Protokoll der Sitzung vom 21.07.2017

Wir stellen fest: Arbeitnehmerrechte? Arbeitnehmerschutz? Fehlanzeige bei der Jamaika-Koalition! In dem so gelobten 100-Tage-Programm des Ministerpräsidenten beziehungsweise unter den 33 Vorschlägen findet sich kein einziger, der sich mit der Situation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern beschäftigt.

(Widerspruch CDU)

Das ist etwas, das schon an sich zu kritisieren wäre. Aber wenn man diesen Antrag noch dazunimmt, dann denkt man sich: Aha! Es ist schon klar, warum dem so ist.

Ich finde, darüber können wir gut im Ausschuss weiter diskutieren. Das sollten wir auch tun.

Das Nächste: Es ist an der Zeit, dass auch Jamaika seine Verantwortung für alle Menschen in unserem Land, auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, erkennt.

(Beifall SPD und SSW)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat nun die Kollegin Regina Poersch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der regierungstragenden Fraktionen, Sie glauben im Ernst, Sie hätten in Ihrem Antrag etwas von „Dialog“ geschrieben? Ein Gesprächsangebot, sogar noch „ergebnisoffen“, wie Herr Kollege Kumbartzky es in seiner Rede gesagt hat? Dann lesen Sie bitte sowohl Ihren Koalitionsvertrag als auch Ihren Antrag noch einmal: Sie wollen „die Frage der weiteren Flexibilisierung … erörtern“. Von „ergebnisoffen“, von „Gespräch“, von „Dialog“ kein Wort!

Ich beantrage die Überweisung unseres Antrags in den Ausschuss.

(Beifall SPD)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat nun der Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemel

det, weil ich das Gefühl habe, dass die Diskussion aus dem Ruder läuft.

(Beifall SSW und FDP)

Eine Diskussion darüber zu führen, ob man in irgendeiner Art und Weise die Bäderregelung anders gestalten kann, ist völlig in Ordnung; das haben wir seinerzeit auch gemacht. Man kann über vieles nachdenken; ich werde auf zwei, drei Punkte gleich eingehen.

Für uns, den SSW, ist es schwierig, einem Regierungsantrag zuzustimmen, ohne zu wissen, was er wirklich beinhaltet. In dem Antrag steht im Grunde nur: Wir wollen einmal darüber reden.

(Zuruf SPD: „Flexibilisierung“ steht dort drin!)

- Ja, dort steht „Flexibilisierung“ drin. Diese kann in alle Richtungen gehen; das will ich durchaus zugestehen.

(Beifall FDP)

Ich kann aber ohne Wissen, wie die Flexibilisierung ausgestaltet ist, diesem Antrag nicht zustimmen. Das kann niemand von mir verlangen.

(Zuruf SPD: Das weiß niemand zum jetzigen Zeitpunkt! - Zuruf FDP: Das wollen wir ja erörtern!)

- Das weiß niemand zum jetzigen Zeitpunkt, richtig.

Was ich weiß, ist, dass die SPD einen Vorschlag gemacht hat, der sich an der Regelung orientiert, die wir derzeit haben. Insofern weiß ich, woran ich bin. Dem kann ich natürlich zustimmen. Das ist kein Problem.

(Anita Klahn [FDP]: Stillstand!)

Es wäre natürlich möglich - das ist das, was ich gern sagen möchte -, sich auch als Oppositionsfraktion Gedanken darüber zu machen, was wirklich gewollt ist, wenn wir eine Ausschussberatung darüber hätten. Dann wäre ich in der Lage, die Intention zu erkennen und die Stellungnahmen beteiligter Verbände zu berücksichtigen. Wir sind durchaus offen, pragmatische Lösungen zu finden.

Ich will Ihnen zwei Beispiele nennen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Kollegen Dr. Stegner?

Selbstverständlich, klar.

Lieber Herr Kollege Harms, wenn man den Antrag der Koalitionsfraktionen liest und auf das Wort „Flexibilisierung“ schaut, dann stellt man fest, dass diese nur eine Richtung hat, nicht zwei. Wenn es um die Möglichkeit zusätzlicher Öffnungszeiten geht - zu denen niemand gezwungen ist -, kann Flexibilisierung ja nicht heißen, Öffnungszeiten einzuschränken, sondern allenfalls, diese zu erweitern - zulasten entweder des Sonntagsschutzes oder von Arbeitnehmerrechten. Das ist die einzige Möglichkeit, das Wort „Flexibilisierung“ zu interpretieren. Eine andere ergibt rational keinen Sinn.

- Lieber Kollege Stegner, das mag Ihre Auffassung sein. Ich deute das Wort Flexibilisierung anders. Der Kollege Meyer hat eben schon deutlich gemacht, dass man Dinge in die eine wie in die andere Richtung denken kann. Mein Petitum ist einfach nur, das Ganze losgelöst von den Diskussionen, die wir jetzt geführt haben, in den Ausschuss zu geben, damit wir genau über diese Frage, welche Art von Flexibilisierung möglich ist, diskutieren können. Darum geht es mir, das ist eigentlich der Kern des Ganzen.

