Wir sprechen heute über das Sorgenkind Kurzzeitpflege. Kurzzeitpflege kann entweder in Anspruch genommen werden, um einen vorzeitigen Wechsel in eine vollstationäre Pflegeeinrichtung zu vermeiden, oder als Kurzzeitpflegemöglichkeit in der Verhinderungspflege. Das kann der erwähnte Urlaub sein, die Krankheit, ein beruflicher Grund, was auch immer, aber auch bei der Überbrückung einer Übergangszeit im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung und die Bewältigung von etwaigen Krisensituationen, in denen die bisherige häusliche Pflege vorübergehend nicht machbar oder unzureichend ist. Das übergeordnete Problem in diesem Bereich liegt in der Verfügbarkeit der Plätze. Der erforderliche Bedarf als solcher kann heute mitunter nicht gedeckt werden.
Diese Plätze sind rar; das haben wir gehört. So ist es in einigen Landesteilen oft sehr schwierig, langoder kurzfristig einen geeigneten und gewünschten Heim- oder Pflegeplatz in der stationären Pflege und der Kurzzeitpflege zu finden. Es gibt entsprechende Wartelisten in den Einrichtungen; das ist wirklich keine Seltenheit. Da müssen wir uns die Frage stellen: Warum ist das so?
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, es ist gut und richtig, dass wir uns Gedanken über die Probleme in der Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege machen. Darüber herrscht Einigkeit. Wir sehen kein Problem an fehlenden Konzepten für wohnortnahe und bedarfsgerechte Angebote, sondern wollen die Rahmenbedingungen verbessern. Träger brauchen verlässliche betriebswirtschaftliche Perspektiven. Diese müssen ihnen ermöglicht werden.
Daran scheitert es immer noch viel zu oft. In Schleswig-Holstein gibt es zurzeit keine Einrichtung, die solitäre Kurzzeitpflege anbietet - das ist schon einmal komisch und doof -, sondern nur eingestreute Kurzzeit- und Verhinderungspflege in vollstationären Einrichtungen. Das ist wirklich bedauerlich.
Der Bund hat mit seinen Pflegestärkungsgesetzen seit 2015 oder dem Krankenhausstrukturgesetz 2016 erste Verbesserungen geschaffen - das dürfen wir nicht vergessen -, zum Beispiel die Ausweitung der Leistungszeiten von vier auf sechs Wochen, die Anhebung der Erstattungshöhe auf 1.612 € oder
Von unterschiedlichen Seiten liegen verschiedene Vorschläge zur Neustrukturierung und Weiterentwicklung der Kurzzeitpflege vor. Dazu gehört eine auskömmliche finanzielle Grundlage.
Wir müssen und wollen weiter darüber diskutieren, wie der steigende Bedarf künftig weiter gedeckt und jede Art von Kurzzeitpflege gestärkt werden kann. Dieser Weg führt uns natürlich auch zum Bund; da ist er wieder. Wir müssen bei unseren Parteifreunden in Berlin dafür werben, dass das, was im Koalitionsvertrag steht, eingehalten wird, und weiterhin miteinander diskutieren, damit wir die Situation vor Ort verbessern können. Wir fangen damit am besten im Ausschuss an, indem wir beide Anträge in den Ausschuss überweisen. - Danke schön.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende, die Abgeordnete Eka von Kalben, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Niemand will zum Pflegefall werden und anderen zur Last fallen - nicht den Angehörigen, nicht den Freunden und auch nicht finanziell. Aber wir werden da nicht gefragt. Unfall, Krankheit oder Alter heißen die Unbekannten, die dafür verantwortlich sind, dass wir Pflege und Unterstützung brauchen. Es ist ganz wichtig, sich in den Debatten in der Politik immer wieder zu verdeutlichen, dass es uns alle - selbst die jüngere Generation; euch da oben hoffentlich noch nicht so bald - irgendwann treffen wird und dieses Thema deshalb nicht nur für Seniorinnen und Senioren, sondern für alle Generationen ein Thema ist.
Meine Damen und Herren, es ist gut, dass es die Pflegeversicherung gibt - so ist wenigstens ein Teil der Pflegekosten gedeckt -, aber die Pflegeversicherung ist eben nur so etwas wie eine Teilkaskoversicherung. So war sie von Anfang an konzipiert.
also zwei Drittel - wurden zu Hause von ihren Angehörigen, gepflegt und werden es vermutlich auch heute noch. Eine große Verantwortung liegt auf den Schultern von Familienangehörigen und Freunden. Ich sage in der Kita-Debatte immer: Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen. - Es braucht auch ein ganzes Dorf, um alte Menschen zu pflegen. Weil es diese Großfamilien und Dörfer nicht mehr gibt, brauchen Menschen, die zu Hause pflegen, dringend Unterstützung.
