Protokoll der Sitzung vom 28.03.2019

(Beifall CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Heiner Dunckel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, vielen Dank für Ihren Bericht, der schon deshalb von Bedeutung ist, weil nicht nur der Nationale Normenkontrollrat immer wieder deutlich gemacht hat, dass die Umsetzung des Gesetzes mehr als schleppend verläuft.

Auch in der Öffentlichkeit wird getitelt mit Überschriften wie „E-Government floppt“ oder „Digitales Chaos in der Verwaltung“. Ich hoffe natürlich nicht, dass dieses auch für unser Land gilt.

Ihr Bericht, Herr Minister, gibt Anlass zur Hoffnung, dass Sie, dass wir es in Schleswig-Holstein besser machen wollen, auch wenn wir festhalten müssen, wie der Kollege Kilian es formuliert hat, dass hier noch einiges zu tun ist.

Dies erwarten auch viele Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Wenn ich den Zahlen des IT-Verbandes Bitkom trauen darf, dann würde auch hierzulande ein Großteil der Menschen Anträge bei Behörden online stellen. Etwa die Hälfte der Menschen würde die An- und Ummeldung des Wohnsitzes am liebsten vom Rechner aus machen wollen, das Kindergeld oder den neuen Personalausweis online beantragen.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die andere Hälfte dies noch nicht möchte, also den direkten Kontakt zu ihrer Verwaltung bevorzugt. Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass viele Bürgerinnen und Bürger ihre Verwaltung nur selten aufsuchen. Dies kann man als Argument für die Digi

talisierung, aber auch als Argument gegen die Digitalisierung anführen.

Darüber hinaus bin ich mir nicht sicher, wie die Zahlen aussehen würden, wenn die Bürgerinnen und Bürger wüssten - es ist schon gesagt worden -, dass es um insgesamt 575 Verwaltungsleistungen geht: Anmeldung zum Kindergarten, Kfz-Zulassung, Wohngeldantrag, Steuererklärung, Rentenleistungen, Baugenehmigung, kurzum: alle onlinefähigen Verwaltungsleistungen.

Mein Eindruck ist zumindest, dass dies bei den Bürgerinnen und Bürgern noch nicht angekommen ist. Hier sind wir gefordert, für Transparenz zu sorgen, damit sich die Bürgerinnen und Bürger einen Überblick verschaffen und eine Haltung entwickeln können, ob und wie sie digitale Angebote nutzen wollen.

(Beifall SPD)

Die hier von Ihnen in der Koalitionsvereinbarung angekündigte Kommunikationsstrategie kann ich noch nicht so richtig erkennen, zumindest nicht in Bezug auf die Bürgerinnen und Bürger. Leider fehlt im Gesetz das Freiwilligkeitsprinzip für die Kommunen und letztlich auch für die Bürgerinnen und Bürger, das heißt, die freiwillige Entscheidung, sich an dem Verwaltungsportal zu beteiligen beziehungsweise eine Verwaltungsdienstleitung online zu nutzen oder nicht.

Zu denken gibt hier auch, dass die kommunalen Spitzenverbände immer wieder ein partnerschaftliches Vorgehen, den Erhalt ihrer Strukturen und insbesondere das Vermeiden zentralen „Durchregierens“ einfordern. Dies bringt mich zu einer Reihe von Punkten, die unseres Erachtens in der Umsetzung des Gesetzes zu betrachten sind und die Sie in ihrem Bericht, Herr Minister, zum Teil auch schon angesprochen haben.

Herr Abgeordneter Dunckel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kilian?

Gerne, jederzeit.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, habe ich Sie gerade richtig verstanden, dass Sie dafür plädieren, dass sich die Kommunen freiwillig entweder diesem E-Government-System oder diesem On

(Lukas Kilian)

linezugangsgesetz anschließen sollen oder nicht? Und würden Sie -

Herr Abgeordneter Dr. Dunckel, Sie müssen schon abwarten, bis der Abgeordnete Kilian seine Frage vollständig gestellt hat. - Danke.

