Protokoll der Sitzung vom 28.03.2019

die ja neben der ökologischen Bedeutung auch eine sehr große kulturgeschichtliche Bedeutung hat. Die Fische in der Schlei sind, wie auch in den übrigen Küstengewässern der Ostsee, mit Quecksilber belastet. Der Zustand der Küstengewässer-Wasserkörper, wie das im „Ökologiechinesisch“ heißt, ist nicht gut.

In der Schlei schwimmen darüber hinaus ehebliche Mengen von Plastik und tummeln sich eingeschleppte Arten. Daneben setzen Sauerstoffmangel und Belastung durch Giftstoffe einer ehemaligen Teerfabrik in Schleswig der Schlei ordentlich zu. Das kann man nicht immer mit bloßem Auge sehen, und man kann es auch nicht immer riechen, aber die Fischer und die Anwohner bemerken diese dramatische Veränderung ihrer Heimat durchaus.

Die Maßnahmenprogramme der Landesregierung bieten sogenannte ergänzende Maßnahmen, von denen eine auch die Schlei betrifft: Die Nährstoffeintragspfade in die Schlei sollen untersucht werden. Auf die Ergebnisse und die darauf fußenden Maßnahmen bin ich überhaupt nicht gespannt, denn ich weiß spätestens seit der letzten Haushaltsberatung, dass der Schleischutz letztlich nichts kosten darf.

Umweltexperten schätzen, dass mindestens 5 Millionen € jährlich in den nächsten Jahren für eine messbare Verbesserung der Wasserqualität der Schlei nötig wären. Mit diesen Mitteln kann man bislang landwirtschaftlich genutzte Anrainerflächen kaufen oder in den Vertragsnaturschutz nehmen, um den direkten Düngeeintrag in die Schlei zu reduzieren.

(Volker Schnurrbusch)

(Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wenn die Flächennutzer das wollen!)

Damit könnte die Schlei im wahrsten Sinne des Wortes aufatmen. Aus diesem Grund hatte der SSW entsprechende Mittel in den letzten Haushaltsberatungen beantragt - für jedes Jahr 5 Millionen € -, um ein europaweit einmaliges Biotop zu sichern.

(Beifall SSW)

Die regierungstragenden Fraktionen haben das abgelehnt. Die Schlei soll lieber noch einmal untersucht werden, damit man weiß, woher denn der Nährstoff kommt. Das finde ich schon ein bisschen beschämend; die Politik des Ignorierens und Wegsehens ist nämlich ein Teil des Problems. So wusste man schon viele Monate vorher um den Plastikeintrag in die Schlei und die Überschwemmung der Vogelbrutgebiete mit Plastik, bevor die Öffentlichkeit in Kenntnis gesetzt wurde und erste Maßnahmen ergriffen wurden. Die Wasserrahmenrichtlinie wird verletzt - und das ständig -, und getan wird viel zu wenig.

(Beifall SSW und Sandra Redmann [SPD])

Die innere Schlei ist das am stärksten nährstoffbelastete Küstengewässer Schleswig-Holsteins. Die Verunreinigung der Schlei wird zunehmend zum Risiko sowohl für Mensch, Tier und Flora einerseits als auch für Fischerei, Landwirtschaft und Tourismus andererseits. Die Kerze brennt also schon von beiden Seiten. In meinen Augen heißt das, dass der Schlei Priorität Nummer 1 eingeräumt werden müsste.

(Beifall SSW)

Die Sedimente sind in der Schlei bis zu 1 m dick. Diese Sedimente erzeugen Todeszonen, weil sich aus ihnen Phosphor löst. Auf diese Weise wird ein Nährstoffeintrag von innen heraus betrieben - zusätzlich zu dem, was jede Saison wieder weiter in die Schlei hineinkommt.

Von diesem Missstand der inneren Überdüngung wissen wir schon seit 1978; damals waren einige Landtagsabgeordnete hier im Saal noch gar nicht geboren.

(Heiterkeit)

Was fragt man sich jetzt im MELUND? - Lässt sich der ökologische Zustand überhaupt noch verbessern?

(Zuruf CDU: Soll das jetzt ein Kompliment sein?)

Ich halte das eigentlich nach jahrzehntelangem Nichtstun für eine Bankrotterklärung.

