Protokoll der Sitzung vom 15.05.2019

Der Antrag der AfD-Fraktion zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsbaus soll deshalb ein politisches Signal dafür setzen, dass die dargestellten zusätzlichen Sonderabschreibungen für frei finanzierte Wohnungen auch auf Länderebene umfassend weiter verfolgt werden. Die Politik der Widersprüche ist daher zu beenden - im Bundesrat und erst recht in Schleswig-Holstein, denn die Förderung des Wohnungsbaus darf nicht bei der Landesbauordnung stehen bleiben. Daher bitte ich Sie hier heute um Überweisung des Antrags und um eine gute Diskussion in den Ausschüssen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtages Schülerinnen und Schüler des Regionalen Bildungszentrums Steinburg und der Schule am Burgfeld, Bad Segeberg. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Özlem Ünsal.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute steht nun die erste Lesung des Gesetzes zur Änderung der Landesbauordnung auf der Tagesordnung. Die Bemühungen des Gesetzgebers zur Erleichterung des Bauens zur Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum sind aus unserer Sicht richtig und konsequent, insbesondere wenn wir alle Bausteine und notwendigen Hebel im Rahmen einer Gesamtstrategie zügig in Gang setzen.

Hierbei ist die Überprüfung des Bauordnungsrechts im Rahmen der LBO wichtig, aber sie ist eben nur einer von vielen Bausteinen. Sie ersetzt nicht innovative Programme zur Wohnraumförderung, die Sicherung von Belegbindungen oder die Eindämmung der Zweckentfremdung von Wohnraum. Die Mietpreisbremse ersetzt sie schon gar nicht.

(Beifall SPD)

Sie leitet auch nicht die Gründung oder Stärkung weiterer kommunaler Wohnungsbaugenossenschaf

(Jörg Nobis)

ten oder -gesellschaften ein. Da braucht es deutlich mehr Anstrengungen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich appelliere deshalb an die Regierungskoalition, das Thema umfassend und ganzheitlich anzugehen und sinnvolle Vorschläge - wie beispielsweise beim Landespressegesetz - nicht nur deshalb reflexartig abzulehnen, weil diese von der Opposition kommen und deshalb nicht auf der Tagesordnung erscheinen dürfen. Wir brauchen breiten Konsens und große gemeinsame Anstrengungen, damit wir mehr gut bezahlbaren Wohnraum in SchleswigHolstein realisieren können.

Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum erfordert eine klare politische Willensbekundung, eine ganzheitliche Strategie und sicherlich auch ein Umdenken bei Planungsabläufen sowie kluge Bauweisen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Dachgeschoßausbau, der Verzicht auf die Verpflichtung zur Nachrüstung von Aufzügen, die Aufstockung, Erleichterung des Einbaus von Aufzügen und Außentreppen, Verringerung der Fläche und vieles mehr findet sich in dieser LBO. Das sind alles in erster Linie sehr fachspezifische Handlungsfelder, die aber auch eine ganze Reihe an Auswirkungen nach sich ziehen werden.

Um unzumutbare Kostensteigerungen zu vermeiden, soll die Möglichkeit der Abweichung von sonstigen bauordnungsrechtlichen Anforderungen geschaffen werden. So sollen zum Beispiel die notwendigen Abstellflächen in Wohnungen verkleinert, Abstandsflächen verringert und die Anforderungen an Bauprodukte oder feuertechnische Ausführungen von Dachgeschossbauten gesenkt werden. Zudem soll die Möglichkeit des Bauens ohne Baugenehmigung erweitert werden, indem der Geltungsbereich beispielsweise der Genehmigungsfreistellung, § 68 LBO, um die Gebäudeklassen 4 und 5 erweitert wird.

In Gebieten mit qualifiziertem Bebauungsplan soll es dann möglich werden, Gebäude bis zur Hochhausgrenze auch ohne Baugenehmigung zu errichten, wenn das Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplans entspricht und die Erschließung grundsätzlich gesichert ist.

