Protokoll der Sitzung vom 13.02.2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Gäste! Vorweg eine grundsätzliche Anmerkung: Straßen, Radwege und Schienen verbinden Menschen und machen so gesellschaftliches Miteinander überhaupt erst möglich, oder zumindest vereinfachen sie das gesellschaftliche Miteinander.

(Zuruf Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn wir uns die Verkehrsentwicklung anschauen, muss man allerdings feststellen, dass 10 % der Strecken, die wir mit dem Auto zurücklegen, unter 1 km lang sind. Es hat teilweise gute Gründe - gesundheitliche Gründe -, die daran hindern, diese Strecken anderweitig zu bestreiten, aber eine andere Zahl sollte uns durchaus auch einmal zu denken geben: 50 % der Autostrecken, die wir hinter uns lassen, sind unter 5 km lang. Das zeigt für uns, dass Verkehr im Wesentlichen in den Kommunen stattfindet. Da setzt das GVFG, das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, an. Weil in diesem Gesetzesnamen das Wort Finanzen vorkommt, darf ich hier heute in Vertretung des leider erkrankten Kollegen Andreas Tietze sprechen und freue mich sehr darüber.

Die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen hat dazu geführt, dass die etwa 43 Millionen € jährlich, die Schleswig-Holstein für die Gemeindeverkehrsfinanzierung zur Verfügung hat, jetzt frei zur Verfügung stehen und wir über die Förderungsbedingungen deutlich mehr entscheiden können, als das vorher der Fall war.

Die Entscheidung, die jetzt zur Diskussion steht, ist allerdings keine verkehrspolitische Revolution. Das muss man eingestehen. Vielmehr halten wir an der Förderpraxis fest, auch wenn sich die Fördertheorie in einigen Teilen verändert. Ziel ist es, die kommunale Verkehrsinfrastruktur weiterhin zu stärken und die Substanz zu schützen. Denn Kommunen sind Start und Ziel beinahe jeder Mobilität, und hier findet die größte Belastung statt. Das klingt einfach, aber es hat das Potenzial, uns noch über viele Jahre zu beschäftigen. Denn durch diese Veränderung in den Förderregularien haben wir jetzt erstmals auch das Heft des Handelns in der Hand und können auch in der Zukunft darüber sprechen, wie denn tat

sächlich die Förderbedingungen auszugestalten sind. Ich prognostiziere, dass darüber in den kommenden Jahren immer wieder Diskussionen geführt werden.

Es ist gut, dass wir jetzt auch dort mehr Gestaltungsmöglichkeiten haben; denn wir Grüne haben in dem Bereich sicherlich noch viel vor. Es ist gut, dass die 43 Millionen € jährlich einen Mindestbetrag darstellen und in Zukunft dynamisiert werden sollen. Ebenso ist es gut, dass die Verwaltungsverfahren in Zukunft vereinfacht werden sollen. Es ist wichtig, dass wir durch diese stärkere Autonomie in den Bundesländern auch die Möglichkeit bekommen, einen einzelnen Baustein für eine Verkehrswende zu setzen, die wir in dieser Gesellschaft dringend brauchen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weil von meiner Kollegin gerade eben die Fahrradwege angesprochen wurden: Ich kann verstehen, dass wir einen stärkeren Fokus auf Radwege legen müssen. Wir haben dafür unterschiedliche Programme, auch in der jetzigen Koalition geeint, seien das die 10 Millionen €, die für die Legislaturperiode zählen, seien es die 40 Millionen € in MOIN.SH und natürlich auch durch RAD.SH die Ermöglichung, Radwegeprojekte tatsächlich durchzuführen; denn an der Frage, wie man Ideen tatsächlich umsetzen kann, ist es in der Vergangenheit häufig gescheitert. Das bedeutet, die Verkehrsinfrastruktur für Fahrräder steht im Fokus, den man natürlich weiterhin mit mehr Substanz ausfüllen muss.

