Protokoll der Sitzung vom 06.03.2019

Das Waffenrecht ist eine restriktive Materie, deren Ziel es ist, so wenig wie möglich Waffen und entsprechende Erlaubnisse in der Bevölkerung zu haben. Daran hat sich auch die Auslegung der einzelnen Normen zu orientieren. Die Waffenbehörden sind sehr wohl in der Lage, Extremisten die Erlaubnis zu versagen oder zu entziehen.

Der Bericht des Innenministeriums im Innen- und Rechtsausschuss zu dem Bereich der Reichsbürger hat gezeigt, dass entsprechende Untersagungsverfahren eingeleitet und erfolgreich abgeschlossen werden können. Von daher scheint mir die aktuelle Rechtsgrundlage vollkommen ausreichend zu sein, insbesondere auch vor dem Hintergrund der jüngsten Verschärfungen des Waffenrechts aus dem Jahr 2017; denn auch wenn man jetzt ein anderes Tatbestandsmerkmal, nämlich das des Extremisten, einführt, müsste dieser Begriff definiert und auf den Einzelfall angewandt werden. Man müsste dann auch noch regeln, wer eine solche Entscheidung, die für die Waffenbehörde verbindlich ist, eigentlich trifft. Schon die Definition dürfte Schwierigkeiten machen. Die Ausführungen des Verfassungsschutzes im Ausschuss haben deutlich gemacht, wie unscharf die Trennung zwischen den sogenannten Verdachtsfällen - das Wort wurde dort nicht gern gehört - und den anerkannten Reichsbürgern ist. Selbst wenn eine extremistische Neigung durch den Verfassungsschutz festgestellt wird, ist dies doch nur der Ausgangspunkt für eine weitere Prüfung der Waffenbehörde. Wenn diese Prüfung dann konkret für den Einzelfall vorgenommen wird, passiert eigentlich genau das Gleiche, was jetzt passiert, es wird nämlich die Zuverlässigkeit im waffenrechtlichen Sinne überprüft.

(Lars Harms)

Daher denke ich, dass uns der Antrag des SSW in der praktischen Arbeit nicht weiterhilft und den Behörden das Handeln nicht erleichtert oder es für sie nicht vereinfacht. Dann spricht aber auch nichts dafür, dass man das Gesetz unbedingt ändern muss, sondern es spricht alles dafür, dass man die erprobten waffenrechtlichen Regelungen beibehält, zumal es hierzu hinreichend Rechtsprechung gibt, sodass eine rechtssichere Handhabung des Waffenrechts gewährleistet ist.

(Beifall CDU und FDP)

Eine ganz andere Frage ist natürlich, ob die Waffenbehörden personell hinreichend ausgestattet sind, um allen Hinweisen auf die Unzuverlässigkeit von Einzelnen in diesem Bereich nachzugehen. Aber das werden wir natürlich durch eine Bundesratsinitiative nicht ändern können.

Gleichwohl spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, den Antrag in den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen und das dort noch einmal zu diskutieren. Dies gilt ebenso für den Alternativantrag der SPD. Ich glaube, im Ziel sind wir uns einig: Wir wollen ein restriktives Waffenrecht und keine waffenrechtlichen Erlaubnisse für unzuverlässige Personen, egal, wodurch diese Unzuverlässigkeit begründet ist. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Kai Dolgner das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt in Deutschland kein Grundrecht auf Waffenbesitz oder gar auf Selbstverteidigung mit einer Schusswaffe, und das ist gut so.

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Das trägt zur Sicherheit unserer Bevölkerung und unserer Polizeikräfte entscheidend bei, wenn man einen Vergleich mit anderen Staaten zieht. Die Möglichkeit des Erwerbs von Schusswaffen ist in Deutschland aus guten Gründen außer an die Sachkunde und Eignung auch an die Zuverlässigkeit des Antragstellers gebunden, und zwar des individuellen Antragstellers. Zudem muss ein konkretes Bedürfnis wie Jagdausübung, Sportschießen oder eine sehr, sehr eng auszulegende persönliche Gefährdung vorliegen. Leider werden diese Bedürfnisse

von einigen vorgetäuscht, um aus anderen Motiven in den Besitz einer Schusswaffe zu gelangen. Das ist eine ständige Herausforderung für unsere Waffenbehörden.

Leider macht es sich aber der SSW mit dem vorliegenden Antrag ein bisschen zu leicht. Die Tatsache, dass man als Extremist bei den Behörden gespeichert ist, soll allein ausreichend sein für ein Versagen der Waffenerlaubnis. Das ist eben auch noch einmal bestätigt worden. Niemand in diesem Hause möchte sicherlich, dass Schusswaffen in die Hände von Menschen geraten, die sich gewaltsam gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker stellen. Dabei ist es im Grunde genommen egal, ob es sich um sogenannte Reichsbürger, maoistische Stadt-Guerillera, Neonazis oder selbsternannte Gotteskrieger handelt.

