Protokoll der Sitzung vom 21.07.2017

Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Oliver Kumbartzky.

(Eka von Kalben)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte geschätzte Kollegin Poersch! Ich muss sagen, dass mich Ihr Antrag in zweierlei Hinsicht wirklich enttäuscht. Erstens. Dieses altbekannte SchwarzWeiß-Denken von Ihnen und diese reflexartige Schnappatmung beim Thema Sonntagsöffnungszeiten sind abermals eingetreten. Das ist bedauerlich. Zweitens, und das ist wirklich sehr bemerkenswert, frage ich mich, was aus Ihrer sogenannten Dialogkultur geworden ist. Vor genau 24 Stunden steht der Kollege Martin Habersaat an diesem Pult und beschimpft, ich will nicht gerade sagen pöbelt, uns hier als Koalition -

(Beifall FDP und CDU)

Herr Kollege Kumbartzky, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Stegner?

Mit dem größten Vergnügen.

Bitte schön.

Lieber Herr Kollege Kumbartzky, ist Ihnen eigentlich bewusst, dass diese Bäderregelung in Schleswig-Holstein dazu geführt hat, dass es hier keine Klagen gegeben hat, und dass das, was Sie Flexibilisierung nennen, zu Klagen geführt hat, die im Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern das Gericht veranlasst haben, sie einzuschränken?

Ist Ihnen zweitens bewusst, dass das, was Sie Dialogkultur nennen, indem Sie einen Antrag auf Ausschussüberweisung ablehnen, etwas ist, zu dem die Partner dieses Dialoges, Gewerkschaften und Kirchen, sagen, Sie fänden die Bäderregelung ganz prima und dass hier Rechtssicherheit geschaffen ist?

Ich finde nicht, dass wir die Dialogkultur jetzt im orwellschen Neusprech umbenennen sollten, indem Dialogkultur nun heißt, Anträge auf Ausschussüberweisung abzulehnen und Gespräche denen aufzuzwingen, die diese gar nicht für nötig halten. Oder ist das Ihr Verständnis von Dialogkultur?

Herr Dr. Stegner, Ihr Verständnis von Dialog ist das haben wir in den letzten fünf Jahren gesehen -: Wir schreiben vor, wie es zu laufen hat, und so wird es umgesetzt. - Haben Sie jemals einen echten Dialog geführt? Nein, das haben Sie nicht.

(Beifall FDP)

Beim Thema Bäderregelung ist die Opposition gar nicht eingebunden worden. Am 19. März 2014 - Sie werden sich sicherlich daran erinnern - führten wir hier eine Debatte zu diesem Thema, in der wir beantragt haben, einen Dialog zu führen. Das haben Sie abgeschmettert.

(Beifall FDP und CDU)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Stegner?

Wenn es der Sache dient, immer sehr gerne.

Ich erinnere mich sehr genau, Herr Kollege Kumbartzky, weil ich nämlich solche Gespräche selber geführt habe, an die Diskussion im Wahlkampf vor der letzten Wahl. Da war nämlich die andere Bäderregelung ausgelaufen, und deshalb haben wir mit den Kirchen und Gewerkschaften Gespräche geführt, um zu einer Lösung zu kommen.

Übrigens haben die Kirchen berichtet, dass auch sie versucht haben, mit anderen Parteien zu sprechen, ebenso die Gewerkschaften. Sie haben dort aber auf Granit gebissen; denn diese haben gesagt: „Lasst uns mal sehen, wie die Wahl ausgeht.“ Wir dagegen haben Gespräche geführt. Das Ergebnis, Herr Kollege Kumbartzky, war eine Regelung, die im Land von allen außer der FDP gelobt worden ist. Sie hat außerdem vor allem für Rechtsfrieden gesorgt, weil sie nicht hat beklagt werden können.

Das muss man doch einmal als Fakt feststellen. In Mecklenburg-Vorpommern übrigens, wo meines Wissens auch die FDP mit dazu beigetragen hat, andere Regelungen zu fordern, ist das vor Gericht schiefgegangen. Das unterscheidet unser Nachbarland von Schleswig-Holstein.

- De facto ist es so, dass die jetzige Bäderregelung nicht beklagt worden ist. Fakt ist aber auch, dass im Koalitionsvertrag nirgendwo steht, dass wir die Regelung jetzt komplett kassieren wollen. Wir wollen Gespräche mit den Beteiligten führen. Es ist doch logisch, dass man über eine Verordnung, die seit fünf Jahren besteht, mit den Beteiligten spricht.

(Beifall FDP und CDU)

Sie stellen hier einen Antrag - vielleicht sollten Sie ihn einmal lesen -, in dem steht, dass flächendeckend kein Dialog geführt werden soll. Sie sagen nämlich, die Bäderregelung solle so, wie sie ist, verlängert werden.

(Beifall FDP)

Und das nennen Sie dann Dialog? Da lache ich doch!

(Lebhafter Beifall FDP und CDU)

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, Sie wissen, Sonntagsöffnungen beleben die Tourismusorte und die Innenstädte und stärken den Einzelhandel. Das Einkaufsverhalten hat sich in den letzten Jahren stark verändert - auch das ist klar -, und auch der Einzelhandel an sich unterliegt einem Wandel. Sonntags geht der Online-Einkauf unvermindert weiter und ist sogar der umsatzstärkste Tag. Deswegen muss man doch einmal darüber reden, wie es mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen aussieht; denn diese sollten nicht in Stein gemeißelt sein.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das müssen Sie einmal den Gewerkschaften sagen!)