Wenn wir uns das im Konkreten anschauen: Erst gestern bin ich auf der Veloroute 10 gefahren, einem Fahrradweg, der über GVFG gefördert wurde und eine Fahrradschnellstraße ist, die andere Stadtteile mit der Universität verbindet. Man hat somit auch die Möglichkeit, zumindest ein Stück weit die Wohnungslage in Kiel zu entspannen, weil eben durch Stadtgebiete wie Hassee und andere auch Wohnregionen attraktiver werden, die vorher für Studierende nicht so attraktiv waren. Jetzt hat man die Möglichkeit, über die Veloroute 10 schnell zur Universität zu kommen. So schaffen wir es tatsächlich, über verkehrspolitische Maßnahmen gesellschaftspolitische Auswirkungen hervorzurufen. Genau das ist der Sinn einer Verkehrswende.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENI)

Im Kern wünsche ich mir all solche Vorgehen und den Ausbau des ÖPNV auch in anderen Kommunen. Hier ist noch viel zu tun, aber die Veränderung jetzt im GVFG schafft erst einmal die Struktur, damit es keine Rechtsunsicherheit gibt, wir schaffen

die Struktur, damit die Menschen in den Kommunen jeweils planen können und es eine Unterstützung dort gibt, wo sie benötigt wird, und zwar im Verkehr der Kommunen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Kay Richert das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis. Das kann man in vielen Diskussionen erleben, die man im Privaten führt, zum Beispiel wenn man sieht, wie mit Begeisterung und Bewunderung über die Wasserstraßen der Ägypter, das Straßennetz der Römer oder technische Revolutionen wie die Bahn oder das Flugzeug gesprochen wird. Man sieht, dass das die Menschen bewegt.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Man sieht das auch an der Emotionalität, mit der wir hier im Hause über die verschiedenen Mobilitätsformen diskutieren, das klang am Rande an. Wir diskutieren über Bahn, Bus, Auto, E-Mobilität, Fahrrad und fossile Kraftstoffe. Die Mobilität an sich stellt dabei aber niemand infrage, weil Mobilität modern ist, sie ist Fortschritt und Optimismus Mobilität ist gut.

Was man für die Mobilität aber zwingend braucht, sind Straßen und Wege, und zwar funktionierende Straßen und Wege. Da müssen wir erkennen, dass anders als beim Straßennetz der Römer, das nach 2.000 Jahren noch annähernd funktioniert - das Straßen- und Wegenetz in Schleswig-Holstein leider nicht intakt, sondern in einem schlechten Zustand ist.

Die Zuständigkeit für Straßen und Wege in Deutschland ist nicht immer übersichtlich. Da gibt es Straßen des Bundes, es gibt Landesstraßen, es gibt Kreisstraßen, es gibt Gemeindestraßen. Genauso wenig übersichtlich ist für Uneingeweihte auch die Finanzierung dieser Straßen und Wege. Über die Sanierung der Landesstraßen haben wir in der 18. Tagung gesprochen. Da haben wir Jamaikaner eine Strategie vorgelegt - übrigens die erste ihrer Art -, wo wir mit insgesamt 900 Millionen € sicherstellen, dass die Landesstraßen wieder in einen Zustand versetzt werden, auf den die Bürger einen Anspruch haben - ein riesiger Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Bei den Gemeindewegen ist es so, dass der Bund den Ländern bislang zweckgebundene Mittel für die Finanzierung zuweist, also für Erhalt, Bau und Ausbau verkehrswichtiger Straßen, ÖPNV-Einrichtungen, Verkehrsleitsysteme, Radwegebau, Kreuzungsmaßnahmen und Abbau des massiven Sanierungsstaus. Diese Mittel werden Entflechtungsmittel oder GVFG-Mittel genannt. GVFG - das wurde mehrfach gesagt - heißt: Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Ich sage, dass das bislang so ist, weil es nicht so bleiben wird. Ab 2020 wird das nicht mehr so sein. Da enden die Zuweisungen der bisherigen Art.

Natürlich ist uns klar, dass die Finanzkraft vieler Kommunen nicht ausreicht, um die Gemeindestraßen und -wege zu erhalten, geschweige denn den Sanierungsstau zu beheben. Deshalb wollten wir von der FDP im Koalitionsvertrag stehen haben, dass die Kommunen weiterhin unterstützt werden. Wenn 2020 die Mittel des Bundes nach dem bisherigen Entflechtungsgesetz nicht mehr fließen, werden wir zu demselben Zweck in gleicher Höhe mit Landesmitteln einspringen.

(Beifall FDP und Johannes Callsen [CDU] - Zuruf FDP: Gut so!)