Und würden Sie nicht davon ausgehen, dass wir, wenn wir das allen Kommunen freiwillig als Möglichkeit an die Hand geben, in Deutschland gerade wieder einen Flickenteppich haben, den wir mit dem Onlinezugangsgesetz ja eigentlich im Zuge der Digitalisierung vermeiden wollen?

Ich denke, wir müssen uns zunächst der Kritik insbesondere der Kommunalen Landesverbände stellen, die gesagt haben: Wir haben bestimmte Strukturen; wir haben auch zum Teil schon Online-Angebote, und wir erwarten, dass diese berücksichtigt werden. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist - ich komme darauf gleich noch zu sprechen -, eine zentrale Organisation zu wählen, die übrigens auch technische Probleme hat. Darauf aber werde ich, wie gesagt, gleich noch eingehen.

Gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Abgeordneten Kilian?

Halten Sie es dann für sinnvoller, dass jede Kommune mit ihrem bisherigen eigenen System fortfährt, und für weniger sinnvoll, dass man ein einheitliches Bürger-Login macht, mit dem man sich dann überall - ob in der Kommune, der Nachbarkommune oder beim Kreis - anmelden kann?

- Darauf komme ich gleich noch zu sprechen. Das ist natürlich sinnvoll, hat aber trotzdem eine Reihe von Datensicherheitsproblemen. Aber dass wir eine einheitliche Form - ob das jetzt ein einziges Nutzungskonto ist - realisieren werden, davon gehe ich aus.

Lassen Sie mich noch einmal zu drei oder vier Punkten kommen, die, wie ich denke, zu berücksichtigen sind. Auch Sie, Herr Minister, haben sie

erwähnt, ich würde sie aber gerne noch einmal betonen.

Aus der Systemgestaltung wissen wir, dass wir uns vor einer technischen Lösung erst einmal in einer Systemanalyse, einer Anforderungsspezifikation die Vorgänge ansehen müssen. Dazu werden wir diese auch präzisieren und gegebenenfalls ändern müssen. Erst dann werden wir sie technisch umsetzen können. Viele Verwaltungsvorgänge können und sollten besser gemacht werden. Schon Max Weber wusste: Bürokratie ist gut, Bürokratismus nicht.

Die Vielzahl der Verwaltungsleistungen verlangt ein Datenkonzept und Datenmanagement. Gefordert wird sinnvollerweise und vernünftigerweise ein einheitlicher Nutzerzugang oder das sogenannte Once-only-Prinzip, wonach die einmalige Dateneingabe eines Bürgers dann für verschiedene Ebenen und Bereiche verfügbar ist. Das erfordert aber ein besonderes IT-Sicherheitsmanagement und besondere IT-Standards und technische Kommunikationsstandards. Ein Blick nach Estland zeigt, dass das machbar ist.

Ich will hier nur einige Punkte dazu nennen: Datenmanagement auf mehreren Servern, Private Cloud oder auch die viel zitierte Blockchain. All das sind Punkte, die wir hier berücksichtigen müssen.

Aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger ist nicht die technische Lösung zentral, sondern dass ich über meine Daten selbst bestimmen kann und jederzeit nachvollziehen kann, von wem, wann und wie meine Daten verwendet wurden. Wenn ich richtig informiert bin, dann erhält in Estland jeder Bürger aktiv eine Information, wenn seine Daten „angefasst“ werden.

Da viele Dienstleistungen auf der Ebene der Kommunen angesiedelt sind, stellt sich natürlich die Frage, welche Ressourcen hierfür erforderlich sind und wie das im entsprechenden Gesetz gehandhabt wird. Ob und welche Ressourcen erforderlich werden, konnte ich Ihrem Bericht noch nicht so richtig entnehmen.