Auch wenn sich durch die Erleichterung des Dachgeschssausbaus und die Aufstockung von Gebäuden sicherlich mehr Wohnraum schaffen lässt, wird das allein unser Problem sicherlich nicht lösen. Auch die Kommunen müssen durch ihr Planungsrecht dazu beitragen, dass das Bauen einfacher und kostengünstiger werden kann. Auch hier gibt es

noch viel Vereinfachungspotenzial. Deshalb müssen die Normen aus unserer Sicht klar und praktisch anwendbar sein und dürfen nicht im Widerspruch zu anderen Bestimmungen der LBO stehen. Wir brauchen nicht nur Widerspruchsfreiheit, sondern auch die Praxistauglichkeit vor Ort.

Alle diese Punkte müssen im Anhörungsverfahren sauber herausgearbeitet werden. Darüber hinaus bleibt im Anhörungsverfahren zu klären, welche Auswirkungen es beispielsweise auf regionale Pläne, auf Bedarfspläne und beispielsweise auch auf die Feuerwehren hat und wie damit umzugehen ist. Insgesamt ist bei der ersten Lesung des Gesetzes festzuhalten, dass ein großer Teil der Verantwortung - beispielsweise hinsichtlich Bauplanung und Brandschutz - auf die Kommunen verlagert wird.

Das Land räumt über die LBO Erleichterungen ein. Das ist gut. Mehr Freiheit bedeutet zugleich mehr Verantwortung an unterschiedlichster Stelle, vor allem aber auch vor Ort. Uns muss klar sein, dass es auch in den nächsten Jahren möglicherweise weiterer rechtlicher Änderungen bedarf, um bezahlbaren Wohnraum zu realisieren. Den Worten müssen jetzt auch Taten folgen, wenn 48.000 zusätzliche Wohnungen entstehen sollen.

Zum AfD-Antrag will ich nur so viel sagen, dass er sich aus unserer Sicht erübrigt. Der Bundestag hat das Gesetz zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsbaus bereits beschlossen. Hier ist aus unserer Sicht alles noch im Fluss und bedarf zu diesem Zeitpunkt keines gesonderten Beschlusses. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Dr. Andreas Tietze.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute einen Gesetzentwurf vorliegen, bei dem es zumindest mir große Freude macht, darüber zu reden. Ich möchte mich ausdrücklich bei meinen Kollegen Rossa und Lehnert für die Zusammenarbeit bedanken. Aber auch in Richtung des Ministeriums möchte ich noch einmal sagen, dass wir dies als einen ersten Aufschlag sehen. Da kommt ja ein ganzer Strauß an Maßnahmen.

Dass wir angesichts der Wohnungsknappheit jetzt liefern und 48.000 Wohnungen in Schleswig-Hol

(Özlem Ünsal)

stein möglich machen, ist doch ein Erfolg. Den kann man nicht kleinreden. Ich finde auch, dass Sie als Opposition da konstruktiv mitarbeiten. Dass wir diesen Teil der Landesbauordnung hier jetzt mit möglichst großer Mehrheit verabschieden, das würde ich mir wünschen, weil dies nachhaltig Wohnungen schafft. Frau Ünsal, das heißt für mich auch, wir sind beim Produkterecht jetzt an die Richtlinien der EU gebunden. Da setzen wir etwas aus dem EU-Recht um. Wir wollen den Einsatz von Holz als Baustoff fördern. Der zentrale Punkt ist die Erleichterung der Schaffung von Wohnraum im Bestand durch Innenverdichtung.

Sie wissen, dass in Deutschland die Debatte über eine allgemeine Harmonisierung der Landesbauordnung mit einer Musterbauordnung geführt wird. Wir sind dazu in Gesprächen mit Hamburg. Das Ministerium hat hier gesagt: Es macht keinen Sinn, vorzupreschen, sondern wir müssen dies vielmehr im Verbund gemeinsam mit anderen Bundesländern diskutieren. Das heißt also nicht, dass wir hier auf der Bremse stehen oder dass wir hier irgendetwas nicht voranbringen wollen. Wir haben das logische Argument, dies gemeinsam mit Hamburg zu entwickeln. Das macht Sinn, weil wir viele Verflechtungsbeziehungen mit dem Hamburger Rand haben. Deshalb tun wir jetzt das Richtige. Wir sind frisch und fromm dabei, auch die anderen Punkte anzugehen.