Ich will Ihnen einmal zwei Beispiele nennen, bei denen ich finde, dass man nicht immer unbedingt ideologisch diskutieren muss. Flemming Meyer hat es eben bereits gesagt: Man kriegt viele Rückmeldungen, die sehr unterschiedlich sind. Ich kenne Arbeitnehmer aus meiner eigenen Heimatregion, die mir durchaus sagen: Ja, das ist ein großes Problem, weil mein Familienleben davon negativ beeinflusst wird, dass ich ständig sonntags zur Arbeit laufen muss. - Wobei: Die Modelle sind in den Firmen durchaus so gestaltet, dass man nicht jeden Sonntag arbeitet, sondern es sicherlich unter den Beschäftigten aufgeteilt wird. Es ist aber ein Riesenproblem.

Auf der anderen Seite sagen mir andere Arbeitnehmer: Mann, ist diese Flexibilisierung klasse. Ich muss nicht immer fünf Tage durcharbeiten, ich habe keine Schwierigkeiten mehr, meine Kinderbetreuung zu organisieren, und bin total begeistert darüber, dass es mir ermöglicht wird, tatsächlich einen richtigen Job zu kriegen, weil auf einmal sechs Stunden pro Woche mehr gearbeitet werden muss, zumindest in den entsprechenden Monaten. Das ist für manche Familien auch ein super Zubrot.

(Lars Harms)

Nicht nur in seltenen Fällen führt das dazu, dass diese Beschäftigten aus einer 450-€-Beschäftigung herauskommen, weil ihnen diese Möglichkeit geboten wird.

Auch das muss man mit diskutieren können. Das Gleiche gilt für die Frage, ob es sich in den Orten, in denen wir es jetzt haben, bewährt hat, oder ob vielleicht auch ein Ort dabei ist, der sagt, er braucht diese Regelung nicht mehr. Gibt es andere Orte, die möglicherweise ein Interesse und eine Berechtigung haben, an einem solchen Programm teilhaben zu können? Kann man, ohne diese inhaltlichen Fragen zu diskutieren, also ohne dass man über Stunden und darüber redet, wie lang der Zeitraum einer Bäderregelung sein soll, einfach sagen: Ein Ort XY ist touristisch relevant und sollte in diese Verordnung mit aufgenommen werden?

Solche Fragen wollen wir gern im Ausschuss diskutieren. Deswegen hat Herr Meyer den Vorschlag unterbreitet, die Anträge an den Ausschuss zu überweisen. Sonst hätten wir eigentlich keine andere Wahl, als das, was wir derzeit haben, mit zu unterstützen: die derzeitige Konsensregelung.

Denken Sie etwas an Ihre Redezeit.

Davon wollen wir ohne neue Informationen nicht abweichen. - Vielen Dank.

(Beifall SSW und SPD)

Nun hat die Abgeordnete Eka von Kalben das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich eigentlich nur wegen einer kleinen Klarstellung gemeldet, weil unser Antrag sehr verkürzt vorgelesen wurde. Er ist sowieso schon kurz. Dann noch einen Mittelteil hinauszunehmen, ist etwas merkwürdig. Der Antrag lautet:

„Der Landtag fordert die Landesregierung auf, gemeinsam mit den Akteuren (Kirchen, Gewerkschaften, Verbänden und Kammern) die Frage der weiteren Flexibilisierung der Sonntagsöffnungszeiten zu erörtern.“

Auf den Mittelteil in der Klammer wollte ich hinweisen, mehr habe ich dazu nicht zu sagen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Dann erteile ich nun dem Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst eine Vorbemerkung zu den Ausführungen von Herrn Baasch machen. Es ist mitnichten so, dass das 100-Tage-Programm dieser Landesregierung nichts zum Thema Arbeitnehmerrechte enthielte. Das Thema Branchencheck in der Pflege beinhaltet zum Beispiel ausdrücklich eine Überprüfung der Arbeitssituation der Menschen in der Pflege. Sie können das nachlesen. Die Anerkennung von Berufsabschlüssen im Bereich der Integration ist im Arbeitsrecht eine durchaus wichtige Frage, der wir uns in den ersten 100 Tagen zuwenden wollen.

Wenn Sie mir - oder uns - mit Ihrer Bemerkung mit auf die Reise geben wollten, dass Sie die Arbeitnehmerrechte so behandelt hätten, dass wir sie während der ersten 100 Tage massiv und an vielen Stellen retten müssten, dann nehme ich das zur Kenntnis. Diesen Eindruck habe ich aber nicht gewonnen.

(Beifall FDP und CDU - Zuruf Wolfgang Baasch [SPD])

Sonntagsöffnungen und Bäderregelung sind immer wieder Thema in diesem Haus und in den Medien. Das hat einen nachvollziehbaren Grund: Einerseits gibt es die Bedürfnisse der Geschäftsinhaber und Kunden, andererseits diejenigen der Kirchen, Gewerkschaften, Beschäftigten und sicherlich auch ihrer Familien. Es treffen hier unterschiedlichste Interessen aufeinander, zwischen denen es zu einem Ausgleich kommen muss.

Die Sensibilität dieses Themas, sehr verehrter Herr Dr. Stegner, ist mir sehr wohl bewusst. In der Tat dürfen wir eines bei all diesen Diskussion nicht riskieren: hinter das zurückzufallen, was wir heute haben und was wir, wie ich glaube, als Konsens erst einmal gut finden.

(Lars Harms)