Lassen sich mich in der verfügbaren Zeit noch einen letzten Punkt ansprechen. Viele Kommunen, zumindest ihre Spitzenverbände, haben die Befürchtung geäußert, dass sie die gewachsenen auch digitalen - Strukturen durch zentrale Vorgaben beeinträchtigt oder gar zerstört sehen. Dies gilt sicherlich auch für Bürgerinnen und Bürger, die weiterhin - insbesondere bei sozialen Dienstleistungen - auf den direkten Kontakt mit ihrer Verwaltung

(Dr. Heiner Dunckel)

setzen oder es auch gar nicht anders können. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Rasmus Andresen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für den Bericht, Herr Minister.

Lange Wartezeiten oder ungünstige Öffnungszeiten in Bürgerbüros kennen wir wohl alle. Wir wissen alle, wie lästig es sein kann, einen Pass zu beantragen oder sich im Rathaus umzumelden. Bei komplizierteren Prozessen kommt sogar die Frage auf: Wo muss ich eigentlich hingehen, um einen bestimmten Antrag stellen zu können? All dies kennt jede und jeder aus dem eigenen Alltag.

Wir Grüne wollen eine bürgernahe und transparente Verwaltung. Dazu gehört in einer digitalen Welt auch, dass Verwaltungsgänge online und ganz eindeutig auch aus einer Hand oder mit einem Account erledigt werden können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es sollte nicht sein, dass man für jedes kleine Formular oder für jede kleine Information zu unterschiedlichen Ämtern pilgern muss.

Während man Waren ohne Probleme online bestellen kann, Reisen online buchen kann oder auch Konzerttickets selbstverständlich online bucht - einige vielleicht auch parallel zur Plenarsitzung -, ist es halt eben bei der öffentlichen Verwaltung noch nicht ganz so der Fall. Daran müssen wir arbeiten. Deshalb ist es gut, dass die Bundesländer insoweit jetzt Tempo machen.

Wir wollen, dass der Fischereischein für den Urlaub an der Ostsee oder die Steuererklärung unbürokratisch von zu Hause aus am Laptop oder unterwegs vom Smartphone aus beantragt beziehungsweise abgegeben werden können. Das Onlinezugangsgesetz des Bundes gibt uns dafür den Rahmen.

Deutschland hat im Bereich E-Government massiven Aufholbedarf. Lassen Sie mich das auch als Teil der dänischen Minderheit sagen, der vor zehn Jahren in Dänemark gelebt hat. Dänemark war vor

zehn Jahren auf diesen Feldern schon deutlich weiter, als es Deutschland jetzt ist. Deswegen ist es gut, dass jetzt gehandelt wird.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich ist Deutschland ein föderales Land und ein bisschen größer als beispielsweise Dänemark, aber es wird bei uns auch deutlich, dass wir die ganze Entwicklung ziemlich lange verschlafen haben. Wenn es nach uns Grünen geht, passiert auch in Berlin bei der Großen Koalition bei der Digitalisierung viel zu wenig. Jetzt müssen wir 575 Prozesse oder Themengruppen, wie es der Minister nennt, bis spätestens 2022 umgesetzt haben. Davon sind alleine 270 auf Bundes- und Länderebene und ganze 95 auf Ebene der Kommunen. Das wird für uns alle jeweils ein hartes Stück Arbeit, auch bei der Koordinierung untereinander.

Wir als Grüne freuen uns ganz ausdrücklich, dass Schleswig-Holstein die Federführung bei der Erarbeitung der Prozesse für den Bereich Umwelt für das gesamte Bundesgebiet übernommen hat. Umwelt und Digitalisierung sind zwei Zukunftsbereiche, die mit unserem Minister nun jemanden in der Hauptverantwortlichkeit haben, dem man bei der Digitalisierung nun wirklich gar nichts vormachen kann und dem der Datenschutz eine Herzensangelegenheit ist. Ich möchte dem Kollegen Dunckel zustimmen, denn auch darauf wird es jetzt ankommen. Auf der einen Seite geht es um Praktikabilität, die Nutzer- und Bedienungsfreundlichkeit zu erreichen; auf der anderen Seite hat er aber eben auch sicherzustellen, dass die Daten sicher sind und sicher bleiben.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)