Zu unserer verfassungsmäßigen Ordnung gehört aber auch die Rechtsgebundenheit der Verwaltung. Es gibt nach wie vor weder eine rechtssichere Definition des Begriffes „Extremist“ noch eine Datei, aus der sich zweifelsfrei ergibt, wer unter diesen Begriff fallen könnte. Der Schiffbruch vor den Verwaltungsgerichten wäre deshalb vorprogrammiert.

Jetzt bin ich ein bisschen enttäuscht, lieber Lars Harms. Sie hatten zwar den konstruktiven gemeinsamen Teil der Arbeit in der Küstenkoalition noch in Erinnerung, haben dann aber das Handwerkliche nicht mitgenommen, was uns damals gemeinsam getragen hat. Die unbedingte Bindung der Verwaltung an das Recht ist übrigens eine Errungenschaft, durch welche sich der demokratische Staat von der Willkürherrschaft der Systeme unterscheidet, die politische oder religiöse Extremisten anstreben.

(Beifall SPD, vereinzelt FDP und Beifall Lu- kas Kilian [CDU])

Das sollten wir bei der Bekämpfung solcher Bestrebungen immer im Blick haben. Da reicht es schlicht nicht aus, jemanden des Extremismus zu zeihen, sondern man muss es auch nachweisen.

Was brauchen denn nun aber die Waffenbehörden konkret, um dem gemeinsamen Ziel näherzukommen? Die Waffenbehörden müssen in einem Rechtsstaat ein pflichtgemäßes Ermessen im Einzelfall ausüben, und dafür brauchen sie konkrete Vorgaben und Informationen. Die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nimmt der Waffenbehörde aber keiner ab. Mussten die Waffenbehörden früher dem Antragsteller noch konkret nachweisen, dass er verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt

(Claus Christian Claussen)

oder unterstützt, reicht nun eine tatsachengestützte Annahme aus.

Diese Änderung wurde maßgeblich von den SPDgeführten Ländern gefordert, auch von SchleswigHolstein, und im Jahr 2017 endlich bundesgesetzlich umgesetzt. Darunter gehen können wir nicht. Unterhalb der tatsachengestützten Annahme ist die einfache Annahme ohne jegliche Tatsachen. Wie habe ich mir das vorzustellen? Wenn jemand den Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht sucht, dann muss die Behörde sagen, na ja, Tatsachen haben wir nicht, aber wir haben es einmal angenommen.

Leider bleibt nach wie vor das Problem des Austausches der Informationen zwischen den Waffen- und Sicherheitsbehörden, die im Einzelfall die Ermessensausübung ermöglichen. Da, Kollege Claussen, muss ich Ihnen widersprechen. Herr Harms hat ja aufgezählt, auf welche Register es Zugriff gibt. Auf eine Behörde aber gibt es bisher keinen regelmäßigen Zugriff, und das ist der Verfassungsschutz. Wir benötigen also endlich die Regelanfrage beim Verfassungsschutz. Denn woher sollen die Waffenbehörden sonst die Informationen über die Verfassungstreue des Antragstellers bekommen, die sie nicht jetzt schon haben?

(Beifall SPD)

Aber das kann nur ein Baustein für das gesamte Bild sein. Beim pflichtgemäßen Ermessen muss die Waffenbehörde trotzdem im Einzelfall abwägen. Das ist der Kern unseres Rechtsstaates.

Es ist jetzt schon - das ist richtig dargestellt worden - bereits der dritte Antrag in Bundesrat beziehungsweise Bundestag. Zwei sind der Diskontinuität anheimgefallen. Deshalb hat der Bundesrat im April 2018 konsequenterweise die entsprechende Änderung noch einmal beschlossen. Es ist - ich muss das leider sagen - die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die die Beratung im Bundestag völlig unverständlicherweise blockiert; denn ich glaube schon, dass die einzelnen Schützenvereine ein Interesse daran haben, dass nicht sie, sondern vor allem der Staat mit Informationen, die sie haben, hilft, die entsprechenden Extremisten herauszufiltern.

(Beifall SPD und SSW)

Deshalb, lieber Kollege Peters, brauchen wir hier keine jahrelange Abwägung und Evaluation, um eine Bundesratsinitiative vorzubereiten, und wir brauchen auch keine langen Ausschussberatungen - liebe Kollegen von der CDU, die Sie das ja überweisen wollen. Denn vernünftige Vorschläge liegen

dem Bundestag seit Jahren vor. Dem zuletzt vorliegenden Vorschlag hat nach meinen Informationen diese Landesregierung zugestimmt. Was wollen Sie mit der Überweisung denn erreichen? Der Text der SPD ist exakt der Text, dem diese Landesregierung zugestimmt hat.

(Zuruf: Aha!)

Wir können gern im Ausschuss darüber beraten, ob es sehr weise war, dem zuzustimmen - darauf würde ich mich als Oppositionspolitiker freuen -, aber es wäre eigentlich viel wichtiger, dass der Kollege Günther - vielleicht kann er mir an dieser Stelle einmal sein Ohr schenken - bei seinen Parteifreunden in Berlin seinen Einfluss geltend macht, damit die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag endlich aufhört, sodass unsere Behörden alle Informationen bekommen können, um im Einzelfall rechtssicher zu verhindern, dass Waffen in die Hände von Menschen geraten, die diese nach unserer übereinstimmenden Meinung nicht bekommen sollten. Die Blockade aufheben und unserem Antrag einfach zustimmen - im Grunde ist es nämlich Ihr Antrag; Sie wissen es offensichtlich nur nicht.