Durch das neue GVFG erreichen wir: Die Finanzierungsunterstützung der Kommunen bei Erhalt, Ausbau verkehrswichtiger Straßen, Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs, Verkehrsleitsystemen, Radwegebau, Kreuzungsmaßnahmen bleibt. Wir lassen die Kommunen nicht allein. Wir erhalten für sie die Möglichkeit, den immensen Sanierungsund Investitionsstau anzugehen. Wir schaffen Planungssicherheit, da das bestehende Förderprogramm mit Landesmitteln weitergeführt wird, und zwar rechtzeitig, bevor die kommunalen Haushalte aufgestellt werden. Wir helfen bei der Sicherung eines funktionalen, leistungsfähigen, sicheren, umweltverträglichen und auch barrierefreien Verkehrssystems. Das ist gut für die regionale Wirtschaft natürlich -, aber auch für die Bürger, denn wir stärken ihre Mobilität, insbesondere auf dem Land.

Zusammengefasst: Wir tun etwas für die Gemeinden, sorgen für Mobilität und Lebensqualität. Wir lassen die Bürger nicht im Regen stehen.

(Beifall FDP, Tim Brockmann [CDU] und Johannes Callsen [CDU])

Frau Raudies, Sie haben eben angesprochen - ich bin Ihnen dankbar dafür -: Es gab auch Kritik. Sie haben die Kritik der kommunalen Landesverbände

(Lasse Petersdotter)

angesprochen. Das gibt mir die Möglichkeit, noch einmal darzustellen, wie wir in Jamaika arbeiten und wie auch unser Ministerium arbeitet. Ja, es hat Einwendungen gegeben. Ja, diese Einwendungen wurden von uns angenommen. Wir arbeiten mit den Menschen zusammen, denn wir wollen für die Menschen arbeiten und wägen deshalb alle Einwendungen ab, die uns entgegengebracht wurden.

(Beifall FDP und Wolf Rüdiger Fehrs [CDU])

Natürlich gilt aber auch: Wir wollen uns nicht mit vielen Einzelregelungen verzetteln. Wir wollen ein Gesetzeswerk nicht ausfransen. Wir wollen ein klares Gesetz, das Sicherheit für die Kommunen schafft. Da ist das Gesetz, so wie es jetzt vorliegt, genau richtig.

Wir von der FDP hätten uns noch mehr vorstellen können; ich mache kein Geheimnis daraus. Wir hätten die Mittel von 43 Millionen € gern auf 60 Millionen € angehoben, denn wir finden, dass 43 Millionen € angesichts des Sanierungsstaus bei den Gemeindestraßen ziemlich knapp kalkuliert sind. Wir wollen die Kommunen möglichst stark unterstützen. Aber: Eine Koalition bedeutet natürlich Kompromisse, und die Formulierung „mindestens 43 Millionen €“ bedeutet ja nicht, dass später vielleicht nicht noch etwas gehen könnte. Aber auch so ist dieses Gesetz eine sehr große Hilfe für die Kommunen. Wir lassen sie bei der Straßenfinanzierung nicht allein.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wollen ein modernes, vorwärtsgewandtes und optimistisches Schleswig-Holstein. Dazu gehören funktionierende Straßen und Wege. Ich habe in der Presse gelesen, man begrüße die Kraftakte für die Instandsetzung der maroden Infrastruktur der hiesigen Landesregierung; Verkehrsinfrastrukturprojekte gingen mit großen Schritten voran; es würden Meilensteine für die Mobilität gesetzt. - Ich sage dazu: Wir stellen die Weichen auf Zukunft. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU und Bernd Voß [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Jörg Nobis das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Mit dem Auslaufen der Bundeszuweisungen für Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in unseren Gemein

den zum 31. Dezember 2019 besteht Handlungsbedarf. Wir begrüßen daher das Vorhaben der Landesregierung, ab dem Jahr 2020 weiter Finanzmittel von mindestens - wie Herr Richert sagte - 43,3 Millionen € aus dem Landeshaushalt bereitzustellen und darüber hinaus mit einer zweiprozentigen jährlichen Dynamisierung zu versehen. Dadurch erhalten unsere Kommunen die notwendige Planungssicherheit, weil Förderanträge bereits ab diesem Jahr geprüft und beschieden werden müssen. Dies ist gerade zur Vermeidung von Planungsverzögerungen bei Großprojekten unerlässlich.