Meine Damen und Herren, in Deutschland sind die Grundstückspreise und die Baukosten das Problem. Sie machen Wohnen unerschwinglicher. Die PROGNOS-Studie, die gestern oder vorgestern vorgestellt wurde, führt uns das noch einmal vor Augen und zeigt: Grund und Boden sind nicht vermehrbar.

Lassen Sie mich noch etwas zu dem Argument von Herrn Dr. Habeck zum Thema Enteignung sagen. Herr Habeck will niemanden ärgern. Es ist auch kein Sozialismusargument, das er vorgetragen hat, sondern er hat gesagt: Es gibt Spekulationsunternehmen, die bewusst Grundstücke zurückhalten, sie nicht bebauen und keinen Wohnraum schaffen, um Cash und Kohle zu machen. Dass Herr Habeck daran erinnert, dass nach dem deutschen Grundgesetz Eigentum verpflichtet, und dass Herr Habeck auf das deutsche Grundgesetz verweist, ist erst einmal nicht zu kritisieren.

Wohl auch nicht zu kritisieren ist, dass ich der Auffassung bin, dass wir in Schleswig-Holstein eine andere Situation haben und durchaus nicht mit den Lagen in Berlin, Frankfurt und München vergleichbar sind. Das ist dort schon etwas anderes.

Es gilt jetzt, einen Paradigmenwechsel in der Wohnungsbaupolitik einzuleiten. Für uns als grüne Fraktion gilt dabei, dass das Soziale nicht unter den Tisch fallen darf. Gewinnmaximierung und überhöhte Renditen sind für uns Themen, die im Bereich des Wohnens nicht die Hauptrolle spielen dürfen. Wohnen ist ein Grundbedürfnis, und wir erleben es, dass die Menschen in Schleswig-Holstein sehen, wie wir als Politiker uns zum Thema Wohnen verhalten. Ich glaube, dass das Thema der Änderung der Landesbauordnung mit der Innenverdichtung sehr gut zu den Debatten zum Klimaschutz passt.

Wir haben über den Flächenfraß in Deutschland gesprochen, er ist enorm. Da ist etwas, was mir aus grüner Sicht besonders gefällt, nämlich dass wir hier konsequent Innenverdichtung vor Außenverdichtung umsetzen. Das heißt eben nicht, die Fläche zuzubetonieren, sondern dort, wo Raum ist, diesen vernünftig auszubauen und dort Wohnungen zu schaffen. Das nenne ich nachhaltig.

Das schafft Wohnraum. Es ist eine konkrete Problemlösung. Es ist kongruent mit den Pariser Klimaschutzzielen. Und gerade das Thema „Rohstoff Holz“ - Holz ist ja gebundenes CO2, wie wir alle wissen - zeigt, dass wir an dieser Stelle die richtigen Hebel bewegt haben, die richtigen Paragrafen in die Landesbauordnung aufgenommen haben.

Man darf die Frage stellen, ob beim Ausbau eines Dachgeschosses ein Aufzug angebaut werden muss. Das zum Thema „Die Kirche im Dorf lassen“. Wir alle wissen, dass das viel Geld kostet. Das schreckt die vielen privaten Investoren ab, die entsprechende Grundstücke und Häuser haben. Wir haben gesagt: Wenn es zumutbar ist, kann auf den Aufzug verzichtet werden. Das Gleiche gilt für Stellplätze. Das ist ein Stück weit Entbürokratisierung im sozialen Sinne. Denn wenn man das nicht macht, wird nicht gebaut. Wenn nicht gebaut wird, gibt es keine Wohnungen. Deshalb ist unser Ansatz, eine entsprechende Möglichkeit zu schaffen, richtig.

