schulen können durch ein gutes Schulkonzept an schwierigen Standorten erfolgreicher sein. Es ist schon entscheidend, was Schule tut. Wir wissen auch, dass die Schulleitungen ein entscheidender
Faktor sind. Ich finde es richtig - das ist es, was bei Ihnen vielleicht sauer aufstößt, aber es ist richtig -, diesen Erfolgsfaktor auch so klar zu benennen und zu sagen: Schulen müssen mitarbeiten, um dieses Problem zu lösen.
Zum Letzten will ich nur ganz kurz sagen: Wir hatten schon eine Diskussion, dass durch diesen Bildungsbonus Schulen womöglich stigmatisiert werden, weil sie Perspektivschulen sind. Ich glaube, die Perspektivschulen, die wir auswählen werden, wissen schon heute, dass sie dieser Unterstützung bedürfen. Sie sind auch heute - ich weiß es aus eigener Erfahrung, ich komme aus Mettenhof, einem typischen sozialen Brennpunkt - sehr gute Schule. Wir brauchen das nicht zu erwähnen. Die Schulen sind heute schon auf ihre Situation eingestellt. Aber es ist sinnvoll, dass wir ihnen auch weiterhin helfen. Ich würde mich freuen, auch im Sinne von guter Sozialpolitik, wenn gerade die Sozialdemokratie erkennen würde, dass das eine gute Maßnahme ist. - Danke, dass Sie mir zugehört haben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank, Frau Ministerin, für den vorgelegten Bericht. Auch Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium; denn das Thema ist nicht ganz einfach. Es ist mit großer Sensibilität zu behandeln. Der Kollege Loose hat eben das Problem dargestellt. Niemand soll stigmatisiert werden. Schulstandorte sollen nicht in einen Ruf geraten, der es ihnen schwer macht, mit ihrer tatsächlich guten Arbeit im Fokus zu stehen.
Ich möchte einen ganz besonderen Dank an die Schulleitungen aussprechen, die sich in der letzten Legislaturperiode zu dem Verein „Schulen am Wind“ zusammengeschlossen haben; denn man muss immer berücksichtigen, es sind Beamte. Sie haben den Dienstherrn kritisieren müssen, und sie haben das in einer Not getan, weil ihre Schulen nicht so ausgestattet sind, dass sie ihre gute pädagogische Arbeit leisten konnten. Wenn man sich überlegt, dass sie zu diesem Schritt gegriffen haben! Was bedeutet das für die Schulen vor Ort? Was be
Das ist für mich bei dieser Diskussion ein ganz besonderer Schwerpunkt. Wir müssen für die Schülerinnen und Schüler schauen; denn wir wollen, dass alle unsere Kinder einen guten Schulabschluss, eine gute Bildungsbiografie haben, damit sie durch eine gute Ausbildung in die berufliche Selbstständigkeit kommen; denn nur dadurch erreichen sie Selbstständigkeit, wirtschaftliche Unabhängigkeit. Es ist überhaupt nicht darüber gesprochen worden; sozialer Aufstieg muss durch gute Bildung möglich sein.
Mit dem Bildungsbonus müssen und wollen wir dem Rechnung tragen, dass die Schulen in den letzten Jahren sehr viele Reformen über sich haben ergeben lassen müssen. Der Schulalltag hat sich verändert, aber auch Schülerinnen und Schüler haben sich verändert. Die Problemlagen in den Familien sind andere als noch vor dreißig Jahren. Dem muss man Rechnung tragen. Das können die Schulen nicht, wenn wir ihnen nur die reine Planstellenzuweisung nach den Vorgaben, die irgendwann einmal festgelegt wurden, die sicherlich auch einer Finanzsituation Rechnung tragen müssen, geben. Es gibt Schulen, die heute nachgewiesenermaßen identifiziert besondere Schülerzusammensetzungen haben, wo Familien in besonderen Notsituationen sind, ob es Arbeitslosigkeit ist, ob es sprachliche Hintergründe sind, dass die deutsche Sprache nicht so geübt werden kann, weil in dem Stadtteil große Migrationsanteile vorhanden sind. Ich habe im Moment einen Stadtteil aus Hamburg vor Augen. Dort ist es schwierig für einen Schüler oder eine Schülerin, auf einfachem Weg, durch einfaches Leben im Alltag all die Chancen zu haben, die Kinder in den bildungsnahen Familien und Regionen bekommen, wo zu Hause eine große Bücherwand steht, wo viel Wert darauf gelegt wird, dass man ins Museum, ins Theater und ins Konzert geht. Das trägt alles dazu bei, wie ich lerne.
Wir müssen uns verabschieden von tradierten Schulstrukturen, wir müssen uns verabschieden von gewohnter Unterrichtsgestaltung, und wir müssen wirklich honorieren, dass es sehr viele gute und engagierte Lehrkräfte mit guten Ideen und Konzepten gibt. Dieses soll weitergetragen werden. Dieses können wir im Rahmen des Diskussionsprozesses sehr gut begleitend voranbringen.
Es geht nicht darum, irgendeine Schule oder irgendeine Lehrerin oder irgendeinen Lehrer zu kritisieren und ihr oder ihm zu sagen, sie machten schlechte Arbeit. Alleine, dass man so etwas überhaupt denkt und formuliert, ist - so finde ich - ziemlich ärgerlich, weil es immer wieder Gräben aufreißt, die wir in der Bildungsdiskussion nicht gebrauchen können.
