Klar ist aber auch: Schleswig-Holstein ist ein Tourismusland. Kein Gast steht im Urlaub, wenn gerade viel Zeit zum Bummeln und Shoppen ist, gern vor verschlossenen Ladentüren, Frau Kollegin Poersch hat dies bereits gesagt. Das ist in Schleswig-Holstein aber der Fall, weil wir versuchen, beim Tourismus mit viel Anstrengung eine ganzjährige Verstetigung hinzubekommen. Natürlich entfällt dieses von Ihnen zu Recht beschriebene wichtige Urlaubserlebnis in den Phasen im Herbst, in denen die Läden zu sind.
Wir müssen uns die Frage stellen: Ist das für die Entwicklung des Tourismuslandes, in dem wir versuchen, an den touristischen Destinationen die entsprechenden Attraktionen aufrechtzuerhalten, eigentlich richtig?
Klar ist auch: Der Einzelhandel steht insgesamt vor großen Herausforderungen. Mit dem Online-Handel ist den Geschäften in unseren Städten und Kommunen eine ganz besondere Konkurrenz erwachsen. Die schließen ihre Ladentüren nie. Deshalb ist die Frage zu stellen: Ist es wirklich im Interesse der Beschäftigten des Einzelhandels, wenn wir nicht versuchen, hier etwas anders zu machen? - Ansonsten macht die Konkurrenz aus dem Internet dem Einzelhandel in ganz anderer Weise Konkurrenz. Diese Frage müssen wir uns doch stellen. Es kann doch nicht angehen, dass wir die Augen davor verschließen und sagen, es muss alles so bleiben, wie es ist.
Lassen Sie mich als gläubiger Christ an dieser Stelle in diesem Haus bitte einmal sagen: Ich bin nicht der Überzeugung, dass man einen Feiertag nur dann heiligt, wenn die Geschäfte geschlossen sind. Ich glaube, dass das eine besonders deutsche Art und Weise ist, das Thema Heiligen des Feiertags zu behandeln. Ich nehme im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten eine ausgesprochen gläubige christliche Gemeinschaft wahr, die aber die Öffnungszeiten bei ihren Geschäften ganz anders gestaltet hat.
- Ob wir das wollen oder nicht, ist eine andere Frage. Ich sage nur eines: Auch ich als Christ habe nicht das Gefühl, dass das Heiligen des Feiertags ausschließlich mit den Öffnungszeiten zu tun hat.
Was haben wir vor, wenn der Antrag der Regierungsfraktionen beschlossen wird? Wir wollen mit den Akteuren sprechen, also mit den Kirchen, Gewerkschaften, Verbänden und Kammern. Wir wollen über die Frage der Möglichkeiten der Flexibilisierung reden. Wir wollen sie erörtern, ins Gespräch kommen und miteinander diskutieren. Wir tauschen uns aus: Welche Optionen gibt es? Wir sagen nicht gleich zu allem Nein.
Ich habe eine Ahnung, warum die von Ihnen in der letzten Legislaturperiode so beschworene Dialogkultur nicht funktioniert hat. Wenn Dialog damit beginnt, dass ich sage, was meine Position ist, werde ich nicht in einen Austausch kommen.
Sehr geehrter Herr Minister Buchholz, ich finde es sehr eindrucksvoll, wie Sie mit amerikanischen Beispielen die Dialogkultur untermalen. Wenn es aber so wäre, dass der Unterschied zu unserer Dialogkultur darin bestünde, dass Sie mit Offenheit in den Prozess hineingehen, wieso steht dann eigentlich im Antrag der Regierungsfraktionen nur etwas von Möglichkeiten der Flexibilisierung und nicht beispielsweise auch die Frage, ob man den Arbeitnehmerschutz ausdehnen kann oder ob es vielleicht Beschwernisse gibt?
Davon lese ich in Ihrem Antrag nichts. Sie verteidigen hier die Flexibilisierung. Sie wissen, Herr Minister, dass die Flexibilisierung einer solchen gesetzlichen Regelung, wenn man das Wort ernst nimmt, nur heißen kann, dass die Öffnungszeiten ausgedehnt werden.
Wenn Sie von Offenheit der eigenen Position reden, frage ich Sie: Warum steht dann nur dieses Wort Flexibilisierung da und nicht andere Anliegen, die Gewerkschaften, Kirchen und andere bei dem Thema haben könnten? Das wüsste ich gern von Ihnen.
Sehr verehrter Herr Dr. Stegner, das kann ich Ihnen gern erklären: Weil ein Weniger gegenüber dem, was wir haben, keine Option ist und in einer digitalisierten Welt keine Option sein kann. Wenn wir uns in Konkurrenzen bewegen und das Thema Digitalisierung ernsthaft als Chance begreifen wollen, müssen wir uns der Herausforderung stellen, dass es Einzelhandel heute nicht nur als stationären Einzelhandel gibt, und gucken, wie wir Einzelhändler in die Situation bringen, flexibler darauf zu reagieren. Insoweit ist es keine Option, Einschränkungen bei Öffnungszeiten vorzunehmen, sondern wir müssen sehen, wo es moderat und mit Feingefühl geht, weitere Flexibilisierungen zu erreichen.