Ich habe bei mir im Dorf einen älteren Herrn, der seit 30 Jahren seine an MS erkrankte Frau pflegt. Er kann nicht geplant Urlaub mit seinem erwachsenen Sohn oder seinen Enkelkindern machen. Er kann immer nur hoffen, dass er aktuell vielleicht einmal einen Kurzzeitpflegeplatz bekommt. Er hat - natürlich, wenn man über 70 ist - mittlerweile auch Rücken und so. Sagt er aber: „Ich hätte gern in zwei Monaten einen Kurzzeitpflegeplatz für drei Wochen, weil ich gern einmal frei hätte oder eine Reha-Maßnahme machen will“, geht das nicht. Das ist wirklich eine totale Katastrophe.
Ich danke deswegen der SPD für diesen Antrag. Es ist gut, dass wir uns mit dem Thema beschäftigen. Ich war letztes Jahr beim Sozialverband in Ostholstein. Da wurde das Thema von den Pflegenden auch sehr deutlich angesprochen. Das, was wir auf Bundesebene mit den Pflegestärkungsgesetzen bisher haben, reicht eben nicht aus. Es reicht nicht aus, dass ich einen Anspruch darauf habe, wenn es kein Angebot gibt. Deshalb ist es gut, dass wir uns über die Angebotsfrage unterhalten, meine Damen und Herren.
Was können wir in Schleswig-Holstein konkret tun? - Es ist nicht nur weiße Salbe. Aber wir können den Pflegenden oder den Gepflegten kein X für ein U vormachen und vortäuschen, wir könnten hier im Land irgendwelche Konzepte entwickeln. Solange es keine vernünftige Finanzierung für solitäre Kurzzeitpflege gibt, wird sich kein Unternehmen hinstellen und sagen: Ich betreibe jetzt ein schönes Haus in Damp, in dem ich Kurzzeitpflege anbiete. Es muss eine Vergütung dafür geben. Diese Vergütung - da sind wir uns, glaube ich, einig - muss über den Bund laufen.
- Danke. - Deswegen danke ich meinen beiden Vorrednerinnen, die gesagt haben, dass sie sich auch in ihren Fraktionen in der GroKo dafür einsetzen wol
Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, dass es solitäre Kurzzeitpflegeeinrichtungen in anderen Bundesländern gibt und das eine politische Entscheidung ist?
- Ja, das ist mir bekannt, aber mir ist nicht bekannt, dass dieses Land solitäre Kurzzeitpflege in Schleswig-Holstein ausschließt oder wir sagen: Wir erlauben keinen Anbietern, solitäre Kurzzeitpflege anzubieten. - Was ich von Anbietern erfahren habe, ist, dass sie sagen: Es rechnet sich in Schleswig-Holstein nicht. Sie bekommen es nicht hin. - Deshalb gibt es dafür kein Angebot in Schleswig-Holstein.
Wenn ich Sie recht verstehe, würden Sie sich politisch schon damit auf den Weg machen wollen, solitäre Kurzzeitpflegeplätze in Schleswig-Holstein zu organisieren?
- Ich kann nicht sagen, dass ich mich auf den Weg mache, das zu organisieren, weil das zu organisieren heißt, dass der Bund eine Gesetzesregelung schafft, damit es vernünftig finanziert wird, die Kassen eine Regelung finden, um so etwas hier zuzulassen, und die Anbieter gemeinsam mit den Kommunen vor Ort entsprechende Gebäude bauen oder entsprechende Einrichtungen zulassen. Das Land hat überhaupt kein Problem damit, wenn sich das Angebot ansiedelt. Es ist nur schwierig, zu sagen: Das Land macht ein Konzept. - Dann wird die Erwartung erweckt, dass das Land auf einmal solche Plätze anbieten kann. Das kann das Land nicht.