(Beifall SSW und Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Maßnahmen an der Schlei bisher waren nichts mehr als ein Hühneraugenpflaster auf einer riesigen klaffenden Wunde. Die Bewohner an der Schlei werden diese Kapitulationserklärung sicherlich mit sehr großer Sorge zur Kenntnis nehmen. - Jo tak.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und Beifall Bernd Voß [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Ich stelle fest, dass der Berichtsantrag, Drucksache 19/1191, durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat. Der Tagesordnungspunkt ist damit erledigt.

Ich möchte noch folgende Mitteilung machen: Nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtages hat der Abgeordnete Claus Christian Claussen mitgeteilt, dass er an der heutigen Vormittagssitzung nicht teilnehmen kann. Der Abgeordnete Jan Marcus Rossa hat mitgeteilt, dass er an der Teilnahme der heutigen Sitzung ab 11 Uhr verhindert ist.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Kurzzeitpflege in Schleswig-Holstein bedarfsgerecht sicherstellen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/1362 (neu)

Rahmenbedingungen für die Kurzzeitpflege verbessern

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/1384

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Birte Pauls für die SPDFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Anfang des Monats ha

(Flemming Meyer)

ben die Pflegestützpunkte im Land ihr 10-jähriges Jubiläum gefeiert. In manchen Kreisen und kreisfreien Städten waren sie von Anfang an dabei, andere gingen erst später an den Start. Letztendlich hat auch der Kreis Schleswig-Flensburg erkannt, dass es ohne niedrigschwellige und gute Angebote und Beratung nicht mehr geht.

Herzlichen Glückwunsch zu 10 Jahren Pflegestützpunkte, und vor allen Dingen herzlichen Dank für hohes Engagement und gebündelte Kompetenz zum Wohle der Angehörigen und der zu Pflegenden! Herzlichen Dank dafür!

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Dennys Bornhöft [FDP] Wir haben alle Pflegestützpunkte besucht, und in den Gesprächen mit den Pflegestützpunkten wurde ein Problem immer wieder thematisiert, und das war das Problem mit der Kurzzeitpflege. Man spricht von Kurzzeitpflege, wenn eine pflege- bedürftige Person für eine begrenzte Zeit eine voll- stationäre Pflege benötigt. Das kann nach einem Krankenhausaufenthalt der Fall sein oder wenn pflegende Angehörige sich selbst in Behandlung begeben müssen - auch das kommt einmal vor - oder einfach in den wohlverdienten Urlaub möch- ten. Wir haben zurzeit 1.595 eingestreute sogenannte eingestreute Kurzzeitpflegeplätze, also Betten im normalen vollstationären Pflegebereich. In wenigen Häusern gibt es dafür eine extra Abteilung. Diese Einrichtungen sind nicht verpflichtet, diese Plätze auch wirklich für die Kurzzeitpflege freizuhalten. Gibt es eine Bewerbung für eine vollstationäre Pfle- ge, wird dieser Platz belegt. Das Vorhalten von Kurzzeitpflege ist für die Einrichtung wirtschaftlich und organisatorisch nicht attraktiv, weil es eines er- höhten Aufwands bedarf. Das ist an dieser Stelle kein Vorwurf, sondern eine Feststellung von Tatsa- chen. Deshalb habe ich sehr großen Respekt vor den Mit- arbeiterinnen und Mitarbeitern, denen es oft unter sehr schwierigen Umständen trotzdem gelingt, Per- sonen über ihre Krisensituationen so zu begleiten, dass sie in die Selbstständigkeit mit oder ohne am- bulante Hilfe zurückkehren können. Auch dafür herzlichen Dank. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, Katja Rathje-Hoffmann [CDU] und Dennys Bornhöft [FDP])

Es obliegt den Trägern der Einrichtung, ob sie das wirtschaftliche Risiko einer Kurzzeitpflege tragen

können oder wollen. Der Koalitionsvertrag auf Bundesebene verspricht daher die Stärkung einer verlässlichen Kurzzeitpflege durch die Sicherstellung einer wirtschaftlich einträglichen Vergütung. Aber das wachsende Problem ist, dass die Einrichtungen voll sind. Die Nachfrage nach vollstationärer Pflege steigt im Takt mit einer immer älter werdenden Gesellschaft. Die Kurzzeitpflege kommt dabei zu kurz. Immer wieder betonen wir, wie wichtig die pflegenden Angehörigen im System Pflege sind und wie achtsam wir mit ihnen umgehen müssen. Sie sind der größte Pflegedienst im Land.