Schleswig-Holstein steht vor großen verkehrspolitischen Herausforderungen, nicht nur bei der A 20, der Fehmarnbelt-Querung, die der Minister erwähnte, und der im Dauerkrisenmodus befindlichen Deutschen Bahn. Auch angesichts eines kontinuierlich anwachsenden Verkehrsaufkommens sind umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur zwingend erforderlich. Da bringe ich meine Hoffnung zum Ausdruck, dass das Geld nicht nur für neue Fahrradautobahnen aufgewendet wird, sondern wirklich in die Straßen fließt.

Wir sehen auf dem Gebiet der Verkehrspolitik als AfD-Fraktion eine besondere Notwendigkeit darin, den ländlichen Raum zu stärken. Auch auf dem Land müssen die Strukturen einer intakten mittelständischen Wirtschaft erhalten bleiben. Dies setzt angemessene Investitionen in die Infrastruktur und den Erhalt öffentlicher Verkehrsmittel voraus.

Im Übrigen ist zu diesem Thema schon alles gesagt worden, nur noch nicht von jedem. Ich kann mich deshalb kurzfassen: Entsprechend der Empfehlung des federführenden Wirtschaftsausschusses stimmt die AfD-Fraktion dem Gesetzentwurf der Landesregierung natürlich zu. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Seit Jahrzehnten tragen die Mittel aus dem Bundes-GVFG dazu bei, die kommunale Verkehrsinfrastruktur der Länder zu verbessern. Das gilt für den kommunalen Straßenbau ebenso wie für den öffentlichen Personennahverkehr. Mit der Föderalismusreform hat sich das Bundesprogramm geändert, seitdem erhalten die Länder nach dem Entflechtungsgesetz einen jährlichen Betrag

(Kay Richert)

von rund 1,34 Milliarden €. Seit 2007 entfällt auf Schleswig-Holstein ein Anteil von rund 43,3 Millionen €, die den Gemeinden für Investitionen im kommunalen Straßenbau und den ÖPNV zur Verfügung stehen. Seitdem hat es keine Anpassung oder Erhöhung dieser Mittel gegeben.

Klar ist, dass die Bundesmittel für die kommunale Ebene von enormer Bedeutung sind. Aus Sicht des SSW sind diese Mittel aber nicht als generöser Beitrag des Bundes zu sehen, vielmehr ist es eine Beteiligung der kommunalen Ebene am Aufkommen aus der Mineralölsteuer. Aus unserer Sicht ist es nur gerecht, wenn der Bund den Gemeinden etwas vom Kuchen abgibt. Schließlich verdient der Bund auch daran, wenn auf kommunalen Straßen gefahren wird.

Zum Ende dieses Jahres fällt diese wichtige Finanzierungsquelle weg. Straßen und ÖPNV sind Teile der Daseinsvorsorge und Grundvoraussetzung für Mobilität. Eine ersatzlose Streichung hätte aus Sicht des SSW katastrophale Folgen für den kommunalen Straßenbau und den ÖPNV.

Wir wissen nur zu gut, wie es um die Infrastruktur bei uns im Land bestellt ist. Wir wissen auch, dass der ÖPNV keine schwarzen Zahlen einfahren kann. Es muss uns aber etwas wert sein, die Grundvoraussetzungen für Mobilität auf kommunaler Ebene zu unterstützen, damit sie aufrechterhalten werden kann. Daher begrüßen wir als SSW den vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung, der darauf abzielt, die Förderung in gleicher Höhe mit Landesmitteln nach 2019 fortzuführen und sie jährlich mit 2 % zu dynamisieren.

Vom Wegfall der Entflechtungsmittel sind künftig alle Bundesländer betroffen. Aus diesem Grund haben sich Bund und Länder bereits 2016 auf eine Neuverteilung und Erhöhung des Länderanteils am Umsatzsteueraufkommen verständigt. Damit stehen den Ländern ab 2020 neue Mittel zur Verfügung, mit denen sie den Wegfall der Entflechtungsmittel kompensieren können. Das heißt, aus diesen zusätzlichen Mitteln finanzieren die Bundesländer demnächst den kommunalen Straßenbau sowie den ÖPNV, so auch Schleswig-Holstein. Das ist gut so.

Dass dies bei uns nun auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird, ist ganz im Sinne der Kommunen und der Verkehrsunternehmen. Damit wird die Finanzierungsgrundlage langfristig gesichert, und das schafft Finanzierungssicherheit für die kommunale Ebene.