Das Land ist nicht die zuständige Adresse. Deswegen ist es so gut, wenn wir das in den Ausschuss überweisen. Wir werden uns sicher angucken, wie das in anderen Bundesländern geregelt ist. Wenn es Möglichkeiten gibt, wie wir unterstützend oder die
Meine Damen und Herren, wir stellen fest: Es gibt auf Landesebene eventuell eine Art moderierende Haltung, wobei man aufpassen muss, welche Erwartungen man weckt, und es gibt die Möglichkeit - da sollten wir uns nicht zu klein machen -, als Bundesländer über den Bundesrat aktiv zu werden und vielleicht einen Anschub zu geben, dass diese Vereinbarung im Koalitionsvertrag wirklich umgesetzt wird. Zu beidem ist unsere Fraktion und sind die regierungstragenden Fraktionen gern bereit.
Eine Bedarfsplanung im eigentlichen Sinn gibt es in der Pflege nicht. Der Pflegemarkt ist ein Markt. Das kann man bedauern - ich finde, das ist ein Teil der Daseinsvorsorge -, aber so ist das System im Moment geregelt. Sinn macht es dennoch, durch Austausch und Gespräche vor Ort, auf regionaler, kommunaler und gern auch auf Landesebene, zu gucken, was gebraucht wird. Ich freue mich auf die vertiefende Beratung im Ausschuss, auch im Namen meiner Kollegin Marret Bohn, die diese Rede sicher gern selbst gehalten hätte. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kurzzeitpflege und die Verhinderungspflege sind ein wichtiger Bestandteil unseres Gesundheitssystems. Sie tragen dazu bei, dass pflegende Angehörige in schwierigen Situationen entlastet werden können. Deswegen müssen wir seitens der Politik dazu beitragen, dass diejenigen mehr Unterstützung bekommen, die diese große Leistung für die zu Pflegenden, aber auch für unsere Gesellschaft insgesamt vollbringen, dass das entsprechend umgesetzt werden kann.
Die Entlastung der pflegenden Angehörigen ist insbesondere auch deswegen so wichtig, weil wir uns einer Tatsache bewusst sein müssen, die im letzten Landespflegebericht in aller Deutlichkeit bestätigt wurde: Weit über die Hälfte der Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger wird zu Hause betreut. Ohne die vielen pflegenden Angehörigen,
die jeden Tag einen außerordentlichen Dienst tun und dabei oft selbst sowohl finanzielle als auch mentale Einbußen in Kauf nehmen, wäre das Sozial- und Gesundheitssystem in Deutschland nicht machbar.
Die Kurzzeitpflege nach § 41 SGB XI ist ein wichtiges Element, um die häusliche Pflege möglichst lange zu sichern, vor allem in Notsituationen.
Viele haben es im Familien- oder Bekanntenkreis schon erlebt, dass kurzfristig eine vollstationäre Pflegeunterbringung zur Überbrückung erforderlich ist. Bei meiner Familie war das vor gut drei Jahren die Situation an einem Freitagnachmittag in den Frühjahrsferien. Man kann sich gut vorstellen, dass das leider sehr kurzfristig der Fall sein musste. Man bekommt schon ein Stück weit Schweißperlen auf die Stirn, wenn auch der dritte und vierte Anbieter am Telefon sagt: Es tut uns leid, innerhalb von 24 Stunden kriegen wir es nicht gewuppt. - Wir hatten Glück, dass es beim fünften Anbieter geklappt hat und die Notsituation, die sich anberaumt hatte, abgewendet werden konnte. Eine Woche später lief bei uns in der häuslichen Pflege wieder alles wie gehabt. Ich sage dem Anbieter vielen Dank für die Unterstützung, die wir da erfahren haben.
In der Antragsbegründung wird erwähnt, die Kurzzeitpflege diene dazu, den pflegenden Angehörigen eine Auszeit für Urlaubs- und Krankheitsvertretungen zu ermöglichen. Das passt nicht haargenau für die Kurzzeitpflege, wie sie in § 41 festgeschrieben ist; es gibt auch noch die Verhinderungspflege aus § 39, die eher die Pflegenden entlastet, wohingegen die Kurzzeitpflege die zu pflegende Person im Fokus hat. Diese beiden Instrumente stabilisieren die häusliche Situation und ermöglichen es, dass man sich als Angehöriger eine Auszeit nehmen kann.
Der Anspruch auf Verhinderungspflege erkennt nämlich an, dass jemand, der seine Eltern, Großeltern, Geschwister, Onkel oder Tanten pflegt, das natürlich nicht ohne Pause, ohne Erholung 365 Tage im Jahr 24 Stunden täglich machen kann. Deshalb sind das so wichtige Instrumente, und ich finde es gut, dass wir heute darüber sprechen.