Meine Damen und Herren, ich möchte nicht, dass eine Schule ein Schild an die Tür bekommt, aus dem hervorgeht, dass sie schlechte Arbeit macht, dass sie schlechte Rahmenbedingungen hat et cetera. Ich möchte, dass alle Schulen ein Türschild haben, aus dem hervorgeht, dass hier Lernen Spaß macht, dass Lernen hilft, in der Zukunft voranzukommen, dass die Schule erfolgreiche und besondere Schwerpunkte hat, die sie ausleben kann, und dass sie jede Schülerin und jeden Schüler in ihren individuellen Begabungen unterstützt und stärkt. Denn nichts ist für einen Schüler wertvoller als Anerkennung und Wertschätzung für das, was er geleistet hat, auf welchem Level auch immer.
Ehrlicherweise bräuchten wir eigentlich an allen Schulen auch viel mehr Geld. Nur wissen wir auch: Unser Haushalt gibt das nicht her. Wir bräuchten noch viele Jahre mehr an wirtschaftlichen Erfolgen, wie wir sie jetzt haben.
Mir ist wichtig, dass wir mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und mit den verschiedensten Akteuren etwas bewirken. Insoweit möchte ich gern auf den Kollegen Habersaat eingehen und anmerken, dass das Thema Schulassistenz in der Diskussion ist. Aber egal, wie das Kind heißt: In dieser Diskussion müssen wir zusehen: Mit wem, mit welchen Akteuren können wir Schule gut gestalten? Wen brauchen wir dafür? Das ist dann manchmal eben auch ein Sozialpädagoge, den wir benötigen; es gibt aber auch noch andere Fachkräfte. Lehrer und Schulleitungen brauchen Zeit dafür, diese Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. Sie brauchen Zeit, diese mit den Schülerinnen und Schülern zu besprechen.
Noch einmal: Ich freue mich, dass wir uns fraktionsübergreifend darüber einig sind, dass wir den Bildungsbonus brauchen. Ich freue mich auch darüber, dass wir uns einig darüber sind, dass wir die Schulen mehr und besser unterstützen müssen als in der Vergangenheit.
Aber ich kann mir einen Nachsatz nicht verkneifen: Sie haben in der vergangenen Legislaturperiode an der Stelle nichts getan, sodass die Schulleitungen in der Not waren, sich in der bekannten Weise an die
Vielen Dank, meine Damen und Herren. Ich freue mich auf die Beratungen in der nächsten Zeit. Wir werden uns mit diesem Thema sicherlich noch öfter beschäftigen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Spätestens seit die Schulleiter von Kieler Brennpunktschulen vor anderthalb Jahren medienwirksam Alarm geschlagen haben und die für die meisten von uns bis dahin kaum vorstellbaren Zustände an ihren Schulen beschrieben haben, dürfte auch dem Letzten unter uns klar sein, dass gehandelt werden muss, dass vor allem besondere Schulen eine besondere Unterstützung brauchen. Denn dort sind es ja nicht nur einzelne Schüler, die den Unterricht stören, nein, es sind ganze Schülergruppen, in denen jeder Einzelne aus den verschiedensten Ursachen heraus zum Teil überhaupt nicht am Schulalltag teilnimmt und sich so seine Zukunft verbaut.
Um hier Abhilfe schaffen zu können, brauchen diese Schulen schnellstmöglich zusätzliche Lehrer und Ressourcen. Genau das haben die Schulleiter damals auch klar formuliert. Das war im Sommer 2017. Nun kommt Bewegung in die Sache. Insofern ist die Initiative der Bildungsministerin zunächst grundsätzlich zu begrüßen. Danke an dieser Stelle auch für Ihren Bericht, Frau Prien.
Aber Sie merken auch ein wenig meine Ungeduld. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt auch einige Unwuchten im Bildungsbonuskonzept. Die größte darunter ist zweifelsohne die, dass hier mit viel Bürokratismus Problemschulen identifiziert werden sollen, die längst klar als solche identifiziert worden sind. Auch ohne Sozialatlas wissen wir, an welchen Standorten jetzt gehandelt werden muss, und zwar schon seit anderthalb Jahren. Und genau dies - die sofortige Hilfe - vermisse ich.
Strukturiert an die Problematik heranzugehen und als erstes Daten darüber zu erheben, welche Schulen aus welchen Gründen besonders dringend mit zusätzlichen Ressourcen ausgestattet werden müssen, ist grundsätzlich richtig. Aber wenn wir nicht wollen, dass Lehrer an Brennpunktschulen bis an
die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit belastet werden, dann müssen wir ihnen jetzt helfen. Kleinere Klassen und ein modernes Lehrerarbeitszeitmodell hätten längst eingeführt werden müssen, wenn wir nicht wollen, dass diese Kollegen in die Berufsunfähigkeit getrieben werden.
Meine Vorredner haben bereits kurz skizziert, was es mit dem Sozialatlas auf sich hat. Die darin ermittelten Schulen sollen also die Möglichkeit zu einer Bewerbung um die Bildungsbonusmittel, also Gelder, erhalten. Das heißt im Klartext aber auch einmal mehr Arbeit für die Kollegen: Bewerbungen schreiben, Entwicklungspläne aufstellen, Konzepte verfassen und sich grundlegend dazu natürlich auch mit möglichen Kooperationspartnern auszutauschen. Hinterher kommt dann noch die Evaluation. Das alles kostet viel Zeit und Energie, und beides haben unsere Schulen eben nicht im Überfluss.