Herr Abgeordneter!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und Lars Harms [SSW])

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Burkhard Peters das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weniger privater Schusswaffenbesitz und strengere Kontrollen - lieber Lars Harms, damit waren wir immer völlig einverstanden - wir, die Grünen, und der SSW. Von der Intention her finden wir Ihren Antrag eigentlich auch ganz prima. Aber, meine Damen und Herren, wer das Gewaltmonopol dieses demokratisch gewählten und legitimierten Staates nicht anerkennt, sondern ein Widerstandsrecht gegen staatliche Vollzugsakte für sich reklamiert, darf keine Schusswaffen besitzen. Das ist so eindeutig wie nur irgendetwas, und da sind wir, glaube ich, hier völlig d’accord.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

(Dr. Kai Dolgner)

Das betrifft nicht nur Reichsbürgerinnen und Reichsbürger, sondern alle, die gewalttätig die verfassungsrechtlichen Grundlagen unserer Demokratie angreifen wollen.

Aber wie man dies rechtssicher bewerkstelligt, an welcher Stelle des Bundeswaffengesetzes wir mit einer Bundesratsinitiative ansetzen müssen und wie die Information darüber - das ist das Entscheidende -, ob jemand Extremist ist, die Behörde erreicht, darüber sollten wir uns im Innen- und Rechtsausschuss noch einmal vertieft unterhalten. Denn der vorliegende Antrag ist, mit Verlaub, etwas schlicht geraten.

Das fängt schon bei Begrifflichkeiten an. Den „Extremisten“, die „Extremistin“, das kennt weder das Waffenrecht, noch kennt es das Verfassungsschutzrecht. Ob man so eindeutig sagen kann: „Jegliche Person, die in einer Datei der Verfassungsschutzbehörden gespeichert ist, ist automatisch und unwiderlegbar schon als unzuverlässig im Rahmen der Prüfung einer Waffenscheinerteilung einzustufen“, das müssten wir uns genau anschauen. Insofern schließe ich mich den - lichtvollen - Ausführungen meines Vorredners Kai Dolgner durchaus an.

Es ist ja auch nicht so, als wäre der Bundesgesetzgeber in dieser Frage in den letzten Jahren völlig untätig geblieben. Im Rahmen der letzten Novellierung des Waffengesetzes im Jahr 2017 - darauf wurde schon hingewiesen - wurde im Waffenerlaubnisrecht in Bezug auf verfassungsfeindliche Personen schon eine gewisse Verschärfung vorgenommen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Dolgner?

Immer wieder gerne.

Kollege Peters, ich habe das Plenum gerade nochmals darüber aufgeklärt, dass der Antrag der SPD nicht etwa ein Antrag der SPD ist, sondern ein gemeinsamer Antrag des Bundesrats, dem, soweit ich weiß, alle grün regierten Länder - im Augenblick eines an der Zahl - sowie alle grün mitregierten Länder auch zugestimmt haben, und zwar genau mit dieser Formulierung.

Sie hatten ja in der letzten Debatte zum Thema Bundesratsinitiativen gesagt: Bundesratsinitiativen müssen nun einmal gut abgewo

gen sein, damit alle Länder ihnen zustimmen können. Nun haben Sie etwas, dem alle Länder schon zugestimmt haben. Das reicht jetzt aber nicht, und jetzt soll unser Antrag noch einmal in den Ausschuss überwiesen werden. Warum können Sie heute - aufgrund Ihrer lichtvollen Erkenntnisse - dem SPD-Antrag denn nicht einfach zustimmen? Das würde diese Initiative verstärken.

Ich würde dem Ministerpräsidenten gern sagen - sobald er wieder Aufmerksamkeit zeigt -: Es gibt nur eine einzige politische Kraft in Deutschland, die das ernsthaft blockiert, und das ist die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Genau so ist es. Die muss überzeugt werden. Oder wollen wir die Mitglieder dieser Fraktion etwa in unseren Ausschuss einladen, um sie alle gemeinsam zu überzeugen?

- Lieber Kai, ich habe mich sehr über euren Änderungsantrag gefreut; das ist als Baustelle völlig berechtigt. Wenn es nach mir allein ginge, könnten wir es auch so machen. Aber es geht nun mal nicht immer nur nach mir allein. Das ist in einer Demokratie nun einmal so.

(Heiterkeit - Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Was nun die unterschiedlichen Bundesratsinitiativen angeht: Kai, es gibt überall sonne und solche. Da muss man differenzieren. Was diese Initiative angeht, so stimme ich dir zu. Aber bei anderen Initiativen sollte man zuvor durchaus seine Waffen schärfen, bevor man sie auf den Weg schickt. Im anderen Fall war das so gewesen. - Danke, das soll reichen.