Die Realität ist aber leider eine andere: Wir können den pflegenden Angehörigen nicht einmal das gewährleisten, was ihnen an Entlastung zusteht, zum Beispiel ein Kurzzeitpflegeplatz für ihre Pflegebedürftigen, damit sie sich von der Dauerbelastung Pflege einmal erholen können. Wer pflegender Angehöriger ist, fährt nicht mal eben spontan in den Urlaub. Das will gut und langfristig geplant sein. Aber immer häufiger hört man von den Absagen der Einrichtungen, langfristig einen Platz anzubieten: „Melden Sie sich bitte ein oder zwei Wochen vorher,“, heißt es dann, „aber auch dann können wir nicht gewährleisten, dass es einen Platz gibt!“

Weitere Auswirkungen auf die Kurzzeitpflegesituation hat das mangelnde Personal. Sinn und Zweck einer Kurzzeitpflege ist es ja, nach einem Krankenhausaufenthalt die Selbstständigkeit so herzustellen, dass das Leben zu Hause wieder möglich ist. Dazu bedarf es natürlich ausreichend Personal, Pflegekräfte, aber auch Therapeuten.

In einer solitären Kurzzeitpflegeeinrichtung ist durch Einsatz von multiprofessionellen Teams aus Pflegern und Therapeuten und gezielten Pflegekonzepten der Erfolg der Überleitung in die Häuslichkeit deutlich höher als bei den eingestreuten Plätzen. Das belegt auch eine Studie des IGES-Instituts zur Kurzzeitpflege in Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2017. Demnach werden 65 % der Patienten einer solitären Kurzzeitpflege in die Häuslichkeit entlassen, bei den eingestreuten Plätzen in Pflegeheimen sind es nur 47 %. Bei den eingestreuten Plätzen erfolgt in rund 45 % eine direkte Überleitung in die vollstationäre Pflege, bei den Solitäreinrichtungen sind es nur 20 %.

Wir haben keine Vergleichszahlen hier im Lande, weil wir gar keine solitären Kurzzeitpflegeplätze haben. Wenn die Pflegestützpunkte mir aber sagen, dass circa 60 bis 70 % derer, die in der Kurzzeitpflege sind, vollstationär bleiben, sehe ich hier dringenden Handlungsbedarf.

(Birte Pauls)

(Beifall SPD und Flemming Meyer [SSW])

Denn der Wunsch der meisten Menschen ist es ja das wird immer wieder gesagt -, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu bleiben. Sie darin zu unterstützen, das muss unsere Aufgabe sein.

(Vereinzelter Beifall SPD und Beifall Flem- ming Meyer [SSW])

Der Bundesminister für Gesundheit muss den Koalitionsvertrag dringend umsetzen, aber ich fordere auch die Landesregierung auf, die steigende Not der Angehörigen und der Pflegebedürftigen nicht zu ignorieren. Daher sehe ich Ihren Alternativantrag an dieser Stelle wirklich als weiße Salbe. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und Flemming Meyer [SSW])

Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weiße Salbe ist das wirklich nicht, dafür ist das Thema zu wichtig. Deshalb müssen wir uns auch darum kümmern. Sie haben es geschildert: Ob im Urlaub oder in den Ferien oder einfach einmal so freizunehmen: Kurzzeitpflege ist für pflegende Angehörige oft die einzige Option, zeitweilig von den Anstrengungen entlastet zu werden, die sie tagtäglich zu erbringen haben. Nach Zahlen des Deutschen Zentrums für Altersfragen gibt es zwischen 3 und 5 Millionen Personen, die Angehörige zu Hause pflegen. Dort heißt es auch weiter: Bis 2030 sind bis zu 3,5 Millionen Pflegebedürftige zu erwarten. Die für häusliche Pflege verfügbare Zahl von Angehörigen wird dagegen rückläufig sein.

Wir müssen uns nichts vormachen: Die Pflege ist das größte Sorgenkind der Sozialpolitik in der Gesellschaftspolitik. Das heißt auch, dass wir uns als Politik fast tagtäglich damit beschäftigen, dass wir die Situation innerhalb der Pflege und mit all ihren Facetten verbessern wollen. Dieses Ziel treibt uns, glaube ich, auch fraktionsübergreifend hier im Landtag an, dass wir dort auch den Finger in die Wunde legen und schauen, wo man besser werden kann und wo wir den Leuten mehr helfen können, die zu Hause ihre Angehörigen pflegen.

(Beifall CDU, vereinzelt FDP und Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])