Herr Minister Buchholz, ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Antwort, weil Sie damit zum Ausdruck gebracht haben, dass in der Dialogkultur in der Tat ein Unterschied besteht. Als wir die Regelung gemacht haben, haben wir mit Gewerkschaften, Kirchen, Kammern und Verbänden über eine Lösung gesprochen, die das Ergebnis hatte, das wir hier vorgelegt haben. Demgegenüber sagen Sie ausdrücklich, die Veränderung könne nur in eine Richtung gehen, die im Zweifelsfall zulasten von Arbeitnehmern und Kirchen geht. Das nehmen wir zur Kenntnis. Insofern unterscheidet sich das genau umgekehrt, wie Sie das hier dargestellt haben. Herr Minister, das wird hier alles protokolliert. Ich bin für Ihre wunderbare Antwort dankbar.
- Sie dürfen gern dankbar sein, aber eines wird uns nicht nach vorn bringen: Mit den Antworten von gestern die Zukunftsfragen von morgen zu regeln, wird keine Option sein. Tut mir leid.
Herr Minister Buchholz, ich gehe davon aus, dass Ihnen bekannt ist, dass im Weltwirtschaftsprogramm des Kanzlerkandidaten Martin Schulz der Begriff Flexibilisierung mindestens ein halbes Dutzend Mal auftaucht, insbesondere bei der Frage der Dienstleistungen aus dem Bereich des öffentlichen Dienstes. Martin Schulz will dafür Sorge tragen, dass die Bürger über die Flexibilisierung sieben Tage in der Woche 24 Stunden rund um die Uhr öffentliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen können. Ich habe bisher nicht geglaubt, dass das mit einem Verlust an Arbeitsnehmerrechten im öffentlichen Dienst verbunden sein soll. Wenn ich den Kollegen Stegner gerade richtig verstanden habe, müssten sich die öffentlich Bediensteten Sorgen machen, wenn das Programm von Martin Schulz jemals umgesetzt werden sollte.
- Herr Kollege Kubicki, ich bin immer nicht ganz sicher, wie ich Herrn Schulz verstehen soll. Mir ist bekannt, dass es in der deutschen Sozialdemokratie sehr wohl viele Menschen gibt, die über weitere Flexibilisierungen, nicht nur bei Ladenöffnungszeitenmodellen und Arbeitszeitregelungen, aktiv nachdenken. Deshalb wäre die Verweigerung einer solchen Diskussion aus meiner Sicht total schädlich.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch eines sagen; der Kollege Kumbartzky hat es aufgegriffen. Wir werden schon deshalb über die Öffnungszeitenregelungen diskutieren müssen, weil wir zurzeit Verunsicherung haben, Verunsicherung durch Klagen und Rechtsprechung, die schlicht und ergreifend das
eingeschränkt hat, was man bisher als Konsens gesehen hat. Die Frage, wie eine Kommune nachweisen soll, dass nicht die Öffnung der Geschäfte, sondern ein daneben angegebener Anlass der Grund für die Öffnungszeiten ist und nicht andersherum. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen wir heute einen Anlass für Sonntagsöffnung schaffen, der nicht allein in der Öffnung der Geschäfte besteht. Das führt zu den berühmten Sommerfesten. Nun soll die Kommune nachweisen, dass das Ansetzen des Sommerfestes dafür sorgt, dass die Menschen in die Stadt gekommen sind, und nicht die Öffnung der Läden selbst. Meine Damen und Herren, wie soll dieser Beweis geführt werden?
Wir werden zu anderen Rechtssicherheiten kommen müssen, und deshalb werden wir darüber sprechen müssen. Das alles wollen wir mit der gebotenen Sensibilität tun. Wir wollen mit den Beteiligten in ein Gespräch kommen, das auslotet: Gibt es Möglichkeiten, oder gibt es solche Optionen von gar keiner Seite?
Montag werde ich ein erstes Gespräch dazu beginnen mit dem für Norddeutschland zuständigen Gewerkschaftsverantwortlichen des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Hamburg. Das ist ein Einstieg. Die Vertreterinnen und Vertreter der Kirche werde ich demnächst sicherlich auch besuchen.
Wir tun gut daran, wenn wir uns in dieser Frage nicht in irgendetwas einmauern, sondern versuchen, nach vorn zu gehen, mit Fingerspitzengefühl und Sensibilität, aber auch mit dem Willen, SchleswigHolstein nach vorn zu entwickeln. - Herzlichen Dank.
Der Minister hat seine Redezeit um 1 Minute und 55 Sekunden überschritten. Gibt es Fraktionen, die von dem Redezeitkontingent, das ihnen dadurch zusteht, Gebrauch machen möchten? - Das ist nicht der Fall. Ich stelle fest, dass keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, und schließe die Beratung.
Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/69 sowie den Alternativantrag Drucksache 19/84 dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen von CDU, BÜNDNIS
Wir kommen somit zur Abstimmung in der Sache. Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/69, abstimmen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und AfD gegen die Stimmen von SPD und SSW abgelehnt.
Ich lasse jetzt über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/84, abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Damit ist der Antrag mit den Stimmen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und AfD gegen die Stimmen SPD und SSW angenommen.