Ich weiß, dass die Behindertenverbände möglicherweise kritisieren, es sei nicht im Sinne von Inklusion und Barrierefreiheit. Das mag stimmen. Aber wir haben eine Lösung vorgeschlagen. Wenn jemand ins Dachgeschoß zieht, werden Wohnungen im Erdgeschoß frei.

Unser Vorhaben schafft Wohnungen. Das ist richtig. Daher sind wir an dieser Stelle pragmatisch vorgegangen. Wir haben nicht lange diskutiert. Die 48.000 Wohnungen müssen jetzt in den Markt kommen. Sie entlasten sehr schnell den Wohnungsmarkt

(Dr. Andreas Tietze)

in Schleswig-Holstein. Genau darum geht es. Es geht darum, Probleme unserer Zeit zu lösen. Wir, die Jamaika-Koalition, haben uns diesen Problemen gestellt.

Ich wünschte mir sehr, dass der vorliegende Gesetzentwurf hier im Haus mit großer Mehrheit verabschiedet würde. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Jan Marcus Rossa.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den vergangenen Monaten völlig zu Recht immer wieder, auch in diesem Hause, über die Probleme auf dem Wohnungsmarkt in Schleswig-Holstein gesprochen. Dabei wurden die unterschiedlichsten Lösungswege erörtert. Wir glauben, dass wir heute mit dem Einbringen der Reform der Landesbauordnung erstmalig wirksame Maßnahmen in diesem Hause diskutieren werden. Das erfreut mich außerordentlich.

(Beifall FDP und CDU)

In der Vergangenheit wurden zum Beispiel die Fortsetzung der Mietpreisbremse, die sich ja weitgehend als unbrauchbar erwiesen hat, eine Förderung kommunaler Wohnungsbaugesellschaften, obgleich diese an der heutigen Misere keineswegs schuldlos gewesen sind, oder ein Recht auf Wohnen in der Verfassung, mit dem nicht eine einzige neue Wohnung in Schleswig-Holstein entstehen würde, gefordert.

Eine der Hauptursachen - da besteht, glaube ich, über die Fraktionsgrenzen hinweg, Einigkeit - liegt auf dem Wohnungsmarkt in Schleswig-Holstein darin, dass wir zu wenig Wohnungen haben. Genau das müssen wir ändern. Ein Recht auf Wohnung in der Verfassung oder die Mietpreisbremse sind kein Garant dafür, dass neue Wohnungen entstehen und wir dem Wohnungsmangel wirksam entgegentreten.

(Beifall FDP und CDU)

Unser Ziel muss es daher sein, die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau in Schleswig-Holstein zu verbessern. Die Landesbauordnung ist ein wichtiger Beitrag dazu.

Eine Enteignungsdebatte, wie wir sie in den vergangenen Wochen gehört haben, ist eher kontraproduktiv; denn sie wirkt als Investitionsbremse. Welcher Wohnungsunternehmer wird denn in SchleswigHolstein oder in anderen Regionen Deutschlands bereit sein, Wohnungen zu bauen, wenn er zugleich bedroht wird, über kurz oder lang enteignet zu werden? Das sind Maßnahmen und Forderungen, die meines Erachtens reiner Populismus sind. Sie sind verbunden mit der Pauschalverurteilung großer Wohnungsunternehmen. Das ist in meinen Augen in hohem Maße unanständig.

(Beifall FDP und CDU)

Diejenigen, die eine Enteignung fordern, müssen sich wirklich fragen lassen, ob sie eigentlich die Investitionsbereitschaft in der Wohnungswirtschaft vereiteln wollen, um damit das Problem zu vergrößern, das wir bekämpfen wollen. Ich sage hier auch ganz ausdrücklich: Wir müssen natürlich dafür sorgen, und zwar durch unsere politischen Handlungsmöglichkeiten, dass Wohnungen nicht zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Da sind wir uns völlig einig.

Aber Sie verkennen, jedenfalls diejenigen, die die Enteignung befürworten, dass wir bereits Instrumente haben, um solchen Fehlentwicklungen entgegenzuarbeiten. Man muss sie nur nutzen. Da sind vor allem die Kommunen gefragt.