- Ja, Herr Dr. Stegner. Darauf gehe ich jetzt gar nicht mehr ein.

Wir müssen übrigens unterscheiden - auch das ist wichtig - zwischen der Bäderverordnung und dem Ladenöffnungszeitengesetz. Dass man vor einer möglichen Verlängerung einer seit 2013 bestehenden Verordnung einmal ein Fazit zieht und Gespräche führt - ich sagte es bereits -, ist eine Selbstverständlichkeit. Warum Sie sich dem verweigern wollen, ist mir ein Rätsel.

Ganz dringend müssen wir aber auch über die verkaufsoffenen Sonntage reden. Damit meine ich gar nicht mal primär die Anzahl der Sonntage, sondern vor allem die Problematik mit den besonderen Anlässen. Hier geht es um Rechtssicherheit und Vereinfachung. Für sehr viele Städte ist in den letzten Monaten eine sehr unsichere Lage entstanden, da

vielfach Klagen seitens ver.di gegen die Einhaltung der Anlassbezogenheit befürchtet werden.

Die IHK hat zu dieser Thematik kürzlich auch ein Gutachten vorgestellt und Lösungsvorschläge aufgezeigt, über die man ja wenigstens einmal sprechen sollte. Ver.di hat übrigens auf das von der IHK vorgestellte Gutachten kurze Zeit später mit einer bemerkenswerten Pressemitteilung reagiert. Genauer gesagt war das am 16. Juli 2017, letzten Sonntag also.

(Heiterkeit FDP)

Pressearbeit an einem Sonntag - wohlgemerkt: ganz ohne Einfluss der FDP -, da frage ich: Wo bleibt Ihre Empörung, Herr Dr. Stegner?

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, die Jamaika-Koalition signalisiert mit dem vorliegenden Alternativantrag und der Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag die Bereitschaft, die eben genannten Fragen mit den Akteuren zu erörtern. Dieses Gesprächsangebot ist ergebnisoffen. Wir werden behutsam mit den Akteuren in den Meinungsaustausch treten. Sie können sicher sein, dass der Wirtschaftsminister im Ausschuss später auch einmal darüber berichten wird. Das ist doch klar.

Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Dr. Stegner, schauen wir nach vorne. Wir wollen das Beste für den Tourismusstandort Schleswig-Holstein erreichen im Sinne der Wirtschaft, im Sinne der Gewerkschaften, der Kammern, der Kommunen und der Kirchen. Wir wollen mitnichten Familien oder Partner voneinander entfremden oder gar den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden. Liebe SPD, das Abendland im echten Norden ist nicht bedroht. Ich kann Sie da wirklich beruhigen.

Ich bin wirklich sehr zuversichtlich, dass der Austausch fair und offen geführt wird. Wir wollen Gespräche; Sie wollen lieber Grabenkämpfe, Herr Dr. Stegner. Weiter so, machen Sie es! Wir wollen hören, was ist, und wir wollen machen, was geht. Das ist zukunftsorientiert und weit entfernt von Ihrem Schubladendenken. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Die AfD-Fraktion hat uns mitgeteilt, dass sie auf ihren Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt verzichtet. Somit

(Oliver Kumbartzky)

kommen wir zum Abgeordneten Flemming Meyer für die Abgeordneten des SSW.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bäderverordnung war 2013 ein Kraftakt, weil die Interessen gegensätzlicher nicht sein können. Die einen forderten die ganzjährige Liberalisierung der Öffnungszeiten an Wochenenden, und die anderen wollten gar keine Geschäfte geöffnet sehen, sondern beharrten auf der Sonntagsruhe, die ja schließlich im Grundgesetz verankert ist. Dort heißt es in Artikel 140:

„Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“

In Deutschland landen solch gegensätzliche Positionen regelmäßig vor Gericht. Der Nachteil liegt auf der Hand: Prozesse vor Gericht können sich über Jahre hinziehen. Außerdem ist ein Gerichtsurteil ja nicht zwangsläufig ein gerechtes Urteil.

Gewerkschaften, Kirchen und Wirtschaft haben stattdessen einen anderen Weg gefunden. Damit die Bäderverordnung zustande kommen konnte, mussten alle Seiten ihre Positionen räumen und nachgeben. Keine Seite hat dabei aber ihr Gesicht verloren. Ich erinnere mich noch gut, wie schwierig die Verhandlungen waren, aber auch daran, wie erleichtert alle Seiten über den Kompromiss waren.

(Beifall Dr. Ralf Stegner [SPD])

Nach fünf Jahren stellt sich die Frage, inwieweit sich der Kompromiss bewährt hat. Wurden Familien über Gebühr belastet, weil Mutter oder Vater am Sonntag an der Kasse stehen mussten? Haben alle Geschäfte profitiert oder nur die großen Ketten? Rechtfertigen die Umsätze den Aufwand? Wo liegen die regionalen Unterschiede? Hat sich die Bäderverordnung in Tönning bewährt, in Travemünde aber nicht? Oder umgekehrt? Oder überhaupt?

Ich höre sehr viele unterschiedliche Rückmeldungen; systematische Zahlen kenne ich aber nicht. Diese Grundlage sollte meines Erachtens im Rahmen der weiteren Befassung im Ausschuss mit einer Anhörung nachgeholt werden. Bevor wir entscheiden, sollten wir zunächst die Zahlen kennen. Aber ich habe ja hier gehört, dass man heute in der Sache abstimmen möchte.